Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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© 2020 Rosemarie Johanna Sichmann
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783750450042
Mein Dank gilt allen Menschen, die Heilgebete bereits anwenden.
Sie helfen mit, unsere Welt im Innen und Außen gesund und
ausgeglichen zu erschaffen und zu erhalten.
Auf der Landesstraße, kurz vor dem Güterweg der zum Poidlhof führt, tut sich heute einiges. Viele Hilfesuchende sind zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Altbäuerin. Jeden Freitag nach dem Vollmond suchen in den frühen Morgenstunden Mütter mit ihren Kindern, Verletzte sowie jene die Zuspruch brauchen die Hilfe von der Anna. Manche von ihnen kommen in ihrer Berufskleidung, da sie anschließend die verloren gegangenen Stunden hereinarbeiten müssen. Nur die Begüterten kommen mit der Kutsche, um die Abkürzung über den Feldweg schnell hinter sich zu bringen, damit sie ganz vorne in der Reihe stehen.
Von weitem sieht die 62-jährige Anna den Strom der Menschen. Seit 4 Uhr früh ist sie auf den Beinen um die Tiere rechtzeitig versorgen zu können. Seit vielen Jahren schon stellt sie sich jeden Freitag nach Vollmond in den Dienst der Hilfsbereitschaft. Übernommen hat sie dieses Wissen und auch eine gewisse Gabe dazu von ihrer Großmutter. Als kleines Kind schon sah sie der Großmutter beim Besprechen der Krankheiten zu. Die ansonsten etwas hart wirkende Frau zeigte an diesen Tagen ihr weiches Herz und nicht selten umarmte sie auch mal ihre Enkelin. Neugierig saugte die kleine Anna alles auf was sie an Informationen bekam. Und manch verwunderter Blick traf das Kind, wenn sie die Großmutter beim Behandeln unterstützte und ihre kleinen Hände über Wunden hielt. Die Menschen dankten es der Bäuerin mit ein paar Groschen oder Naturalien, die nicht auf dem Hof hergestellt wurden.
Seit langem schon ist die Großmutter zu ihren Ahnen gegangen, doch unvermindert strömen die Leute zum Poidlhof zur Anna. Mit viel Geduld weist sie die Kranken in die gute Stube, wo ein großer Wasserkrug, ein paar Emailbecher und das geblümte Tischtuch den großen Esstisch zieren. Wer keinen Platz auf der harten Bank findet setzt sich auf den Boden. Da gibt es kein Drängeln, da jeder weiß, dass die Anna bis zum späten Abend alle versorgen wird. Ihre Kunde als Heilerin wird hinter vorgehaltener Hand weitererzählt und so kommt es, dass die Anna weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist.
Ihre aufgelegte Hand lindert den Schmerz, ihre Gebete erreichen jede Seele und bringen allemal Heil auf die Kranken und Verletzten. Egal, ob es sich um Entzündungen, offene nässende Wunden oder um gebrochene Gliedmaßen handelt. Sogar Warzen und Ausschläge verschwinden wie von Zauberhand. Tut das Kreuz weh, oder heilt ein Bruch am Bein schlecht, die Anna kennt das richtige Gebet dafür. Manche Besucher plagt das schlechte Gewissen, das Kind will nicht richtig gedeihen oder der Schlaf stellt sich nicht ein, obwohl der Körper von vieler Arbeit müde ist. Die Anna findet die richtigen Worte und oft gibt sie auch ein altes, selbst hergestelltes Hausmittel mit, welches die Heilung unterstützen soll. Nicht selten verirrt sich sogar ein Medicus zu ihr, dem die eigene Medizin nicht ausreichend hilft. Egal ob arm oder reich, jeder wartet geduldig auf den besonderen Moment, wenn die Anna ihre Aufmerksamkeit auf ihn richtet. Die Stube riecht an diesen Tagen oft nach Schweiß, Blut und anderen Ausdünstungen, doch das stört keinen so wirklich. Wenn Hilfe naht, nimmt der Mensch alles in Kauf, vom beschwerlichen Weg hin bis zu den langen Wartezeiten. Denn es lohnt sich allemal.
Und wenn auch die Gebete nicht für jedes Zipperlein helfen können, die ruhige Art von Anna und ihr Zuspruch helfen immer. Daher ist sie so beliebt bei allen, die sich auf den Weg zu ihr machen. Oft passiert es auch, dass man ein lautes „Vergelts Gott“ hört, wenn sich die Leute wieder auf die Heimreise machen. Das Herz ist erleichtert und die Seele kann wieder aufatmen. Den Menschen, die bei der Anna angeklopft haben, geht es besser und sie vertrauen auf die Kraft der Natur und des Gebetes, welches die Anna an sie weitergegeben hat. Und wer weiß schon, wann sie das nächste Mal die Altbäuerin aufsuchen werden. Das Leben verläuft nicht immer in den erwarteten Bahnen.
Als Anna den letzten Kranken an diesem Tag versorgt hat, streckt sie ihre müden Beine und setzt sich auf die Bank vor dem Haus, wo sie still die Weite der Felder rundum betrachtet und zufrieden von ihrem Tagwerk die Begegnungen nachwirken lässt. Doch nicht lange dauert diese Zwiesprache mit Gott und der Natur, denn sie hat noch vieles in der Küche und im Stall zu tun. Dort warten die hungrigen Mäuler auf ihr Fressen. Erst wenn die Finsternis ihre langen Schatten auf den Hof senkt und das sanfte Mondlicht beim kleinen Fenster hereinleuchtet, kommt Anna zur Ruhe. Die Nacht zum Ausruhen ist kurz, denn bald bricht ein neuer Tag mit harter Arbeit an. Die Bäuerin fühlt aber in jedem Moment, dass sie nicht alleine ist. Das gibt ihr Trost und Zuversicht für die Zukunft. Außerdem gibt es da ja bald Nachwuchs auf dem Hof. Der Bauch der Tochter hat sich schon ein wenig gerundet. Anna betet schon lange dafür, dass ein kleines Mädchen geboren wird, damit dieses Kind ihr Erbe annehmen und weitertragen kann und die Tradition des Händeauflegens und Betens nicht verloren geht…
Manches hat sich seit Annas Zeiten grundlegend geändert. Vieles davon ist jedoch gleich geblieben. Immer noch wird in vielen Kulturen Europas diese Heilmethode des Besprechens weitergegeben. Aber auch Quereinsteiger wie ich lernten dies auf ihrem eigenen Heilweg kennen und schätzen.
Ich frage mich oft in stillen Stunden, was eigentlich bei mir der Auslöser war, sich mit den alten Heilgebeten zu beschäftigen. Waren wirklich meine eigenen Erkrankungen „schuld“, oder war es einfach der richtige Zeitpunkt, mich auf diese Therapieform einzulassen und sie lieben zu lernen? Mein Weltbild musste sich drei Mal in meinem Leben grundlegend ändern, damit ich mich mit meinem neuen Berufsbild anfreunden konnte. Viel Leid, Schmerz und Erfahrungen durften von mir erlebt werden, um das Selbstbild als „Vermittlerin zwischen Himmel und Erde“ annehmen zu können.
Schon als Kind lernte ich das Besprechen durch eine pensionierte Schullehrerin kennen. Weil ich die, für mich damals mystische Energie spüren konnte, löste dieses Gefühl in mir Angst aus. Niemand erklärte mir diesen Vorgang des Besprechens, den ich bei meinem jüngeren Bruder miterlebte. Er hatte die Hände voller Warzen, wurde deswegen in der Schule gehänselt und keiner wollte ihm mehr die Hand reichen. Jeder ekelte sich vor den kleinen harten Knubbeln. Doch schon nach kurzer Zeit vertrockneten sie immer mehr und nur helle Schatten zeugten nach ein paar Wochen von ihrer ehemaligen Existenz. Das Wichtigste aber war, sie kamen nie wieder zurück. Dieses Erlebnis prägte mich wahrscheinlich in meinem Unterbewusstsein und Jahre später holte ich es wieder an die Oberfläche meines Verstandes.
In der Zeit nach meinen Erkrankungen begann ich mit der Reiki-Ausbildung. Hinter mir lagen Jahre, in denen meine Gesundheit oft schwer angeschlagen war. Dadurch hat sich mein Bild von der Schulmedizin gewandelt. Von einem Arzt mehrmals falsch diagnostiziert, wurde mein Leben darauffolgend von der Notfallmedizin im letzten Augenblick gerettet. Das Vertrauen schwand aber zunehmend. Die Ärzte gaben mir bei zwei verschiedenen Erkrankungen wenig Hoffnung auf Heilung. Worte wie: “Mit dem müssen sie lernen zu leben!“ wollten sich so gar nicht einfügen in mein Weltbild und meine geplante Zukunft. Mit drei kleinen Kindern hatte ich jede Menge Arbeit und Verantwortung und die Akzeptanz der schulmedizinischen Diagnose hielt sich sehr in Grenzen. Da begann ich zu suchen und wurde daraufhin bald fündig. Ich lernte Reiki-Behandlungen kennen und war fasziniert von dieser Energieform. Der Wunsch, dies selber bei mir und meiner Familie anzuwenden, war geboren und lies mich von diesem Augenblick an, nie wieder los.
Bei der in einer Lehre erlernten Büroarbeit stellte ich fest, dass dies zwar eine geldbringende Ergänzung in meinem Leben war, doch gefühlt war es nur unbefriedigende Arbeit. Erfüllung brachte sie nicht wirklich, die Tage waren immer irgendwie gleich. Wie anders war doch da das Eintauchen in der Energiewelt. Jede Behandlung brachte neue Erkenntnisse und veränderte mein Leben ganz dramatisch. Plötzlich stand der Heilung meiner Krankheiten nichts mehr im Wege. Laufend verbesserte sich mein psychischer und physischer Zustand zum Besseren. Ein innerer Drang ließ mir von nun an keine Ruhe und ich durchlief meinen Ausbildungsweg ohne wirkliche Verzögerung. Unser finanzieller Engpass durch Hausbau, Kinder und Unternehmensgründung meines Mannes war zwar für mich oft Thema, aber letztendlich ging es sich doch immer wieder aus.
Während dieser Ausbildung, die einige Jahre andauerte, lernte ich durch eine Reiki-Meisterin das Besprechen kennen. Die ersten Gebete fanden den Weg zu mir. In den folgenden Jahren sammelten sich immer mehr dieser Heilgebete bei mir und ich begann, zu jeder Reiki-Behandlung zusätzlich zu besprechen. In Österreich kennen wir nur den Begriff „wenden“. Hier geht man auch zu einer „Wendnerin“. (Die Erkrankung wird abgewendet.) Mein Verstand konnte sich wieder an das Erlebnis aus der Kindheit erinnern, dass mich unbewusst sehr geprägt hatte. Erste Erfolge stellten sich ein und nicht lange darauf kamen Menschen zu mir, die nur besprochen werden wollten. Auch heute noch finden immer wieder Hilfesuchende zu mir mit kleineren oder größeren Problemen, die ich für sie bespreche.