Eine große, unüberschaubare Menschenmenge säumt, an diesem sonnigen, doch kalten 8. Dezember des Jahres 1936 das Gelände der Deutschen Werke in Kiel.
Das größte und neueste Schlachtschiff des Deutschen Reiches wird heute an der Helling 1 vom Stapel gelassen.
Neben den Werftarbeitern sind, wie immer bei solchen Anlässen wichtige Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Militär anwesend. So auch Generaloberst Werner von Fritsch, seines Zeichens Oberbefehlshaber des Heeres, welcher die Taufrede des noch als Schlachtschiff „E“ bezeichneten Schiffes hält.
Die eigentliche Taufe vollzieht wenig später die Witwe des letzten Kommandanten des kaiserlichen Panzerkreuzers „Gneisenau“, Kapitän zur See Maerker.
Sie schließt mit den Worten „... und so Taufe ich dich auf den Namen Gneisenau!“.
Schon beim Stapellauf hinterlässt Deutschlands zukünftiges Flottenflaggschiff einen bleibenden Eindruck, da es nicht genug abgebremst werden kann und die gegenüberliegende Kaimauer rammt. Das Schiff selbst wird nicht nennenswert beschädigt, doch die Mauer wird circa 4 Meter eingedrückt.
Nach der Zeremonie wird die „Gneisenau“ zum Ausrüstungskai gebracht, um dort komplett aufgerüstet zu werden. Aufbauten, Funkmessgeräte, Schornstein, Inneneinrichtung, Flugabwehrkanonen aller Kaliber, Mittelartillerie vom Kaliber 15 cm, schwere Artillerie vom Kaliber 28 cm, Elektronik und alles andere, was diese Ansammlung von Metall, Holz und anderen Stoffen zu einer stählernen Festung auf See macht.
*
Die Schiffe der „Scharnhorst“- Klasse wurden als die Panzerschiffe „D“ und „E“ geplant. Damit sollte das Konzept der „Deutschland“- Klasse, welches auf, schneller als Stärkere und stärker als Schnellere hinauslief fortsetzen und erweitern.
Doch als man im Marineministerium von der französischen Antwort auf die „Deutschland“- Klasse, in Form der Schlachtkreuzer der „Dunkerque“- Klasse erfuhr, welche Schwerer, Größer, Schneller und mit 8 33 cm Geschützen in zwei Vierlingstürmen auf dem Vorderdeck schwerer Bewaffnet sein würden, stelle man das Konzept in Verkörperung dieser Schiffe in Frage.
Die beiden Panzerschiffe „D“ und „E“ sollten als Ersatz für die beiden hoffnungslos veralteten Linienschiffe „Elsass“ und „Hessen“ dienen. Doch verbot das, immer noch geltende Versailler Diktat Schiffe über 10.000
Tonnen zu bauen. Nichts desto trotz begann man mit der Planung. Ausgangspunkt war die Vorstellung von Admiral Erich Reader von Schiffen mit 15.000 Tonnen bis 18.000 Tonnen und einer Armierung von 9 x 28 cm Geschützen in 3 Drillingstürmen. Die neuen Schiffe müssten einen Gürtelpanzer aufweisen, welcher die Treffer von 33 cm Granaten überstehen und zumindest eine Dicke von 320 mm aufweisen sollte. Zusätzlich wurden Überlegungen in den Schutz vor Luftangriffen mit Bomben investiert, da es sich zeigte, welche immense Gefahr dies für Schiffe bedeutete.
Im Sommer 1933 wurde ein Entwurf für eine verbesserte „Deutschland“- Klasse diskutiert, welche eine Typenverdrängung von 26.000 Tonnen haben sollte. Das Kaliber wurde endgültig, nachdem auch das Kaliber 33 cm zur Position stand auf 28 cm festgelegt.
Der Antrieb sollte, um Gewicht zu sparen durch neue Hochdruck- Heißdampfanlagen erfolgen.
Auf Grund dieses Konzeptes wurden am 25. Januar 1934 zwei Schiffe in Auftrag gegeben.
Ihre Kiele wurden am 14. Februar 1934 in der Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven und bei den Deutschen Werken in Kiel gesteckt.
Da der Entwurf, trotz allem stark an die „Deutschland“-Klasse angelehnt blieb und endgültig mit nur 6 28cm Rohren ausgerüstet werden sollte, was im Vergleich mit der „Dunkerque“- Klasse recht dürftig war, gab es in Marinekreisen sehr viel Unruhe und die Forderung nach einem dritten Geschützturm wurde immer lauter. Man wollte keine Schiffe bauen, welche von Anfang an dem potentiellen Gegner Frankreich unterlegen wären.
Diese Forderung konnte der Führer des Deutschen Reiches, Adolf Hitler aus politischen Gründen nicht nachgeben.
Die Weigerung Hitlers war jedoch nur von kurzer Dauer und im Juli 1934 gab er seine Zustimmung für den Einbau eines dritten Drillingsturms.
Daraufhin wurde ein sofortiger Baustopp für die beiden Schiffe befohlen und ein entsprechend neuer Entwurf wurde erarbeitet.
Im Frühjahr 1935 war dieser Entwurf ausgearbeitet und die vorherigen Panzerschiffe „D“ und „E“ wurden nun im Mai und Juni als Schlachtschiffe „D“ und „E“ ein zweites Mal auf Kiel gelegt. Die letztendliche Wasserverdrängung betrug nun 35.540 Tonnen, die Bewaffnung bestand aus 9 x 28, 3 cm Geschützen in drei Drillingstürmen mit einer Maximalreichweite von 49.930 Metern, wobei zwei vorn und einer achtern untergebracht wurden. Beim Bau der Schiffe wurde die Option einer späteren Aufrüstung auf 3 x 38 cm Zwillingstürme von Anfang an mit eingeplant. Von der Größe und Verdrängung der Schiffe her, war dies ohne weiteres möglich, doch waren die Geschütze größeren Kalibers noch nicht Einsatzreif und die Indienststellung der beiden Einheiten hätte sich um mindestens ein Jahr, wenn nicht gar fast zwei Jahre verzögert.
Nach der friedensmäßigen Planung sollte die Umrüstung im Winter 1940/ 41 erfolgen. Das wäre kurz nach der Indienststellung der „Bismarck“ gewesen.
Die Mittelartillerie sollte ursprünglich aus 12 Geschützen in 6 Doppellafetten bestehen. Doch aus Gründen der Gewichtseinsparung entschied man sich für nur 4 Geschütze in Doppeltürmen. Die restlichen 4 Rohre standen in Einzellafetten mit, nach hinten offenem Schild. Bei den Doppellafetten entschied man sich für die Standart- 15 cm SK L/ 55 C/ 34 mit einer maximalen Reichweite von 23 Kilometer und für die Einzelgeschütze nahm man die 15 cm SK L/ 55 C/ 35 mit einer etwas geringeren Reichweite.
Beide Modelle besaßen jedoch keine Luftzielfähigkeit.
Eben diese Aufgabe sollte die schwere Flak übernehmen. Sie bestand aus 14 x 10,5 cm Flak SK L/ 65 C/ 33 in 7 Doppellafetten. Je 3 mittschiffs, beiderseits des Schornsteins. Die siebente Doppellafette stand mittschiffs vor dem achternen 28 cm Turm auf dem Aufbaudeck. Diese Geschütze hatten eine maximale Reichweite von 12, 5 Kilometern. Bei dieser Klasse wurde auch zum ersten Mal ein komplettes Flak-Feuerleitsystem eingesetzt. Es bestand aus 4 voll stabilisierten Flugabwehr- Leitständen SL 6, welche jeweils beiderseits des Turmmasten und des Schornsteins eingebaut wurde. Die leichte Flugabwehr-Waffe bestand aus 16 x 3, 7 cm Flak in Doppellafetten und 10 x 2 cm Flak in Einzellafetten.
Beide Einheiten der „Scharnhorst“- Klasse sollten keine Torpedobewaffnung erhalten.
Sie bekamen jedoch eine Flugzeughalle und zwei Katapulte. Eines wurde vor dem achteren Artillerieleitstand installiert und das zweite auf dem Turm „Cesar“.
Als Ausstattung wurden Heinkel He 60 verwendet, welche ursprünglich durch die He 114 ersetzt werden sollten, doch entschied man sich für das Standartbordflugzeug der Kriegsmarine, der Arado Ar 196.
Die eingebaute Hochdruck-Heißdampfanlage ermöglichten dem Schiffen eine rechnerische Höchstgeschwindigkeit von 32 Knoten, welche bei Probe- und Ausbildungsfahrten mehrmals gebrochen wurde. Die drei Turbinensätze hatten einen Turbinendruck von 44 atü und eine Dampftemperatur von 4700 Grad Celsius. Sie erzeugten je eine Leistung von 53.350 Wellen- PS, also eine Gesamtleistung von 160.050 WPS. Sie waren die Leistungsstärksten Anlagen, welche je auf einem Deutschen Kriegsschiff installiert wurden. Selbst die Turbinen der „Bismarck“ und „Tirpitz“ kamen nicht an sie ran.
Auch bei der Panzerung und der Grundkonstruktion verblieb man beim bewährten Konzept der Deutschen Marine, welches den Faktor „Standfestigkeit“ den absoluten Vorrang vor allem gab. Dieses Konzept wurde durch den Verzicht auf ein stärkeres Kaliber noch verstärkt, denn nun konnte man das dadurch eingesparte Gewicht in einen noch besseren Panzerschutz investieren.
Bei den beiden Schiffen der „Scharnhorst“- Klasse wurde erstmals das neu entwickelte Panzermaterial „Wotan hart“ (Wh) und „Wotan weich“ (Ww) verwendet. Diese Baustoffe ersetzten den bisherigen Schiffbaustahl im Bereich Außenhaut und Horizontalschutz.
Der Hauptpanzergürtel war mit 350 Millimeter Dicke und 5 Metern Breite stark genug, um 33 Zentimeter Geschossen stand zu halten, als den Hauptgeschützen der französischen „Dunkerque“- Klasse zu widerstehen.
*
Die Indienststellung des Schlachtschiffes „Gneisenau“ erfolgt am 21. Mai 1938. Noch vor dem Typschiff, der „Scharnhorst“.
Doch ist das Schiff bei weitem noch nicht fertiggestellt.
Die Sudetenkrise und die damit einhergehende, sehr angespannte politische Lage empfehlen dieses Datum der Indienststellung, da Deutschland dringen Einsatzbereitschaft und Stärke, auch zur See demonstrieren muss. Erst im Juni erhält sie ihre vorderen Fla- Leitstände. Anfang August 1938 unternimmt sie eine Erprobungsfahrt in nördliche Gewässer und in den Nordatlantik. Nach ihrer Rückkehr fungiert sie bei der Kieler Flottenparade am 22. August 1938, zu Ehren der Indienststellung des schweren Kreuzers „Prinz Eugen“ als Flottenflaggschiff. Diese Indienstellung fällt zusammen mit dem Staatsbesuch des ungarischen Reichsverwesers Admiral Nikolaus Horthy von Nagybanya. Dementsprechend groß wird dieses Ereignis inszeniert. Bei dieser Gelegenheit, inspiziert der Führer Adolf Hitler das neue Deutsche Flottenflaggschiff etwas genauer, die Führerstandarte wird am Hauptmast, als sichtbares Zeichen der Anwesenheit Hitlers gehisst. Auch der ungarische Regent lässt sich die Gelegenheit einer genaueren Betrachtung des Schiffes nicht entgehen, ihm zu Ehren weht auch die ungarische Nationalflagge am Hauptmast.
Nach der Flottenparade geht die „Gneisenau“ für Rest- und Umbauarbeiten nochmals in Kiel in die Werft.
Unter anderem hat sich bei der ersten Erprobungsfahrt gezeigt, dass der Bug für Atlantikunternehmungen nicht geeignet ist. Es kommt dermaßen viel Seewasser über, das Einsatz des Türms „Anton“ stark eingeschränkt ist und es, durch eindringendes Seewasser zu Kurzschlüssen in den elektronischen Bedienelementen kommt, so dass der Geschützturm sogar teilweise komplett ausfällt. Daher wird in der Werft ein neuer „Atlantikbug“ angebaut, auch neue Decksklüsen für die Anker werden installiert, welche das Spritzwasser nochmals reduzieren. Der Schornstein erhält eine große Schrägklappe.
Nach diesen Rest- und Umbauarbeiten geht es vom 12. Juni 1939 bis zum 28. Juli 1939 zu einer Ausbildungsreise, zusammen mit dem Trossschiff „Westerwald“ in den Mittelatlantik. Im Rahmen dieser Fahrt wird Anfang Juli auch der spanische Hafen Las Palmas auf Gran Canaria besucht wird.
Während der Ausbildungsfahrt wird mehrfach ein Übungs- und Manöverschießen veranstaltet wobei es durch den Luftdruck und die Erschütterungen zu Beschädigungen kommt.
Nach dieser Fahrt kehrt „Gneisenau“ ohne weitere Vorkommnisse nach Deutschland zurück.
Den Ausbruch des Krieges erleben die Männer der „Gneisenau“ zusammen mit den Kameraden ihres Schwesterschiffes „Scharnhorst“ bei Brunsbüttel, als sie in der Elbe vor Anker liegen.
Kapitän zur See Erich Förste, welcher vor dem Kommando der „Gneisenau“ Kommandant des leichten Kreuzers „Karlsruhe“ war teilt am 1. September 1939 der angetretenen Besatzung, von der ebensfalls ein erheblicher Teil von der „Karlsruhe“ kommt den Beginn der Feindseligkeiten gegen Polen mit.
Am 3. September 1939 muss er seiner nun 1700 Mann starken Mannschaft vom Kriegszustand mit Großbritannien und Frankreich berichten.
Der Krieg, vor allem gegen Großbritannien kommt für die junge Kriegsmarine überraschend und Trift sie genau in ihrer Aufbauphase. Sie ist noch keineswegs für einen Waffengang gegen die mächtigste Flotte der Welt.
Dementsprechend lautet auch ein Tagebucheintrag in das Kriegstagebuch der Seekriegsleitung:
„Was die Kriegsmarine anbetrifft, so ist sie selbstverständlich im Herbst 1939 noch keineswegs für den großen Kampf mit England hinreichend gerüstet.
Sie hat zwar in der kurzen Zeit seit 1935 eine gut ausgebildete, zweckmäßig aufgebaute U- Bootswaffe geschaffen, von der zurzeit ca. 26 Boote atlantikfähig sind, die aber trotzdem noch viel zu schwach ist, um ihrerseits kriegsentscheidend zu wirken. Die Überwasserstreitkräfte aber sind noch so gering an Zahl und Stärke gegenüber der englischen Flotte, daß sie- vollen Einsatz vorausgesetzt- nur zeigen können, daß sie mit Anstand zu sterben verstehen und damit die Grundlage für einen späteren Wiederaufbau zu schaffen gewillt sind.“
Die vorerst endgültigen Daten der „Gneisenau waren zu Beginn des Krieges:
Stapellauf: | 08. Dezember 1936 |
Indienststellung: | 21. Mai 1938 |
Länge (LüA): (KWL): |
234,9 m 226,0 m |
Breite: | 30, 0 m |
Tiefgang: | 9,9 m |
Verdrängung (Standart): (Konsruktion): (Maximal): |
32.100 Tonnen 35.540 Tonnen 38.709 Tonnen |
Besatzung: | maximal 1840 Mann |
Höchstgeschwindigkeit: | 31,3 Knoten |
Maschinen: | 12 Dampfkessel 3 Getriebeturbinen |
Maschinenleistung: (122.041 kW) |
165.930 PS |
Bewaffnung: (1.350 Schuss) |
9 × Sk 28,0 cm L/54,5 |
(1.800 Schuss) | 12 × Sk 15,0 cm L/55 |
(5.600 Schuss) | 14 × Flak 10,5 cm L/65 |
(96.000 Schuss) | 16 × Flak 3,7 cm L/83 |
(76.000 Schuss) | 38 × Flak 2,0 cm |
4 × Arado Ar 196 | |
Panzerung: | Gürtel: 70–350 mm Zitadelle: 20–45 mm Oberdeck: 50 mm Panzerdeck: 20–105 |
mm | Längsschott: 40 mm Torpedoschott: 45 m |
vorderer Kommandoturm: 200–350 mm
achterer Kommandoturm: 50–100 m
Türme, schwere Artillerie: 150–360 mm
Türme Mittelartillerie: 50–140 mm
Schilde: 20 mm
In der Folgezeit werden:
Bereits am 04.09.1939 findet ein erster Angriff von drei zweimotorigen Bombern gegen das Schiff statt.
*
Der 08.September 1939 sieht die „Gneisenau“ auf dem Marsch durch den „Kaiser- Wilhelm- Kanal“ Richtung Osten. Sie soll dort die Präsenz der Kriegsmarine in der Ostsee verstärken und ein Durchbruch polnischer Seestreitkräfte nach Westen in Richtung England verhindern.
Durch den Ausfall der Backbord- Maschine, der durch Bordmittel nicht behoben werden kann und die Gefechtstauglichkeit durch diesen Ausfall deutlich herabgesetzt ist, muss dieses Unternehmen jedoch wieder abgebrochen werden. Die „Gneisenau“ geht nach Kiel in die Werft, um den Schaden schnellstmöglich wieder beheben zu lassen.
Nach einer relativ kurzen Werftliegezeit folgen intensive Gefechtsübungen in der Ostsee.
*
Am 07.Oktober 1939 läuft die „Gneisenau“ zusammen mit dem leichten Kreuzer „Köln“ und den Zerstörern „Wilhelm Heidkamp“, „Friedrich Ihn“, „Diether von Roeder“, „Karl Galster“, „Max Schulz“, „Paul Jacobi“, „Bernd von Arnim“, „Erich Steinbrink“ und „Friedrich Eckoldt“ in die nördliche Nordsee. Die Aufgabe des Verbands ist die offensive Aufklärung. Dabei sollen die Einheiten absichtlich die Aufmerksamkeit größerer britischer Flottenteile auf sich ziehen. Diese sollen dann in den Wirkungsbereich der deutschen Luftwaffe gelockt werden. Auch steht eine U-Boot- Sperrlinie bereit, um die erhofften schweren Einheiten der britischen Homefleet auflaufen zu lassen und diese dann zu versenken.
Der deutsche Flottenverband wird zwar von der britischen Seeaufklärung ausgemacht, doch reagiert die britische Admiralität nicht auf diese Provokation, der deutsche Verband läuft am 09. Oktober 1939, ohne Feindberührung gehabt zu haben wieder in den Hafen ein.
*
„Gneisenau“ unter ihrem Kommandanten Kapitän zur See Netzbandt verlässt zusammen mit ihrem Schwesterschiff der „Scharnhorst unter Kapitän zur See C.K. Hoffmann am 21. November 1939 Schillig Reede zu einem Vorstoß nach Nord. Der Verband steht unter dem Kommando von Admiral Marschall, welcher sich mit seinem Stab auf „Gneisenau“ eingeschifft hat Die Aufgabe des Verbandes ist es, englische Bewachungskräfte in der See- Enge zwischen Faröern und Island zu stellen und zu vernichten. Danach soll nach Möglichkeit weiter nach Westen gestoßen werden, um dort aufzuklären und dort gegebenenfalls deutschen Blockabdebrechern beim Durchbruch zu unterstützen und in die Heimat zu geleiten.
Sehr starker Nordsturm zwingt den Verband vorerst die Marschgeschwindigkeit auf 20 Knoten herabzusetzen.
Als der Flottenverband gegen 16:00Uhr des 23. Novembers 1939 einen Punkt circa 145 Seemeilen nordwestlich der Faröern erreicht hat, kommt eine Rauchfahne am Horizont in Sicht. Nach Standort und Bewegung wird der Gegner, ein großer, grau gestrichener Passagierdampfer als Hilfskreuzer angesprochen.
Die „Scharnhorst“ bekommt Befehl einen Warnschuss abzusetzen, um den Gegner nach Möglichkeiten ohne Waffengewalt und somit unvermeidbare Menschenverluste aufzubrauchen oder vielleicht als Prise zu übernehmen.
Nach dem Warnschuss jedoch läuft der Hilfskreuzer ab und nebelt sich durch Schornsteinqualm und über Bord geworfene Nebelfässer ab.
Admiral Marschall lässt nun das Feuer durch „Scharnhorst“ eröffnen. Der Hilfskreuzer versucht sich diesem Artilleriefeuer durch häufige Kursänderungen zu entziehen.
Das Feuer der „Scharnhorst“, welche in Dwarslinie zum Gegner steht ist schnell deckend und daher sehr wirkungsvoll. Die „Gneisenau“ hat eine mehr exponierte Stellung und kann daher erst später wirkungsvoll eingreifen.
Die Gegner, welcher 16.601 Bruttoregistertonnen aufweist und mit 8 15 cm Geschütze hat, stellt sich später als der Passagierdampfer „Rawalpindi“ der P&O-Linie heraus, welcher ursprünglich zwischen England und Ostasien verkehrte.
Durch das gezielte, schnell deckend liegende Feuer der beiden deutschen Schlachtschiffe versinkt der sich tapfer wehrende Gegner binnen 14 Minuten in den eisigen Fluten der nördlichen Nordsee.
Die Besatzung zeigt sich hart und tapfer. Immer wieder sieht man zwischen den brennenden Schiffsteilen das Aufblitzen seiner Geschütze. Letztendlich musste dieser tapfere, zähe Gegner jedoch den überlegenen Waffen der deutschen Schiffe unterliegen.
Ein längsseits kommendes Boot mit Überlebenden wird in Empfang genommen und die Männer mit Jacobsleitern an Bord geholt.
Der größte Teil der Besatzung geht jedoch mit ihrem Schiff unter.
Beim ersten Sichten der beiden deutschen Schiffe hat die „Rawalpindi“ Alarm gegeben und die Flottenführung in Scapa Flow und weitere in See befindliche Einheiten unterrichtet.
Obwohl Admiral Marschall in dieser Nacht ein erhebliches Stück weiter in die Nordsee hinein hätte laufen können, entschied er sich vorerst nach Osten und dann erst nach Norden zu laufen, um nicht schon frühzeitig von der englischen Luftaufklärung erfasst zu werden. Zunächst verhält er sich mit seiner Kampfgruppe im Seeraum von etwa 66 Grad Nord und 5 Grad Ost, marschiert dann nach Süden zum Durchbruch durch die erwartete britische Aufklärungslinie. Doch am 25. um 17:00 Uhr deutscher Zeit macht er noch einmal kehrt nach Norden, da die Wetterverhältnisse für einen geplanten Durchbruch zu ungünstig scheinen.
Wie erhofft wird die Wetterlage mit südlichem Wind in einer Stärke von 8 bis 10 günstiger und so laufen die beiden Großkampfschiff mit hoher Fahrt nach Süden.
Es wird kein Gegner gesichtet, nur einige in der schweren, hohen See arbeitende Fischkutter und in weiter Ferne ein kleiner Dampfer unbekannter Nationalität.
Mit hoher Fahrt, gegen eine schwere See ankämpfend nehmen „Gneisenau“ und „Scharnhorst“ viel Wasser über.
Auf beiden Schiffen fallen die Türme „Anton“ durch eindringendes Wasser und daraus resultierende Kurzschlüsse aus. Auch andere Seeschäden werden festgestellt.
Diese, nicht hinnehmbaren Schäden und Einschränkungen festigen Admiral Marschall bei seinem Entschluss, den Rückweg anzutreten und heimische Gewässer anzulaufen.
Die Schiffe erreichen ohne Feindberührung deutsche Gewässer und ankern am 27. November mittags auf Wilhelmshaven Reede.
Während die „Scharnhorst“ im Wilhelmshaven verbleibt, um die erlittenen Seeschäden reparieren zu lassen, durchfährt die „Gneisenau“ den Kaiser-Wilhelm- Kanal, um Kiel zu erreichen und ihrerseits die erlittenen Seeschäden beseitigen zu lassen.
Dort erledigt sie gleichzeitig eine planmäßige Werftüberholung.
Am 15. Dezember geht die „Gneisenau“ ins Schwimmdock, um neue Schrauben eingesetzt zu bekommen und kleinere Reperaturen durchführen zu lassen, was am 29.12.1939 beendet ist.
Der 03.01.1940 sieht die „Gneisenau“ im Scheerhafen zum Abstimmen der Artillerieanlage. Dies dauert 8 Tage. Danach folgen Gefechtsübungen in der Kieler Bucht.
Am 2. Januar 1940 läuft die „Gneisenau“ zusammen mit ihrem Schwesterschiff „Scharnhorst“ nach Osten. Es ist Meilenfahrt vor Neukrug auf der Frischen Nehrung geplant. Anschließend wird ein Kaliberschießen durchgeführt und der Rückmarsch nach Kiel angetreten.
Das Schlachtschiff boxt sich mühsam durch das dicke Eis des Hafens und bleibt dann unterhalb des Hotels „Bellevue“ liegen.
Nach zwei Tagen gelingt es endlich, das Schiff langsam im dicken Eis zu drehen und in die Schleuse hinein zu steuern um nach Wilhelmshaven zu gelangen. Am 6.
Februar 1940 kommt die „Gneisenau“ endlich in Wilhelmshaven an.
Ein unregelmäßiges Schraubengeräusch deutet darauf hin, dass bei der Überfahrt die Steuerbordschraube beschädigt wurde. Die „Gneisenau“ dockt am 10.
Februar ein. Am folgenden Tag wird klar, dass beide Außenschrauben verbogen und größere Teile herausgerissen wurden.
Erst am 15. Februar 1940, nachdem beide Schrauben ausgewechselt wurden, dockt die „Gneisenau“ wieder aus.
Am 16. Februar verholt das Großkampfschiff in die 3.
Einfahrt und füllt seinen Ölbestand auf. Die Decken der drei 28 cm Türme werden Gelb gestrichen.
Nachmittags steigt die Flotte mit Unterstab ein, gleichzeitig steigen die chinesischen Wäscher für die Dauer der folgenden Unternehmung auf das dem Flagschiff zugeteilte Hilfsschiff „Gazelle“ um, das deutsche Zivilpersonal verbleibt an Bord.
Nach Einbruch der Dämmerung läuft die „Gneisenau“ aus und ankert vor Wangerooge.
*