Ohne Angst, Anspannung und Schmerzen vertrauensvoll und achtsam
gebären
Anja Grapengeter
Einschneidend und gleichzeitig so wundervoll: Die Geburt eines Kindes ist im Leben der Frau ein unvergleichliches Erlebnis. Für viele Frauen ist es sogar DAS Erlebnis schlechthin, während wieder andere Frauen das Thema „Geburt“ möglichst schnell wieder vergessen möchten. Um nichts ranken sich gleichsam so viele Mythen, Weisheiten und tief verankerte Überzeugungen wie um den Vorgang der Geburt.
Während alt überlieferte Weisheiten und Hausmittel vielleicht für den einen oder anderen Erleichterung gebracht haben, wirken manche Vorgehensweisen auf wieder andere vielleicht sogar verstörend. Aber Fakt ist: Eine Geburt ist so individuell, wie der Mensch, den es betrifft, vielschichtig ist. Dieses Erlebnis ist also ein höchst persönliches Ereignis im Leben einer Frau und nur ihre Wünsche, Ängste und Anliegen sollten hierbei im Fokus stehen. Dies mag vielleicht sehr feminin-zentriert klingen, doch eine möglichst positive Voraussetzung für die werdende Mama zu schaffen, ist im Hinblick auf viele Faktoren absolut zentral:
Grundsätzlich ist auch davon auszugehen, dass der Vorgang der Geburt einen nachhaltigen Einfluss auf Mutter, Kind und deren Beziehung zueinander nimmt. Hier findet die erste „körperliche“ Begegnung zwischen Mutter und Kind statt und die Beziehungsgestaltung zueinander beginnt. Die Geburt ist sozusagen der „Setpoint“ der Interaktion zwischen Mutter und Kind.
Weiterhin ist der weibliche Körper das Medium für eine „erfolgreich“ oder zumindest „stressfreier“ erlebte Geburt. Das Zusammenspiel aus mentaler Einstellung und körperlichen Funktionen ist unglaublich bedeutungsvoll und in unserer Zivilgesellschaft häufig noch nicht so offenkundig wie in anderen Kulturen. Je besser Sie also Ihren Körper kennen und bewusst auf ihn und seine Funktionen Einfluss nehmen können, umso entspannter und gelassener können Sie dem Ereignis „Geburt“ entgegenblicken.
Dieses Buch soll unterschiedlichste Aspekte des Themas Geburt beleuchten und vor allem aber auch eine ganz persönliche Komponente für das Erlebnis der Mutterschaft beleuchten. Schon von Beginn an sähen Sie als Mutter auch die Potenziale und Ressourcen Ihres Neugeborenen an und können durch eine positive und wohlwollende Haltung bereits von Anfang an eine gute Ausgangslage schaffen. Gleichzeitig entlasten Sie sich in Ihrer Rolle als Mutter und können durch gezielte Interventionen vielleicht auch viel Spannungspotenzial aus Ihrer Paarbeziehung herausnehmen. Entdecken Sie durch viele praktische Übungen außerdem auch gezielte Entspannungstechniken und lernen Sie, schon vor der Geburt im Einklang mit Ihrem Körper zu arbeiten. So kann eine Geburt weniger als überwältigendes und furchtbares Ereignis wahrgenommen werden. Vielmehr können Sie sich durch gezielte Vorbereitung behutsam an das Thema annähern und das eigentliche Ereignis, nämlich den Geburtsvorgang, überblicken und positiv beeinflussen.
Wir wollen nicht nur einen angenehmen Geburtsverlauf erreichen, ohne Risiken für Mutter und Kind; wir müssen noch weiter gehen. Wir müssen begreifen, dass die Geburt eines Kindes nicht nur eine körperliche, sondern ganz grundlegend eine ebenso spirituelle Leistung ist… Die Geburt eines Kindes ist die unübertreffbare Vollendung menschlicher Liebe. Dr. Grantly Dick-Read (1953)
Der Frauenarzt Grantly Dick-Read begründete zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die Anfänge der Hypnobirthing-Philosophie. Im Grunde wurde er sich aufgrund der vorherrschenden niederen Verhältnisse, mit denen sich gebärende Frauen in dieser Zeit während einer Geburt konfrontiert sahen, über die Relevanz dieses Themas bewusst.
In den sozialen Brennpunkten des Londoner East Ends war er als junger Assistenzarzt hauptsächlich für Hausgeburten zuständig und fand dort regelmäßig prekäre Verhältnisse auf zweierlei Ebenen vor: untragbare hygienische Verhältnisse, zugige und dunkle Behausungen auf der einen Seite und auf der anderen Seite Geburten als Erlebnisse eines psychologischen Schlachtfeldes und mitunter brutalste Methoden Mutter und Kind gegenüber.
Eines Nachts kam er in die Situation, eine Frau spontan während ihrer Hausgeburt zu begleiten und bereitete sich vor, indem er Chloroform und Maske einpackte. Er fand jedoch eine Frau vor, die diese schmerzunterdrückende Methode vollkommen ablehnte und ihm ganz ruhig und bestimmt sagte, dass er zwar bei der Geburt dabei sein könne, sie jedoch jegliche Methoden dieser Art ablehne. Was der junge Dick-Read erlebte, war fantastisch: Eine Frau, die ohne sichtbar wahrzunehmende Schmerzen und voller Konzentration auf ihren eigenen Atem ein Kind zur Welt brachte. Er konnte dies gar nicht glauben und fragte die Frau nach ihrem Befinden. Diese entgegnete ihm, dass sie keine Schmerzen gehabt habe, das solle man schließlich auch nicht, oder?
Diese Antwort war maßgeblich für Dick-Reads Erkenntnis. Er berichtete seinen Kollegen von diesem Ereignis und erntete nur ungläubige Blicke. Im Verlauf seiner Karriere erlebte Dick-Read in den Zeiten politischer Unruhe immer mehr Frauen, die zwar unter heftigsten äußeren Begebenheiten, aber mit einer scheinbar totalen inneren Fokussierung und Ruhe und ohne großen Aufhebens ihr Kind zur Welt brachten. Dieser natürliche und undramatische Weg berührte ihn so sehr, dass er sich immer mehr mit dem Thema Geburt beschäftigte. Er stellte zunehmend infrage, was er bisher über „das Handwerk“ der Geburtshilfe gelernt hatte und zweifelte Interventionen wie Zangengeburten und Betäubungsmittel immer mehr an. Er war unter seinen Kollegen in der damaligen Zeit diesbezüglich ein Einzelkämpfer und doch gelang es ihm, folgende Fragen aufzuwerfen, die noch heute relevant sind:
Wie sieht der Weg zu einer natürlichen und sanften Geburt aus und was braucht es dazu?
Sind harte Interventionen von außen nötig und braucht es wirklich immer radikale und teils brutale Eingriffe?
Oder kann es sogar sein, dass die werdende Mutter der Experte ihres eigenen Körpers ist und der weibliche Körper vielleicht sogar alles mitbringt, was er für eine seiner essenziellsten Aufgaben benötigt?
Gibt es also Vorgänge und Mechanismen, auf die der Körper während des zweifelsohne anstrengenden Weges der Geburt zurückgreift, und wenn ja, wie können Frauen sich diese zunutze machen?
Definitiv war Dick-Read seiner Zeit voraus, denn er beobachtete Mütter, die nicht gelähmt vor Angst und Schmerz vollkommen natürlich ein Kind zur Welt brachten.
Sein erstes Buch veröffentlichte Dick-Read unter dem Titel Childbirth without Fear und ebnete zu seiner Zeit ganzen Scharen von Frauen friedliche und gewaltlose Geburten.
Die Geburt des Kindes wurde seit jeher als die ultimative Aufgabe des weiblichen Körpers verstanden. Aufgrund der offensichtlich existierenden Menschheit muss angenommen werden, dass jeder Körper zunächst einmal optimal dafür ausgestattet ist, ein Kind zu gebären. Abgesehen von massiven körperlichen Einschränkungen und medizinischen Notfällen sind naturgemäß alle Frauen in der Lage, ihr Kind auf natürlichem Weg und ohne Anwendung von Zwang und Schmerzen zu bekommen. Je nach Tradition und Kultur gibt es jedoch sehr konträre Ansichten zur Mutterschaft und Weiblichkeit. Lassen Sie uns hierauf einen Blick werfen, denn nur durch eine allgemeinere Sichtweise eröffnet sich auch für Sie ein Horizont von Möglichkeiten. Es wird Ihnen erlaubt, einen „Blick über den Tellerrand“ zu werfen und so zu sehen, dass Dinge, die wir ganz selbstverständlich hinnehmen, andernorts komplett anders gehandhabt werden.
In der westlichen Kultur ist seit Anbeginn der technisierten Wissenschaft eine sehr starke medizinische Orientierung zu beobachten. Dies ist extrem fortschrittlich und hat bereits viele fantastische Möglichkeiten geschaffen und im allgemeinen Feld der Gesundheitsfürsorge und Hilfe bereits wunderbare Dinge ermöglicht. Niemand wird die Potenziale dieser technisiert- wissenschaftlichen Seite leugnen, denn Sie leistet einen hervorragenden Rahmen für medizinische Notfälle. Wenn jedoch der Rahmen eine höhere Priorität erlangt als das Bild an sich, nämlich die Geburt, ist davon auszugehen, dass etwas schiefläuft und sich unstimmig anfühlt.
Für den Vorgang der Geburt ist ein sehr enger Rahmen vorgesehen, der die Frau bereits im Vorfeld in zahlreiche routinierte Vorgänge presst und von Bluttests und anderen ständig stattfindenden Vorsorgemaßnahmen, die jede Mutter routinemäßig durchlaufen soll, sehr geprägt ist. Diese Aufmerksamkeit für allerlei mögliche Gefahren macht den eigentlichen Vorgang der Geburt beängstigend. Die zahlreichen Sicherheitsmaßnahmen und jede neu eingeführte Methode implizieren, dass der Gefahr der Geburt und dem Risiko des menschlichen Seins nur die hochmoderne Technik gewachsen ist.
Für viele Frauen entsteht hier ein Gefühl der Hilflosigkeit: Sie fühlen sich dem auf sie zukommenden Erlebnis nicht mehr gewachsen, sondern unterwerfen sich dem oben beschriebenen vorgegebenen Rahmen.
Die normale westliche Geburt wird daher eher als medizinisch zu behandelnde „Krankheit“ wahrgenommen, die durch medikalisierte Methoden und Ansichten begleitet wird. In den Hintergrund treten hier die Wissensbestände von erfahrenen Hebammen und der eigentliche Charakter der Geburt:
Ein natürliches und wunderbares Ereignis.
Es scheint, als habe eine ganze Generation von Frauen ihr instinktives Wissen um das Gebärenkönnen verloren und sich teilweise einspruchslos einer medizinischen Führung unterworfen.
Es ist auffällig, dass die flächendeckenden Einsätze von geburtsmedizinischen Maßnahmen, wie der Einnahme von Pharmaka zur Einleitung von Geburtswehen, die wiederum eine rapide Zunahme von Dammschnitten durch die unnatürliche Wehenbeschleunigung nach sich zieht, extrem zunehmen. Woher rührt dieser Drang nach Einflussnahme auf das natürliche Geburtsgeschehen?
Tatsächlich ist der Mensch das einzige Wesen aller Säugetiere, welches die schutzbedürftigen Kinder routinemäßig nach der Geburt wegnimmt und zunächst erst einmal „fremdversorgt“. Es war und ist teilweise noch eine sehr gängige Methode, die Babys in Säuglingszimmern aufzubewahren, zu versorgen und sie dort verzweifelt schreien zu lassen.
Auf der anderen Seite muss natürlich auch betrachtet werden, dass die Kapazitäten der Krankenhäuser aus allen Nähten platzen und sogar Fälle von Frauen existieren, für die es schlicht und einfach keinen Platz gibt. Es wird also notwendig, sich sehr frühzeitig im Krankenhaus der Wahl anzumelden, um sich so zumindest einen halbwegs ruhigen Platz für die anstehende Geburt zu sichern. Die systematische Unterbelegung von medizinischem Fachpersonal und die schlechten Arbeitsbedingungen der Hebammen fördern vor allem eines: wenige Kapazitäten für die Frau und ihr Baby als persönlich zu betreuende Individuen. Hier gibt es sicherlich regionale Ausnahmen, doch die Lage in vielen Krankenhäusern ist verheerend. Die logische Folge, die sich aus diesen Gegebenheiten ergibt, ist vor allem eines:
ein chronischer Zeitmangel. Wenig freie Kapazitäten fördern natürlich immer schnellere und mitunter radikalere Maßnahmen. Man sollte ein Loblied auf die Krankenhäuser singen, die sich in diesen Zeiten trotzdem noch eine sehr persönliche Betreuung und Begleitung der Frauen auf die Fahne geschrieben haben.
Im Gegensatz zu unserer westlichen Zivilisation steht die Tradition der Lebensenergie in vielen östlichen Breitengraden der Welt.
Besonders die östlichen Weisheitslehren beschäftigen sich mit der universellen Lebensenergie („Chi“) und dem Ausgleich und der Balancierung der männlichen und weiblichen Energie (Yin und Yang).
In unsere Gesellschaftssprache übersetzt kann man sagen, dass die männliche Energie für alles Strukturierte, Erkenntnisgeleitete und Starke steht, während die weibliche Energie eher die Intuition, Weichheit und das Gefühl betont. Die östliche Lehre geht davon aus, dass ein optimales Leben nur gelingen kann, wenn sich beide Energieflüsse in Einklang miteinander stehen. Wir brauchen also die weibliche Intuition im Zusammenspiel mit der strukturierten, durchsetzungsstarken männlichen Energie.
Dies gilt in Anlehnung an die östliche Philosophie für alle Lebensbereiche – Politik, Kunst, Medizin, Architektur, persönliche Beziehungen bis hin zur Sexualität und Psychologie. All diese Bereiche „florieren“, wenn weibliche und männliche Energien in Einklang stehen.
Es ist also nicht zielfördernd, wenn Lebensbereiche oder Menschen ausschließlich männlich oder weiblich dominiert sind. Der östlichen Lehre zufolge müssen die Menschen zunächst eine Harmonisierung von Yin und Yang erreichen, um zielgerichtet und gut handeln zu können.
Der östlichen Auffassung zufolge ist außerdem der Mensch ein organischer Teil des gesamten Kosmos. Er hinterlässt also „Spuren“ und seine Intentionen und Handlungen stehen immer in Beziehung zur Umwelt.
Wie bereits angedeutet, ist in der Betrachtung zum Thema „Geburt“ die Lehre von Yin und Yang in der fernöstlichen Lebensweise traditionell und essenziell. Wie schon beschrieben, kann dies auf alle möglichen Bereiche des Lebens übertragen werden und bietet daher eine sehr gute Richtschnur, um Dinge angehen zu können.
Das männliche Prinzip, das „Yang“, hat eine ordnende und starke Energie und sorgt für Unterscheidungskraft und Klarheit. Demgegenüber steht „Yin“, das weibliche Prinzip, welches mit Hingabe und der Fähigkeit, zu empfangen, abzuwarten, zuzulassen und nachzugeben, ausgestattet ist. Beide Prinzipien stehen ständig in einer Beziehung zu ihrem jeweiligen Gegenpol. Um unser komplettes Potenzial zu entfalten, müssen beide Prinzipien harmonisiert werden. Überwiegt beispielsweise die männliche Energie, so mangelt es häufig der betreffenden Person an Kreativität und Muse, die für die Sinnvergabe an das Leben so essenziell sind. Zwar ist die Person hochgradig strukturiert und verstandsgeleitet, sie kann ihre Ressourcen jedoch nicht nutzen, da gewissermaßen eine Inspiration fehlt. Überwiegt hingegen das weibliche Prinzip, mangelt es häufig an einer gewissen Durchsetzungskraft und an der ordnenden Struktur, die der kreativen Kraft einen schützenden Rahmen geben kann.
Um beide Energien bestmöglich in Einklang bringen zu können, müssen wir also zunächst zur Selbsterkundung aufbrechen und herausfinden, inwieweit beide Potenziale bereits ausgereift sind.
Die Geburt als solche ist aus energetischer Sicht ein Zusammentreffen beider Energien. Hier verschmelzen die weiblichen Prinzipien des Nachgebens und Zulassens mit den männlichen Aspekten der Durchsetzungskraft und der bewussten Aktivität. In der buddhistischen Lehre entsteht Leid erst dann, wenn diese Gesetze missachtet werden und das Geschehen durch äußere Eingriffe und Kontrolle beeinflusst, unterbrochen und gelenkt wird.
Nachdem Sie nun einen Blick auf die unterschiedlichen Betrachtungen zur Geburt, gekoppelt an den jeweiligen kulturellen Hintergrund, werfen konnten und die Lehre des männlichen und weiblichen Prinzips kennengelernt haben, soll es an dieser Stelle nun mit der eigentlichen Philosophie des Hypnobirthing weitergehen.
Hypnobirthing ist sowohl Philosophie als auch Methode. Das Prinzip besagt, dass die Geburt für gesunde Frauen eine normale und natürliche Tätigkeit ist. Es ist nichts, was zuerst erlernt oder verstanden werden muss. Mütter haben, so wie alle anderen weiblichen Säugetiere auch, ein instinktives Wissen über das Muttersein. Vielmehr ist es heutzutage zentral, dieses instinktive Wissen wieder zu reaktiveren und unsere modernen Frauen wieder an ihre weiblichen Urkräfte heranzuführen. Durch Sozialisierung, also durch Erziehung und mediale Einflüsse, verwischen häufig instinktive Fähigkeiten. Diese können aber systematisch wieder freigelegt werden und die werdenden Mütter dürfen diese Fähigkeiten und das inkorporierte Wissen wieder fühlen und zulassen.
Genauso wie alle anderen Wesen der Natur wissen wir instinktiv, wie wir am besten gebären, ebenso wie ein Kind empfangen wird und wie die Entwicklung des Wesens, welches in sich getragen wird, bestmöglich unterstützt wird.
Die Mütter, die in die Methode des Hypnobirthings eingeweiht sind, lernen wieder, dass ihnen angeborene Geburtswissen des eigenen Körpers miteinzubeziehen, mit ihrem Körper zu arbeiten und sich während des Geburtsprozesses zu entspannen. So wird ermöglicht, dass die Geburt an sich ohne Verzögerung verläuft und der Prozess sogar verkürzt werden kann, da alle Beteiligten die ihnen angestammten Aufgaben erfüllen können.
Werdende Mütter dürfen sich darüber bewusst werden, dass sie:
… ihre Kinder in einer von ihnen geschützten Hülle tragen.
… durch die neun Monate lang erprobte Sauerstoff- und Nährstoffversorgung selbst die besten Nährenden für ihr Baby sind und dass sie es dadurch geschafft haben, dass das Baby neun Monate lang gewachsen ist und sich entwickelt hat.
… aufgrund der körpereigenen Hormone und Botenstoffe selbst in Abstimmung mit dem ungeborenen Baby darauf hinarbeiten, dass das Baby „heraus“ kommt, sobald Kind UND Mutter dafür bereit sind.
Die Methode des Hypnobirthing erkennt außerdem an, dass die Einheit zwischen Mann und Frau das Wunder des neuen Lebens auf den Weg gebracht hat und dass die Geburt somit dazu beiträgt, eine Einheit in der Familie zu schaffen. Dies bedeutet auch, dass der Geburtsvorgang in erster Linie der Mutter, dem Kind und auch dem Vater gehört und dass eifrige Geburtshelfer den Geburtsvorgang nach Möglichkeit ohne Eingriff geschehen lassen sollen.
Weiterhin wird davon ausgegangen, dass, obwohl die meisten Geburten an einem medizinischen Ort stattfinden, die Frau NICHT krank ist. Sie vollzieht lediglich einen der natürlichsten Vorgänge, für den ihr Körper ausgerichtet ist. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass folglich nur in den Geburtsvorgang in irgendeiner Weise eingegriffen werden sollte, wenn dies aus medizinischer Sicht von Nöten ist. Daher ist Hypnobirthing auch nicht als alternative Methode zu bezeichnen, denn es schließt eine medizinische Behandlung nicht grundsätzlich aus. Es spricht sich jedoch gegen routinemäßige und willkürliche Eingriffe aus, die nur aus der Intention geschehen, „die Sache schnell hinter sich zu bringen“.
Zwei der wichtigsten Säulen der Hypnobirthing-Methode sind Zeit und Ruhe. Dies bedeutet, dass die Frau alle Zeit hat, sich auf ihre Geburt einzustellen und dass alles nach ihrem Tempo ausgerichtet werden sollte. Die Frau spürt instinktiv, wenn es „so weit ist“, und gibt damit Rhythmus und Tempo des Vorgangs vor.
Außerdem bezieht dieser Faktor auch die Annahme mit ein, dass die anwesende Familie wesentlicher Teil der Gruppe der Geburtsbegleiter ist und auf deren Wünsche und Sorgen in Abstimmung mit der Mutter eingegangen werden muss. Wann immer es die Umstände erlauben, sollten zumindest Mutter und/oder Vater das Neugeborene empfangen dürfen und an Pflegemaßnahmen zumindest beteiligt sein. Eine routinemäßige Entfremdung ist nicht angebracht und stört die ersten Minuten im Leben des Kindes erheblich.
Die Hypnobirthing-Methode erkennt außerdem an, dass einschüchternde Gespräche, Drohungen und Sarkasmus gegenüber den Eltern und allen voran gegenüber der Mutter keinen Platz haben. Besonders wird außerdem auch auf das Hinweisen von hypothetischen Katastrophen verzichtet, wenn es dafür keinen ausdrücklichen Grund gibt oder keine medizinische Indikation vorliegt.
Der Methode des Hypnobirthing ist also eine grundlegende Philosophie mit demokratischem und friedvollem Charakter vorangestellt, die körperliche und mentale Prinzipien in den Mittelpunkt rückt.
Ein grundsätzliches Prinzip der Hypnobirthing geht davon aus, dass die Mutter und ihre mentale Einstellung der essenzielle Part sind, der eine Geburt leicht werden lässt. Doch wie kommt diese mentale Einstellung zustande und welche Rolle spielt hier vielleicht auch das Unterbewusstsein?
Durch die Psychoanalyse untersucht und in den wesentlichen Punkten erklärt, hat das Unterbewusstsein einen extrem hohen Stellenwert in den Abläufen unserer Psyche. Es ist also nicht als zweites Bewusstsein zu verstehen, sondern es wird aus verdrängten Inhalten und Erfahrungen, manifestiert im Bewusstsein, gebildet. Primär haben Menschen darauf zunächst keinen Zugriff. Das Unbewusste zeigt sich eher in Form von Ängsten, Zwängen und zunächst nicht nachvollziehbaren Abläufen, die einer Person im Alltag scheinbar zufällig passieren. Es kann oft nur retrospektiv nachvollzogen werden, indem Gefühle und Ängste reflektiert und damit sichtbar gemacht werden. Das Unbewusste wirkt aufgrund von lebensgeschichtlichen Erfahrungen und beeinflusst durch die manifestierte Struktur sowohl die Gegenwart als auch die Zukunftsplanung.
Unbewusste Strukturen werden nicht nur durch Ereignisse gebildet, sondern entstehen häufig erst in Beziehungserfahrungen und damit im Austausch mit anderen Personen. Insofern ist es nachzuvollziehen, dass gewisse Handlungen und Gefühle auch nur in der Begegnung mit anderen „wiederbelebt“ werden.
Das Unterbewusstsein ist also unter anderem maßgeblich dafür verantwortlich, dass psychische Prozesse ablaufen, die für den Betroffenen nur schwer nachzuvollziehen sind. Als Beispiele sind traumatisierende Beziehungserfahrungen oder nicht bewältigte Entwicklungskonflikte in unterschiedlichen Lebensphasen zu nennen. Als konflikthaft werden in der psychoanalytischen Psychologie Entwicklungsprozesse wie die Ausbildung eines autonomen Selbstverständnisses oder die Entwicklung der eigenen Individuation angesehen. In diesen Entwicklungsphasen können naturgemäß Fehler geschehen und lassen so „unbewältigte“ Konflikte zurück, die sich dann zugespitzt wiederum in Ängsten oder in Panik abzeichnen können. Trennungsängste, diffuse Panik vor zwischenmenschlicher Nähe oder eine übersteigerte Angst vor unkontrollierbaren Ereignissen können die Folge sein.
Das Unterbewusstsein hat also einen ständigen Einfluss auf unser Handeln und Tun und wirkt sich so auch auf unsere Ansichten zu bestimmten Themen aus. Häufig sind verinnerlichte Weisheiten ein Relikt aus der Kindheit. Auch negative Glaubenssätze wie „freu dich nicht zu früh“, die primär Warnung sein sollten, häufig aber eher angstmachend wirkten, werden noch von vielen Leuten verinnerlicht in sich getragen.
Das Unterbewusstsein trägt außerdem auch Überzeugungen über die Fähigkeiten der eigenen Person im Austausch mit anderen in sich. Wenn Menschen also früh die Erfahrung gemacht haben, keine Unterstützung zu bekommen, bildet sich über diese Annahme ein generalisiertes Konzept. Man schließt also vorsichtshalber auch in allen anderen Situationen darauf, dass es nahe liegt, keine Unterstützung zu bekommen und einen positiven Ausgang der Geschehnisse zu erwirken. Das Fatale ist, dass diese innere Überzeugung häufig so stark ist, dass sie zu einer Erwartungshaltung wird. Durch diese Erwartungshaltung formen sich jedoch unser ganzes Handeln, unsere Gefühlslage und unsere Ansichten. Wir verhalten uns also so, als wäre das Ereignis schon längst in einer negativen Weise eingetreten, obwohl das faktisch gesehen eigentlich noch gar nicht der Fall ist. Durch diese Haltung werden die Dinge jedoch häufig genau in die unerwünschte Richtung beeinflusst. Wir geben keinen Raum für ein Wunder oder einfach einen positiven Ausgang. Wir lassen durch unser eigenes Handeln für andere Akteure und für uns selbst nur so viel Spielraum, wie wir ihn uns selbst zugestehen und vorstellen können. Und wenn dieser Handlungsraum eben nur so begrenzt ist im Sinne von „ich bekomme KEINE Unterstützung“, dann werden wir unbewusst auch Versuche der Unterstützung von außen abwehren oder einfach nicht wahrnehmen. Unterstützt zu werden, ist also nicht in unserem eigenen Konzept über uns selbst vorhanden.
Fatalerweise bestätigt sich somit die negative Annahme und das generalisierte Konzept über den Punkt „Ich bekomme keine Unterstützung“ hat sich bewahrheitet.
Die Emotion der Angst wird als grundlegend behinderndes Element im Vorgang der Geburt verstanden. Unglücklicherweise ist der Rahmen, in dem die Vorbereitung auf Geburt und die Geburt an sich meist stattfindet, eher auf medizinische Interventionen als auf die bestmögliche, schützende Atmosphäre ausgerichtet, die die Mutter eigentlich so dringend benötigt. Um Angst als ein behinderndes Element während des Vorgangs der Geburt zu verstehen, schauen wir uns zunächst das Konzept der „Angst“ im eigentlichen Sinne an.
Ängste im Allgemeinen, und dazu gehören generell auch Panikattacken, sind zunächst eine vollkommen gesunde Reaktion unseres Körpers und unserer Psyche. Sie schützt uns vor unbedachten Handlungen und möglichen Gefahren, die durch uns selbst oder unsere Umwelt verursacht werden können. Das aus der Biologie bekannte „Fight or Flight Syndrom“, welches Säugetiere dazu veranlasst, sich entweder der Gefahr zu stellen und zu kämpfen oder blitzschnell die Flucht zu ergreifen, ist auch in unserem Körper genetisch verankert. Wir sind also darauf programmiert, in unbekannten oder furchteinflößenden Situationen Adrenalin auszuschütten, um vollkommen wach und klar reagieren zu können. In der Steinzeit hat uns dies beispielsweise davor bewahrt, von Löwen gefressen zu werden oder steile Klippen hinunterzustürzen. Die Angst als solche war also als lebenswichtig zu bezeichnen und erfüllte wichtige Funktionen.
Angst im modernen Alltag äußert sich auf der Körperebene aber auch durch lähmende Mechanismen wie Schwindel- und Übelkeitsgefühle, rasender Puls, Atemnot oder Taubheitsempfinden. In der psychischen Dimension wirkt Angst ebenfalls unproduktiv: rasende Gedanken, das Einbilden von Horrorszenarien, das Gefühl, wahnsinnig zu werden, und eine Bewegungslosigkeit auf mentaler Ebene. Insofern sind diese Mechanismen nicht als lebenswichtig, sondern eher als höchst störend zu bezeichnen. Was geschieht also auf der mentalen Ebene, welche Prozesse sind im Wesentlichen für Angst und Panikattacken verantwortlich und ab welchem Punkt wurde Angst im Geburtenvorgang aus historischer Sicht etabliert und verinnerlicht?
Während Geburten früher einfach zum Leben einer Frau dazu gehörten und in unterschiedlichen Kulturkreisen sogar als zu verehrende Vorgänge gefeiert wurden, ist dieses Erlebnis heutzutage in vielen Fällen eher von Angst besetzt.
Die moderne Technik der Medizin hat unglaublich Gutes für die werdenden Mütter ermöglicht: verbesserte medizinische Betreuung, im Notfall schnelle Interventionen und ein weiter vertieftes Fachwissen.
Im Zuge der Industrialisierung und dem Ausbau der modernen Vernetzung wurde allerdings vieles auch um einiges technisierter: Es war eine Errungenschaft, Dinge messbar und technisch darstellbar werden zu lassen. Abgesehen von dem großen medizinischen Nutzen der Interventionen bezüglich der Geburtshilfe hat sich jedoch auch im Rahmen der geburtlichen Vorbereitung einiges geändert: Es werden viele und aber viele CTG’s geschrieben, Routineuntersuchungen, Bluttests und Ultraschallkontrollen durchgeführt. Was den einen Sicherheit gibt, ist für die anderen ein Kontrollaspekt: „Gibt es vielleicht heute ein schlimmes Ereignis?“ „Was kann uns die Kontrolle vorhersagen?“, „Ich fühle mich momentan nicht gut, darauf muss es doch eine Antwort geben!“
Besonders für die feinfühligeren Menschen unter uns ist diese Prozedur mitunter belastend. Sie verlernen, sukzessive auf ihr eigenes Gefühl zu hören und ihrer Intention zu trauen – hinzuspüren, sich einzulassen und durch ihre eigene mütterliche Intention genau das Richtige zu tun.
Genau diese Entfremdung, die der medizinische Fortschritt mit herbeigeführt hat, sorgt in der Konsequenz für ein verringertes Vertrauen in das eigene Selbst und lässt die Geburt schließlich zu etwas Unnahbarem und zu einem verheißungsvoll schmerzhaften Ereignis werden. Während Geburten früher noch „einfach passierten“, ist es heute bereits Wochen im Voraus ein riesiges Event, was durch alle möglichen Institutionen schon routinemäßig begleitet wird.
Hypnobirthing soll die Frauen wieder in ihre Kraft bringen, ihnen ein Teil ihres verlorenen Gefühls zurückgeben und dazu führen, dass sie sich selbst wieder als kraftvolle und gebärend starke Frauen anerkennen lassen.
Angst spielt sich gewissermaßen zunächst im Kopf ab und spiegelt sich dann nach außen wider. Angst wird, kurz gesagt, als störend empfunden, wenn sie gewisse körperliche Prozesse blockiert. Wie viele andere Emotionen wird auch Angst durch Hormone und Botenstoffe ausgelöst und eingeleitet. Das Stresshormon Cortisol ist im Wesentlichen dafür verantwortlich. Cortisol in einem angemessenen Rahmen ist dagegen für den Körper sehr nützlich. Beispielsweise flutet dieses „Wachmacherhormon“ jeden Morgen gegen fünf Uhr unseren Körper, um uns auf den bevorstehenden Tag vorzubereiten. Genauso wirkt Cortisol auch im kleinen Rahmen. Es hilft uns, aufmerksam bei der Sache zu sein und es kann so eigentlich nützliche Dienste leisten. Auch in Prüfungssituationen herrscht häufig ein gewisses positives Stresslevel, was sehr hilfreich ist, um eine gewisse Leistung auf den Punkt abzuliefern.
Wie geschieht es nun jedoch, dass diese Stoffe im Körper nicht mehr förderlich, sondern behindernd wirken? Und vor allem: Kann man diese körperliche Ausschüttung irgendwie beeinflussen?