Zum Buch

Die Gefühle, Gedanken und Wünsche eines Menschen sind in ihrer Intensität und Kombination individuell, weil jeder Mensch einmalig ist und jeder Lebenslauf auch. Und doch gibt es Ähnlichkeiten.

Über die eigenen Gefühle, Gedanken und Wünsche zu schreiben, das lohnt sich.

Das zeigt die Emotions-Deskription

Zur Herausgeberin:

Dr. Uschi Hohenbild, Diplompsychologin

Inhalt

Zu Beginn: Wie es zu diesem Buch kam

Zu Beginn habe ich mich gefragt:

  1. was ich mit diesem Buch erreichen möchte
  2. für wen ich es schreibe und
  3. wie ich es schreiben möchte.

Zu a) und damit zu der Frage, was ich mit diesem Buch erreichen möchte.

Geld verdienen? Wäre schön, das ist aber nicht im Mittelpunkt meines Interesses.

Manchen Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen? Ja, ich habe Sendungsbewusstsein, weil ich davon überzeugt bin, dass die Emotions-Deskription tatsächlich weiterhilft die eigenen Gefühle zu erforschen, ihnen Namen zu geben und darüber zu schreiben. Indem ich über meine Gefühle schreibe, werden diese bewusster und ich kann besser damit umgehen und im Idealfall mein Verhalten positiv verändern.

Zu b) und zu der Frage, für wen ich dieses Buch schreibe.-

Am liebsten wäre mir die Antwort: Für alle Menschen.

Mit dieser Antwort ist ein hoher Anspruch verbunden. Dieses Buch soll Menschen ansprechen, die sich in einer besonderen Lebenssituation befinden. Vielleicht sind sie sehr traurig, sehr zornig, sehr eifersüchtig, sehr einsam oder sehr verliebt. Diese Menschen haben emotional viel zu verarbeiten. Wenn sie bereit sind über ihre Gefühle zu schreiben, dann ist die Emotions-Deskription ein lohnender Weg.

Zu c) und zur Frage, wie ich dieses Buch schreiben möchte.

Im Laufe meines Lebens habe ich viele Ratgeber-Bücher gelesen. Oft fühlte ich mich eingeschränkt und bevormundet, wenn ich Sätze wie diesen gelesen habe: "So formulieren Sie ihre Texte schneller, verständlicher und wirksamer."

Gibt es wirklich diese allgemeingültigen Regeln? Es mag sein, dass ich eine besondere Empfindsamkeit zeige, wenn mir jemand sagt oder vorschreibt, wie ich etwas besser zu machen habe. Dann stellt sich bei mir die Frage, woher weiß der- oder diejenige das? Oder, soll mir da wieder mit Versprechungen etwas verkauft werden, das doch nicht dem genannten Nutzen entspricht?

Sobald ich "Sie sollen" oder "Sie müssen" oder eine dieser ähnlich formulierten Aufforderungen lese, spüre ich Widerwillen.

Daher möchte ich auf diese Formulierungen "Sie sollten" oder "Sie müssen" verzichten und trotzdem anregen, sich auf diese, aus meiner Sicht, abenteuerliche und gewinnbringende Reise zu den eigenen Gefühlen in schreibender Form einzulassen.

Mit dem Schreiben habe ich schon als Kind gute Erfahrungen gemacht. Ich schrieb fast regelmäßig Tagebuch. Als Jugendliche habe ich meistens dann geschrieben, wenn ich mich verliebt oder Liebeskummer oder ich mich über meine Eltern geärgert hatte.

"Papier ist geduldig", dieser Spruch trifft auch hier zu. Denn wer ist in fortgeschrittenem Alter freiwillig bereit, sich diese über Seiten erstreckenden Schwärmereien oder Liebesfrustrationen eines Teenagers anzutun? Aber mir hatte dieses Schreiben zu diesem Zeitpunkt geholfen. Wenn ich heute lese, was ich damals zu Papier gebracht habe, dann erfüllt es mich mit Staunen, wie naiv ich damals war.

Später habe ich nur noch geschrieben, wenn es mir schlecht ging, wenn ich wütend, enttäuscht oder alleine war und Hilfe suchte. So wie manche Christen, die nur dann beten, wenn sie in Not sind und Gottes Hilfe brauchen, habe ich mich verhalten. Manchmal erhört Gott die Gebete und manchmal nicht.

Das Schreiben hat mir geholfen. Es war oft nur ein kleiner Schritt der Entlastung, aber immer mit einem Erkenntnisgewinn verbunden, der meinen Denk- und Handlungsrahmen erweitert hat.

1. Übers Schreiben

Im Kindergarten und in der Schule war ich ein stilles, schüchternes Kind. Ich wagte vieles nicht zu sagen, obwohl sich in meinem Kopf ständig Gedanken, Gefühle und Worte formten. Als ich Lesen und Schreiben gelernt hatte, begann ich manches, was sich in meinem Inneren abspielte, aufzuschreiben. Wenn mich meine Mutter, mein Stiefvater oder andere Erwachsene nicht verstanden oder wenn ich mich ungerecht behandelt fühlte, war oft mein einziger Trost mein Tagebuch. Meistens abends im Bett, beim schwachen Licht der Nachttischlampe, ließ ich meinen Wünschen und Gefühlen freien Lauf. Danach war das Einschlafen leichter. Ich hatte mir etwas von der Seele geschrieben.

Nicht jeden Tag verspürte ich das Bedürfnis etwas niederzuschreiben. Aber manchmal griff ich zu meinem Heft oder Block und vertraute dem Papier meine Wünsche, Freuden, Befürchtungen, Wut und Enttäuschungen an. Das Verfahren hatte sich bewährt. Jedes Mal entstand ein kleiner Freiraum, eine kleine Entlastung und manchmal nicht nur ein kleiner, sondern ein großer Erkenntnisgewinn.

Als ich eine schwere Lebenskrise bewältigen musste, wählte ich einen anderen Weg. Zu einer festgelegten Stunde, nachmittags um 16.00 Uhr legte ich ein Band von 60 Minuten in meinen Kassettenrekorder und stellte ihn auf Aufnahme. Ich machte mir zur Aufgabe, alles, was mir durch den Kopf ging, spontan zu äußern, auch wenn es nur Worte oder Laute oder keine ganzen Sätze waren. Manchmal sagte ich nicht viel in dieser Stunde, weinte und spürte nur Leere. Manchmal redete ich ununterbrochen. Wenn das Band zu Ende war, nahm ich meinen Block, spulte an den Anfang, hörte das Band stückchenweise ab und schrieb das auf, was ich in dieser Stunde gesagt hatte. Oft entstand das Bedürfnis nach Ergänzung oder Kommentierung des Aufgeschriebenen. Ich setzte mir keine Grenzen, sah nicht auf die Uhr und füllte die Seiten. Auch wenn die Fortschritte erst kaum wahrnehmbar und die Schritte zur Besserung anfangs minimal waren, hat sich dieses zeitaufwendige Verfahren gelohnt. Ganz langsam konnte ich mich etwas besser verstehen, mit mir etwas mehr ins Reine kommen und meinen Alltag wieder besser bewältigen.

Im Laufe meines Lebens lernte ich Menschen kennen, die ähnliche positive Erfahrungen mit diesem «persönlichen» Aufschreiben gemacht hatten. Als eine gute Freundin von mir eine Ehekrise mit anschließender Scheidung durchleben musste, schrieb sie die Ereignisse und ihre damit verbundenen Gefühle in Form eines Märchens nieder. Sie war die Königin und ihr damaliger Ehemann der König. Die anderen Personen wurden zu Adeligen ernannt, die von ihr bestimmte Funktionen bei Hofe bekamen. Für meine Freundin besteht kein Zweifel daran, dass ihr das Aufschreiben dieses Märchens viel geholfen hat. Vor allem hat es dazu beigetragen sich nicht als hilfloses Opfer zu fühlen, sondern die eigene Macht und den eigenen Gestaltungsspielraum zu erkennen und zu nutzen. Auch war es ihr möglich, negativen Gefühlen, derer sie sich geschämt hätte, Raum zu geben.

In meinen Beratungsgesprächen sind schriftliche Hausaufgaben in Form von persönlichem Aufschreiben nicht Pflicht, sondern eine wünschenswerte Begleitung. Trotzdem habe ich in meiner langjährigen Berufspraxis nicht erlebt, dass sich jemand dagegen ausgesprochen hat. Meistens wurde ich angenehm überrascht. Fast alle Ratsuchenden schrieben nicht nur eine, sondern mehrere Seiten voll, und selbst anfänglichen Skeptikern wurde mit der Zeit der Erkenntnisgewinn deutlich.

Es sind die guten eigenen Erfahrungen, die Erfahrungen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis und die Erfahrungen aus meiner Beratungstätigkeit, die mich veranlassen, dieses persönliche Aufschreiben in den Mittelpunkt meiner Betrachtungen zu stellen und auch anderen Menschen nahe zu bringen. Aus meiner Sicht ist es sehr gut sich etwas von der Seele zu reden, aber fast immer besser, es sich auch von der Seele zu schreiben. Um dieses persönliche Aufschreiben von der Berichterstattung, dem Tagebuchschreiben und dem Verfassen von Memoiren abzuheben, habe ich es Emotions-Deskription genannt.

Bei der Emotions-Deskription steht die Beschreibung der eigenen Gefühle oder Emotionen im Mittelpunkt. Ich mache keinen Unterschied zwischen diesen Begriffen.

Gefühle sind immer mit Wünschen und Gedanken verbunden. Die Unterscheidung dieser drei Bereiche soll dieses Beispiel zeigen:

Gedanken

Es ist alles viel schwerer als ich dachte...

Gefühle

Ich bin einsam und traurig ...

Wünsche

Ich möchte eine zweite Chance...

So schrieb Karin von ihren Gedanken, Gefühlen und Wünschen:

Es ist alles viel schwerer als ich dachte. Die Trennung von Peter hatte ich mir nicht so vorgestellt. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es wirklich richtig war ihn ohne ein Wort zu verlassen.

In den Filmen sieht das einfach aus. Man legt einen Zettel auf den Tisch oder heftet die Nachricht an den Kühlschrank: „Ich verlasse dich. Wie mir unsere vielen Streitereien gezeigt haben, kannst du mich nicht verstehen. Von nun an hast du wieder deine Freiheit. Du kannst machen was du willst, darfst auch deine Hemden waschen und bügeln und das Haus aufräumen und putzen. Vielleicht findest du ganz schnell wieder eine Dumme, die deinen Vorstellungen entspricht. Viel Glück. Endlich muss ich Dich nicht mehr bedienen und kann ein selbstbestimmtes Leben führen.“

Dabei hatte es mit uns so gut angefangen. Wenn ich die Seiten in meinem Tagebuch lese wie alles zwischen Klaus und mir begonnen hatte, dann spüre ich ein tiefes Gefühl von Traurigkeit und Einsamkeit. Das Ende unserer Beziehung ist für mich unfassbar. Wie konnte ich mich so sehr täuschen? Was war schiefgelaufen? Wann hatte diese Schieflage angefangen?

Und warum meldet sich Klaus nicht und akzeptiert wortlos meine Entscheidung?

Ich wünsche mir eine zweite Chance.

2. Emotions-Deskription als
Aufschreiben von Wünschen,
Gedanken und Gefühlen

Bei der Emotions-Deskription hat das Aufschreiben von Gefühlen, Wünschen und Gedanken den größten Stellenwert. Alles andere, wie Ereignisse, Räumlichkeiten oder Zeitangaben bilden lediglich den Rahmen. Daher dürfen Zeitangaben oder Ortsangaben großzügig gehandhabt werden.

Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen.

Beispiel:

Mit dem Satz: »Um 15.30 Uhr erreichten wir den Kölner Hauptbahnhof. Der Zug hatte einige Minuten Verspätung, und wir mussten uns sehr hetzen, um den Anschlusszug nach Hamburg zu erreichen», befinden wir uns noch nicht ganz bei der Emotions-Deskription.

«Ich war unruhig über die Verspätung des Zuges. Ich wusste, jetzt müsste ich wieder hetzen, um den Anschlusszug zu bekommen. Das ärgerte mich sehr. Besonders wenn ich an die hohen Preise der Bahn dachte, hätte ich in diesem Moment Gift und Galle spucken können. Aber was sollte ich tun? Es ist ganz schöner Mist sich hilflos zu fühlen. Außerdem ärgerte ich mich über Monika. Die schien das Ganze mit einer ekelhaften Ruhe zu ertragen. Warum hatte ich bloß so viel in meinen Koffer gepackt? Jetzt musste ich mich auch noch darüber ärgern, mich hetzen und noch mit diesem schweren Koffer abplagen. Am liebsten hätte ich ihn mit vollster Wucht auf die Gleise geworfen. Die vielen Klamotten hatten meinen Urlaub auch nicht schöner gemacht. «

Bei diesem Beispiel werden Gefühle, Gedanken und Wünsche erkannt und ungeschönt und ehrlich dargestellt. Es entspricht dem «persönlichen» Aufschreiben und damit dem, was ich unter Emotions-Deskription verstehe.

Beispiel:

«Meine Schwiegermutter öffnete uns die Tür und tat freundlich wie immer. Sie hatte kein richtiges Geschirr, sondern Plastikteller auf den Tisch gestellt, um das Spülen zu sparen.»

Diese Beschreibung entspricht auch nicht ganz der Emotions-Deskription, weil die Gefühle, Gedanken und Wünsche fehlen.

«Meine Schwiegermutter öffnete uns die Tür, und sofort spürte ich Abneigung und Wut in mir aufsteigen. Obwohl zwischen uns nichts in Ordnung ist, tat diese verlogene Person freundlich wie immer. Ich hatte erwartet, dass sie uns zu Ehren den Kaffeetisch mit ihrem guten Service gedeckt hätte, schließlich kamen ihr Sohn, ihre Schwiegertochter und ihre Enkelin selten genug zu Besuch. Stattdessen standen Plastikteller auf dem Tisch. Ich fand das herabsetzend und entwürdigend. Das hat sie nur gemacht um mich zu ärgern, dachte ich wütend, sagte aber nichts. Lächerlich ist die Ausrede, sie wolle sich das Spülen sparen. Wenn jemand spült, dann bin ich das. Bei jedem unserer wenigen Besuche habe ich gespült, da hat sie nicht „Nein“ gesagt, wenn ich ihr das angeboten hatte. Am liebsten wäre ich sofort wieder gegangen oder hätte ihr meine Meinung ins Gesicht gesagt: «Du blöde, alte Schlampe, du kannst mich mal kreuzweise.» Aber ich bin geblieben, habe innerlich vor Wut gekocht und habe nichts gesagt. Ich habe es nicht gewagt, hatte keinen Mut und wollte auch keinen Krach mit meinem Mann riskieren. Wenn wir über mehr finanzielle Mittel verfügen würden, bekäme sie eine Spülmaschine geschenkt, obwohl sie bis heute diese Anschaffung für überflüssig hält.»

Diese Darstellung entspricht der Emotions-Deskription, weil Gefühle, Gedanken und Wünsche genannt werden.

Emotions-Deskription ist das persönliche Aufschreiben von Gefühlen, Wünschen und Gedanken.

Also: Emotions-Deskription ist nicht:

a. allein das Beschreiben von Ereignissen

Beispiel:

Heute war ich mit meiner Freundin einkaufen.

b. etwas nur «schön» und wohlklingend zu beschreiben

Beispiel:

Wir waren entzückt von dem azurblauen Himmel, der sich über uns wie ein Kuppeldach wölbte.

c. Memoiren zu schreiben, die zwar die Reihenfolge der Ereignisse darstellen, aber nichts über die persönlichen Gefühle, Wünsche und Gedanken verraten Beispiel:

Am 4. April 1985 habe ich Klaus mein Ja-Wort in der Johanniskirche in Gießen gegeben. Am 13.Juni 1986 kam unser Sohn Wolfgang auf die Welt.

Es gibt Menschen, die es schaffen Ereignisse und ihre Gefühle, Wünsche und Gedanken anschaulich und wohlklingend zu beschreiben. Schön, wenn jemand das Talent besitzt, aber für die Emotions-Deskription ist es nicht notwendig.

Gut ist es, Wünsche, Gedanke und Gefühle ehrlich zu beschreiben.

Leider ist die Frage: "Was habe ich wirklich empfunden? War es Zorn? Neid? Eifersucht?" nicht immer einfach zu beantworten.

Auch bezüglich der eigenen Wünsche kann Unklarheit bestehen. Z.B.: Möchte ich meine Schwiegermutter wirklich durch den Fleischwolf drehen? Oder: Möchte ich meinem Chef am liebsten in den Hintern treten?

Und darf ich Begriffe verwenden, die ich sonst nicht laut sagen würde, wie „die alte Schlampe“. Ja, das darf ich, wenn ich in diesem Moment eine Erleichterung damit verbinden kann und mir der Freiheitsrahmen, den ich bei meinem Schreiben, aber nicht in der Kommunikation mit anderen Menschen habe, bewusst ist.

Andere zu belügen fällt oft nicht auf. Sich selbst zu belügen, ist bei der Emotions-Deskription uneffektiv. Das Selbstbelügen kann mit großen Felsbrocken verglichen werden, die den Weg zu neuen Erkenntnissen und in eine angenehmere Zukunft versperren.

3. Wege zur ehrlichen Beschreibung von
Wünschen, Gedanken und Gefühlen

Die Emotions-Deskription lebt von der Wahrhaftigkeit. Es gibt Barrieren, die den Weg zur Wahrheit verstellen können. Drei dieser Barrieren möchte ich nennen und Wege zur Überwindung aufzeigen.

„Ich-weiß-nicht-was-ich-fühle“-Barriere

Gefühle haben Namen. Wir kennen Liebe und Hass, Trauer und Freude. Empfinden wir diese starken Emotionen, können wir ihnen meistens den betreffenden Namen geben. Aber eine Unterscheidung zum Beispiel zwischen Wut und Zorn, Freude und Schadenfreude, Trauer und Enttäuschung kann Probleme bereiten. Manchmal erleben wir Gefühle diffus, und sie entziehen sich der klaren Benennung.

Es gibt mindestens drei Möglichkeiten diese Barriere zu überwinden:

Erste Möglichkeit: Die spontane Namensgebung.

Ohne lange zu überlegen, aus dem Moment heraus, bekommt das, was ich in diesem Moment empfinde, einen Namen.

Beispiel: