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Peter Kenning

Consumer Neuroscience

Ein transdisziplinäres Lehrbuch

unter Mitarbeit von
Dr. Mirja Hubert und
Prof. Dr. Bruno Preilowski

2., erweiterte und aktualisierte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

 

Für

Brigitte,

Greta, Klara, Friedrich

und

Oskar.

2., erweiterte und aktualisierte Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Umschlagfoto: © Sagittaria-Fotolia.com

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH KG, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-037351-8

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-037352-5

epub:     ISBN 978-3-17-037353-2

mobi:     ISBN 978-3-17-037354-9

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Inhaltsverzeichnis

 

 

 

  1. Vorwort zur ersten Auflage
  2. Vorwort zur zweiten Auflage
  3. 1   Einleitung
  4. 2   Consumer Neuroscience: Was ist es und wofür braucht man es?
  5. 2.1   Was ist es? Die Entstehung der Consumer Neuroscience
  6. 2.2   Warum ist Consumer Neuroscience wichtig?
  7. 3.   Das Gehirn: Wo ist was und wofür ist es gut?
  8. 3.1   Strukturelle Neuroanatomie
  9. 3.1.1   Grobgliederung des Nervensystems
  10. 3.1.2   Orientierung im Gehirn
  11. 3.1.3   Morphologische Bildgebung (CT, MRT)
  12. 3.1.4   Bausteine des Nervensystems und Interaktionen
  13. 3.1.5   Kortikale und subkortikale Strukturen
  14. 3.2   Funktionelle Neuroanatomie
  15. 3.2.1   Rückblick: Von der Phrenologie zum Prinzip der verteilten Verarbeitung
  16. 3.2.2   Unsere sensorischen Systeme: Die Sinne
  17. 3.2.2.1   Das grundlegende Prinzip der Sensorik
  18. 3.2.2.2   Fühlen
  19. 3.2.2.3   Sehen
  20. 3.2.2.4   Hören
  21. 3.2.2.5   Gleichgewicht
  22. 3.2.2.6   Schmecken
  23. 3.2.2.7   Riechen
  24. 3.2.2.8   Fazit
  25. 3.3   Neuroanatomische Grundlagen psychischer Phänomene
  26. 3.3.1   Lernen und Gedächtnis
  27. 3.3.2   Aufmerksamkeit
  28. 3.3.3   Geschlechterspezifika
  29. 3.3.4   Motivation
  30. 3.3.5   Decision Making
  31. 4   Die Vermessung des Gehirns oder: Welche Methoden verwendet die Consumer Neuroscience?
  32. 4.1   Überblick
  33. 4.2   Functional Magnetic Resonance Imaging (fMRI)
  34. 4.2.1   Der typische Ablauf eines fMRI-Experiments
  35. 4.2.2   Designarten und Paradigmen
  36. 4.2.2.1   Blocked-Design
  37. 4.2.2.2   Event-related Design
  38. 4.2.2.3   Gemischtes Design
  39. 4.2.3   Die einzelnen Schritte der Datenanalyse
  40. 4.2.3.1   Das Pre-Processing
  41. 4.2.3.2   Das Model-Fitting
  42. 4.2.3.3   Statistical Inference
  43. 4.2.3.4   ROI-Analysen
  44. 4.2.3.5   Vergleich der Gehirne
  45. 4.2.3.6   Konnektivitätsanalysen
  46. 4.2.3.7   Interpretation der Daten
  47. 4.2.3.8   Typische Fehler im Rahmen einer fMRI-Analyse
  48. 4.3   Transkranielle Magnetstimulation
  49. 4.4   Elektroenzephalographie (EEG)
  50. 4.4.1   Überblick
  51. 4.4.2   Dateninterpretation: Die Frequenzbänder
  52. 4.4.3   Evozierte Potentiale
  53. 4.5   Magnetenzephalograhie (MEG)
  54. 4.5.1   Überblick
  55. 4.5.2   Die Datenerhebung und -analyse
  56. 4.6   Nahinfrarotspektroskopie (NIRS)
  57. 4.7   Eye-Tracking
  58. 4.8   Hautwiderstandsmessung
  59. 4.9   Kombination von Methoden
  60. 5   Wie alles zusammenhängt und -wirkt: Die wichtigsten neurowissenschaftlichen Theorien und Ansätze
  61. 5.1   Die Hypothese der somatischen Marker
  62. 5.2   Theory of Mind
  63. 5.3   Spiegelneuronen
  64. 5.4   Prediction-Error-Hypothese und das Reinforced-Learning-Modell
  65. 5.5   Consumer Decision Neuroscience: Entscheidungsfindung und kognitive Prozesse
  66. 6   Was wissen wir bisher? Ein Überblick über die wichtigsten Ergebnisse der Consumer Neuroscience
  67. 6.1   Individual Consumer Neuroscience
  68. 6.1.1   Überblick
  69. 6.1.2   Framing
  70. 6.1.3   Intertemporal Discounting
  71. 6.1.4   Anchoring
  72. 6.1.5   Risiko in Choice und Non-Choice-Settings (»Risky Decision Making«)
  73. 6.1.6   Endowment-Effekt
  74. 6.1.7   Fazit
  75. 6.2   Social Consumer Neuroscience
  76. 6.2.1   Vertrauen
  77. 6.2.2   Fairness
  78. 6.2.3   Empathie
  79. 6.2.4   Kooperation
  80. 6.3   Commercial Consumer Neuroscience
  81. 6.3.1   Produktpolitik und Konsumentenverhalten
  82. 6.3.2   Preispolitik und Konsumentenverhalten
  83. 6.3.3   Kommunikationspolitik und Konsumentenverhalten
  84. 6.3.4   Distributionspolitik
  85. 6.3.5   Marken
  86. 6.4   Das neurale Wechselspiel von Belohnung und Bestrafung als wesentliche Treiber des Kauf- und Konsumentenverhaltens
  87. 6.5   Die Forschungsgrenzen der Consumer Neuroscience
  88. Literatur
  89. Glossar
  90. Register

Vorwort zur ersten Auflage

 

 

 

Die vielleicht spannendsten wissenschaftlichen Entwicklungen finden derzeit an der Grenzlinie zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften statt. Die Wirtschaftswissenschaften, die zum einen naturwissenschaftlich-mathematische Methoden nutzen, zum anderen in vielen Bereichen aber auch den Charakter einer Geisteswissenschaft haben, befinden sich derzeit genau in diesem Grenzbereich, ja mehr noch: Die Grenze verläuft genau durch sie hindurch. Die daraus resultierenden Spannungen bedingen gelegentlich, dass neue und ganz eigenartige Disziplinen entstehen, die den Versuch unternehmen, beide Welten miteinander zu verbinden. Eine solche Transdisziplin bildet die Neuroökonomik. Gegenstand der Neuroökonomik ist die systematische Integration neurowissenschaftlicher Methoden, Theorien und Erkenntnisse in die Wirtschaftswissenschaften. Ihr explizites Ziel ist es, eine »unified theory of human behavior« (mit) zu entwickeln, die im Kern auf neurobiologischen Begriffen, Konzepten und Theorieansätzen basiert.

Trotz ihres noch jungen Alters hat die Neuroökonomik bereits einige Konkretisierung in den Wirtschaftswissenschaften erfahren, die oft durch eine Kombination des Präfixes »Neuro« mit einer etablierten ökonomischen bzw. betriebswirtschaftlichen Disziplin gekennzeichnet ist. So gibt es bspw. die Begriffskombinationen Neuro-Finance, Neuro-Accounting, Neuro-IS sowie Neuro-Marketing. Alle diese Gebiete sind erst vor wenigen Jahren entstanden und weisen, wie in diesem Buch gezeigt werden wird, eine hohe primär- gelegentlich auch vorwissenschaftliche Dynamik auf. Sie befinden sich überwiegend noch im Entdeckungszusammenhang. Bei aller Aufbruchsstimmung sollte jedoch beachtet werden, dass eine gelegentliche Reflektion und Systematisierung des Erforschten und Erkannten notwendig ist, um Anschlussfähigkeit zu gewährleisten. Vor allem aber sollte das bis dato in Erfahrung Gebrachte, in geeigneter Form vermittelt werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Studierenden sowie interessierte Nachwuchswissenschaftler, denen ansonsten ein Einstieg in die bisweilen nicht nur komplizierte, sondern sogar komplexe Materie nur sehr beschwerlich möglich wäre.

Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des vorliegenden Buches, seiner primären Zielgruppe, nämlich den Studierenden und dem akademischen Nachwuchs, einen Einstieg in das Forschungsfeld »Consumer Neuroscience« sowie einen Überblick über die Entwicklungen in diesem transdisziplinären Feld im Grenzgebiet zwischen Wirtschafts-, Verhaltens- und Neurowissenschaften zu geben. Dies geschieht hauptsächlich aus einer wissenschaftlichen und deskriptiven Perspektive. Somit geht es darum, die Leserinnen und Leser in die Lage zu versetzen, sich nach der Lektüre weitgehend eigenständig ein Bild darüber zu machen, was in diesem Themengebiet erforscht und diskutiert wird sowie worin seine Gegenständlichkeiten bestehen. Darüber hinaus sollen die Leser aber auch motiviert werden, die »weißen Flecken« auf der Forschungslandkarte selbst zu entdecken und eigene Gedanken und Ideen zu entwickeln. Kurz gesagt ist das Ziel des Buches, bei aller angebrachten Vorsicht und Zurückhaltung eine neue theoretische und praktisch relevante Perspektive in die Konsumenten- und Käuferverhaltensforschung und -lehre zu integrieren. Dazu sollen insbesondere auch neurowissenschaftliche Methoden, Begriffe und Theorien in die klassische Forschung und Lehre integriert werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei zum einen Redundanzen zum anderen aber auch Reduzierungen notwendig sind. Für diese beiden Aspekte bitte ich die Leserinnen und Leser bereits vorab um Entschuldigung und freue mich auf entsprechende Verbesserungshinweise, die ich dann gerne in weiteren Auflagen berücksichtigen werde.

Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass dieses Buch seine Entstehung insbesondere der Unterstützung vieler am Entstehungsprozess beteiligter Personen verdankt. Zuerst möchte ich hier meine liebe Frau Brigitte Kenning-Scho erwähnen, ohne deren unerschöpfliche Rücksichtnahme dieses Buch nicht hätte geschrieben werden können. Daneben danke ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die umfangreiche Unterstützung. Zuallererst gilt dieser Dank Frau Dr. Mirja Hubert, die mich trotz vielfältiger anderer Verpflichtungen wesentlich bei der ersten Strukturierung dieses Buches unterstützt hat. Zudem danke ich sehr herzlich meinem Kollegen Prof. Dr. Bruno Preilowski für die überaus hilfreichen Korrektuhinweise im neurowissenschaftlichen Bereich. Lieber Bruno, ich danke dir herzlich für deine unermüdliche fachkundige Unterstützung und nehme sämtliche verbliebenen Fehler auf meine Rechnung! Darüber hinaus danke ich Frau Dr. Linn Rampl, Frau Dr. Inga Wobker sowie den Herren Dr. Tim Eberhardt, Jun.-Prof. Dr. Marco Hubert und Herrn Dr. Marc Linzmajer für die stete Diskussionsbereitschaft. Ein besonderer Dank gilt auch Frau Sabine Marx, die mich in hervorragender Weise immer wieder von der Außenwelt abgeschirmt hat und so für die nötige Ruhe während meiner Schreibklausuren gesorgt hat. Herrn Dr. Fliegauf vom Kohlhammer Verlag danke ich herzlichst für die vorbildliche und geduldige Betreuung des Publikationsprojekts.

Schließlich danke ich ganz besonders dem Präsidium und der Geschäftsführung der Zeppelin Universität. Ohne die mir großzügig und vollkommen unbürokratisch ermöglichten Freiräume wäre es mir sicher nicht gelungen, dieses Buch zu vollenden.

Münster und Friedrichshafen im April 2014

Prof. Dr. Peter Kenning

Vorwort zur zweiten Auflage

 

 

 

Erfreulicherweise hat die erste Auflage des vorliegenden Buches eine überaus positive Marktaufnahme erfahren. Dadurch ergab sich die Möglichkeit, im Rahmen der nun vorliegenden, zweiten Auflage einige Entwicklungen, die sich zwischenzeitlich ergeben haben, aufzugreifen und das Buch dadurch zu aktualisieren. Darüber hinaus wurde der Text an einigen Stellen korrigiert, konkretisiert und präzisiert. Für die in diesem Zusammenhang wertvolle Unterstützung möchte ich mich ganz besonders bei meiner Mitarbeiterin Nadine Gier, meinem Mitarbeiter Caspar Krampe sowie bei Dr. Enrique Strelow bedanken. Zudem möchte mich mich ganz besonders bei meinem Kollegen Sven Bräutigam von der Oxford University für seine stetige Diskussionsbereitschaft und vor allem für wirklich erstklassigen Rahmenbedingungen im Oxford Center for Brain Activity bedanken – gerne wieder!

Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle auch Frau Kirsten Götze, deren ganz hervorragende und souveräne Planung dazu geführt hat, dass ich die für das konzentierte Schreiben an der zweiten Auflage doch unerlässlichen Freiräume in meinem Terminkalender finden konnte. Ebenso danke ich erneut Herrn Dr. Fliegauf vom Kohlhammer Verlag herzlichst für die vorbildliche und geduldige Betreuung des Publikationsprojekts.

Schließlich danke ich ganz besonders dem Rektorat der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Ohne das mir gewährte Forschungssemester wäre es mir sicher nicht gelungen, die Neuauflage zu vollenden.

Düsseldorf im März 2020

Prof. Dr. Peter Kenning

1          Einleitung

 

 

 

»Die vielleicht letzte wissenschaftliche Grenze – die ultimative Herausforderung – besteht darin, die biologische Basis des Bewusstseins und der geistigen Vorgänge durch die wir wahrnehmen, handeln, lernen und uns erinnern, zu verstehen.«

 

Eric Kandel, Nobelpreisträger der Medizin

»I don´t need to know anything about the hippopothamus.«

 

Anonymer Ökonom

In den letzten Jahren hat die akademische Forschung eine erhebliche Bedeutungszunahme von Arbeiten erfahren, die an der Schnittstelle zwischen den Neurowissenschaften, der Psychologie und der Ökonomik liegen (Foxall et al. 1998). Die Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten waren eingebettet in die Entdeckung und Entwicklung neuer Forschungsgebiete, die heute als Consumer Neuroscience, Decision Neuroscience, Neuroeconomics, Neuroökonomik und sogar als Neuromarketing bezeichnet werden (Shiv et al. 2005, Ramsoy, 2015). Das gemeinsame Ziel dieser Arbeiten besteht darin, neurowissenschaftliche Erkenntnisse, Theorien, Konzepte und – wohl vor allem – Methoden in die jeweilige wirtschaftswissenschaftliche Subdisziplin zu integrieren (Kenning, Plassmann 2005). Trotz ihrer zunehmenden Bedeutung fehlt es aber bis heute an wissenschaftlich fundierten, monographischen Lehrbüchern, welche eine systematische Integration dieser neuen Entwicklungen in die zumeist wirtschaftswissenschaftlichen Curricula und damit einen Einstieg in das Thema erlauben würden.

Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des vorliegenden Buches, seiner primären Zielgruppe, nämlich den Studierenden und dem akademischen Nachwuchs einen Überblick über den aktuellen Stand sowie die Entwicklungen im Forschungsfeld »Consumer Neuroscience« zu geben. Dies geschieht primär aus einer wissenschaftlichen und deskriptiven Perspektive. Dabei geht es darum, den Leser in die Lage zu versetzen, sich nach der Lektüre dieses Buches weitgehend eigenständig ein Bild darüber zu machen, in welchen Situationen die Consumer Neuroscience einen sinnvollen Beitrag zur Lösung praktisch-normativer Fragestellungen leisten kann und wann klassische Ansätze und Konzepte zweckmäßig sind (Fugate 2007; Lee et al. 2007; Linn 2018). Etwas verkürzt dargestellt ist das Ziel des Buches, eine Beitrag dazu zu leisten, eine neue theoretische Perspektive in die Konsumenten- und Käuferverhaltensforschung und -lehre systematisch zu integrieren und dadurch wissenschaftliches Arbeiten in diesem Feld zu ermöglichen.

Die Notwendigkeit einer systematischen Integration besteht deswegen, weil menschliches Verhalten wohl weitestgehend auf biologischen Prozessen basiert. Da es nämlich wohl keine körperlosen, menschlichen Entscheidungen gibt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein fortschreitendes Verständnis, der dem menschlichen Verhalten zugrunde liegenden Biologie,eine Möglichkeit bieten könnte, menschliches Verhalten – und damit eben auch Konsumenten- und Käuferverhalten – besser zu verstehen (Eibl-Eibesfeldt 1997) und vorhersagen zu können. Da entsprechend dieser Brain-as-predictor-Hypothese davon ausgegangen wird, dass neurale Prozesse und bestimmte Hirnstrukturen hierbei eine wesentliche Rolle spielen (Berkman, Falk 2012), stehen diese Prozesse und Strukturen hier im Zentrum.

Im Gegensatz dazu wurde das Kunden-, Käufer- und Konsumentenverhalten in den letzten Jahren primär aus einer psychologischen Perspektive untersucht. In diesem Zusammenhang wurde das menschliche Gehirn metaphorisch als eine Black Box betrachtet. Die in ihm ablaufenden Prozesse wurden theoretisch rekonstruiert (Howard, Sheth 1969) und indirekt (z. B. durch Befragungen) erfasst. Heute erlauben hingegen moderne Techniken und Verfahren aus dem Bereich der Radiologie oder der Biologie einen direkten Blick in das lebende Gehirn (Kenning et al. 2007). Dies gilt insbesondere für die sog. bildgebenden Verfahren (Plassmann et al. 2007a; Riedl et al. 2010b, Linn 2018), die demzufolge in diesem Buch im vierten Kapitel eine besondere Würdigung erfahren werden.

Um das genannte, integrative Ziel zu erreichen, ist das vorliegende Buch wie folgt aufgebaut: Zunächst wird in diesem Kapitel die bisherige Entwicklung der Consumer Neuroscience und damit verbunden der frühen neuroökonomischen Forschung skizziert. Darüber hinaus werden die für ein erstes Verständnis der Materie wichtigsten begrifflichen Grundlagen gelegt. Darauf aufbauend werden die wesentlichsten neuralen Strukturen und anatomischen Grundlagen skizziert, um dem Leser rasch eine erste Orientierung im Gehirn zu ermöglichen. Dem schließt sich eine Nennung, Erläuterung und Diskussion der wichtigsten Funktionen des Gehirns an. Darauf aufbauend werden die neuroanatomischen Grundlagen einiger zentraler psychischer Phänomene gewürdigt. Anschließend werden die aus Sicht des Verfassers für das Themengebiet Consumer Neuroscience zentralen Methoden, Theorien und Konzepte erläutert. Danach werden im sechsten Kapitel einige ausgewählte empirische Ergebnisse diskutiert. Diese werden in drei Felder unterteilt: Individual Consumer Neuroscience, Social Consumer Neuroscience, sowie Commercial Consumer Neuroscience. Diese Trennung orientiert sich an der in den Wirtschaftswissenschaften bekannten Unterscheidung in Entscheidungs- und Spieltheorie sowie an dem Zweck, die Forschungsergebnisse betriebs- bzw. absatzwirtschaftlich zu nutzen.

So geht es im Bereich der Individual Consumer Neuroscience zunächst noch um (isolierte) Entscheidungen einzelner Akteure, deren Nutzenniveau nicht vom Verhalten anderer Akteure abhängt. Typische Forschungsgegenstände wären in diesem Bereich die mit bekannten Phänomenen wie dem Framing- oder Anchoring-Effekt verbundenen neuralen Mechanismen. Im Gegensatz dazu ist das Merkmal der Social Consumer Neuroscience, dass das Verhalten anderer Akteure Teil der eigenen Nutzenfunktion des Kunden wird und diese beeinflusst. Typische Beispiele hierfür wären auf Vertrauen und Reziprozität angelegte Austauschprozesse (z. B. in sozialen Netzwerken wie facebook oder digitalen Plattformen wie ebay).

Im dritten Feld, der Commercial Neuroscience, wird hingegen von der Perspektive des Kunden bzw. der Kundengruppe auf die Perspektive des Unternehmens gewechselt. Mithin steht hier die betriebliche Nutzung neurowissenschaftlicher Theorien, Methoden und Erkenntnisse im Vordergrund (Levallois et al. 2019). In diesem Forschungsfeld wird z. B. entsprechend der Struktur der Marketing-Instrumentalbereiche diskutiert, welche neuralen Mechanismen mit der Wahrnehmung und Verarbeitung der Marketing-Instrumente assoziiert sind. Eine besondere Bedeutung haben hierbei Studien, die sich mit dem Instrument der Marke befassen. Im letzten Kapitel wird schließlich eine kurze Zusammenfassung vorgenommen. Zudem werden einige Forschungsgrenzen aus wissenschaftstheoretischer Perspektive genannt sowie ein Ausblick auf die weitere mögliche Entwicklung gegeben.

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Abb. 1: Überblick über den Aufbau des Buches

Mit Blick auf den Lehrbuchcharakter des Buches werden am Ende der jeweiligen Kapitel einige Wiederholungsfragen gestellt, die dem Leser eine Reflexion des Kapitels erlauben. Zudem werden einige zentrale Begriffe und Konzepte in einem Glossar noch einmal zusammengestellt.

Dem Titel des Buches entsprechend stehen im Zentrum der Ausführungen Aspekte des Konsumenten- und Käuferverhaltens. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die genannten Methoden, Theorien und Konzepte ausschließlich für dieses Verhalten relevant seien. Das Gehirn beschränkt sich ja nicht darauf. Vielmehr haben viele Passagen des Buches einen durchaus generellen Anspruch. Dies gilt insbesondere für die eher neurowissenschaftlich geprägten Kapitel und Absätze.

2          Consumer Neuroscience: Was ist es und wofür braucht man es?

 

 

 

2.1       Was ist es? Die Entstehung der Consumer Neuroscience

Die Entwicklung der Consumer Neuroscience resultiert aus einer Evolution der Konsumenten- und Käuferverhaltensforschung, deren Entstehungsgeschichte wiederum eng verbunden ist mit der Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften und hier insbesondere derjenigen des Marketings. Etwa zu Beginn des 19. Jahrhunderts stellten Ökonomen erstmalig fest, dass das Verhalten der Konsumenten mit Hilfe der bis dahin dominierenden Kaufkraft-Modelle nicht ausreichend erklärt werden konnte. Parallel hierzu gewannen ergänzende psychologische Modelle und Konstrukte wie Einstellungen oder Motive an Bedeutung (Meffert, Burmann, Kirchgeorg 2011, S. 36). Das Konsumentenverhalten wurde in diesem Zusammenhang immer mehr als das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Variablen erkannt. Die wichtigsten Kategorien bildeten dabei die ökonomischen (z. B. der Preis eines Gutes) sowie die psychologischen Variablen (z. B. das Image der Marke; vgl. Gutjahr 2011). Bereits damals war aber erkennbar, dass eine rein auf ökonomischen und psychologischen Modellen basierende Theorie zu ungenau ist und daher eine interdisziplinäre Ausrichtung der Konsumentenverhaltensforschung sinnvoll sein könnte, die z. B. durch eine Ergänzung soziologischer Aspekte (man denke z. B. an Rollenkonzepte oder die Systemtheorie) geschehen sollte.

Gleichwohl dominierte in der Gründungsphase des Marketings eine ökonomische Sichtweise, die primär distributionspolitische Aspekte berücksichtigte (Wilkie, Moore 2003). Es entsprach dem damaligen Zeitgeist, dass die wirtschaftswissenschaftliche Forschung psychologischer Provenienz in jener Zeit hauptsächlich versuchte, das beobachtbare Verhalten der Kunden und Konsumenten mit Hilfe behavioristischer Ansätze zu erklären. Denn mit der Entdeckung der bedingten Reflexe durch Pawlow bot sich den Verhaltenswissenschaftlern damals die Möglichkeit, »nach dem Vorbild der klassischen, exakten Naturwissenschaften zu experimentieren und viele Psychologen hegten die Hoffnung, damit die Bausteine des Verhaltens gefunden zu haben, aus denen sich der ganze bunte Kosmos des Verhaltens konstruieren lasse« (Eibl-Eibesfeldt 1997, S. 15).

Die Idee des Behaviorismus war, dass aufbauend auf der bereits von John Locke formulierten Vermutung, die Menschen kämen als unbeschriebenes Blatt zur Welt, menschliches Verhalten letztlich vollständig als Reaktion auf äußere Reize zu erklären sei (Skinner 1978). Der Mensch sei im Wesentlichen passiv und durch Belohnung und Bestrafung jederzeit in der gewünschten Weise zu konditionieren. Der Hinweis auf eine möglicherweise vorgegebene menschliche Natur brachte – schon damals – die Gefahr mit sich, als biologischer Determinist und Reduktionist disqualifiziert zu werden (vgl. Eibl-Eibesfeldt 1997, S. 15). Parallel dazu entwickelte sich in der Anthropologie ein kultureller Relativismus, der Kultur als eine von der Biologie weitestgehend unabhängige Kategorie definierte und damit auch der Neurobiologie entrückte. Ein Ansatz der in den letzten Jahren in der Entwicklung der sogenannten »Cultural Neuroscience« seine Gegenthese gefunden hat (Chiao 2009), die wiederum mit kollektivistischen Konzepten und Theorien (z. B. dem Konzept der »verteilten Kognition«) konfrontiert wird.

Methodisch untersuchten die Behavioristen den Zusammenhang zwischen einem bestimmten Umfeld bzw. Stimulus und damit verbundenem bzw. daraus resultierendem Verhalten (Reaction) mit Hilfe klar definierter experimenteller Ansätze (Plomin et al. 1990). Die im Rahmen dieser Forschungsarbeiten entwickelten Modelle werden demzufolge als S-R(»Stimulus-Response«)-Modelle bezeichnet (Kotler, Armstrong 2009). Es liegt auf der Hand, dass neurobiologische Methoden und Verfahren in diesem Zusammenhang keine deskriptive Bedeutung hatten. Vielmehr wurde der menschliche Organismus ganz im Sinne von Locke als Black-Box definiert. Ein wesentlicher Grund hierfür bestand in den methodischen Grenzen, die seinerzeit bestanden.

Eine weitere wichtige Annahme der damaligen Wirtschaftswissenschaften war die Idee, Menschen müssten sich stets rational, oder besser: im Sinne des Modells »vernünftig« verhalten. Die mit dieser Annahme verbundene Idee des Homo oeconomicus ist in den letzten Jahren vielfach widerlegt, aber auch regelmäßig zu Unrecht gescholten worden. So wurde oft übersehen, dass es sich eigentlich um eine Strohmann-Diskussion handelte. Tatsächlich bewegt sich die Idee des Homo oeconomicus nicht ausschließlich auf der deskriptiven, sondern auf der ethisch- bzw. praktisch-normativen Ebene. Demnach besteht die Aussage nicht darin, wie Menschen sich tatsächlich verhalten, sondern wie sie sich nach Sicht der Ökonomie in bestimmten Situationen verhalten sollten (Jacoby 2002).

Heute kann diese Diskussion als weitgehend überwunden gelten. So kommen in diesem Zusammenhang Richard Köhler und Manfred Bruhn zu folgendem, quasi »postkritischem« Ergebnis:

»Die experimentelle Spieltheorie ist ebenfalls vom Bild des Homo oeconomicus abgerückt. In diesem Sinne wäre es wünschenswert, wenn die Kritiker der betriebswirtschaftlichen Disziplin irgendwann einmal zur Kenntnis nehmen würden, dass das Bild des Homo oeconomicus schon seit Jahrzehnten nicht mehr Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre ist« (Köhler, Bruhn 2010, S. 5).

Schauen wir aber noch einmal auf die Entwicklung der Konsumenten- und Käuferverhaltensforschung zurück: Dort begründeten Jerome McCarthy und Philip Kotler zu Beginn der 1960er und 1970er Jahre das »moderne Marketing« mit der Entwicklung der sogenannten Marketing-Mix-Instrumente (Kotler 1976; McCarthy 1960). Sie propagierten den Gedanken, dass Marketing vielmehr das Konzept der marktorientierten Unternehmensführung beschreiben sollte, als ein bloßes Instrument des Absatzes darzustellen. Die dieser Forderung zugrundeliegende Erkenntnis war, dass letztlich der Kunde die einzige dauerhafte Cash-Flow-Quelle des Unternehmens sei. Alle anderen Stakeholder – u. a. der Staat, die Mitarbeiter sowie die Lieferanten – seien primär dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Einkommenserwartung mit dem Unternehmen verbinden. Daraus resultiert letztlich ein Mittelabfluss, der durch kundenseitig gewonnene Mittelzuflüsse mindestens zu kompensieren sei (Meffert, Burmann, Kirchgeorg 2011).

Aus dem Postulat der marktorientierten Unternehmensführung das auch in Deutschland (weiter-)entwickelt wurde, ergab sich unmittelbar die Forderung, die Konsumenten- und Käuferverhaltensforschung als eine wichtige theoretische Grundlage der Unternehmensführung zu betrachten (Meffert, Burmann, Kirchgeorg 2011). Eine Idee, die sehr schnell rasche Verbreitung fand und heute als allgemein akzeptiert gelten darf. In diesem Zusammenhang wurde 1969 in den USA die Association for Consumer Research (ACR) gegründet, die mittlerweile auf mehreren Kontinenten Ableger etablieren konnte. Etwa zeitgleich wurden die ersten Lehrbücher zum Thema »Consumer Behavior« veröffentlicht (Engel et al. 1968; Kassarjian, Robertson 1968). In diesen Tagen waren die wichtigsten Konzepte übersichtliche Modelle des Konsumentenverhaltens, die interessanterweise zunächst als »prozessuale Einbahnstraßen« gedacht wurden (Engel et al. 1968; Howard, Sheth 1969; Nicosia 1966). Im Zentrum der Modelle stand zumeist die Bedürfnisbefriedigung der Kunden. Nach wie vor wurden aber die im Kunden ablaufenden Prozesse nicht unmittelbar operationalisiert, sondern (re-)konstruiert. Der Kundenkopf blieb weiterhin eine Black Box. Im Gegensatz aber zu den S-R-Modellen wurden die im Organismus ablaufenden Prozesse mit Hilfe theoretischer Überlegungen und empirischer Forschung nun aber systematischer rekonstruiert. Diese Arbeiten manifestierten sich in der Etablierung des auch heute noch bekannten und bedeutsamen S-O-R-Paradigmas (image Abb. 2).

Unterschiede zwischen den verschiedenen S-O-R-Modellen bestanden darin, dass sie teilweise primär auf einige, wenige Facetten des Konsumentenverhaltens abstellten und als Partialmodelle bezeichnet werden konnten (Meffert, Burmann, Kirchgeorg 2012, S. 140). Andere Modelle versuchten hingegen, das gesamte Konsumentenverhalten und die zu seiner Beschreibung notwendigen Konstrukte in einem Modell zu integrieren. Diese Totalmodelle hatten zwar einen gewissen didaktischen Wert, da sie die Komplexität des Verhaltens erahnen ließen, waren aber auch gerade deswegen sehr unübersichtlich. Darüber hinaus suggerierten sie eine zumeist statische deterministische Mechanik, die in der Realität oft nicht gegeben war (Meffert, Burmann, Kirchgeorg 2012, S. 140).

Ein in diesem Kontext entwickeltes und nach wie vor bedeutsames Modell ist das Totalmodell von Howard und Sheth (1969). Das Ziel dieses Modells war es, die kognitiven,

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Abb. 2: Das S-O-R-Modell (Kotler, Armstrong 2009 in Anlehnung an Howard, Sheth 1969)

kontrollierten Kaufentscheidungen mit Hilfe bestimmter Variablen zu erklären (Meffert, Burmann, Kirchgeorg 2012, S. 142). Hierzu unterschied das Modell zwischen drei Gruppen von Variablen: Den beobachtbaren Inputs (S), den beobachtbaren Outputs (R) sowie den nicht beobachtbaren, hypothetischen Konstrukten (I), die den internen Zustand des Kunden erfassen und beschreiben sollten. Diese Gruppe der hypothetischen Konstrukte konnte dabei in Konstrukte unterteilt werden, die in die Informationsverarbeitung involviert sind sowie Konstrukte, die im Zusammenhang mit Lernprozessen von Bedeutung sind. Die folgende Abbildung 3 stellt diesen Unterschied sowie die entsprechenden Konstrukte des Modells noch einmal in graphischer Form dar.

Ein weiteres für die Konsumentenverhaltensforschung bedeutsames Totalmodell wurde 1978 erstmalig von Engel et al. vorgelegt und später weiterentwickelt (Engel et al. 1978, 1995). Das zentrale Merkmal dieses Modells war die Differenzierung in verschiedene Kaufentscheidungstypen. In dem Modell wurden extensive, limitierte, impulsive und habitualisierte Kaufentscheidungen unterschieden. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zur Differenzierung dieser Typen waren das Involvement und die mit dem Kaufakt verbundene bewusste Wahrnehmung des Kunden (Meffert, Burmann, Kirchgeorg 2012, S. 111). Darüber hinaus wurde der Kaufentscheidungsprozess differenziert in verschiedene, aufeinander folgende Phasen. Den Ausgangspunkt bildet dabei das durch den jeweiligen Kunden empfundene Bedürfnis oder ein durch externe Stimuli hervorgerufenes Motiv. Der Wahrnehmung dieser Differenz zwischen aktuellem und gewünschtem Zustand folgt die Phase der Informationssuche. In dieser Phase sucht der Kunde annahmengemäß die zur Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stehenden Alternativen. In der dritten Phase werden diese schließlich bewertet, eine entsprechende Kaufentscheidung getroffen und das Ergebnis der Entscheidung evaluiert.

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Abb. 3: Vereinfachte Wiedergabe des Modells von Howard und Sheth (Eigene Darstellung in Anlehnung an Howard und Sheth, 1969, S. 30)

Ein weiteres wichtiges Modell zur Erklärung des Käuferverhaltens bzw. der Kaufentscheidung wurde von Jim Bettman 1974 vorgelegt. Im Zentrum dieses Modells standen sogenannte Entscheidungsnetze (»Decision Nets«). Zur Identifikation der mit dem Entscheidungsnetz assoziierten intervenierenden Variablen bediente sich Bettman des Instruments der begleitenden Beobachtung. Hierbei geht ein Interviewer mit dem Kunden zusammen einkaufen und protokolliert die Dinge, die der Kunde im Moment jeweils erlebt und bewusst wahrnimmt. Die Idee dieses Ansatzes besteht somit darin, die in der Black Box ablaufenden Prozesse möglichst zeitnah und spontan zu erfassen, auch wenn sie nach wie vor kognitiv »gefiltert« und expliziert werden müssen.

Aufbauend auf der Entwicklung dieser für die heutige Konsumentenverhaltensforschung noch wichtigen Modelle hat in den letzten Jahren der technische Fortschritt insbesondere im medizinisch-radiologischen Bereich dazu geführt, dass die im Kundenkopf ablaufenden Prozesse mehr oder weniger direkt erfasst werden können (Zaltman 2000). Zwar könnte grundsätzlich der gesamte Organismus des Kunden von Relevanz sein; gleichwohl fokussieren die meisten Wissenschaftler die im Gehirn ablaufenden Prozesse, da man wohl zurecht davon ausgeht, dass ein Großteil des menschlichen Verhaltens in diesem zentralen Organ abläuft. Die wohl nicht ganz unberechtigte Hoffnung der entsprechenden ForscherInnen ist dabei, dass ein besseres Verständnis des menschlichen Gehirns zu einem besseren Verständnis und einer besseren Vorhersage des menschlichen Verhaltens und damit auch des Kauf- und Konsumentenverhaltens führen könnte (Kenning, Plassmann 2005). Diese Hoffnung manifestiert sich derzeit in der sogenannten Brain-as-predictor-Hypothese. Diese Hypothese wurde erstmalig von Berkman und Falk (2012) explizit verwendet. Die Idee dieser Hypothese wird in dem folgenden Zitat deutlich:

»One goal of social science in general, and of psychology in particular, is to understand and predict human behavior. Psychologists have traditionally used self-report measures and performance on laboratory tasks to achieve this end. However, these measures are limited in their ability to predict behavior in certain contexts. We argue that current neuroscientific knowledge has reached a point where it can complement other existing psychological measures in predicting behavior and other important outcomes.« (Berkman, Falk 2012, S. 45).

Der Versuch, biologische Variablen auch in die Käufer- und Konsumentenverhaltensforschung zu integrieren ist dabei nicht grundsätzlich neu. Tatsächlich haben einige prominente Fachvertreter frühzeitig auf die Bedeutsamkeit der Neurowissenschaften und die entsprechenden methodischen Möglichkeiten hingewiesen (Kroeber-Riel 1979). Auch wurden verschiedene apparative Verfahren verwendet, die heute noch wichtig sind (z. B. die EEG; Krugman 1971). Dennoch folgte dann eine Zeit, die Saad (2008) vor einigen Jahren treffenderweise als »collective amnesia of marketing scholars regarding consumers’ biological and evolutionary roots« bezeichnete. Diese Phase scheint heute im Kontext der Entwicklungen in den Bereichen der Neuroeconomics (Camerer et al. 2005) und Consumer Neuroscience (vgl. Kenning/Plassmann/Ahlert 2007; Levallois 2019) überwunden zu sein, denn in diesem Gebieten geht es (wieder) um die Integration neurowissenschaftlicher Methoden, Theorien und Erkenntnisse in die wirtschaftswissenschaftliche Forschung. In diesem Zusammenhang werden zunehmend auch absatzwirtschaftliche Fragen fokussiert und der – etwas irreführende – Begriff »Neuromarketing« verwendet (Lewis, Bridger 2005; Levallois 2019).

Eine der ersten wissenschaftlichen und methodische besonders bedeutsamen Studien im Rahmen der geschilderten Entwicklung war das von Alan Sanfey im Jahre 2003 durchgeführte Experiment zu den neuralen Prozessen, die mit Entscheidungen im Ultimatum-Game verbunden sind (Güth et al. 1982). Bereits diese Studie zeigte, dass die Neuroökonomik einen Beitrag dazu leisten könnte, ökonomisch relevantes Verhalten besser zu verstehen. Diese Studie, die bis dato mehr als 3500mal zitiert wurde, soll daher im Folgenden kurz beschrieben werden.

Im Kern geht es im Ultimatum-Game um folgende Problemstellung: Zwei Akteure werden gebeten, einen durch den Spielleiter zur Verfügung gestellten Betrag einvernehmlich untereinander aufzuteilen. Dabei erhält der erste Akteur (A) den Auftrag, einen Verteilungsvorschlag zu machen. Der zweite Akteur (B) hat dann die Möglichkeit, diesen Vorschlag zu akzeptieren oder abzulehnen. Nur wenn B akzeptiert, bekommen beide den Betrag aber auch tatsächlich ausgezahlt. Lehnt B hingegen ab, bekommen A und B nichts. Wie sollte sich A verhalten? Sein Erfolg hängt nicht nur von seiner Entscheidung, sondern auch von B‘s Reaktion darauf ab!

Folgt man der Axiomatik der klassischen ökonomischen Theorie, sollte A sich rational in dem Sinne verhalten, dass er versucht, seinen Anteil zu maximieren. Gleichzeitig sollte B versuchen, jeden Betrag »größer null« zu akzeptieren, da dies aus seiner isolierten Sicht besser wäre als nichts zu bekommen. Ein, im Sinne der ökonomischen Maxime »Mehr Geld ist besser als weniger Geld«, rationaler Verteilungsvorschlag von A wäre somit 9,99 Euro für sich zu behalten und B einen Cent anzubieten. Tatsächlich findet man in der Realität aber kaum solche Vorschläge und wenn, dann werden sie von B meist empört abgelehnt. Warum?

Nun, neuere Ansätze erklären dieses scheinbar irrationale Verhalten damit, dass Menschen eine implizite Präferenz für Fairness haben und deswegen am häufigsten eine als fair empfundene Aufteilung von 5 Euro für beide Spieler vorschlagen. Doch wie kommt man dieser impliziten Präferenz auf die Spur? Wie kann man sie beobachten und ihre Wirkungen messen? Um diese Fragen zu beantworten, liess Alan Sanfey Versuchspersonen im MR-Scanner das Ultimatum-Game spielen. Tatsächlich konnte er feststellen, dass immer dann, wenn die Spieler mit unfairen Angeboten konfrontiert wurden und diese ablehnten, ein anderer neuraler Prozess ablief als in den als fair empfundenen Situationen. Eine wesentliche Rolle für die Verarbeitung unfairer Angebote spielte dabei die Inselregion im Gehirn (Sanfey et al.2003).

Aus der Studie von Sanfey et al. (2003) ergaben sich vielfältige, für die weitere Entwicklung der neuroökonomischen Forschung und der Consumer Neuroscience relevante Aspekte. Diese können grob in eine methodische und eine inhaltliche Kategorie unterteilt werden:

•   Methodisch zeigte die Untersuchung von Sanfey et al. (2003) zunächst einmal, dass es mit Hilfe der funktionellen Magnet-Resonanz-Tomographie (fMRT bzw. fMRI) möglich ist, ökonomisch relevante Prozesse abzubilden. Dies war bis dahin noch nicht versucht worden. Nun aber zeigte die Studie, dass die mit der fMRI zu erreichende bildliche und zeitliche Auflösung ausreichend ist, ökonomisch relevante Entscheidungsprozesse zu erfassen. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die zu bestimmten neuralen Strukturen vorliegenden neurowissenschaftlichen Befunde ausreichend sind, um eine sinnvolle Würdigung der Magnet-Resonanz-Befunde zu ermöglichen.Schließlich wurde drittens durch die Studie von Sanfey et al. deutlich, dass die fMRI eine Simultanität zwischen dem Treffen einer Entscheidung und ihrer apparativen Beobachtung ermöglicht, sodass auf eine nachträgliche (Re-)Konstruktion der mit dem Verhalten assoziierten Prozesse auf verbaler Ebene verzichtet werden kann.

•   Inhaltlich zeigte die Studie von Sanfey et al. (2003), dass Menschen offensichtlich mehrere Entscheidungsprozesse in ein und derselben Entscheidungssituation verwenden können. Dies wurde von einigen Forschern als empirischer Beleg für die Gültigkeit der in der Literatur bereits häufiger vorgeschlagenen Dual-Process-Modelle gewertet (vgl. für viele Strack, Deutsch 2004; Camerer et al. 2005). Darüber hinaus zeigte die Studie, dass unbewusste Emotionen, die mit der Wahrnehmung eines bestimmten Stimulus verbunden sind, einen wesentlichen Einfluss auf den Entscheidungsprozess haben und diesen rahmen (framen») können. Insofern gab die Studie auch einen Hinweis auf die mit dem Framing-Effekt verbundenen, neuralen Mechanismen (image Kap. 6.1.2). Zudem wurde deutlich, dass für die Entstehung von Emotionen auch der jeweilige Spielpartner ein wichtiger Faktor ist. Denn immer dann, wenn die unfairen Angebote von einem Computer generiert wurden, entschieden die Akteure deutlich rationaler und zeigten weniger Aktivierung in der Inselregion. Ein Befund der einige weitere Forschungsarbeiten motivierte (vgl. Riedl et al. 2012, Riedl et al. 2014).

Angesichts dieser Ergebnisse wundert es nicht, dass in der Folge eine ganze Reihe weiterer, neuroökonomischer Studien und Versuche durchgeführt wurden. Darüber hinaus beschlossen Forscher an zahlreichen Universitäten, in diesem Bereich aktiv zu forschen und entsprechende Organisationen zu gründen, deren Aufgabe darin bestand und besteht, die neuroökonomische Forschung voranzutreiben. Ein Beispiel hierfür bietet die Society for Neuroeconomics (http://www.neuroeconomics.org). Ihr Ziel besteht zum einen darin, die Erforschung von ökonomischem Verhalten zu fördern, indem der Dialog zwischen Forschern aus der Psychologie, Ökonomie und Neurowissenschaften gefördert wird, zum anderen darin, die Erweiterung des Forschungsfeldes zu unterstützen, indem besonders junge Wissenschaftler gefördert werden. Diese Ziele werden verwirklicht, indem die Society for Neuroecnomics jährliche Treffen und Weiterbildungsprogramme organisiert, die die Entwicklung einer einheitlichen Sprache und methodischer Tools im Gebiet der Neuroökonomik fördern.

Das übergeordnete Ziel der neuroökonomischen Forschung ist es dabei, eine »unified theory of human behavior« zu entwickeln (Glimcher, Rustichini 2004; Kenning, Plassmann 2005, Camerer et al. 2005; FoxHall 2008). Im Kern soll menschliches Verhalten also weitestgehend neurobiologisch beschrieben werden.

In diesem Kontext kann der Gegenstandsbereich der Consumer Neuroscience definiert werden als die systematische Integration neurowissenschaftlicher Theorien, Methoden, Konzepte und Erkenntnisse in die Konsumentenverhaltensforschung (Fugate 2007; Grosenick et al. 2008; Lee et al. 2007). Analog zum Begriff »Consumer Neuroscience« wird in der Praxis oft der Begriff »Neuromarketing« verwendet (Hubert, Kenning 2008; Levallois et al. 2019). Hierbei handelt es sich aber um einen Misnomer, denn Marketing wird üblicherweise verstanden als das Konzept der marktorientierten Führung. Demzufolge kann man die marktorientierte Führung von Handelsbetrieben als Handelsmarketing bezeichnen (vgl. für viele Ahlert, Kenning 2007). Die marktorientierte Führung von Dienstleistungsunternehmen wäre demzufolge als Dienstleistungsmarketing zu bezeichnen (z. B. Evanschitzky et al. 2006). Neuromarketing würde aber streng genommen die marktorientierte Führung von Neuronen bedeuten und dies erscheint – hoffentlich! – ähnlich sinnlos wie Guerilla-Marketing oder Ambush-Marketing.

2.2       Warum ist Consumer Neuroscience wichtig?

»Die Tatsache, daß das Gehirn die physikalische Grundlage menschlichen Denkens ist, wird heute allgemein akzeptiert«

B.F. Skinner (1978, S. 18)

Wie bereits erwähnt, besteht die zentrale Annahme der Neuroökonomik und der Consumer Neurosciene darin, dass mit einem permanenten Voranschreiten der Neurowissenschaften auch eine verbesserte Erklärung des menschlichen Verhaltens im wirtschaftlichen Kontext möglich wird. Im Wesentlichen besteht die Aufgabe der Consumer Neuroscience darin, die erklärte Varianz bestehender Theorien durch die Integration einer neuer theoretischen Perspektive zu erhöhen. (Grosenick et al. 2008; Kenning, Plassmann 2008; Knutson et al. 2007). Dabei werden auf dieser zunächst deskriptiven Ebene grob zwei Formen menschlichen Verhaltens unterschieden: Zum einen geht es im Bereich der Individual Consumer Neuroscience um individuelles Verhalten. Dies kann z. B. die Wahrnehmung eines Individuums von bestimmten ökonomisch relevanten Stimuli (z. B. Preisinformationen) bedeuten. Daneben geht es im Bereich Social Neuroscience um das menschliche Verhalten in sozialen Kontexten. Da in modernen Ökonomien Kooperationen gang und gäbe sind, spielt diese Verhaltensform im ökonomischen Alltag eine große Rolle. Hier angesiedelt sind bspw. Studien, die sich mit der interpersonalen Vertrauensbildung, mit Fairness, Altruismus und ganz allgemein mit kooperationsrelevanten Fragestellungen beschäftigen. Viele der entsprechenden Erkenntnisse wurden dabei erst in den letzten Jahren gewonnen. Sie bilden den Gegenstand des Kapitels 6.2.

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Insert 1: Vergleich von EEG und Befragung (Quelle: Marketing Research, Nr.1/2009, S. 5)

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht immer gleich offensichtlich ist, beinhalten diese beiden Forschungsgebiete oft auch betriebswirtschaftlich relevante Implikationen. Dies mag dann in der betrieblichen Praxis auch dazu führen, dass Unternehmen in der Lage sind, ihr Marketing weiter zu entwickeln, indem es ihnen auf der einen Seite gelingt, bestehende Bedürfnisse der Kunden besser zu erkennen, zu verstehen und zu befriedigen (Reimann et al. 2011). Damit ließen sich dann gegebenenfalls auch die nach wie vor hohen vermuteten Ineffizienzen im Marketing reduzieren und ein Beitrag zum Forschungsgebiet der Marketing Metrics leisten (Patterson, Pauwels 2008).

Auf der anderen Seite könnten die entsprechenden Theorien aber auch zu einer verbesserten Marktbearbeitung (Marktsegmentierung) sowie zu neuen Maßnahmen der Differenzierung (Marktpositionierung und -differenzierung) führen, die betriebswirtschaftlich sinnvoll wären. Insofern betrifft Consumer Neuroscience nahezu alle Bereiche der marktorientierten Unternehmensführung. Vielleicht besonders treffend formulieren die beiden US-amerikanischen Marketingwissenschaftler Ravi Achrol und Phillip Kotler (2011) diesen Aspekt in ihrem Beitrag »Frontiers of the marketing paradigm in the third millenium« wie folgt:

»To be a skilled consumer researcher may mean one has to be half a neurophysiologist with expertise in, for example, fMRI besides the latest in research design and statistical method.«

Das damit angesprochene Forschungsfeld der Commercial Consumer Neuroscience (image Insert 1) werden wir im Kapitel 6.3 vertiefend diskutieren. Es beherrscht zugleich oft noch die öffentliche Diskussion des Themas, die zum Teil kontrovers geführt wird. Vieles, was in der Diskussion an Bedenken geäußert wird, ist jedoch eher allgemein marketingskeptisch und wenig spezifisch. Es verwundert daher nicht, dass das Thema sowohl in der Öffentlichkeit als auch im akademischen Kontext an Bedeutung gewinnt (Fugate 2007; Hubert, Kenning 2008; Lee et al. 2007; Plassmann et al. 2007a). So widmeten sich verschiedene Konferenzen und Zeitschriften dem Thema und die Anzahl der in führenden Marketingzeitschriften publizierten Studien und Artikel hat sich vervielfacht (image Abb. 4 sowie Lee et al. 2007). Darüber hinaus hat die renommierte Association of Consumer Research einen neuen content area code für die in diesem Gebiet angesiedelten Arbeiten eingeführt.

Zentral für das Verständnis der diesen Entwicklungen zugrunden liegenden Phänomene und Diskussionen ist jedoch der Erwerb grundlgender Kenntnisse der wichtigsten Strukturen und Funktionen des Kaufentscheidungsorgans. Diese Kenntnisse sollen im folgenden Kapitel 3 vermittelt werden.

Wiederholungsfragen zu Kapitel 2:

1.  Was versteht man unter dem S-O-R-Paradigma? Aus welchen Komponenten bestehen die entsprechenden Modelle typischerweise? Nennen Sie jeweils ein Beispiel für einen (nicht) kontrollierten Stimulus.

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Abb. 4: Überblick über die Entwicklung von neurowissenschaftlich orientierten Publikationen in international führenden Marketingzeitschriften (in Anlehung an Plassmann et al. 2012)

2.  Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile der dem S-O-R-Paradigma folgenden Modelle.

3.  Inwiefern unterscheidet sich der Ansatz der Consumer Neuroscience vom S-O-R-Paradigma?

4.  Beschreiben Sie den Versuchsaufbau sowie die zentralen Ergebnisse der fMRI-Ultimatum Game-Studie von Sanfey et al. (2003). Warum ist diese Studie besonders bedeutsam?

5.  Was ist das Ziel der neuroökonomischen Forschung?

6.  Schildern Sie mit eigenen Worten welchen neuen Ansatz die Neuroökonomik verwendet, um das in Frage 5 erwähnte Ziel zu erreichen. Inwiefern erscheint Ihnen die Erreichung dieses Ziel realistisch und wünschenswert?

7.  In welche Teilbereiche kann man die Consumer Neuroscience derzeit unterteilen? Grenzen Sie die Teilbereiche voneinander ab.

8.  Warum handelt es sich beim Begriff »Neuromarketing« um einen Misnomer?

3          Das Gehirn: Wo ist was und wofür ist es gut?

 

 

 

Wie bereits geschildert fokussiert die neuroökonomische Forschung neurale Vorgänge im menschlichen Gehirn, die mit ökonomisch relevantem Verhalten einhergehen. Will man diese Vorgänge besser verstehen, ist es unerlässlich, zumindest Grundkenntnisse im Bereich der Neuroanatomie vorweisen zu können. Diese Grundkenntnisse sollen im Folgenden vermittelt werden. Hierzu wird zunächst ein Überblick über die strukturelle Neuroanatomie gegeben (image Abb. 5). Darauf aufbauend werden einige Aspekte der funktionellen Neuroanatomie erläutert. Schließlich werden die neuroanatomischen Grundlagen einiger ausgewählter psychologischer Phänomene (z. B. Lernen, Aufmerksamkeit) vorgestellt. Dabei sei an dieser Stelle betont, dass es in diesem Buch nur um die aus Sicht des Verfassers elementaren Kenntnisse gehen kann. Für den Leser, der an weiterführenden Informationen interessiert ist, werden daher an den geeigneten Stellen entsprechende Literaturhinweise gegeben.

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Abb. 5: Überblick über die in diesem Buch behandelten Bereiche der Neuroanatomie

3.1       Strukturelle Neuroanatomie

3.1.1     Grobgliederung des Nervensystems

Aus morphologischer Perspektive besteht das menschliche Nervensystem aus zwei Bereichen:

•  Zum einen aus dem Zentralnervensystem (ZNS). Darunter versteht man das Nervengewebe, welches im Schädel und im Wirbelkanal der Wirbelsäule eingeschlossen ist. Dieses ist zunächst grob unterteilbar in das Gehirn (Encephalon) und das Rückenmark.

•  Zum anderen besteht das menschliche Nervensystem aus dem peripheren Nervensystem. Dieses System umfasst die Nerven des Kopfes, des Rumpfes und der Extremitäten nach ihrem Austritt aus dem ZNS. Das periphere Nervensystem ist unterteilbar in zwölf Hirnnerven (Nervi Craniales) und 31 Spinal- und Rückenmarksnerven (Nervis spinales).

Neben dieser Unterteilung kann das menschliche Nervensystem aber auch nach funktionellen Gesichtspunkten differenziert werden. Demnach unterscheidet man das vegetative Nervensystem (auch viszerales, autonomes oder idiotropes Nervensystem genannt) und das somatische Nervensystem (auch animalisches zerebrospinales oder oikotropes Nervensystem genannt):

•  Das vegetative Nervensystem

•  Das somatische Nervensystem ist das Nervensystem der Sinnesorgane und der gestreiften Muskulatur zur Interaktion mit der Umwelt. Es versorgt das zentrale Nervensystem mit sensorischen Informationen (Fühlen, Schmecken, Riechen etc.) sowie über die Stellung von Muskeln und Gliedmaßen.