Zum Autor
Dieter Reinecker ist ehemaliger Gymnasiallehrer für Philosophie und Sport. Über sein Pflichtstudium hinaus beschäftige er sich mit der Alternativ-Pädagogik und Kommunikationspsychologie. Nachdem er einige Jahre als Lehrer im Rahmen von Zeitverträgen tätig war, ist er in die freie Wirtschaft gegangen. Parallel gründete er die Nachhilfeschule: Die kleine Schule. Viele Jahre war er als Sportlehrer und Trainer-Ausbilder im Deutschen Sportbund tätig. Als sich der Staat aus der Sportförderung zurückzog, verdiente er seinen Lebensunterhalt als Redakteur, Akquisiteur, Verleger und Lektor, bis er eine Ausbildung als Finanzierungsfachmann und Ausbildungsleiter machte. Nach Jahrzehnten der Selbständigkeit wurde er schwer nierenkrank und dialysepflichtig. Im Krankenbett begann er zu schreiben. Im Jahr 2019 wurde ihm eine neue Niere transplantiert. Er ist verheiratet, lebt und arbeitet in Münster / Westf. In seinen neusten Werken steht die Sprache im Mittelpunkt seines Bemühens, den Menschen ihr wesentliches Medium näher zu bringen. Sein Ziel ist eine selbstkritische, friedensorientierte Persönlichkeit, die sich im Sinne Kant´scher Mündigkeit einer menschenwürdigen Vernunft verpflichtet fühlt.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2021 Dieter Reinecker
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7543-6388-1
Um es gleich vorweg zu sagen: Das Thema des Buches ist nicht eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Nachhilfe, die berechtigte oder unberechtigte Kritik am Schulsystem oder an der Lehrerausbildung an sich. Es geht hier nur um die Nachhilfe. Sie ist nicht mehr aus dem allgemeinen Eltern-Dasein wegzudenken. Wenn die Nachhilfe generell sinnlos wäre, gäbe es sie nicht. Ganz im Gegenteil, es sind mittlerweile schon Nachhilfe-Schulen entstanden, feste Institutionen, die sich in unserer „Bildungs“-gesellschaft einen festen Platz erobert haben.
Der Einfachheit halber bezeichne ich in diesem Buch alle Personen unabhängig ihrer geschlechtlichen subjektiven oder objektiven Erscheinung als Schüler, Lehrer bzw. als Nachhilfe-Lehrer usw. (Gender hin – Gender her)
Nachhilfe-Lehrer sind in der Regel keine Lehrer. Personen im Schuldienst verfügen über eine universitäre Ausbildung und entsprechende Staatsexamina. Zudem haben sie einen mehrjährigen Referendar-Dienst absolviert, in dem sie nicht nur täglichen Kontrollen von Fachlehrern unterworfen waren, sondern sie haben sich auch in der Unterrichtspraxis erfolgreich bewähren müssen.
Nachhilfe-Lehrer sind meistens Schüler höherer Klassen oder Studenten, die sich nebenher einen Teil ihres Lebensunterhalts dazu verdienen.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Voraussetzungen erscheint es mir notwendig, diesen engagierten jungen Personen Mittel und Wege aufzuzeigen, ihren individuellen Unterricht zu verbessern.
Ein Gespräch findet bevorzugt unter zwei Menschen statt. Ein Lehrer in der Schule muss sich aber mit der Tatsache abfinden, dass er es prinzipiell immer mit mehr oder wenigen großen bis sehr großen Gruppen von Menschen zu hat. Er unterliegt einer permanenten kommunikativen Überforderung. Nicht so bei einem Nachhilfe-Lehrer. Aufgrund des standardisierten Frontalunterrichts kann ein Schul-Lehrer sich nur sehr bedingt um jeden einzelnen Schüler kümmern, seine individuellen Schwächen oder auch Begabungen erkennen und ggf. fachlich oder pädagogisch eingreifen. Schon an dieser Stelle werden die Vorteile eines Nachhilfe-Lehrers deutlich. Er kann sich auf die Bedürfnisse eines einzelnen Schülers einstellen. Der Nachhilfe-Lehrer ist eher in der Lage, einem Schüler beratend zur Seite zu stehen. Darum ist meines Erachtens der Wert eines Nachhilfe-Lehrers sehr viel höher anzusetzen, als bisher allgemein angenommen wird. Daher empfehle ich, den Begriff des Nachhilfe-Lehrers umzuwandeln in den Begriff eines Lern-Beraters. Dieser Begriff kommt nämlich seiner eigentlichen Aufgabe als zusätzlicher Betreuer von jungen Schülern näher. Beim Begriff des Nachhilfe-Lehrers wird dem Lern-Berater unausgesprochen eine Art von Lückenbüßer unterstellt, der eigentlich überflüssig ist und die „Mangelhaftigkeit“ eines Schülers beheben soll. Dagegen bin ich der festen Überzeugung, dass nicht nur die Schulklassen viel zu groß sind, sondern dass Lern-Berater eigentlich in jede Schule gehören und zwar als integraler Bestandteil des täglichen Unterrichts. Ich war als Schüler einige Jahre in einem Internat und nachmittags war immer ein Lehrer als Ansprechpartner im Raum. Das war eine sehr gute Einrichtung, die allen zu Gute kam. Heutzutage kommt dem Lern-Berater die Funktion zu, die institutionellen Mängel der Schule auszugleichen. Aber warum kann ein Lern-Berater überhaupt solche Schulmängel ausgleichen? Weil er zwei besondere Vorteile genießt: Er hat es in der Regel mit nur einem Schüler zu tun und er studiert mit ihm gemeinsam in dessen häuslichem Umfeld.
Im Allgemeinen findet der sogenannte Nachhilfe-Unterricht in der Wohnung des Schülers bzw. seiner Eltern statt. Bei optimalen Voraussetzungen macht ein Schüler seine Hausaufgaben an seinem eigenen Schreibtisch in seinem eigenen Zimmer. Nicht selten kommt es vor, dass Hausaufgaben in der Küche und unter störenden Umständen absolviert werden müssen. Kleinere Geschwister toben umher und / oder die Mutter hantiert in der Küche und mischt sich ungefragt in den Unterrichtsprozess ein. Ein selbstsicherer und erfahrener Lern-Berater erkennt diese häuslichen Lernbedingungen und versucht mit aller Vorsicht und Einfühlungsvermögen, diese Situation für seinen Schützling zu verbessern. Ein Schul-Lehrer hat weder solche privaten Einblicke, noch kann er sie ansprechen, geschweige denn korrigieren. Verfügt der Schüler über ein eigenes Zimmer und einen eigenen Schreibtisch, erkennt ein guter Lern-Berater an der Ordnung, Unordnung und Priorisierung von potentiellem Lernmaterial, wie die Interessenslage beim Schüler tatsächlich aussieht. Hier können sich zum Beispiel Ansatzpunkte für ein Gespräch ergeben, um den Schüler aus seiner spezifischen Interessenslage abzuholen und eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Kein Interessensgebiet hat nichts mit der Schule zu tun. Es gibt reichlich Anknüpfungspunkte, um herauszufinden, wofür der Schüler vielleicht sogar „brennt“ und darum seine „Schularbeit“ vernachlässigt. Junge Menschen empfinden oft eine Diskrepanz zwischen der Schule und ihrem Leben. Dumme Sprüche von Erwachsenen und das bestehende Schulsystem begünstigen noch diese Denkhaltung. Non scolae, sed vitae discimus (Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir) ist eine solche Irreführung. Da kann sich ein jeder einmal seine eigenen Gedanken darüber machen.