Irene Pietsch

Der Plot H. Heine

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Mandamos Verlag

Heinrich Heine als kenntnisreicher und gewitzter Kommentator der Gegenwart.

Stellen Sie sich einen schönen, geräumigen Clubraum im Sommer 2020 vor, in dem 25 Leute Platz finden, die Diskretionszonen einhalten und nicht über Lautsprecher miteinander kommunizieren wollen oder müssen. Es ist ein Klassentreffen. Die Ambitioniertesten aller Leistungskurse der Oberstufe des letzten besten Jahrganges kommen allmonatlich in der literarischen Werteerweiterungsgesellschaft des als „Assembly der Honourable 25 (Twentyfive)“ eingetragenen gemeinnützigen Vereins an unterschiedlichen Orten zusammen. Zur Diskussion steht dann jeweils die ganze Palette von Sinngebungen der Gebote, Verbote und Empfehlungen zur derzeitigen Situation, die einem schwebenden Verfahren gleicht, weswegen auch dieses Mal der Einstieg in die Debatte möglichst neutral gehalten wird, nachdem festgestellt worden ist, dass sich alle ordnungsgemäß angemeldet haben, was aus datentechnischen Gründen ohne Namensnennungen bekanntgegeben wird. Einer der Honourable 25 (Twentyfive) hat sich entschuldigt. Er sieht dem täglichen Wasserverbrauch der Sonnenblumen als Schnittblumen in beheizten Räumen zu. Sein Fernbleiben mitsamt professionsrelevanter Entschuldigung – er ist einer der größten Importeure von Trockenfrüchten - hätte nach neuen Erkenntnissen nicht öffentlich kundgetan werden müssen. Es wird kein Wortprotokoll geführt. Was gesagt werden muss, wird gesagt. Darüber hinaus nichts und leere Plätze sind allemal ein willkommener Anlass, sie mit Coronasicherheit zu belegen.

Die „Assembly der Honourable 25 (Twentyfive“) hat schon im digitalen Vorweg den Antrag gestellt, auch bei einer Teilnahme von nur 24 Teilnehmern oder weniger beschlussfähig sein zu können, falls Beschlüsse gefasst werden müssen, was soweit wie möglich vermieden wird, um die literarische Weiterverwertung nach jeweils ortsüblichen Maßeinheiten wie Joule, Kubik oder Yard nicht zu gefährden.

Im Weiteren geht es um die reale Inanspruchnahme einer Heinrich (Harry)- Heine – Gedächtnisstütze. Der Heine, der einst auf seinem Bettenlager in Paris die Fürsorge einer französischen Haushaltshilfe genoss und sie mit einer Eheschließung kurz vor Toresschluss krönte.

T 1 zitiert Heine in seinen Geständnissen im Winter 1854 zu einer Begebenheit mit Frau von Staël, die dem jungen Korsen Napoleon einen Besuch abstatten wollte.

…als dieser letztere ihr hierauf sein Bedauern vermelden ließ, dass er die verehrte Dame nicht empfangen könne, sintemalen er sich im Bade befände, soll dieselbe ihm die famose Antwort zurückgeschickt haben, daß solches kein Hindernis wäre, denn das Genie habe kein Geschlecht.

T 4: Da staune ich aber nicht schlecht.

T 1: Nicht wahr?!

Das Zitat – wie auch Heines torschlussendliche Eheschließung - müsste nun zur Weiterbearbeitung an den juristischen Berater der „Assembly der Honourable 25 (Twentyfive)“ verwiesen werden, der jedoch die Trinkgewohnheiten der Sonnenblumen als Schnittblumen in beheizten Wohnräumen beobachtet und ersetzt werden muss, was mühelos gelingt. Es meldet sich Teilnehmer 1.

Soll ich meines Bruders Hüter sein?

T 21:

Können Sie die Frage bitte unisex formulieren?

T 3:

Ich stehe auf Originalansagen.

T 1: Auf Sächsisch?

Zwei Teilnehmer setzen sich Masken auf und verlassen den Raum. Da ihre Garderobe über den jeweiligen Plätzen rechts und links von ihnen liegt, muss angenommen werden, dass sie sich in den dafür vorgesehenen Räumen frisch machen wollen und nicht die Runde der „Assembly der Honourable 25 (Twentyfive)“ verlassen, obwohl sie – wie jeder der Anwesenden weiß – Würdenträger sind, die spätestens eine Stunde vor Parlamentsschluss im Plenum zu erscheinen haben, um Abstimmungen beeinflussen zu können. Sie haben im Hinblick darauf die allmonatliche Zusammenkunft der „Assembly der Honourable 25 (Twentyfive)“ ans vorschriftsmäßige Ende der Sitzung legen lassen. War bis dahin kein Konsens erzielt worden – und sei es über eine Abstimmung – wurde der fragliche Diskussionsbeitrag in eine andere Sitzung übernommen oder an einen oder mehrere Ausschüsse überwiesen, was dazu führte, dass die „Assembly der Honourable 25 (Twentyfive)“ zu einer politischen Instanz aufgewertet wurde, die ihr erlaubt, ihre Treffen als halböffentliche Veranstaltungen zu gestalten und sich Influencer zu nennen, so sie eine bestimmte Anzahl von Sitzungen absolviert haben. T 10 und T 20 haben bereits ihr Soll erfüllt. Wie es scheint, gehen sie influenzen. Ein Nachzählen ergibt, dass es sich tatsächlich um T 10 und T 20 handelt, was nicht ohne Bedeutung ist, weil der Eindruck entstehen könnte, es wäre kein Zufall, dass T 10 und T 20 zusammen die Veranstaltung verlassen und daraufhin die irrige Meinung kursieren könnte, man müsse sich nur die zahlenmäßige Verdoppelung der eigenen Kapazität sichern, um Akzeptanz zu finden. Die Sicherstellung der Richtigkeit, wer unter welcher Nummer und mit welcher Begründung die „Assembly der Honourable 25 (Twentyfive)“ verlässt, ist seit der Betrauung mit politischen Aufgaben eine Auskunft, die benötigt werden könnte, falls die abgemeldeten Teilnehmer nicht im Parlament ankommen sollten.

T 1: Die Sicherstellung, dass es sich nicht um eine zufällige Verdoppelung von T 10 handelt, könnte problematisch werden. Man ist gerade dabei, die Gesetze umzutexten, hat aber noch nicht das Gelbe vom Ei gefunden, um Fälschungen vorzubeugen. Eva ist nun mal Eva und Adam bleibt Adam.

T 3: Man muss gar nicht so weit zurückgehen. Maria bleibt Maria und Joseph Joseph.

T 1: Verehrtes Mitglied, ich fürchte, Sie sprechen lediglich als Protestant. Die jungfräuliche Geburt dürfte eines der größten Hindernisse sein, das sowohl Wissenschaft als auch Gläubige auf den Plan gerufen hat, um sich bis zum heutigen Tage, selbst unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Frühform des Kaiserschnitts – des Augustus-, Hadrian – oder Titusschnitts - nicht einigen zu müssen. Sie könnten jedoch im ersten Schritt zu einer einvernehmlichen Niederkunft darauf hinweisen, dass der Papst Papst bleibt und – bei allen Gegenpäpsten, einem Papst emeritus, was eine umwälzende Reform an sich darstellt und allen Möchtegernpäpstinnen – die Anerkennung der modifizierten Unfehlbarkeit des Papstes wohl noch sehr lange auf sich warten lassen wird. Weniger kontrovers wird das Thema im Hinduismus behandelt, auch bei den alten Griechen, wo besonders Zeus unfehlbar sein wollte, aber ständig der Nachweis geführt wurde, dass er es keineswegs war.

T 4: Darüber kommt es zum 4. Rom! Die indischen Kardinäle dürfte es freuen.

T 1: Das ist mir zu nah an der Gegenwart. Ich spreche lieber vom 4. Byzanz.

Kaum gesprochen, öffnet sich die Tür und T 20 kommt zurück. Mit frischer Maske, ein Azzurro mit Duftnote „Irisch Moos“ statt „Farn“. Das erschwert das Durchdringen seiner ansonsten deutlichen Sprache umso mehr.

Könnten Sie bitte wiederholen, was Sie zu Rom gesagt haben“, fragt T 20, noch bevor er sich hingesetzt hat. Das 4. Byzanz? Wie soll das wohl…“

Die Teilnehmerkakophonie erlaubt keine genaue Aussage, was als Hinweis gedeutet wird, keine Abstimmung über das 4. Byzanz zuzulassen.

T 1 waltet seines Amtes, das ihm nach dem Senioritätsprinzip des klassischen Altertums zusteht und zitiert Heinrich Heine aus der Übersetzung eines auf Französisch geschriebenen Briefes.

Er genießt seinen Auftritt und überlegt, ob die französische Regierung mit Anordnungen im Durchschnitt gut durchdringt, weil nasale Laute mit Mund – Nasen – Schutz besser gesprochen werden können. Zumindest „Sonntag“ müsste francophon gesprochen werden, wenn die speziellen Anordnungen für Wochenenden in Deutschland zu einem Erfolg führen sollen.

„Sonntag“, sagt T 1 Francogermanisch. Ich zitiere:

Heine aus Paris am 11. April 1835 an Christine Belgiojoso:

Ihr Billet, Fürstin, ist sehr klar… Madame, man kann nicht schöner sein, als Sie an Leib und Seele.

Henri Heine

T 10 erscheint. Er hat bereits die Frischmachemaske abgenommen und wendet sich an T 2, der das Nichtwortprotokoll führt, um ihn zu erinnern, dass seine Abwesenheit notiert wird, damit es bei einer späteren Uneinigkeit, die unwahrscheinlich, aber nie auszuschließen ist, nicht zu Problemen kommt, die keine sein können, wenn er, T 10, für den Zeitraum seiner Abwesenheit mit einem Statement zitiert werden sollte.

T 1 ergreift erneut das Wort: Ich könnte jetzt den „Montag“ romanisieren, werde aber damit warten, um nicht in Verlegenheit zu kommen, ihre Aufmerksamkeit den nasalen Lauten zuzuwenden, wo es doch um einiges weniges mehr geht.

T 2: Können Sie mir einen Hinweis auf die protokollarische Niederlegung Ihres Hinweises geben?

T 1: Zur Zeit nicht. Ich muss die Software des Programms erst erstellen. Dieses war eine Vorversuchsphase, aber ich kann doch schon im Zuge der zu erwartenden Romanisierung der deutschen Sprache darauf hinweisen,

T 1 hält inne. Er wirft einen prüfenden Blick auf die „Assembly der Honourable 25 (Twentyfive)“. Sie kennen doch das Kürzel für Goethe?

Keine Antwort. T 1 wertet sie als Bekenntis, es nicht zu kennen und führt aus, dass es sich um Johann Wolfgang Goethe handelt, worauf beanstandet wird, dass das Adelsprädikat nicht berücksichtigt worden ist.

T 1 wehrt ab. Wahrer Adel brauche das nicht. Er möge jetzt die Gelegenheit bekommen fortzufahren.

Ob mit oder ohne Adelsprädikat - hinter die Schranken hätte zumindest JWG gehört, wenn nicht schon Christopher Marlowe, der sich als älterer Zeitgenosse von Shakespeare vor dem Geheimrat Goethe mit dem Thema eines hybriden Menschen beschäftigt hatte, dessen Paradebeispiel Ikarus ist. Als Papa Daedalus mit seinem abgehobenen Spross nicht mehr klar kam, mussten die Götter ihm die Flügel stutzen.

T 5: Könnte man nicht jetzt schon Nörologen und statt „ge“ „jott“ sagen?

T 1:… was nicht schlüssig erklärt, dass Gretchen keine Jöre und auch nicht nur scheinschwanger wird. Ich zitiere aus „Vorrede zur zweiten Auflage des Werkes „De L’Allemagne“ von Heinrich Heine am 15. Januar 1855 auf Französisch in Paris verfasst. Hier der erste Satz in deutscher Übersetzung:

Der begrenzte Raum einer Vorrede hätte mir nicht erlaubt, hier umfassend darzulegen, was ich dem Publikum in erster Linie mitzuteilen hatte. …

Ich kann nicht genug betonen, dass ich nicht die Absicht hatte, ein vollständiges Bild Deutschlands zu geben. Ich wollte nur an verschiedenen Stellen den Schleier lüften…