NACHWORT

VON DR. PHIL. ANDREAS SCHLUMBERGER, TRAININGSWISSENSCHAFTLER, TEAMLEITER REHABILITATION & PRÄVENTION, FC BAYERN MÜNCHEN

Eine meiner wichtigsten Aufgaben als Athletik- und Rehatrainer im Profisport ist es, Sportler vor schwerwiegenden Verletzungen zu bewahren oder sie nach einer Verletzung bestmöglich wieder zurück ins Spiel zu bringen. Es gibt nur sehr wenige Profisportler, die ihre Karriere ohne größere Verletzungen durchlaufen. Diese Menschen sind heutzutage sehr hohen Belastungen ausgesetzt. Und oft trifft es Talente schon in jungen Jahren, sodass deren Karriere dann auf dem Spiel steht. So lernte ich auch Berengar Buschmann als verletzten Leistungssportler kennen, als ich ihn und andere verletzte Profisportler in der Reha-Einrichtung von Klaus Eder betreute. Es freut mich daher sehr, seine erfolgreiche Entwicklung als kundiger und viel gefragter Experte im Trainings- und Therapiebereich zu verfolgen.

Die Betreuung von Nachwuchs- und Profisportlern im Fußball ist auch heute meine spannendste Herausforderung. Viele Jahre ging ich dieser Aufgabe als Fitnesskoordinator beim Deutschen Fußballbund und als leitender Athletiktrainer bei Borussia Dortmund nach, heute als Teamleiter der Prävention und Rehabilitation beim FC Bayern München. In diesen Jahren habe ich häufig feststellen können, dass die Faszien eine große Rolle bei einer guten Prävention und Rehabilitation spielen. Schon Mitte der 90er-Jahre zeigten mir die Erkenntnisse aus der Krafttrainingsforschung während meiner wissenschaftlichen Tätigkeit bei Prof. Dr. Schmidtbleicher an der Universität Frankfurt, dass der Funktionszustand der Faszien für die Kraftentfaltung bedeutsam ist.

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Eine gute Pflege unserer Muskeln und Faszien ist daher sowohl auf therapeutischer als auch trainingswissenschaftlicher Ebene sehr wichtig. Sicherlich darf man einige der übertriebenen Auswüchse des aufgekommenen Hypes rund um das Thema Faszien kritisch begutachten. Manche neu erforschten seriösen Ergebnisse sind aber auch für uns im Profisport sehr bereichernd. Daher sind die Forschungen von Dr. Robert Schleip und seinen Kollegen höchst interessant, nützlich für die Praxis und zukunftsweisend.

Als die beiden von mir geschätzten Autoren, Berengar Buschmann und Robert Schleip, mir ihr neues Konzept eines Faszien-Krafttrainings vorstellten, konnte ich den potenziellen Nutzen für Sportler und Nicht-Sportler sofort erkennen. Insbesondere die fokussierte exzentrische Trainingsweise kann für eine gute Leistung und Gesundheit von großem Vorteil sein. Auch im Profisport werden solche Trainingsformen bereits eingesetzt und bewähren sich seit vielen Jahrzehnten. Die Kenntnisse über den eigenen Bindegewebstyp und die persönlichen Baustellen sind von hoher Bedeutung für ein zielgerichtetes Krafttraining. Sogar Profisportler sind häufig sehr überrascht, welche Bewegungseinschränkungen, Überbelastungen oder Schwächen bei ihnen festzustellen sind. Sobald man diese Schwächen am eigenen Körper aufgezeigt bekommt, bedarf es danach nur noch wichtiger korrektiver Trainingsübungen. Dieses Buch gibt Ihnen einen bisher einzigartigen Einblick in die fokussierte Trainingsweise von Muskeln und Faszien.

Sie erhalten dadurch eine wertvolle Möglichkeit, Ihre persönlichen Schwachstellen eigenständig in den Griff zu bekommen. Die neuwertigen Inhalte dieses Buches und auch die darauf aufbauenden weiterführenden Techniken können in Zukunft noch spezifischere Trainingsformen ermöglichen.

Viele der hier vorgestellten neuen Forschungsergebnisse über die Faszien ermöglichen in der Sportpraxis eine bessere Arbeit im Detail. Dadurch profitieren nicht nur wir im Profisport, sondern auch Sie im Alltag. Daher hoffe ich, dass Sie als Leser dieses Buches das von Berengar Buschmann und Robert Schleip hier erstmals vorgestellte Faszien-Krafttraining für sich ausprobieren, um so die Vorteile für Ihren eigenen Körper zu erleben.

DANKSAGUNG

Vernetztes Arbeiten hat Power

Keiner von uns hätte dieses Buch alleine so weit gebracht. Wir bedanken uns in erster Linie für die hochkompetente fachliche und redaktionelle Unterstützung von Johanna Bayer sowie zusätzlich dem gesamten riva Verlag. Selten hat ein Projekt uns so sehr inspiriert und wurde von so vielen kreativen Zusatz-Impulsgebern und vielfältigen Unterstützern vorangetrieben wie dieses.

Unser großer Dank geht daher nicht nur an unsere verständnisvollen Freunde sowie kraftspendenden Familien, unsere unersetzlichen Lebensgefährtinnen Divo Gitta Müller und Larissa Schmelz, sondern auch an viele Fachkollegen im Gesundheitsbereich: das Team TYMGYM, insbesondere an Michael J. Schöller und Thorsten Hönig-Kalb, zudem an Markus Rossmann, Thomas Myers, Wilbour Kelsick und zahlreiche andere, die mit ihren Ideen und Beiträgen wissentlich oder unwissentlich zu diesem neuen Trainingsansatz beigetragen haben.

Wir bedanken uns auch bei

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in deren wunderschönem Studio an der Balanstraße in München wir unser Fotoshooting durchführen durften, samt den Helfern vor Ort und außerdem bei Adidas für die Bekleidung sowie bei allen Klienten und Probanden für das Vertrauen in unsere Arbeit.

DIE AUTOREN

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ROBERT SCHLEIP gilt als führender Faszienforscher Deutschlands. Er ist promovierter Humanbiologe, Certified Rolfer und Diplom-Psychologe. Zusammen mit Wissenschaftlern und Therapeuten arbeitet er in einem weltweiten Netzwerk an der Erforschung des muskulären Bindegewebes und leitet an der Universität Ulm seine eigene Forschungsgruppe, die Fascia Research Group. Zusätzlich arbeitet er als Manualtherapeut in eigener Rolfing-Praxis und hält international Vorträge zur Bindegewebsforschung sowie zu Physiotherapie, Trainingswissenschaft und Osteopathie. Im riva Verlag erschienen von ihm Faszien-Fitness (2014, gemeinsam mit Johanna Bayer) und Faszien in Sport und Alltag (2015, gemeinsam mit Amanda Baker).

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BERENGAR BUSCHMANN hat Sportwissenschaften studiert, ist ehemaliger Berufsfußballer, Physiotherapeut (B.Sc.), gefragter Referent und Personal Trainer. Als Bewegungstherapeut begleitet er Spitzensportler bei Turnieren und ist Experte auf dem Gebiet des funktionellen myofaszialen Trainings, des Myofascial Release, der myofaszialen Diagnostik und des Myofascial Taping. Er leitet sein eigenes Unternehmen TYMGYM – Transform Your Movements und ist zurzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fascia Research Group an der Universität Ulm.

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JOHANNA BAYER ist Wissenschaftsjournalistin und Autorin. Sie arbeitet für TV und Print zu Gesundheits- und Medizinthemen, darunter zu Muskeln und Bewegung, Ernährung, Hirnforschung und Krebs. Mit der Faszienforschung und ihrer Bedeutung für Alltag, Sport und Schmerztherapie hat sie sich seit 2012 intensiv beschäftigt, zusammen mit Robert Schleip ist sie Autorin des Bestsellers Faszien-Fitness, der 2014 im riva Verlag erschien.

LESETIPPS UND LINKS

Bücher

Faszien-Fitness. Vital, elastisch, dynamisch in Alltag und Sport von Robert Schleip und Johanna Bayer, riva Verlag, München 2014

Faszien in Sport und Alltag von Robert Schleip und Amanda Baker, riva Verlag, München 2015

Lehrbuch Faszien von Robert Schleip, Thomas Findley et. al., Urban & Fischer / Elsevier, München/Jena 2014

Exzentrisches Krafttraining: Auswirkungen auf unterschiedliche Maximal- und Schnellkraftparameter von Klaus Wirth, Schriftenreihe des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, 2011

Krafttraining – Die Enzyklopädie von Jim Stoppani, riva Verlag, München 2016

Programmgestaltung im Krafttraining von Mark Rippetoe und Andy Baker, riva Verlag, München 2016

Differenziertes Krafttraining: mit Schwerpunkt Wirbelsäule von Axel Gottlob, Urban & Fischer / Elsevier, München 2013

Optimales Krafttraining: Sport - Rehabilitation - Prävention von Jürgen Freiwald und Andreas Greiwing, Spitta Verlag, 2015

Richtig essen für die Faszien von Stephan Müller, Südwest Verlag, München 2016

DVDs

Faszien-Training von Berengar Busch-mann und Dennis Krämer, riva Verlag, München 2015

Blackroll®-Faszientraining mit Markus Rossmann, München 2015

Links

www.fascialfitness.de

www.fasciaresearch.de

www.transformyourmovements.de

www.perform-better.de

BILDNACHWEIS

Kapitelaufmacher und alle Übungsbilder: Nils Schwarz, www.nilsschwarz.com

S. 9 oben, 105 © Robert Schleip

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S. 22, 23, 24, 25, 26, 29, 99 © Berengar Buschmann

S. 30 © TYMGYM – Transform Your Movements

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S. 38, 45, 54, 58, 68, 71, 136, 138, 139, 142, 143, 144, 183, 268 © riva Verlag

S. 40 © Purslow, Peter P.; Trotter, John A.: The morphology and mechanical properties of endomysium in series-fibred muscles: variations with muscle length; Figure 2 B; URL: http://link.springer.com/article/10.1007/BF00123482

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S. 72 © riva Verlag in Anlehnung an Rode, Christian (2010): Interaction Between Passive and Contractile Muscle Elements: Re-evaluation and New Mechanisms, PhD thesis, Jena, Germany, siehe auch: http://wiki.ifstud.de/_media/biomechanik/projekte/interaktion_zwischen_passiven_und_kontraktilen_muskelelementen_neubewertung_und_neue_mechanismen_von_dr._christian_rode.pdf, basierend auf einer Illustration aus: Hill, A. V.: „The heat of shortening and the dynamic constants of muscle”. Proceedings of the Royal Society of London: Series B, 1938, 126, 136–195.

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S. 101 mit freundlicher Genehmigung von Robert Schleip, modifiziert nach: Reeves, ND, Narici, MV, Maganaris, CN (2006): »Myotendinous Plasticity to Ageing and Resistance Exercise in Humans.« In: Exp Physiol 91(3): 483–498.

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S. 110, 111 mit freundlicher Genehmigung von Robert Schleip, modifiziert nach: Kawakami, Y, Muraoka, T, Ito, S, Kaneshisa, H, Fukunaga, T (2002): In Vivo Muscle Fibre Behaviour during Countermovement Exercisen in Humans Reveals a Significant Role for Tendon Elasticity. J Physiol 540 (2): 635-646.

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S. 114 © Dr. Christian Schmelzer, Dr. Andrea Heinz, Institut für Angewandte Dermatopharmazie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e.V., Halle (Saale)

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KAPITEL 1

MUSKELN UND FASZIEN – DIE GRUNDLAGEN

In den ersten beiden Kapiteln dieses Buches beschäftigen wir uns mit den Grundlagen zu Physiologie und Mechanik von Muskeln und Faszien sowie den Prinzipien des Krafttrainings. Sie sind wichtig, um zu verstehen, auf welcher Basis wir unser neues Faszien-Krafttraining für die Arbeit mit Geräten aufbauen. Wir werden uns daher ansehen, welche Bedeutung Faszien konkret für die Formen der Muskelkraft, für die Arbeit der Muskeln insgesamt, als Formgeber, Haltespannwerk und wichtiger Teil im neuromuskulären Zusammenspiel haben.

Dieses Kapitel ist zunächst den Grundlagen zum Training der Arbeitseinheit Muskel-Faszie sowie dem körperweiten Fasziennetzwerk gewidmet. In den weiteren Kapiteln geht es speziell um Krafttraining und Muskelaufbau sowie um Trainingsprinzipien. Wer sich intensiv mit Training befasst hat, selbst Trainer oder Physiotherapeut ist, kennt einiges davon schon. Es könnte aber trotzdem nützlich sein, die Kenntnisse wieder aufzufrischen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Rolle der Faszien zu werfen.

EIN SYSTEM IN BEWEGUNG – WAS MUSKELN LEISTEN

Ohne Muskeln keine Bewegung: Hätten Organismen keine Strukturen, die mechanische Kräfte erzeugen, weil sie sich zusammenziehen, wäre Fortbewegung nicht möglich. Bewegung und Mobilität sind aber sehr komplexe Errungenschaften der Evolution. Neben den Muskeln braucht es dafür bei höheren Tieren einen ganzen Apparat – ein Gehirn, Knochen, Faszien, ein Nervensystem sowie Herz und Kreislauf.

Die Trainingswissenschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auf die großen drei dieser Bereiche konzentriert: Muskeln, Nerven- und Herz-Kreislauf-System. Ihre Leistungen sind Kraft, Koordination und Ausdauer – die wurden als trainierbar und optimierbar angesehen.

Neu hinzugekommen sind jetzt die Faszien – natürlich waren sie vorher schon da, nämlich als Teil des Bewegungsapparates und Teil der Muskeln. Sie wurden aber nicht als eigenständige Einheit betrachtet und nicht mit allen ihren Funktionen: Teil des Nervensystems, Spannungsnetzwerk, Überträger und Speicher von Kraft, unentbehrlich für Koordination, innere Wahrnehmung sowie das Gefühl für Lageveränderung und Gleichgewicht. Faszien spielen außerdem eine entscheidende Rolle bei der Schmerzentstehung und bei Verletzungen.

Der Leiter der Abteilung Sportmedizin und Rehabilitation an der Universität Ulm, Prof. Dr. Jürgen Steinacker, drückt es so aus: »Man hat Faszien vernachlässigt, weil man sie nicht verstanden hat.« Inzwischen versteht man sie jedoch besser – und nicht nur unter Faszienforschern ist klar: Es gibt viele gute Gründe dafür, den Faszien im Training besondere Aufmerksamkeit zu widmen und sich über gezielte Impulse für die Faszien methodische Gedanken zu machen.

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Biomechanik besiegt die Schwerkraft.

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Was Sie über Muskeln wissen sollten

Muskeln befinden sich im ständigen Aufund Abbau. Für sie trifft der biologische Leitspruch zu, der zunächst für das Gehirn geprägt wurde: »Use it or lose it« – nutze es oder verliere es. Dieses Prinzip gilt nicht nur für das Gehirn und die Muskeln, sondern auch für die Knochen, die Faszien und das gesamte Nervensystem. Das Motto ist ein funktioneller Grundsatz für viele Organe: Sie reagieren auf Training, ihre Leistungskraft passt sich den Anforderungen an, und der Körper baut sie ab, wenn sie nicht mehr benötigt werden – ein Gebot der Ökonomie.

Die sichtbaren und trainierbaren großen Muskelgruppen bestimmen unsere Körperform – und zwar zusammen mit den dünnen, silbrigen Faszienhüllen, von denen alle Muskeln umgeben sind. Die Rolle der Faszien ist dabei außerordentlich wichtig und geht weit über das Umhüllen hinaus – das wird uns im Folgenden noch beschäftigen.

Die großen Muskelgruppen – welche Muskeln trainieren wir?

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Der Aufbau eines Muskels

Muskeln bestehen aus vielen Tausenden von Fasern. Diese Muskelfasern können sich zusammenziehen und wieder entspannen – diese Fähigkeit zur Kontraktion versetzt sie in die Lage, Gliedmaßen oder Organe zu bewegen.

Die Muskelfasern sind immer in dichte Bündel gepackt und jeweils von Bindegewebe umhüllt. Dieses Bindegewebe ist Bestandteil des gesamten faszialen Netzes im Körper. Dabei ist genau dieses muskuläre Bindegewebe, also Bindegewebe innerhalb der Muskeln und um sie herum, im eigentlichen Sinne das, was Mediziner früher Faszien genannt haben. Dieser Begriff hat sich inzwischen allerdings erweitert auf das gesamte fasziale Netzwerk im Körper.

Für Sport- und Trainingswissenschaft besonders interessant sind die Teile des Fasziennetzwerks, die auch in Ruhe ständig unter einer leichten Vorspannung stehen und zum Bewegungsapparat gehören. Faszien und Muskeln gehen dabei eine ganz besonders enge Verbindung ein: Anders als bei anderen Organen umhüllen Faszien die Muskeln nicht nur, dienen also dazu, sie zu formen und zu versorgen. Sondern das muskuläre Fasziengewebe trägt auch ganz entscheidend zur biomechanischen Funktion des Muskels bei.

Wir gehen später noch darauf ein, jedoch ist es bei der Betrachtung der Faszien und ihrer Funktion wichtig, einen weiteren Aspekt im Auge zu behalten. Dabei geht es um die Rolle, die die Faszienhüllen rund um die Muskeln, aber auch das Fasziengewebe in der Unterhaut, bei kosmetischen Zielen des Krafttrainings spielen: Sehr viele Menschen gehen ins Studio, weil sie ihre Figur modellieren und bestimmte Körperstellen besser definieren möchten. Der Zustand des Bindegewebes ist dafür fast noch wichtiger als der der Muskeln – und dieser Zustand ist durch Training beeinflussbar.

Schicht für Schicht: Muskel und Faszie

Wenn der Muskel sich zusammenzieht, sorgen die silbrigen Hüllen um alle Faserbündel dafür, dass die Fasern gegeneinander gleiten.

Epimysium:

Die äußerste Faszienhülle des Muskels hält den Muskel in Form.

Faserbündel:

Tausende von Fasern bilden dichte Bündel.

Perimysium:

Die Faserbündel sind jeweils umhüllt von Bindegewebe.

Endomysium:

hauchdünne Bindegewebsschicht um einzelne Muskelfasern.

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Epimysien unter dem Mikroskop: Japanische Forscher haben bei einem Stück Fleisch das rote Muskelgewebe in Natronlauge aufgelöst. So bleiben wabenartigen Hüllen stehen: Das sind die Faszien.

Viele Frauen, aber auch Bodybuilder machen Muskeltraining mit dem Ziel, ihre Körperkontur zu definieren. Natürlich hilft es dabei, wenn man schlank ist, also wenig Fett unter der Haut hat. Aber das alleine reicht nicht aus – wie straff die Faszienhüllen sind, bestimmt die Form.

Muskelfasern und ihre Einheiten

Die von Bindegewebshüllen eingepackten Faserbündel der Muskeln bestehen aus kleineren Einheiten, die man nur unter dem Mikroskop sehen kann. Es sind die Myofibrillen. Myofibrillen sind die kleinsten Funktionseinheiten der Muskeln. Je nach Größe und Funktion stecken in einem Muskel mehrere Hundert solcher Myofibrillen. Sie bestehen wiederum aus vielen kleinen Kammern, den Sarkomeren.

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Der Muskel ist aufgebaut wie ein dickes Drahtseil – viele dicht gepackte Fasern bilden die Substanz.

Darin wirken zwei Sorten winziger fadenförmiger Proteine: Myosin und Aktin. Diese kleinen Eiweißfäden sind zuständig für die Kontraktion des Muskels. Sie überlappen einander, wobei die Myosine wie kleine Haken in die Aktinfäden greifen. Wenn ein entsprechender Nervenimpuls in den Muskel gelangt, greifen die Myosine mit ihren Haken in die Aktinfäden und ziehen sie zusammen. So verkürzt sich die Muskelfaser und wird dicker. Ein kontrahierter, angespannter Muskel, der Kraft entfaltet, besteht aus vielen verdickten Muskelfasern.

Typen von Muskelfasern

Bei den Skelettmuskeln unterscheidet man zwei Sorten von Muskelfasern sowie darin noch mehrere Untergruppen:

Typ I:

langsam kontrahierend, ausdauernd, Einsatz bei langsamer Dauerleistung – engl. slow twitch fibres, ST

Typ II:

schnell kontrahierend, schnell ermüdbar, Einsatz bei hohem Kraftaufwand für kurze Dauer – engl. fast twitch fibres, FT

Beide Fasertypen sind in allen Muskeln enthalten, allerdings zu unterschiedlichen Anteilen. Eine der Untergruppen bilden die sogenannten Intermediärfasern: Typ-IIFasern, die schnell zucken, aber ermüdungsresistent sind.

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Links Langstrecke, rechts Sprint – links mehr Typ-I-Fasern, rechts mehr schnelle Typ-II-Fasern

Der Anteil der jeweiligen Fasertypen ist genetisch bestimmt und unterscheidet sich auch je nach Muskelart: Bein- und Brustmuskeln enthalten mehr Typ-II-Fasern, Bauch- und Nackenmuskeln mehr Typ-I-Fasern.

Die Faseranteil ist außerdem unterschiedlich von Mensch zu Mensch: Es gibt Menschen, die einen hohen Anteil von Typ-II-Fasern haben, und andere, die mehr Typ-I-Fasern aufweisen.

Danach richtet sich auch die Eignung für bestimmte Sportarten: Sprinter, Turner, Gewichtheber haben mehr Typ-II-Fasern. Sie können schneller und voluminöser Muskeln aufbauen. Marathonläufer und Radfahrer haben oft mehr Typ-I-Fasern. Sie besitzen weniger Muskelmasse und bauen weniger schnell Volumen auf.

Alle verschiedenen Typen kommen bei beiden Geschlechtern natürlich vor.

Training und Muskelfasern

Die Ausstattung mit den verschiedenen Typen von Muskelfasern ist angeboren. Aber die vorhandenen Fasern werden durch Training leistungsfähiger. Unter anderem vermehren sich die Mitochondrien. Deshalb profitieren alle Menschen von Muskeltraining. Teilweise können schnell zuckende Fasern auch Funktionen der langsamen Typ-I-Fasern übernehmen, umgekehrt geht das nicht.

Starke Faszien durch Training

Die umgebenden Faszienhüllen verändern ihre Dicke und Qualität mit dem Training ebenfalls. Stark trainierte Extremitäten sind von kräftigen, dicken Faszien umgeben. Läufer haben zum Beispiel eine dicke Oberschenkelfaszie, was sich an der Form der Schenkel deutlich sehen lässt: Der linke Oberschenkel beim Läufer im Bild rechts wird gerade belastet, die kräftige Faszie mit der Sehnenplatte an der Außenseite des Oberschenkels ist deutlich zu sehen: Beide flachen den Oberschenkel seitlich ab. Es handelt sich um die Fascia lata und den Tractus iliotibialis.

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Der Oberschenkel von Läufern ist an der Außenseite abgeflacht, ein Zeichen für starke Faszien.

Wie Muskeln arbeiten

Viele Muskeln befinden sich in einer ständigen Grundspannung, dem Tonus. Ohne Muskeltonus könnten wir nicht sitzen, schon gar nicht stehen oder gehen. Die aufrechte Haltung auf zwei Beinen erfordert die ständige Arbeit von vielen Muskeln, deren Einsatz uns nicht bewusst ist. Ganz im Gegensatz zum ständigen Balanceakt beim Stehen, Gehen und Sitzen erschlaffen die meisten Muskeln jedoch im Tiefschlaf. Nur der Herzmuskel, die Muskeln für die Atmung sowie wenige andere sind weiterhin mit hohem Tonus versehen, etwa die Augenmuskeln. Unter Vollnarkose setzen allerdings fast alle Muskeln bis auf das autonom arbeitende Herz aus. Daher müssen Menschen auf dem Operationstisch künstlich beatmet werden, denn die Muskeln im Rachenraum erschlaffen und drücken die Luftwege ab.

Muskeln arbeiten im Team: An einer Bewegung sind immer mehrere Muskeln beteiligt, mindestens zwei, der Agonist und der Antagonist. Sie arbeiten im sogenannten Gegenspielerprinzip. Wenn sich einer zusammenzieht, dehnt sich der andere. Bei der Gegenbewegung wechseln sie die Rollen. Es gibt daher Agonisten, Spieler, und Antagonisten, Gegenspieler. Manchmal arbeiten auch mehrere Muskeln, man nennt sie dann Synergisten, Zusammenspieler.

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Spieler und Gegenspieler: Der Bizeps ist mal Agonist, mal Antagonist.

Wenn Muskeln arbeiten, also sich zusammenziehen, werden sie kürzer, länger oder behalten ihre Ausgangslänge bei. Diese drei Arten der Kontraktion nennt man konzentrisch (verkürzend), exzentrisch (verlängernd) und isometrisch (statisch).

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konzentrisch: verkürzend, positivdynamisch, einen Widerstand überwindend. Bewegung: Gewicht heben

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exzentrisch: verlängernd, negativdynamisch, haltend gegen Widerstand. Bewegung: Gewicht senken

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isometrisch: haltend-statisch, ohne die Länge zu verändern. Keine Bewegung

Diese drei Kontraktionsarten fordern Muskeln – und Faszien – unterschiedlich. Die isometrische Anspannung spielt für das Krafttraining heutzutage eine kleinere Rolle, anders als die beiden anderen Formen. Besonders wichtig und für uns entscheidend ist die exzentrische Kontraktion: Sie wirkt sich am stärksten auf das Wachstum des Muskels aus.

Muskeln können Gliedmaßen in Gang setzen, weil ihre Kontraktionskräfte auf Knochen und Gelenke übertragen werden. Die Verbindungsstellen zwischen Muskeln einerseits und Knochen mit Gelenken andererseits bilden Sehnen, aber auch andere fasziale Ansatzstellen an der Knochenhaut. Die Muskeln sind über Sehnen an Knochen befestigt und übertragen einen wesentlichen Teil ihrer Zugkraft darüber. Kein Muskel setzt direkt am Knochen an. Zwischen Muskel und Knochen ist also immer fasziales Gewebe, Sehnen und Knochenhaut, an der die Sehnen angewachsen sind.

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Die Sehnen der Hand bewegen die Finger – die meisten dazugehörigen Muskeln sitzen weit weg im Unterarm.

Für das Krafttraining an Geräten spielen auch miteinander in Verbindung stehende größere Einheiten von Faszien innerhalb des Netzwerks eine Rolle. Sie sind durch die neue Faszienforschung sowie die Arbeiten von Thomas Myers ins Blickfeld geraten und werden Faszienzugbahnen genannt. Diese Zugbahnen sind Ketten von Faszien und Muskeln über mehrere Glieder und Extremitäten. Mehr dazu finden Sie weiter unten im Abschnitt zu den Faszien.

Die richtigen Reize

Der Zug der Muskeln auf den Knochen bewegt die Gliedmaßen, gleichzeitig wirkt er aber auch als Wachstumsanreiz: Druck und Zug durch Sehnen und Faszien, die am Knochen ansetzen, lässt die Knochen stärker werden.

Auch hier wirkt das Prinzip »Use ist or lose it« – allerdings muss der Reiz ausreichend sein: Wenn die Knochen durch Druck oder Zug mindestens um 0,15 % deformiert werden, sind aufbauende Knochenzellen aktiv und sorgen für Knochenmasse. Doch bei langfristig zu geringer Anforderung bauen andere Zellen den Knochen stärker ab.

Das geschieht zum Beispiel sehr schnell bei Kranken und Bettlägerigen, aber auch bei Astronauten, die in der Schwerelosigkeit monatelang unterwegs sind und deren Muskeln zu wenig gefordert werden. Sie verlieren Muskel- und Knochenmasse, mitunter sogar in gefährlichem Ausmaß. Forscher haben deshalb einige Jahre damit zugebracht, Trainingsgeräte für die langen Reisen im All auszutüfteln. Diese nützen heute auch Bettlägerigen und Gelähmten. Muskeln, Knochen und Faszien, die wesentliche »Hardware« des Bewegungssystems, müssen also, um wachsen zu können, die richtigen Reize bekommen:

genügend Reize – Quantität

Reize in bestimmter Intensität – Qualität

Reize in wiederkehrender Folge – in Kontinuität und Zyklen

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Vibrationsplatte »Galileo«: Das Gerät vibriert und fordert damit die Muskeln zu Kontraktionen auf, was auch auf die Knochen wirkt. Es wurde ursprünglich für die Raumfahrt entwickelt. Heute trainieren in Kliniken auch Osteoporose-Patienten und Gelähmte damit.

Nur dann verändern sich Muskeln, und das Gewebe passt sich der Anforderung an. Zu schwache oder zu seltene Reize bleiben wirkungslos, zu starke richten Schaden an. Wie stark ein Reiz sein muss, damit er wirkt, hängt unter anderem vom individuellen Leistungszustand ab.

Die Kette von Reiz und Wachstum gilt auch für Nerven: Kommen keine Impulse in einem Nerv mehr an, bildet er sich zurück. In der Sportwissenschaft wird das Wissen um die richtigen Reize und die Anpassung des Körpers unter dem Begriff »Trainingsprinzipien« behandelt. Darauf gehen wir im nächsten Kapitel genauer ein.

Menschen und ihre Muskeln – die Unterschiede

Menschen sind unterschiedlich gebaut und reagieren auch unterschiedlich auf Training. Es gibt von Natur aus muskulöse und weniger muskulöse Menschen, das gilt für Männer ebenso wie für Frauen. Wie viel Muskelmasse er oder sie aufbauen kann und wie stark die Muskelkraft ist, ist im Wesentlichen genetisch festgelegt. Beide Geschlechter verfügen über dieselbe Menge von 650 Skelettmuskeln, die im Wesentlichen homolog und analog sind, also funktionsgleich. Der Unterschied besteht nur in Größe und Leistungsfähigkeit. Dabei gibt es allgemeine Unterschiede zwischen den Geschlechtern und typspezifische innerhalb der Geschlechter, was Muskelanteil, Fettanteil, Unterhautfettgewebe und Leistungsfähigkeit der Muskeln angeht. Individuelle Abweichungen vom Bauplan gibt es auch – einzelne Muskeln können sogar völlig fehlen. Es sind Muskeln, die keine große Funktion mehr im Körper haben; mehr dazu in Kapitel 6.

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In männlichen und in weiblichen Körpern sind potenziell dieselben Muskeln angelegt.

Meine Muskeln und ich

Alle Menschen, Männer wie Frauen, haben im Wesentlichen dieselbe Anzahl und Art von Muskeln.

Die Gene bestimmen jedoch den Anteil der Fasern in den Muskeln und ihren Anteil an der Körpermasse:

Männer haben einen höheren Anteil an Muskelmasse im Körper.

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Die Skelettmuskeln von Männern und Frauen unterscheiden sich daher in Größe und Stärke.

Das muskelaufbauende Hormon Testosteron, das Frauen weniger ausschütten als Männer, fördert eine kräftige, gitternetzartige Faszienstruktur. Männer haben deshalb größere, stärkere Muskeln und fester vernetzte Faszien. Frauen haben oft eine lockerere Faszien-struktur und neigen stärker zu Cellulite.

Es gibt aber je nach Hormonmischung große Unterschiede zwischen den Individuen.

Muskelanteil und Körpertypen

Muskeln wachsen, aber in Grenzen: Nicht nur die grundsätzliche Ausstattung des Körpers mit Muskeln ändert sich nicht, auch der mögliche Zuwachs an Volumen hat eine Obergrenze.

Wie dick die eigenen Muskeln werden können, ist genetisch festgelegt, auch, wie schnell sie wachsen: Manche Menschen bauen schnell Muskelmasse auf und werden sehr muskulös, andere bleiben hager und werden eher drahtig.

Krafttraining erhöht die Stärke der Muskelfasern und in diesen Fasern die Zahl der Myofibrillen. Der Muskel wird dadurch dicker, sein Querschnitt erhöht sich. Damit steigt die schiere Menge der Kraft erzeugenden Einheiten. Auch die Energie erzeugenden Zellstrukturen in den Muskeln, die Mitochondrien, vermehren sich durch Training: Der Muskel wird also leistungsfähiger und ausdauernder.

Interessant ist dabei, dass die Anzahl der Muskeln und der Muskelfasern nicht zunimmt. Sie ist von Natur aus festgelegt. Durch Training können also keine neuen Muskeln entstehen. Nur die Stärke und die Form der vorhandenen Muskeln verändern sich durch Training.

Wenn die Muskeln stärker werden und folglich mehr Kraft von Faserbündel zu Faserbündel weitergegeben wird, regt das auch die Faszien an, die das Muskelgewebe und jedes Muskelfaserbündel umgeben. Die Muskelfaszien werden dann parallel zum Muskeltraining fester und dicker. Je nach Typ gilt es, hier auszugleichen – wir kommen später noch darauf zurück.

Dass nicht jeder zum Modellathleten wird, wenn er trainiert, wussten natürlich schon die antiken Ausbilder der Gladiatoren. Hagere, drahtige Typen bauen weniger Muskelmasse auf, obwohl sich auch ihr Körper durch das Training modelliert und ihre Muskeln stärker werden. Schon im letzten Jahrhundert, besonders aber in den 1950er-Jahren, wurde dazu eine Einteilung der Menschen in Körperformen entwickelt: Humanbiologen beschreiben drei Großgruppen, sogenannte Konstitutionsoder Somatypen. Sie gelten für Männer und Frauen gleichermaßen. Die meisten Menschen lassen sich diesen Körpertypen ungefähr zuordnen, wobei es jedoch zahlreiche Mischtypen gibt. Allerdings gilt die frühere Verbindung von Körperbautypen und Psyche oder Intelligenz heute als widerlegt.

Doch im Fitnessbereich werden Konstitutionstypen als eine erste Orientierung für die Zuordnung von Trainingsformen und die Fixierung von Leistungszielen betrachtet. In der Humanbiologie und Sportanthropologie werden die Körperbautypen auch verwendet. Man ermittelt sie dort durch verschiedene Werte, darunter Körpergröße, Gewicht, Hautdicke an bestimmten Punkten, Umfang der Arme und Beine sowie Knochenbreite, zum Beispiel am Kniegelenk.

Analog zu den Körpertypen gibt es auch angeborene Bindegewebstypen. Diese natürliche Disposition ist ein außerordentlich wichtiger Faktor in Sport und Training. Er bestimmt unter anderem wesentlich die sportmotorische Beweglichkeit, ist aber auch bedeutsam für Verletzungen und Regeneration. Wir gehen darauf noch genauer ein, denn der angeborene Bindegewebstyp bestimmt auch, wie Sie trainieren sollten. Im Abschnitt zu den Faszien etwas weiter unten in diesem Kapitel werden wir Ihnen näher beschreiben, was es damit auf sich hat. In Kapitel 3 gibt es Selbsttests zur Bestimmung des eigenen Bindegewebstyps, die daran angepassten Übungspläne finden Sie in Kapitel 5.

FASZIEN UND MUSKELN

Faszien – der universelle Baustoff

Die Faszien durchziehen den Körper als universeller Baustoff. Biologisch gesehen haben sie viele Erscheinungsformen und Funktionen, anatomisch teilen sie den Körper in verschiedene Lagen und unterschiedliche Ebenen. Speziell die Faszien des Bewegungsapparates bilden nach neuen Erkenntnissen ein durchgängiges Netzwerk, das über lange Ketten Körperteile und Extremitäten miteinander verbindet und mechanischen Kräften unterliegt. Es werden aber auch Nervenimpulse und Reize innerhalb dieses Netzwerkes weitergegeben, sodass Verletzungen, Vernarbungen oder Veränderungen im Körper sich über die faszialen Verbindungen auf andere Organe und Körperebenen auswirken können.

Auch Bindegewebe, das nicht Teil des Bewegungsapparates ist, sondern um Organe herum liegt oder unter der Haut das Gewebe polstert, funktioniert als Reizweiterleitungssystem und Netzwerk. Da unzählige Nervenenden und Sensoren darin verlaufen, deren Reize ans Gehirn weitergeleitet werden, sehen Wissenschaftler heute das Bindegewebe als Teil des Nervensystems, insbesondere des vegetativen Nervensystems. Die Faszien gelten wegen der vielen Sensoren, die sie enthalten, als eines unserer reichhaltigsten Sinnesorgane.

Der Baustoff Bindegewebe erscheint im Körper überall in verschiedenen Formen. Wir geben hier nur einen groben Überblick, eine ausführliche Beschreibung finden Sie in Faszien-Fitness in Kapitel 2. Die Begriffe Faszien und Bindegewebe verwenden wir dabei weitgehend synonym, wie es sich seit dem internationalen Faszienkongress von 2007 zunehmend einbürgert.

Im Folgenden wird uns vor allem das straffe Bindegewebe beschäftigen, denn daraus bestehen die Muskelfaszien, Sehnen und Bänder, mit denen wir es im Training zu tun haben.

Grundstruktur des Bindegewebes

Faszien sind Gewebe aus Kollagenfasern und zusätzlichen anderen Elementen. Hier ein Überblick über die Grundstruktur:

Faszien

bestehen aus unterschiedlichen Schichten, Fasern, Zellen, Proteinen und Wasser.

enthalten Kollagen- sowie auch einige Elastinfasern.

setzen sich aus verschiedenen Zellen zusammen, wichtig sind Fibroblasten, Myofibroblasten, Adipozyten, Lymphozyten, Makrophagen und Mastzellen; Letztere gehören zum Immunsystem.

enthalten eine flüssige bis gelartige Substanz, die sogenannte Matrix, in den Zellzwischenräumen. Sie besteht aus Glukosaminoglykanen, Proteoglykanen, Hyaluronsäure, Chon- droitinsulfat, Dermatansulfat und weiteren Bestandteilen.

Der Anteil der Bestandteile, die genaue Zusammensetzung und die Art der Fasern sind abhängig von der Funktion im Körper und vom Organ, zu dem das jeweilige Gewebe gehört.

AUFBAU DES BINDEGEWEBES UND BESTANDTEILE

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Lockeres faseriges Bindegewebe