Impressum
© 2020, Dr. Ralf Kaiser, MHBA
Titel: Das Coronavirus SARS-CoV-2
Autor: Dr. Ralf Kaiser, MHBA
Kontakt:
Am Glockenwald 7
66117 Saarbrücken, Deutschland
E-Mail: ralfkaiser@gmx.net
351 Seiten, 25 Abbildungen, 54 Tabellen, Alle Rechte vorbehalten
Cover Bild: CDC, Alissa Eckert, MS, Dan Higgins, MAM unter Public Domain
Verlag: BoD - Books on Demand GmbH
ISBN 9-783-7519-2903-5
Inhaltsverzeichnis
Hinweis
Die Medizin entwickelt sich schnell. Gerade im vorliegenden Themenbereich sind Ergebnisse kurzlebig und häufig außerhalb des Peer-Review-Prozesses veröffentlicht worden. Die Wissenschaft um SARS-CoV-2 steht noch am Anfang die getroffenen Aussagen können sich in kürzester Zeit ändern, insbesondere was Behandlungenoptionen und Therapiestrategien betrifft. Soweit Therapieschemata genannt werden, kann der Leser darauf vertrauen, dass große Sorgfalt verübt wurde, die Angaben nach dem aktuellen Wissensstand bei Fertigstellung des Manuskriptes wiederzugeben.
Für Angaben über Dosierung, Indikation und mögliche unerwünschte Wirkungen – besonders bei den genannten experimentellen Therapieprinzipien – kann keinerlei Gewähr übernommen werden. Der Leser ist daher angehalten, die gemachten Angaben selbständig und sorgfältig zu überprüfen, kontrollieren und evaluieren. Die zitierte Originalliteratur und nachfolgende Publikationen, Aktualisierungen nach dem Stand des Wissens, sowie Prüfung der Herstellerangaben von Substanzen, medizinischen Geräten oder Reinigungsmitteln müssen eigenverantwortlich überprüft werden, bevor sie zur Anwendung kommen. Gegebenenfalls sind Hersteller / Produzent oder Spezialisten zu Rate zu ziehen. Jede Behandlung erfolgt auf eigene Verantwortung des Behandlers. In diesem Kontext bittet der Autor jeden Leser / Benutzer, Ungenauigkeiten oder Unstimmigkeiten sowie Änderungen der gängigen Praxis umgehend mitzuteilen.
Zur besseren Lesbarkeit wird nachfolgend ausschließlich die männliche Form verwendet. Sie bezieht sich auf Personen jeden Geschlechts.
Genannte Produkt- und Markennamen sind eingetragene Warenzeichen und Eigentum der jeweiligen Hersteller und Firmen
Angesichts eines bisher unbekannten Virus sind Austausch und Zusammenarbeit das beste Mittel um mit einer Situation umzugehen, welche zahlreiche Gesundheitssysteme dieser Welt an ihre Grenzen bringt. Die Veröffentlichung dieses Buches soll die Möglichkeit geben, das Wissen zu verbreiten, das von Forschern, Ärzten, medizinischen Heilberuflern aber auch Politikern und Wirtschaftswissenschaftler in den letzten Monaten zusammengetragen wurde. Ich danke daher allen, die durch Publikationen oder freie Beiträge dazu beigetragen haben, neues Wissen über das Virus SARS-CoV-2 und die Erkrankung COVID-19 bereitzustellen. Nur durch diese Beiträge ist es möglich, mit dem erworbenen Wissen die Leben von Patienten mit dieser neuartigen Erkrankung zu retten.
Nicht zuletzt soll an dieser Stelle auch allen gedacht werden, welche an der vordersten Front der Patientenversorgung gearbeitet haben – oft unter unzureichenden Bedingungen für den Selbstschutz – und dabei die eigene Erkrankung in Kauf genommen haben und zum Teil auch ihr Leben lassen mussten.
Unsere Gesellschaft hat sich einer in der Neuzeit bisher beispiellosen Situation gegen eine gemeinsame Bedrohung zu stellen. Damit diese weltumspannende Krise unter Kontrolle zu bringen ist, müssen Wissen und Ressourcen geteilt und strategisch eingesetzt werden. Nur so kann eine maximale Effizienz in der Bekämpfung von COVID-19 erreicht werden.
Die Menschen an der Front sind die Mitarbeiter des Gesundheitswesens. Auch wenn die schwere Aufgabe der Krankenhäuser und Intensivstationen besonders hervorzuheben ist, so sei auch bemerkt, dass sich wie bei den meisten Erkrankungen die Patienten zunächst an die ihnen vertrauten Ärzte und an die öffentlichen Anlaufstellen wenden, welche durch die Mitarbeiter des ambulanten Gesundheitswesens aufrechterhalten werden.
Dieser Leitfaden bietet medizinischen Mitarbeitern wie auch nicht medizinischen Entscheidungsträgern in ganz Deutschland, die sich der Bekämpfung von SARS-CoV-2 beteiligen, wissenschaftlich belegbare Hinweise für den Umgang mit der aktuellen Pandemie.
Ärzte aus aller Welt haben Wege gefunden, um auf einer täglichen Basis ihre Erfahrungen mit dem Virus zu teilen und tun dies trotz der hohen Inanspruchnahme ihrer Arbeitskraft und in einer selbstlosen Weise. Dank dieser Pionierarbeit und der Entwicklung neuer und teilweise kreativer Technologien gelingt es, dieser Pandemie Einhalt zu bieten. Diese Entwicklung und der dabei zu beobachtende Enthusiasmus der Ärzte als eine weltweite Gemeinschaft ist bisher beispiellos. Kollegen berichten, dass sie aus befreundeten Kliniken, die bereits die schwerste Zeit der Krise bewältigt haben, „Care-Pakete“ mit persönlicher Schutzausrüstung geschickt bekommen. Passagierflugzeuge werden zum Transport von Hilfsgütern umgewidmet um eine rasche Versorgung zu gewährleisten.
Information stellt jedoch in dieser Krise die wohl wertvollste Ressource und wichtigste Waffe dar. Ohne ausreichende Informationen werden die Entscheidungen zum Management der Krise zu spät und nicht zielgerichtet sein.
China war das erste Land, das unter der Pandemie zu leiden hatte und zeigte in dessen Verlauf bemerkenswerte Strategien auf, welche zu einer erfolgreichen Eindämmung der Infektionen in ihrem Land führte. Isolierung, Diagnose, Behandlung, Schutzmaßnahmen und Rehabilitation greifen dabei ineinander und wurden an die besonderen Anforderungen dieser Infektionskrankheit angepasst. Ich hoffe, dass dieses Buch Ärzten und Krankenschwestern wertvolle Informationen liefern kann.
Ich hoffe jedoch auch, dass durch die hier geschilderten zum Teil drastischen Maßnahmen auch Verantwortlichen des Gesundheitswesens klar wird, dass ein Umdenken notwendig ist. Diese Pandemie ist nicht die erste ihrer Art und obwohl sich die Menschheit noch glücklich schätzen kann, bisher mit einem blauen Auge die Krisen überstanden zu haben, so muss das Auftreten von häufigeren Pandemien im Zeitalter der Globalisierung als Aufgabe gesehen werden, die nicht ignoriert werden kann. Auch die Möglichkeit einer zweiten Welle der Infektionen ist noch nicht auszuschließen.
Die besonderen Herausforderungen einer Pandemie sind nur zu bewältigen, wenn die Akteure erkennen, dass ihr eigenes Wohl identisch ist mit dem Wohl der Gesellschaft und der gesamten Welt. In diesem Moment ist der Austausch von Ressourcen, Erfahrungen und Wissen, unabhängig davon, wer Sie sind, die einzige Chance zu gewinnen. Das eigentliche Mittel gegen die Pandemie ist nicht die Isolation, sondern die Zusammenarbeit.
Dr. Ralf Kaiser, MHBA
Saarbrücken, Mai 2020
Im Januar 2020 wurde ein neues Coronavirus (2019-nCOV) identifiziert. Es wurde mit dem Ausbruch von viralen Pneumonien in Wuhan (China) in Verbindung gebracht, einer Stadt mit rund 11 Millionen Einwohnern und die Hauptstadt von der Provinz Hubei. Die ersten Cluster traten Anfang Dezember auf. Diese neue Art des Coronavirus verursacht die Erkrankung COVID-19 (Coronavirus infectious disease 2019). Auffällig war dabei das gemeinsame plötzliche Auftreten mehrerer Fälle einer Pneumonie, welche auf keinen bekannten Erreger zurückzuführen war.
Coronaviren sind sowohl unter Menschen als auch Säugetieren und Vögeln weit verbreitet. Auch der Austausch zwischen Spezies ist bekannt, weswegen einige der Erkrankungen zu den Zoonosen gezählt werden können.
Die Krankheitsbilder umfassen hauptsächlich respiratorische Symptome bis zur schweren viralen Pneumonie mit respiratorischen Versagen. Es gehören jedoch auch enterische, hepatische und neurologische Erkrankungen zum Spektrum. Bisher waren sechs humanpathogene Coronaviren bekannt: 229E, OC43, NL63, und HKU1 verursachen bei immunkompetenten Patienten hauptsächlich Symptome einer unkomplizierten Erkältung. Die Symptomatik ist von anderen viralen Infekten beispielsweise Adenoviren, Influenzaviren oder RSV nicht zu differenzieren. Die anderen Typen wurden bekannt als Auslöser des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS-CoV-1) und des „Middle East respiratory syndrome“ Coronavirus (MERS-CoV) und sind zoonotischen Ursprungs.
Das Virus SARS-CoV, das im Jahr 2002 für den Ausbruch einer Epidemie mit schwerem akuten respiratorischen Syndrom (SARS) verantwortlich ist, wurde mit Zibetkatzen in Verbindung gebracht. 2012 kam es zum Ausbruch des Middle Eastern Respiratory Syndrome (MERS), welches ebenfalls epidemisch durch ein Coronavirus verursacht wurde. Die Herkunft wurde dabei auf Dromedarkamele zurückgeführt.
Das Auftreten von SARS-CoV-2 wurde mit dem Huanan Seafood Wholesale Market in Verbindung gebracht. Ob dies jedoch auch der Ort der Entstehung war, konnte nicht gesichert werden. Ebenso wenig konnte das Tier mit Sicherheit identifiziert werden, welches als Überträger diente. Das Virus zeigte jedoch Ähnlichkeit mit bei Fledermäusen bekannten Coronaviren.
Um eine mögliche Pandemie überhaupt zu erkennen, ist als erster Schritt die Identifizierung des Ausbruchs notwendig. Im Fall von COVID-19 wurde zunächst ein sogenannter Cluster von Pneumonien beobachtet, für welchen keiner der typischen Erreger identifiziert werden konnte. Um eine solche Ansammlung von Erkrankungen als Cluster zu erkennen, müssen sie zeitlich und örtlich miteinander (oder kausal) verknüpft sein.
Am 31. Dezember 2019 wurde eine solche Clusterbildung von Lungenentzündungen unbekannter Ätiologie in der Stadt Wuhan, Provinz Hubei, China an das „Country Office“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeldet. Die Falldefinition „Lungenentzündung unbekannter Ätiologie" folgt dabei den WHO Kriterien zur Erkennung von Epidemien und wurde nach dem SARS-Ausbruch in den Jahren 2002-2003 festgelegt.
Der „Huanan Seafood Wholesale Market“ wurde schnell mit einer signifikanten Anzahl der frühen Fälle von Pneumonie in Verbindung gebracht. So konnten frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um die Ausbreitung aus dieser Quelle zu verringern. China leitete eine nationale Nothilfe ein und bezog die WHO in die weitere Koordination ein.
International wurde am 2. Januar 2020 das „Incident Management System“ (IMS) der WHO aktiviert. In dieser Zeit waren jedoch in Wuhan bereits 44 Personen mit Pneumonie unklarer Ätiologie identifiziert worden.
Zur weiteren Beurteilung des Gefährdungsgrades ist die Identifizierung des Erregers zwingend notwendig. Die ersten Untersuchungen hatten die üblichen Erreger einer Pneumonie bereits per Definition („unklarer Ätiologie“) ausgeschlossen. Ferner wurden nun saisonale Influenza, schweres akutes respiratorisches Syndrom (SARS) und nahöstliches respiratorisches Syndrom (MERS) ausgeschlossen. Mittels „Deep Sequencing“ von genetischem Material aus Proben der Erkrankten konnten die chinesischen Behörden am 7. Januar 2020 dieses neuartige Coronavirus identifizieren.
Durch die Sequenzierung des gesamten Genoms von SARS-CoV-2 wurde die Voraussetzungen geschaffen, diagnostische Kits zu entwickeln und später auch die Basis von Impfungen zu schaffen. Am 12. Januar 2020 stellte China die gesamte genetische Sequenz von SARS-CoV-2 international zur Verfügung.
In dieser frühen Phase wurden die Ärzte und Behörden vor erhebliche Probleme in der Diagnostik und Überwachung gestellt. Protokolle für Diagnose, Behandlung, Überwachung, epidemiologische Untersuchung, Management enger Kontakte und diagnostische Tests mussten erst entwickelt und validiert werden. Die Erfahrungen mit den Epidemien durch SARS und MERS sowie in Analogie der Influenza Epidemien wurden hierbei mit eingesetzt.
Es wurde nun global nach möglichen COVID-19 Fällen gesucht und dann ermittelt, ob der Fall durch Ansteckung innerhalb des eigenen Landes oder importiert worden war. Hierdurch erfolgte die Eingruppierung der Länder in die verschiedenen Szenarien zur Eindämmung von Pandemien nach Vorgaben der WHO (siehe Kapitel Pandemien). Hierdurch konnten geeignete Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit ergriffen werden.
Am 13. Januar 2020 meldete Thailand den ersten bestätigten Fall des neuartigen Coronavirus außerhalb Chinas. Dieser wurde als importierter Fall aus Wuhan, China, bestätigt. Wenig später meldeten Japan und die Republik Korea ebenfalls das Auftreten von COVID-19 durch Transmission aus China.
Die USA meldeten am 20. Januar 2020 ihren ersten bestätigten Fall. Der Patient war jedoch bereits am 15. Januar 2020 nach einem Familienbesuch in Wuhan nach Washington zurückgekehrt.
Zur Eindämmung der Epidemie entschloss sich die chinesische Regierung nun rechtliche Maßnahmen einzusetzen. Mit den ansteigenden Fallzahlen bestand die wesentliche Strategie darin, die Intensität der Epidemie zu verringern.
Am 20. Januar 2020 wurde COVID-19 in den Statusbericht über Infektionskrankheiten der Klasse B und Infektionskrankheiten unter Grenzkontrolle in China aufgenommen. Temperaturkontrollen, Gesundheitserklärungen und Quarantänen wurden in Transportdepots gemäß der chinesischen Gesetzgebung durchgeführt. Die Wildtiermärkte wurden im gesamten Land geschlossen und Einrichtungen zur Zucht von Wildtieren in Gefangenschaft abgesperrt.
Die WHO berief am 22. Januar ein Notfallkomitee gemäß den internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) ein, um zu klären, ob der Ausbruch des neuartigen Coronavirus als internationaler besorgniserregender Notfall für die öffentliche Gesundheit (PHEIC) deklariert werden soll. Zu diesem Zeitpunkt bestand die vorherrschende Meinung, dass die es sich bei dem COVID-19 Ausbruch nicht um eine internationale Bedrohung der öffentlichen Gesundheit handele. Eine erneute Einschätzung sollte durch den Ausschuss einige Tage später erfolgen.
Zwei Tage später wurde der erste Bericht über einen Fall in Europa (Frankreich) veröffentlicht. Die Fallzahlen in China waren weiterhin steigend, so dass die Interventionen fortgesetzt wurden. Zusätzlich wurden strenge Verkehrsbeschränkungen eingeführt sowie Maßnahmen zur öffentlichen Transmissionskontrolle eingeführt. Dazu gehörte zum Beispiel die Absage von Massenversammlungen.
Am 30. Januar 2020 führte die WHO eine Re-Evaluation der Situation durch und kam gemäß den internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) zu dem Ergebnis, dass es sich bei COVID-19 Ausbruch um einen international besorgniserregenden Notfall im Bereich der öffentlichen Gesundheit handele.
Zur Eindämmung der Virusausbreitung werden die Empfehlungen der wissenschaftlichen und technischen Beratergruppe der WHO für Infektionsgefahren (STAG-IH) umgesetzt.
Die Benennung des neuen Virus als „schweres akutes respiratorisches Syndrom Coronavirus 2“ (SARS-CoV-2) erfolgte am 11. Februar 2020. Die hierdurch verursachte Krankheit wurde als COVID-19 bezeichnet.1
Ende Februar meldete schließlich Nigeria den ersten Fall von COVID-19 in Afrika südlich der Sahara. Die Zahl der gemeldeten Fälle und der betroffenen Länder hat zugenommen. Bisher sind der Iran und Italien am stärksten betroffen.
Schließlich wurde am 11. März 2020 der COVID-19 Ausbruch von der WHO als Pandemie eingestuft.2
Datum | Geschehnisse | n |
31.12.2019 | Meldung eines Pneumonieclusters an WHO (Wuhan, China) |
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01.01.2020 | Schließung des Huanan-Großhandel für Meeresfrüchte als möglicher „Ground zero“ von SARS-CoV-2 |
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03.01.2020 | Aktivierung des Incident Management Systems der WHO |
44 |
07.01.2020 | Identifikation von SARS-CoV-2 mittels Deep Sequencing |
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12.01.2020 | Genomsequenz wird international zur Verfügung gestellt |
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13.01.2020 | Erster COVID-19 Fall außerhalb Chinas (Thailand) | |
20.01.2020 | USA meldet ersten COVID-19 Fall (Washington), Grenzkontrolle in China eingeführt. |
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22.01.2020 | WHO schätzt COVID-19 nicht als internationalen Notfall ein |
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24.01.2020 | Erster bestätigter Fall in Europa (Frankreich) | |
30.01.2020 | Re-Evaluation der WHO als internationaler Notfall (PHEIC) |
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11.02.2020 | Offizielle Namensgebung als SARS-CoV-2 bzw. COVID-19 |
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28.02.2020 | Nigeria meldet ersten COVID-19 Fall südlich der Sahara |
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11.03.2020 | WHO erklärt COVID-19 Ausbruch zur Pandemie |
Tabelle 1: Ablauf der Pandemie in der Frühphase
1 WHO. Naming the coronavirus disease (COVID-19) and the virus that causes it. https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/technical-guidance/naming-the-coronavirus-disease-(covid-2019)-and-the-virus-that-causes-it
2 WHO Director-General's opening remarks at the media briefing on COVID-19 - 11 March 2020 https://www.who.int/dg/speeches/detail/who-director-general-s-opening-remarks-at-the-media-briefing-on-covid-19---11-march-2020
Coronaviren sind eine große Familie von Viren, die ihren Namen von den kronenartigen Stacheln hat, die elektronenmikroskopisch auf ihrer Oberfläche nachweisbar sind. Sie umfassen Viren, die Menschen, Säugetiere und Vögel befallen können und dabei Krankheiten mit sehr milde Symptome wie eine Erkältung oder in einigen Fällen schwere Krankheiten verursachen können. Bis 2003 erfuhren diese Viren wenig Aufmerksamkeit, obwohl erste Publikationen bereits in das Jahr 1949 zurückreichen. Dies änderte sich mit dem Ausbruch von SARS-CoV 2003, welcher eine als Zoonose vom Tier auf den Menschen übertragen wurde und eine Pneumonie mit erheblicher Letalität von ca. 10% verursachte. Doch auch hier verlief sich das Interesse, bis es zu einem Ausbruch von MERS-CoV kam, ebenfalls einer Zoonose. Die Letalität erreichte hier bisweilen ein Drittel der infizierten.
Coronaviren sind behüllte Viren mit Einzelstrang-RNA (ssRNA).
Steckbrief der Coronaviren |
behüllte Viren mit Einzelstrang-RNA (+)-ssRNA von 29kBP |
rund, 80-220nm (SARS-CoV-2 50-140nm) |
Tubuläres Nucleocapsid mit helicaler Struktur |
Nucleoprotein (N) Peplomerglycoprotein (S) Transmembranglycoprotein (M) Hämagglutininesterase (HE) |
RNA-abhängige RNA-Polymerase (RdRp) |
Wird im Zytoplasma zu (-)-ssRNA transkribiert |
Benutzt endoplasmatisches Retikulum und Exozytose |
Varianten entstehen durch Mutation und Rekombination |
Verschiedene Oberflächenrezeptoren beeinflussen die Wahl des Wirtsorganismus |
Tabelle 2: Steckbrief der Coronaviren
Die Familie der Coronaviridae umfasst eine große Zahl tierischer und menschlicher Viren, welche durch ihr charakteristisches Erscheinungsbild auffallen. Zusammen mit den sogenannten Roniviridae und Arteriviridae bilden sie die Familie der Nidoviren. Es sind behüllte Viren von rundliche (Coronaviren), scheibenartiger, nierenförmiger oder stäbchenartiger Gestalt (Toroviren). Auf der Oberfläche ordnen sich schlägerförmige Fortsätze in regelmäßigen Abständen an. Im elektronenmikroskopischen Darstellung ergibt sich hierdurch das Bild einer Krone, von der Namen sich ableitet.
Toroviren sind bisher nicht als humanpathogene Erreger in Erscheinung getreten. Sie spielen eine Rolle bei enteralen Infekten von Zuchtvieh, Pferden, Schweinen, Ziegen, Katzen und Hunden.3
Nidoviridae | |||||
Coronaviridae | Arteriviridae | Roniviridae | |||
Coronavirinae | Torovirinae | ||||
Alpha | 229E, NL63, (tierpath.) |
||||
Beta | SARS-CoV-2, OC43, HKU1, SARS-CoV-1, MERS-CoV, (tierpath.) |
||||
Gamma | (tierpath., Wale, Vögel) |
||||
Delta | (tierpath., Schweine, Vögel) |
Tabelle 3: Klassifikation der Coronaviren. Grau unterlegt die humanpathogenen Familien.
Die Betafamilie der Coronaviren wird weiter unterteil in vier Linien A-D. Die wichtigsten humanpathogenen Vertreter von β-CoV-A sind HCoV-OC43 und HCoV-HKU1, welche Erkältungserkrankungen verursachen und bei Lungenvorerkrankten Personen zu Infektexazerbationen führen können. SARS-CoV gehört zur β-CoV-B-Linie, die auch als Sarbecoviren bezeichnet werden. Dieser relativ kleinen Linie gehört außerdem das SARSr-Rh-batCoVHKU3 und das SARSr-ClCoV Virus an. Das SARS-CoV-2 Virus wird ebenfalls in diese Linie eingeschlossen.4 In die β-CoV-C-Linie fällt das humanpathogene MERS-CoV. Die übrigen Vertreter stellen hauptsächlich Krankheitserreger von Fledermäusen und Kamelen dar. Die letzte Linie β-CoV-D hat als Vertreter ebenfalls das aus Fledermäusen isolierte Virus Ro-Bat-CoV-HKU9. Insgesamt fällt die evolutionäre Nähe zu den Krankheitserregern von Fledermäusen und Kamelen insbesondere im Falle von SARS-CoV und MERSCoV auf. Die weiteren genomischen Analysen erhärteten dann den Verdacht, dass es sich um Zoonosen handeln könnte, welche von den entsprechenden Tieren auf den Menschen übertragen wurden.5
Für SARS-CoV-2 wurde die Ähnlichkeit zu Coronaviren festgestellt, die von Fledermäusen bekannt sind. Der Verdacht, dass es sich um eine weitere Zoonose handeln könnte, wurde in der Literatur von Wong und Mitarbeitern erhärtet.6
Kürzlich wurde zudem die Möglichkeit eingeräumt, dass ein möglicher Zwischenwirt von SARS-CoV-2 der Marderhund sein könnte. Für Pelze des Marderhundes existiert in Asian ein größerer Markt.7 In Europa einschließlich Deutschland zählt der Marderhund obwohl eine eingeschleppte Tierart schon seit langem zum ständig präsenten und jagdbarem Wild. Der Kontakt zum Menschen ist jedoch sporadisch, ein Verzehr unüblich und der Pelz wenig gefragt. Daher erscheint er in den hiesigen Breiten keine wesentliche Bedeutung für den Transfer zum Menschen, sondern möglicherweise nur als Reservoir zu spielen.
Relativ früh konnte das Genom des Virus aus Patientenproben durch die chinesischen Behörden aufgeschlüsselt werden und wurde international verfügbar gemacht. Die Sammlung der bekannten Sequenzen wächst bzw. wurde durch mehrere Arbeitsgruppen bestätigt. Aktuell wurden mehr als 2500 Varianten des Virus sequenziert und die Ergebnisse in den Datenbanken GenBank und Sequence Read Archive (SRA) öffentlich gemacht.8
Mit 29.903 Nukliden handelt es sich um das größte bekanntes positives ssRNA Genom. Da es sich um ein beta-Coronavirus handelt, ist die Ähnlichkeit zu den Vertretern SARS-CoV mit 79,0% Nukleotididentität und MERS-CoV mit 51,8% Nukleotididentität nicht verwunderlich.9 Es wies jedoch auch eine 96%ige Nukleotididentität mit einem bei Fledermäusen vorkommendem Coronavirus auf.10
Das Genom hat eine sogenannte Kappe. Diese Eigenschaft ist insbesondere bei mRNA bekannt. Das 5’-Ende der RNA ist dabei an der Position 7 eines Guanin-Restes methyliert. Es wird dann als m7G-Cap bezeichnet. Diese Kappe schützt die RNA vor einem Abbau durch Nukleasen innerhalb der Zell und ist eine Erkennungsstruktur für die ribosomale Transkription und Transportmechanismen der RNA. Viren im Allgemeinen kennen verschiedene Varianten des capping, welche sich von der menschlichen Form unterscheiden. Ein m7G-Cap wird von Viren nach aktuellem Wissen nicht produziert. Das Immunsystem von Säugetieren kann diese „pathogen associated molecular patterns“ (PAMP) mit einem speziellen intrazellulären Rezeptor erkennen. Dieser als RIG-I bekannte Rezeptor (retinoic acid inducible gene I) wird durch Interferone und bakterielle Lipopolysaccharide aktiviert. Die Bindung des Rezeptors intrazellulär erfolgt an Triphosphat-RNA. Anschließend wird eine Signalkaskade aktiviert (MAVS/IPS1), die letztlich über NF-κB zur Ausschüttung antiviraler Zytokine (Interferon-β, CCR5) führt. Für Coronaviren ist beschrieben, dass sie über eine Modifikation der 5’-Cap verfügen, die es ihnen erlaubt, diesen Mechanismus der angeborenen Immunität zu umgehen. Es ist aufgrund der genomischen Analysen davon auszugehen, das SARS-CoV-2 ebenfalls dazu in der Lage ist. Die virale RNA verfügt über eine 7N-methyl-Guanosin-Cap, welche über ein virales Enzym weiter modifiziert wird. Hierbei kommt es am nachfolgenden Nuklid zu einer 2'-O-Ribose Methylierung durch das virale nicht-strukturelle Protein 16 (NSP16).11
Ein ähnlicher Mechanismus ist die Polyadenylierung des 3’-Endes der RNA. Diese Aneinanderreihung von Adenylresten wird auch Poly(A)-Schwanz genannt oder „tailing“. Auch dies verhindert den Abbau durch Nukleasen. Das SARS-CoV-2 Virus imitiert auch hier die menschlichen RNA-Varianten.
Genetisch gehört das SARS-CoV-2 Virus zur β-CoV-B-Linie, also den Sarbecoviren. Dieser Umstand führte zur Entwicklung von PCR-Primer-Paaren, die diese Linie spezifisch nachweisen. In der Kombination mit einem weiteren spezifischen Primer kann das Virus von den anderen Viren der Linie mittels PCR unterschieden werden.
Coronaviren produzieren vor drei bis fünf Strukturproteine.
In der Hülle des Virus finden sich vor allem das E-Protein (E, envelope), die Hämagglutinase-Esterase (HE) und das S-Protein (S, Spike). Das S-Protein ist das auffälligste der Hüllproteine und für die elektronenmikroskopische Präsentation des Virus verantwortlich. Die Analyse der verschiedenen Proteindomänen konnte gezeigt werden, dass das S-Protein verantwortlich ist für die Adhäsion des Virus an der Wirtszelle und der Fusion. Die zellulären Zielstrukturen stellen dabei Angiotensin Converting Enzyme (ACE), Sialinsäuren und Ganglioside dar. Dieser Bindungsmechanismus wird unter anderem von (Hydroxy-)Chloroquin adressiert. Das S-Protein scheint auch Zielstruktur der Antikörper des Wirts zu sein und erfährt daher ein vermehrtes Interesse bei der Entwicklung eines Impfstoffes.
Zu den nächsten Verwandten von SARS-CoV-2 besteht eine nicht unerhebliche Struktur- und Sequenz-Homologie. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist einerseits, dass es sich um eben verwandte Viren handelt, aber auch, dass sie unterschiedlich genug sind, nicht auseinander hervorgegangen zu sein. Auch eine artifizielle Modifikation ist durch den Grad der Homologie wiederlegbar.
S-Protein | N-Protein | M-Protein | E-Protein | |
SARS-CoV-1 | 76,0 | 90,6 | 90,1 | 94,7 |
MERS-CoV | 29,4 | 45,9 | 39,2 | 34,1 |
Tabelle 4: Homologie auf Proteinebene mit SARS-CoV-2 in Prozent277
Die nicht-Struktur-Proteine (nsp) des Virus beinhalten Proteinasen und Helicasen, welche zum Teil Zielstrukturen für antivirale Therapien sind.
Abbildung 1: Aufbau von SARS-CoV-2. CDC, Alissa Eckert, MS; Dan Higgins, MAM
Obwohl die Forschung im Bereich des Proteoms von SARS-CoV-2 noch am Anfang steht, sind einige Funktionen bekannter Proteine und deren Struktur aufgrund der Homologien mit bekannten Coronaviren bereits identifiziert worden.
Das Replikase Polyprotein 1ab (UniProt P0DTD1 R1AB_SARS2, GenBank QHD43415.1) ist ein Protein, das in Transkription und Replikation der viralen RNA involviert ist. Es enthält verschiedene Proteinasen, welche für die Spaltungen des Polyproteins in verschiedene Endprodukte verantwortlich sind.
Der Hosttranslation Inhibitor (nsp1) ist ein nichtstrukturelles Protein, welches die Translation der Wirtszelle unterdrücken kann, indem es mit der 40s-Untereinheit der Ribosomen interagiert. Dieser nsp1-40s-Komplex führt eine Spaltung der Wirts-mRNA herbei und markiert sie so zum Abbau durch Endonukleasen. Die viralen mRNAs sind gegen diese Spaltung durch nspP1 nicht empfindlich, da sie über eine spezielle 5’-end leader Sequenz verfügen, die sie vor Degradation schützt. Durch Unterdrückung der Genexpression der Wirtszelle durch das Virus fördert es die eigene effiziente Replication und umgeht dabei zusätzliche Mechanismen der viralen Abwehr durch die angeborene Immunität.
Nicht-Struktur Protein 2 (nsp2):
Das Protein könnte in die Signalwege der Wirtszelle eingreifen. Ein möglicher Zusammenhang stellt die Modulation von Proteinen dar, welche die funktionelle Integrität der Mitochondrien der Wirtszelle beeinflussen. Hierdurch schützen sich Zellen vor einer Vielzahl von Stressoren (Infektion, Sauerstoffmangel, Radikalbildung, pH-Verschiebung, etc.)
Papain-like Proteinase (PL-PRO):
PL-PRO stellt aufgrund seiner verschiedenen Funktionen ein zentrales Protein im Metabolismus des Virus dar. Es ist verantwortlich für die Spaltung im Bereich des N-Terminus des Replikase Polyprotein (siehe oben). Es ist weiterhin in der Lage, in die Ubiquitinierung von Proteinen einzugreifen. Es hat eine Deubiquitinierungs- und delSGylatierungs-Aktivität für Lys-48- und Lys-63-gebundene Polyubiquitine. Zusammen mit nsp4 ist PL-PRO für die Synthese von zytoplasmatischen Doppelmembran-Vesikeln verantwortlich. Diese sind für die virale Replikation und Freisetzung notwendig. Schließlich greift das Protein in die angeborene Immunität der Zelle ein, indem die Phosphorylierung von IRF3 unterbunden wird. Dadurch können keine Dimere gebildet werden und der IRF3 nicht in den Zellkern transloziert werden. In der Folge wird die Initiierung des NF-κB Signalweges unterdrückt. Nicht-Struktur Protein 4 (nsp4): Wie oben dargestellt bewirkt nsp4 zusammen mit PL-PRO die Synthese (Assembly) der zytosolischen Doppelmembranvesikel. Es ist des Weiteren in der Lage, den C-Terminus des Replikase Polyproteins an elf verschiedenen Stellen zu spalten.
Nicht-Struktur Protein 6 (nsp6):
Nsp6 induziert Autophagosomen des endoplasmatischen Retikulums (ER) der Wirtszelle. Diese spielen eine Rolle in der Replikation und Assembly des Virus.
Nicht-Struktur Protein 7 (nsp7):
Zusammen mit nsp8 bildet nsp7 Heterohexadecamere (jeweils 8 Untereinheiten nsp8 und nsp7). Sie scheinen als Primase an der Replikation des Virus beteiligt zu sein. Auch bei der Synthese von Oligonucleotiden scheint nsp7 beteiligt zu sein und ist daher notwendig für die Aktivierung der RNA-Synthese-Aktivität der Pol.
Nicht-Struktur Protein 8 (nsp8):
Wie oben dargestellt bildet nsp8 Hexadecamere mit nsp7zur viralen Replikation. Siehe nsp7
Nicht-Struktur Protein 9 (nsp9): Möglicherweise agiert nsp9 als ssRNA-bindendes Protein und nimmt damit an der viralen RNA-Replikation teil.
Nicht-Struktur Protein 10 (nsp10):
Nsp10 ist essentiell für die Transkription des Virus. Es stimuliert sowohl nsp14 als auch nsp16. Bei nsp14 handelt es sich um die 3'-5' Exoribonuklease. Bei nsp16 handelt es sich um die 2'-O-Methyltransferase, welche in das Capping der Virus-RNA involviert ist und damit die Replikation sicherstellt und gleichzeitig das Virus vor der intrazellulären Immunantwort verbirgt. Nsp10 ist damit ebenfalls in die Produktion der Methylierung der viralen RNA eingebunden.
RNA-abhängige RNA-Polymerase (Pol/RdRp): Sie ist das tragende Enzym für die Replikation und Transkription der viralen ssRNA. Das Gen ist sehr spezifisch für SARS-CoV-2 und wird daher in zahlreichen realtime RT-PCR als Zielregion der Primer verwendet. Die Modelle der Monomere sind biologisch wenig aussagekräftig. Aus Versuchen mit SARS-CoV-1 ist bekannt, dass nsp7 und nsp8 die Aktivität der RNA-Synthese maßgeblich beeinflussen. Es ist anzunehmen, dass dies auch bei SARS-CoV-2 der Fall ist.12,13
Helicase (Hel): Das multifunktionale Zink-bindende Protein dreht die Helices sowohl von Einzelstrang-RNA (ssRNA des Virus) und von DNA (Wirtszelle) auf. Sie benötigt Magnesium als Cofaktor.
Guanin-N7 Methyltransferase (ExoN/nsp14): Dieses Enzym agiert einerseits als Exoribonuklease von ssRNA und dsRNA (3’ → 5’). Außerdem kann es Guanin an Position N7 methylieren. Es ist daher ein wesentlicher Bestandteil des Replikationsapparates des Virus und trägt gleichzeitig zum Capping bei.
Uridylat-spezifische Endoribonuklease (NendoU/nsp15): Dieses Enzym spaltet RNA spezifisch am Uridyl und hinterlässt ein 2’-3’-zyklisches Phosphat am 5’-Ende der Spaltungsstelle. Das Enzym ist Mn2+-abhängig.
2'-O-Ribose-Methyltransferase (nsp16): Die Methyltransferase ist das Schlüsselenzym des Capping der mRNA. Es methyliert 2'-O-ribose zur 5'-Capping-Struktur der viralen RNA. Hierfür ist es notwendig, dass durch die Guanin-N7-Methyltransferase (ExoN/nsp14) das Guanin an N7 methyliert hat. Daraufhin bindet nsp16 an die RNA-Cap. Der Prozess ist notwendig, damit die RNA nicht durch die Wirtszelle als fremd erkannt werden kann und durch Ribonukleasen abgebaut wird.
Spike Glykoprotein (S Glykoprotein):
Das Spike Protein S1 (S-Protein) stellt eine Schlüsselposition im Verständnis des SARS-CoV-2 dar. Es ist essentiell für die Invasion in die Wirtszelle, es stellt ein wesentliches morphologisches Merkmal der Gruppe der Coronaviren dar, es ist die Grundlage für die Immunantwort des Wirtes, es stellt ein mögliches Antigen für die Entwicklung von Impfstoffen dar und es ist vermutlich ein Ziel für antivirale Therapeutika.
Mit dem S-Protein bindet das Virion an die Zellmembran der Wirtszelle. Damit wird die Infektion der Zelle in die Wege geleitet. Der bindende Rezeptor bei SARS-CoV-2 ist das humane Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2) und der weniger bekannte CLEC4M/DC-SIGNR Rezeptor. Das Virion wird mittels Endosomen der Wirtszelle internalisiert. Die Wirtszelleigene Protease muss dazu das S-Protein modifizieren und damit eine Konformationsänderung herbeiführen. Die Proteolyse durch Cathepsin CTSL demaskiert das Fusionsprotein und aktiviert die Membranfusion indem das S-Protein S2 als Klasse I virales Fusionsprotein agiert. Nach der vorherrschenden Meinung hat das S-Protein wenigstens drei verschiedene Zustände. Einen nativen Zustand vor der Fusion, einen intermediären Zustand vor der Haarnadel Konformation (hairpin) und einen Zustand in Haarnadel Konformation nach Fusion.
Protein 3a:
Die möglichen Funktionen des Protein 3a sind vielfältig. Es konnte gezeigt werden, dass das Protein in der Lage ist, Homotetramere Komplexe zu bilden, welche als Kalium-abhängige Kanäle fungieren. Diese als Viroporin bekannten Strukturen sind möglicherweise an der Freisetzung des Virus aus der Wirtszelle beteiligt. Das Protein kann zudem zu einer Hochregulation der Produktion der Fibrinogenuntereinheiten FGA, FGB und FGC in Lungenepithelzellen führen. Dies könnte ein wesentlicher Mechanismus in der Pathogenese des COVID-19 Syndroms sein und den Progress in ein respiratorisches Versagen propagieren. Ebenso konnte in Zellkulturversuchen gezeigt werden, dass Protein 3a zu Apoptoseinduktion in der Lage ist. Auch dies liefert einen wesentlichen Beitrag zur Pathogenität des Virus. Schließlich führt Protein 3a zu einer Runterregulation des Interferonrezeptors I indem eine Serin-phosphorylierung an dessen alpha-Untereinheit herbeigeführt wird. Diese als IFNAR1 bekannte Motiv trägt zur Besetzung des Proteins mit Ubiquitin bei. Dieser Prozess wird als Ubiquitinierung bezeichnet und markiert das Protein zum intrazellulären Abbau und Recycling. Durch den Eingriff des Virus am IFN-Rezeptor kann es die intrazelluläre Abwehr der Zelle gegen Viren unterwandern. Zusammenfassend spielt Protein 3a also bei den folgenden Mechanismen eine Rolle:
Hüllprotein E (E Protein):
Das Hüllprotein spielt ähnlich wie das Membranprotein eine Rolle bei der Morphogenese des Virus und seinem Zusammenbau. Es ist ein Bestandteil der Virushülle. Es ist zudem in der Lage als Viroporin zu agieren (siehe auch Protein 3a). Hierbei kann es sich selbst in der Membran der Wirtszelle zu einem Pentamer zusammenbauen und mit den dortigen Lipiden interagieren. Die Poren erlauben einen Ionentransport unabhängig der Ionenkannäle der Wirtszelle und können dadurch die Apoptose einleiten. Durch diesen programmierten Zelltod spielt das Hüllprotein sowohl eine Rolle in der Pathogenese des COVID-19 Syndroms als auch in der Virusfreisetzung und daher Replikation.
Membran Protein (M-Protein):
Das Membranprotein ist eine wesentliche Komponente der Virushülle. Es spielt daher eine zentrale Rolle in der Morphogenese und dem Zusammenbau des Virus. Es hat zudem Interaktionen mit anderen viralen Proteinen.
Nicht-Struktur Protein 6 (nsp6):
Ns6 könnte ein determinierender Faktor in der Virulenz des SARS-CoV-2 sein. Aus Versuchen mit dem verwandten murinen Coronavirus JHM konnte die Letalität des Virus erheblich gesteigert werden. In vitro Versuche mit Zellkulturen zeigten weiterhin eine starke Steigerung der DNA-Synthese der Zellen.
Nicht-Struktur Protein 7a (nsp7a):
Die Funktion von ns7a ist nicht eindeutig geklärt. In Zellkulturversuchen war es für die Replikation des Virus nicht erforderlich.
Nicht-Struktur Protein 7b (nsp7b)
Homologe für ns7b wurden bisher nicht identifiziert. Eine Bestimmung der Funktion ist daher aktuell nicht erfolgt.
Nicht-Struktur Protein 8 (nsp8) spielt möglicherweise eine Rolle bei der Interaktion des Virus mit dem Wirt.
Nucleoprotein (NC):
Das Nucleoprotein verpackt die virale (+)-ssRNA in ein helicales Nucleocapsid. Es ist daher für den Zusammenbau des Virus (Assembly) von wesentlicher Bedeutung. Dabei interagiert es mit dem Membranprotein M und nimmt dadurch Einfluss auf die Interaktion des Virus mit der Zellwand der Wirtszelle. Das Nucleoprotein spielt damit eine wichtige Rolle in der viralen Replikation.
ORF8 Protein (open reading frame 8)
An diesem Protein wurde ein häufiger Polymorphismus des SARS-CoV-2 in einen S (Serin) oder L (Leucin) Typ festgestellt.14
ORF10 Protein (open reading frame 10)
Die genaue Funktion ist nicht geklärt. Von anderen Viren zu denen Homologien bestehen ist bekannt, dass es sich um einen Inhibitor des Interferon Rezeptors handeln könnte. Das Protein könnte daher in die angeborene Immunität eingreifen.
nsp7/nsp8 ist in der Lage, Hexadecamere auszubilden. Die Funktion ist aufgrund der Struktur nicht eindeutig zu klären. Möglicherweise interagiert der Komplex mit der Polymerase. Dies könnte durch Bindung an dsDNA geschehen oder durch Ausbildung von Primern. Der Mechanismus ist aktuell unklar.
nsp7/nsp8 bildet auch einen Komplex mit Pol zu einem hetero-oligomeren nsp7/nsp8/Pol-Komplex. Aus experimentellen Daten zu SARS-CoV ist bekannt, dass die nsp7 und nsp8 Komplexe die RNA-bindende Domäne von Pol stabilisieren und eine weitere Untereinheit von nsp8 auch die Polymeraseaktivität fördert.13
Im nsp10/nsp14 hetero-oligomeren Komplex stimuliert nsp10 die nsp14 3'5' Exoribonuclease Aktivität und greift damit in die Transkriptionsmechanismen des Virus ein.
Nsp10 bildet einen weiteren Komplex mit nsp16. Im nsp10/nsp16 heterooligomerer Komplex stimuliert nsp10 die 2'-O-Ribose Methyltransferase. Diese ist für das Capping der viralen RNA notwendig und verhindert den Abbau durch Nukleasen der Wirtszelle. Er ist daher wesentlich für die virale Transkription und die Eigenschaft des Virus, die angeborene Immunitätsmechanismen der Zelle zu umgehen.
Das S-Protein oder Spike Glycoprotein bildet einen Komplex mit humanem ACE2. Der hetero-oligomere Komplex dient der Adhäsion an der Wirtszelle. Hierdurch wird die Invasion in die Zelle gestartet und damit die Infektion.
Proteinkomplex | Funktion |
nsp7/nsp8 | Interaktion mit Polymerase, bindet möglicherweise dsDNA |
nsp7/nsp8/Pol | Virale Transkription |
Nsp10/nsp16 | Stimuliert nsp16 und damit die 2’-O-Ribose- Methylierung zur Modifikation der 5’-Cap der viralen RNA |
S-Protein/hACE2 | Zelladhäsion und Invasion |
Tabelle 5: Übersicht der wichtigsten Proteinkomplexe von SARS-CoV-2
Die Invasion des Virus in die Wirtszelle erfolgt über die Bindung an das membrangebundene Enzym ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2).15 Dies geschieht analog zu SARS-CoV-1 mittels dem S-Protein in der Hülle des Virus. Damit es zu einer Aufnahme des Virus in die Zelle kommt, muss das S-Protein jedoch modifiziert werden. Dies geschieht durch eine zelleigene Serinprotease TMPRSS2. Dieser als priming bekannte Vorgang kann durch Hemmer der Serinprotease (z.B. Camostatmesylat) oder durch Antikörper gegen das S-Protein des Virus unterbrochen werden.16
Die Replikation des Virus ist vornehmlich an das respiratorische Epithel gebunden. Die wesentlichen Lokalisationen sind daher der Nasopharynx und die Typ-I-Alveolarzellen des tiefen Respirationstraktes. Zudem scheint eine Affinität des Virus zur Mukosa des Magendarmtraktes zu bestehen, so dass es auch zu dessen Befall, Symptomatik und Ausscheidung von Viren kommt.17,18
Die Evolutionsrate des Virus stellt einen wesentlichen Faktor in der Weiterverbreitung und Pathogenese der Erkrankung dar. Sie determiniert auch, ob die Entwicklung eines Impfstoffes erfolgversprechend und von langfristiger Immunität gefolgt ist oder nicht. Die Sequenzierung zahlreicher Proben von verschiedenen Patienten weltweit ermöglicht Einblicke in Verbreitung und Veränderung des Virus über die Zeit der Pandemie.
Die Evolutionsrate von SARS-CoV-2 wurde durch molekulare Untersuchungen auf 1,16 × 10-3 Substitutionen/Ort/Jahr.19 Das deckt sich auch mit den epidemiologischen Hinweisen und Vergleichsanalysen der anderen Coronaviren. Damit wird die Mutationsrate des Virus im Vergleich zu anderen Viren als niedrig eingestuft. Die Folge ist eine niedrige genomische Diversität - zumindest im bisherigen Ablauf des Ausbruchs.
Erreger von Pandemien sind meist zoonotischen Ursprungs (mit einigen Ausnahmen). Das bedeutet jedoch auch, dass das Virus nicht an den Menschen als Wirt angepasst ist. Es besteht daher ein hoher evolutionärer Druck diese Anpassung zu vollziehen. Dies geschieht in der Regel durch genetische Mutationen. Es ist nahezu unmöglich vorzusagen, in welche 2021