Der Angstfresser
Ein Horrorroman von
Tanja Hanika
Impressum
Weitere Bücher der Autorin:
Zwietracht – Mörderische Freundschaft
Scream Run Die
Redthorne Castle
Das Grab im Schnee
Arbeitsbuch für Schriftsteller
4. Auflage Dezember 2021
Copyright © 2018 by Tanja Hanika
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Gartenstr. 12, D-54595 Weinsheim
Korrektorat:
Doris Eichhorn-Zeller, www.perfekte-texte-coburg.de/
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© Autorenfoto: D. Pfingstmann
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Über die Autorin:
Tanja Hanika wurde 1988 in Speyer geboren. Ab 2008 studierte sie erfolgreich an der Universität Trier Germanistik und Philosophie. Nun lebt sie mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Eifel.
Mit acht Jahren entdeckte Tanja Hanika durch eine Kinderversion von Bram Stokers »Dracula« nicht nur ihre Liebe zu Büchern, sondern wollte fortan auch selbst solche Geschichten schreiben.
Für jeden, der sich traut,
Horrorromane zu lesen.
Für dich.
»Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen meine Mutter, die scheußliche alte Hexe, vorstellen? Wesson, bitte schieb sie herein.« Chester Harris erhob sich von seinem Platz am Kopf der Tafel. Nichts, was er bisher erlebt hatte, kam diesem Moment gleich. Vorfreude kribbelte bei der Vorstellung über seinen Körper, wie er ihr seine eigenen Qualen endlich heimzahlen würde.
Der Rollstuhl, den Wesson aus der Küche in den Speisesaal schob, quietschte am rechten Rad. Ein Detail, das Chester absichtlich so gelassen hatte, um seine ordnungsliebende Mutter zusätzlich zu verärgern. Nicht einmal das Tröpfchen Öl war sie ihm wert. Wesson stellte den Rollstuhl an der Chester gegenüberliegenden Seite der Tafel ab.
Seine Gäste schauten allesamt zwischen seiner Mutter und ihm hin und her. Nach dem üppigen Dinner erwarteten alle das eigentliche Abendprogramm, obwohl niemand ahnen konnte, was Chester geplant hatte. Niemand sagte etwas, niemand stellte eine der wohl unzähligen Fragen, die ungeduldig in ihnen brodelten. Selbst seine Mutter blieb stumm. Wie hätte sie ohne Zunge auch etwas sagen sollen? Sie rührte sich nicht, was jedoch nicht an den Fesseln lag. Aufrecht saß Chesters Mutter in dem Rollstuhl und beanspruchte so viel an Würde, wie sie nur zusammenraffen konnte.
»Unser Ehrengast ist also endlich eingetroffen. Der Mensch, den ich leider Mutter nennen muss. Ich schwöre dir, Mutter, nach dem heutigen Abend werde ich dieses Wort niemals wieder benutzen.« Chester nahm das Weinglas. Seine Hand blieb ruhig, zitterte auf dem Weg zum Mund kein bisschen. Lange hatte er auf diesen Abend hingearbeitet und nun kostete er ihn in vollen Zügen aus. »Wie Sie sehen, hat meine Mutter einen Arm und ein Bein eingebüßt. Was Sie nicht sehen, meine verehrten Gäste, ist, dass ihr auch die Zunge fehlt. Öffne doch einmal den Mund für uns.« Gespielt erwartungsvoll legte Chester den Kopf schräg. »Nicht? Das habe ich mir gedacht. Wir werden später darauf zurückkommen.«
Chesters Mutter wurde eine weitere Nuance blasser. Ihre Haut war beinahe weiß und er mochte den Farbton an ihr. Sie sah fast wie eine Leiche aus. Diese Erkenntnis kitzelte in Chesters Bauch. Nicht nur der Blutverlust hatte sie so blass werden lassen, sondern auch die Angst vor ihrem eigenen Sohn. Obwohl sie das niemals zugeben würde, er erkannte es in ihren Augen.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte Ben Haberman und beugte sich vor, um sich ein genaueres Bild von der alten Frau zu machen. Dass nicht journalistisches Interesse, sondern echte zwischenmenschliche Besorgnis in der Frage mitschwang, überraschte Chester.
Mrs Harris reagierte nicht. Ihr Sohn antwortete jedoch für sie: »Das ist nicht wichtig.«
»Sie sollten Ihrer Mutter etwas zu trinken anbieten«, sagte Raymond Varela.
»Und ich empfehle Ihnen allen dringend, mir nun weiter zuzuhören. Sie sollten sich nicht um ihre Befindlichkeit sorgen und ihr auch nichts zu trinken anbieten, sondern sich bei ihr bedanken. Wofür, fragen Sie sich? Sie alle haben die Cocktailgläser beim Aperitif geleert. Die Bloody Marys waren – oh, süßes Klischee – natürlich mit Menschenblut versetzt. Dem Blut der alten Hexe hier. Danke dafür, du altes Scheusal. Danke auch, dass du unsere Mägen mit deinem Fleisch gefüllt hast, Mutter. Gestern hatte sie ihre fehlenden Gliedmaßen noch, wie Sie sich nun vorstellen können.«
»Das ist doch nicht Ihr Ernst!«
»Ich kann das nicht glauben, das inszenieren Sie.«
Chester versicherte seinen Gästen, dass nichts an diesem Abend inszeniert werden würde, und gab darauf feierlich sein Ehrenwort.
»Wie können Sie das machen? Das ist so widerlich.«
»Freundchen, das wird eine fette Klage geben.«
Amber Tarley presste sich lediglich die Hand auf den Mund und würgte.
Chester lächelte in die Runde. Auf die Frage, warum er das getan hatte, bemühte er sich nicht einzugehen. Seine Wachmänner kamen näher heran und nahmen Aufstellung an. »Haben Sie sich alle nun zur Genüge Luft gemacht? Sie haben keine Ahnung, was Ihnen noch am heutigen Abend bevorsteht. Damit Sie mich aber in den kommenden Stunden zu jeder Zeit beim Wort nehmen, möchte ich Ihnen in den nächsten Minuten an meiner Mutter vorführen, wie verdammt ernst es mir ist. Jeder, der eingreift, wird sofort von meinen Männern erschossen. Und über eine Erschießung können Sie sich freuen, ich habe einige andere Möglichkeiten in der Hinterhand. Testen Sie das lieber nicht, das ist das Miststück ohnehin nicht wert.«
Mit Genugtuung stellte Chester fest, dass seine Gäste ihm nicht nur ihre volle Aufmerksamkeit schenkten, sondern auch erste Befürchtungen bezüglich des weiteren Verlaufs des Abends hegten.
Chester konzentrierte sich nun ganz auf seine Mutter. Ohne sich von ihr abzuwenden, sagte er: »Colt, ist das Brenneisen heiß? Gut, dann hol es mir, bitte.« Er schlenderte an der Tafel entlang und näherte sich gemächlich seiner Mutter. Noch immer saß sie stoisch in ihrem Rollstuhl, aber die Blicke, die sie ihm zuwarf, wurden verächtlicher.
»Ich möchte Ihnen etwas aus meiner Kindheit erzählen, was ich niemals zuvor jemandem anvertraut habe. Wenn ich wieder einmal ein ›ungezogenes, garstiges Kind‹ gewesen bin, hat mich meine Mutter kurzerhand in den Keller gesperrt. Ja, das mögen Sie abgedroschen finden, aber in dem Keller lebten Ratten, die man nachts quieken hören konnte. Hungrige Ratten, wie meine Mutter mir stets versicherte. Hungrige, die sie eines Tages mit zärtestem Kinderfleisch füttern würde, wäre ich nicht endlich ein artiger Junge. Kalt war es dort unten und dunkel. Es war so dunkel, dass ich die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Ich hatte fürchterliche Angst. Die Schatten haben mich verschluckt und ich war mir sicher, dass die Monster sich anschleichen und mich sogleich mit ihren Klauen zerfetzen. Nicht selten hat mich eins der Monster gebissen. Die Ratten wurden in der Dunkelheit zu diesen Monstern und sie haben direkt an meinem Verstand genagt. Mutter, du sollst ebenfalls absolute Finsternis kennenlernen. Eine, die sich alles einverleibt und deine Seele an sich reißt. Du hast damals im Keller einen anderen Menschen aus mir gemacht. Also, viel Vergnügen.«
Es war nicht seine Mutter, die um Gnade flehte. »Mister Harris, bitte …«
»Amber, seien Sie sofort still.«
Colt kam mit dem orangerot glühenden Brenneisen und überreichte es ihm, als sei es ein Schwert und er ein Ritter.
»Stillhalten, Mutter. Hier kommt deine Medizin, die du jetzt nimmst, wie ein artiges Kind.« Chester nickte Colt zu, woraufhin dieser ihren Kopf fixierte.
»Ist das ein Polizeigriff?«, fragte Chester fasziniert nach.
»Nein, Sir. Im Gegenteil. Ein illegaler Trick.«
Die alte Frau machte keine Anstalten, sich zu wehren. Reglos saß sie da, ihr Rollstuhl eher ein Thron als eine Falle. Das Brenneisen stieß Chester ihr zunächst ins linke Auge. Zischend und gurgelnd versengte er den Augapfel und das umliegende Gewebe, während das andere Auge sich verdrehte und seine Mutter blecherne Schreie ausstieß. Die Augenhöhle schien das Brenneisen einzusaugen, doch Chester entriss es ihr und versenkte es anschließend im rechten Auge. Der Qualm kratzte in seiner Kehle, aber nichts hatte jemals für ihn so gut geduftet wie der Geruch nach verbranntem Menschenfleisch.
Er entriss auch der rechten Augenhöhle das Brenneisen und reichte es einem seiner Handlanger. Colt ließ den Kopf seiner Mutter los, der ihr schlaff auf die Brust sank. Chester beugte sich zu seiner Mutter hinunter, fast als würde er ihr einen Kuss auf die Wange hauchen wollen. Stattdessen betrachtete er die leeren Augenhöhlen, das verbrannte Fleisch und ihren zuckenden Mund.
»Wie gefällt sie dir, die Dunkelheit?«
Langsam hob seine Mutter den Kopf, irgendwo zwischen Ohnmacht und Erwachen gefangen, und schluckte anschließend umständlich. Eine Reaktion auf seine Frage verweigerte sie ihm. In Anbetracht dessen, was er als Nächstes vorhatte, ließ er sich das nur allzu gerne gefallen. Chester drehte sich zur Tafel um.
Abscheu, Ekel, Unglaube, Wut und Angst stand in den Gesichtern seiner Gäste geschrieben. Chester fühlte sich berauscht von diesem Cocktail, dessen Hauptzutat die Angst seiner Gäste war. Seine Intonation ähnelte der eines Pfarrers, der von der Kanzel herab seinen Schäfchen predigte: »Damals, vor all den Jahren, als die Dunkelheit mich verschlungen hatte, fürchtete ich mich mehr, als Sie sich vorstellen können. Im Laufe des Abends werden Sie sich wohl ein Bild davon machen können. Der kleine Junge in diesem Keller suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Er musste dort heraus, egal, was es kostete. Das dumme Kind wollte sich in die Arme seiner Mutter flüchten, die ihm sein Leben lang nicht ein einziges Mal Schutz oder Wärme geschenkt hatte. Mutter, die Finger, die du mir unter Vorwürfen und Geschimpfe verbunden hast, habe ich mir nur blutig gekratzt, weil du mich dort unten eingesperrt hast. Ich habe versucht mir einen Weg durch den Beton der Kellerwände zu bahnen. Ich hatte große Schmerzen, aber noch verheerender schien es mir, dort unten zu bleiben.« Chester betrachtete seine Fingerspitzen, die keinen Hinweis darauf gaben, was in seiner Kindheit vorgefallen war. »Nicht auszudenken, wenn ich mir die Fingerkuppen derart zerstört hätte, dass ich heute keine Geschichten damit schreiben könnte. Dann hättest du mich dessen beraubt, was mich ausmacht. Remington, die Zange!«
»Mister Harris, wir verstehen Ihre Wut. Nichts kann wiedergutmachen, was Sie erleiden mussten.« Nervös strich sich June Payne eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. »Aber bitte beenden Sie das. Wir gehen alle nach Hause und Ihre Mutter kommt in ein Krankenhaus.«
Raymond Varela murmelte für alle hörbar: »Der Irre muss angezeigt werden.«
»Bitte, Ray, ich möchte nach Hause«, bat ihn seine Frau Rachel.
»Und das ist es, Liebling, was wir jetzt auch machen werden: Wir gehen nach Hause. Chester, dass dieser Abend eine Katastrophe wird, hätte ich wissen müssen. Wir gehen jetzt.« Raymond erhob sich, zog seine Frau neben sich ebenfalls hoch und schob seinen Stuhl zurück.
»Sie werden nirgendwo hingehen. Ruger, geben Sie mir den Revolver und dazu drei Patronen. Ist Ihnen nicht klar geworden, was ich hier tue? Ich richte meine Mutter hin. Was sollte mich aufhalten, Sie zu erschießen? Hinsetzen.«
Ruger hielt ein silbernes Tablett in den Händen, auf dem ein Revolver sowie drei Patronen lagen. Chester klappte die Trommel mit einer lässigen Handbewegung heraus und drehte sie.
»Leer. Platz für sechs Patronen. Lassen wir es ein Glücksspiel sein, ob Sie Ihren Aufstand überleben. In jede zweite Kammer stecke ich nun eine Patrone. So, und nun drehe ich das Glücksrad.« Ratternd drehte sich die Trommel, ehe sie unter dem Lauf des Revolvers einrastete. Raymond Varela richtete den von seinen Angestellten gefürchteten vernichtenden Blick auf Chester, der ihm dafür ein freundliches Lächeln schenkte. Chester zielte auf Raymonds gerötetes Gesicht. Widerlich dicke Schweißperlen standen dem Verleger auf der Stirn.
Chester drückte ab. Es klickte.
Er betätigte erneut den Abzug. Die Lampe, auf die er hinübergeschwenkt hatte, zerbarst unter dem lauten Knall in tausend Teile und verlosch.
Rachel setzte sich und zog am Ellenbogen ihres Mannes, um ihn dazu zu bewegen, es ihr gleichzutun. Entweder er konnte mit dieser Niederlage umgehen und er setzte sich zurück auf seinen Platz oder ihn trugen seine Beine nicht länger. Chester war es einerlei, denn er hatte seine Macht bewiesen.
Das sollte vorerst genügen, dachte er.
»Ich spiele kein zweites Russisch Roulette. Gut, da das nun geklärt ist, möchte ich dir, Mutter, die Fingernägel ziehen. Deute es als Zeichen für all die Fingernägel, die mich meine Angst in deinem Keller gekostet hat. Leider sind ja ohnehin nur noch fünf übrig. Ich frage mich, ob der Koch die anderen fünf Fingernägel im Essen mit verarbeitet oder sie in den Müll geworfen hat.« Er nahm die Zange, die Remington ihm entgegenstreckte.
Chesters Mutter gab keine Reaktion von sich. Auch ihre gefesselte, altersfleckige Hand versuchte sie nicht zu befreien, lediglich ihr Daumen zuckte nervös.
»Vorsicht, Mutter, ich hoffe, das wird gleich schrecklich wehtun.« Chester setzte die Zange an, prüfte penibel, ob sie richtig saß, und zog mit einem Ruck den Nagel des Zeigefingers aus dem Nagelbett. Ein kurzer, schriller Schrei entrang sich der Kehle seiner Mutter und Chester erhaschte endlich einen Blick in ihren zungenlosen Mund. Der Stummel zuckte und wand sich wie ein Blutegel. Als er die Schweißtropfen auf ihrer Stirn entdeckte, musste er lachen. Er lachte und lachte, als hätte er den besten Witz seines Lebens gehört. Schließlich hielt er sich den Bauch und atmete tief durch.
»Verzeihung. Es kann nun weitergehen.«
Voller Euphorie setzte er vier weitere Male die Zange an und zog seiner ächzenden Mutter die Fingernägel aus den Fingern. Mit jedem Mal zog er langsamer, genoss mehr diesen einen Moment, in dem sich der Nagel aus dem Nagelbett löste. Als er am letzten angekommen war, ließ er ihn nicht zu den übrigen auf den Boden fallen, sondern streckte ihn in der Zange eingeklemmt seinen Gästen entgegen und fragte: »Will jemand Nachtisch?«
Niemand antwortete ihm. Keiner seiner Gäste regte sich. Mit großen Augen in blassen Gesichtern schauten sie ihn an. Sie mussten ihn für einen Unmenschen halten, dafür, was er seiner eigenen Mutter antat. Angespornt durch diese Erkenntnis, würde er ihre Abscheu, ihre Angst vor ihm auf eine neue Stufe wuchten. Die Angst schmeckte bereits jetzt süßer denn je.
»Bleibt mir noch, zum Finale auf ein letztes Element dieses grausigen Kellers in meiner Kindheit zurückzukommen. Die Wände dieses engen, dunklen Raums waren wie ein Grab für mich. Ein Grab für meine verdammte, unschuldige Kinderseele. Mutter, du hast mich gebrochen. Nicht nur mit dem Keller. Jeden gottverdammten Tag aufs Neue mit dem widerlichen Fraß, den ich essen musste. Du hast das absichtlich gemacht, das weiß ich heute. Also füttere ich dich mit dem, woraus ein Keller gemacht wird. Friss Beton, Mutter. Friss ihn und stirb daran. Wesson, bring den Trichter und den Beton. Du wirst nun gemästet, Mutter.«
Wesson verließ den Speisesaal, um wenige Sekunden später mit einem Servierwagen zurückzukommen, den er vor sich herschob, als enthielt er das Dessert. Darauf befanden sich einige Eimer mit frisch angerührtem Beton sowie ein Trichter und ein Schlauch. Das beinahe übersehbare Lächeln im Gesicht seines Handlangers bescherte Chester eine diebische Freude.
Chester lachte erneut, als er den Schlauch auf das untere Ende des Trichters steckte. »Mutter, du hast mich zu einem schlechten Gastgeber erzogen, scheint mir. Du hast ja noch gar nichts gegessen! Auch du sollst nicht hungrig bleiben.« Chester drückte seiner Mutter die Nase zu. Es dauerte lange, aber irgendwann öffnete sie den Mund und holte krächzend Luft. Er rammte ihr den Schlauch so tief in den Rachen, wie er konnte. Zwischen die Zähne schob er ihr ein dickes Stück Holz. Den Trichter hob er über ihren Kopf und schöpfte zunächst mit einer Suppenkelle etwas Beton in den Trichter. Er rutschte den Schlauch hinab und seine Mutter begann mehr und mehr zu würgen. Verschluckte Schreie dröhnten in ihrer Kehle.
»Du hast deinen Teller nicht leer gegessen, Mutter. Was bist du wieder für ein unartiges Kind.«
Chester schöpfte nach. Immer wieder. Doch es ging ihm nicht schnell genug. »Wesson, leer den Eimer rein. Ich halte den Trichter. Oh ja, schluck schön, Mutter.« Er ließ seinen Handlanger Eimer für Eimer eingießen. Chesters Mutter begann zu zucken und sich auf dem Rollstuhl zu winden, bis sie irgendwann ganz still wurde.
Auf Wessons fragenden Blick entgegnete er: »Mach weiter. Ich will ganz sichergehen.« Als der Beton den Trichter nicht mehr hinabfloss, presste er ihn mit einem passenden Kolben, ähnlich dem in einer Spritze, weiter in dem Rachen seiner Mutter.
Irgendwann besann sich Chester wieder seiner Gäste. »Genug jetzt. Colt, bring sie weg.« Chester wischte sich die Finger an der Tischdecke sauber. Er schritt würdevoll zu seinem Platz und setzte sich.
Nachdem er einen Schluck Wein getrunken hatte, sagte er: »Und nun zu Ihnen.«
Chester Harris
Einige Monate zuvor
Das Scheinwerferlicht brannte auf seiner Haut wie das Höllenfeuer selbst.
Dabei konnte man bei den wenigen Lampen, die auf ihn ausgerichtet waren, eigentlich kaum von Scheinwerfern sprechen. Chester Harris war Horrorautor. In den letzten Jahren hatte er es aufgrund seiner furchterregenden Texte geschafft, auch zu einiger Berühmtheit außerhalb seines Lebensumfeldes zu gelangen. Bei keiner seiner vorherigen Lesungen, nicht einmal bei seiner allerersten, war Chester dermaßen ins Schwitzen gekommen. Seine Haut glühte. Das feine Rinnsal, das seinen Rücken hinabfloss, trug die Schuld daran, dass er sich beim Vortragen seines Romantextes verhaspelte – für ihn ein Malheur ungeahnten Ausmaßes. Üblicherweise las er die Worte messerscharf vor, um den Schrecken, den seine Geschichten erzeugten, noch zu steigern. Angst allein war es, die er in den Gesichtern seiner Zuhörer sehen wollte.
Chester blickte auf, ließ den Satz nachklingen und betrachtete sein Publikum. Achtundzwanzig Menschen saßen vor ihm auf ihren Stühlen. Keine weit aufgerissenen Augen, keine aufeinandergepressten Lippen, keine hochgezogenen Schultern. Er spürte, wie sein Inneres zu Eis gefror.
Die Buchstaben des letzten Absatzes verschwammen vor seinen Augen. Chester atmete tief ein und rang um Fassung. Er kannte die letzten Sätze auswendig und trug sie dennoch vor, ohne vom Buch aufzusehen. Sein Mund wurde immer trockener. Wäre das Ende nicht ohnehin gleich erreicht gewesen, hätte er womöglich abbrechen müssen, um zum unberührten Wasserglas zu greifen. Auch das wäre für seine Maßstäbe inakzeptabel. Wo wäre seine Autorität, wenn er wie jeder gewöhnliche Mensch Wasser benötigte? Die Illusion wäre zerstört. Er, der von dunklen Geheimnissen, von grausigen Begebenheiten zu erzählen wusste, durfte nicht wirken wie der nette Nachbar von nebenan.
Chester hatte das Ende des Abschnitts erreicht. Üblicherweise rieb er sich insgeheim die Hände, wenn er an dieser Stelle angelangt war, denn er ließ sein Publikum in den Fängen eines Cliffhangers der übelsten Sorte. Grund genug, sein Buch zu kaufen, für alle, die das nicht längst getan hatten. An diesem Abend war er lediglich froh, das Vorlesen hinter sich gebracht zu haben.
In den zwei Sekunden, die es dauerte, bis der Applaus einsetzte, erkannte er drei Dinge: Ein Mann kritzelte etwas auf einen Zettel auf seinem Schoß, vielleicht war er so dreist und bestückte seinen Einkaufszettel mit Leckereien, die er sich zu kaufen gedachte. Zwei Frauen hasteten diskret zum Ausgang, während jemand anderes gähnend auf seine Armbanduhr starrte. Es war nicht lange her, da waren ihm die Zuhörer noch an seinen Lippen gehangen. Hatten jedes Wort eingesaugt, als sei es die Luft zum Atmen. Und nun das. Chester Harris wahrte sein Gesicht und nickte dankend. Die Übelkeit, die sich seine Kehle hinaufzwang, schluckte er hinunter, wie er es über die Jahre in seiner Kindheit gelernt hatte.
Er erhob sich würdevoll von dem Stuhl, auf dem er seine Lesezeit hatte absitzen müssen, um noch einige Fragen zu beantworten. Das Publikum wollte nach jeder Lesung dasselbe wissen: Wie war er zum Schreiben gekommen? Woher hat er solche grausigen Ideen? Ob er selbst so handeln könnte oder würde wie seine Figuren? Sie wollten einen mit Anekdoten gewürzten Einblick in das Autorenleben erhaschen und erklärt bekommen, wie ein Roman entstand. Chester spulte seine Standardantworten ab, bis sich keine Hand mehr für eine weitere Frage hob.
Endlich schritt er zum Tisch, an dem er die Bücher seiner Zuhörer signieren würde, und ließ sich auf den bereitstehenden Stuhl sinken. Vor seinen Augen drehte es sich ein bisschen und die soeben beantworteten Fragen schwirrten weiter durch seinen Kopf. Wie gewohnt bildete sich eine einigermaßen lange Schlange. Fast jeder wollte, dass er in das eine oder andere Buch etwas eintrug und es mit seiner Unterschrift versah.
Eine junge Frau trat an seinen Tisch heran. »Entschuldigen Sie, ich habe gleich vier Bücher dabei. Ich wollte Sie schon seit Ewigkeiten lesen sehen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, in alle vier etwas Kurzes hineinzuschreiben? Das sind meine absoluten Lieblingsbücher von Ihnen.«
Ja, das schmeichelte ihm, und er erfüllte den Wunsch mit schwungvoll geschriebenen Sätzen. Sätzen, die er in unzählige Bücher geschrieben hatte.
Zur Erinnerung an die Lesung – hier fügte er den Lesungsort hinzu.
Auf eine grauenvolle Lektürezeit, Ihr Chester Harris.
Angst, Furcht und Schrecken wünscht Ihnen Ihr Chester Harris.
Albträume ohne Ende wünscht Chester Harris.
Die Frau nahm den Bücherstapel auf und drückte ihn an sich. »Herzlichen Dank, Mister Harris.« Mit roten Wangen ging sie davon.
»Wissen Sie«, belehrte ihn der nächste Mann in der Schlange, »Ihre Romane sind gut. Aber in dem Buch mit dem Hotel hätten Sie ein anderes Ende wählen müssen. Schreiben Sie bitte, dass Sie das Buch George widmen. Danke.«
Er tat dem Mann den Gefallen. Auf dessen Ratschlag ging er gar nicht erst ein. Es war stets erstaunlich, wie viele Leser besser wussten, wie seine Romane geschrieben hätten werden sollen.
Der nächste Mann, der an die Reihe kam, war der Einkaufszettelschreiber. Unruhig trat er von einem Bein auf das andere und durchbohrte Chester mit neugierigen Blicken. »Ich inhaliere förmlich Ihre Bücher. Wie Sie schreiben … ich kann es gar nicht beschreiben, wie gut es mir gefällt. Mein Name ist übrigens Ethan Josephson. Für die Signatur, meine ich.«
Chester setzte seinen Namen unter die Widmung und legte den Stift zur Seite, um seine Hand zu lockern. »Danke, Ethan, ich schreibe, um meine Leser zu begeistern. Wie schön, dass ich das bei Ihnen geschafft habe.«
Das war nur die halbe Wahrheit.
Angst. Er schrieb, weil er ihnen Angst einjagen wollte.
Der Mann wies hinter Chester auf eine Reihe seiner Romane, die zum Kauf einladend hinter ihm aufgebaut waren. »Das dort: ›Auf leisen Schritten folgt der Tod‹ ist mein Lieblingsroman. Ich habe ihn mindestens vier Mal gelesen.« Zum Gruß hob der Mann die Hand und machte dem nächsten Lesungsbesucher hinter sich Platz. Chester entging nicht, wie er zu einer Frau ging und ihr stolz die Widmung zeigte. Natürlich freute ihn dieses Gebaren, aber es war nicht das, wofür er schrieb.
Chester schüttelte, bevor er das nächste Buch signieren würde, seine Hand erneut aus. Unter Krämpfen hatte er sonst nie gelitten, aber an diesem Abend war er nicht er selbst, ihn wunderte nichts mehr. Sein Kugelschreiber musste vom Tisch gerollt sein, denn als er den Stift wieder zur Hand nehmen wollte, war er verschwunden. Kurz suchte er unter dem Tisch und neben seinem Stuhl nach dem Stift, doch da er ihn nicht fand, musste ihm der alte Ersatzstift genügen. Auch den letzten sieben Lesungsbesuchern waren bald die Bücher mit Widmungen gefüllt. Chester hatte den Abend überstanden.
Er war auf der Suche nach dem verlorenen Stift halb unter die Tischplatte gebückt, als der Inhaber der Buchhandlung auf ihn zutrat. »Sehr schön gelesen, wie beim letzten Mal.«
Zum Glück hat dieser Idiot wohl weder Augen noch Ohren am Kopf, dachte Chester.
»Ich komme beim nächsten Roman gerne wieder, sofern der Verlag erneut eine Lesung organisieren möchte.«
»Davon gehe ich aus. Vielleicht bekommen wir dann auch wieder alle Stühle besetzt. Einer der ersten warmen Frühlingstage, da kann man es den Leuten nicht verübeln, wenn sie sich spätabends die Zeit in Cafés vertreiben. Ich schicke Ihnen Miranda, die wird Ihnen beim Zusammenpacken helfen. Ich bin im Büro, falls es noch etwas gibt. Vielen Dank noch mal und bis zum nächsten Mal!«
»Danke, aber ich brauche keine Hilfe. Ich bin gleich weg«, beeilte sich Chester zu sagen.
»Wie Sie mögen. Auf Wiedersehen.«
In seinem Auto, das wenige Meter von der Buchhandlung entfernt geparkt war, umschloss er mit seinen Händen das Lenkrad, bis er kein Gefühl mehr in ihnen hatte. Was dort drinnen vorgefallen war, ließ ihn kaum atmen. Er hatte versagt oder war so kurz davor gewesen, dass sein Innerstes vor Scham brodelte. Schaffte er es nicht mehr, seine Leser zu fesseln? Den Menschen Angst einzujagen? Das erhabene Gefühl, wenn sein Publikum an seinen Lippen hing, gebannt von der Geschichte, zwischen dem Verlangen, zu wissen, was als Nächstes kommt, und der Angst, dass es zu viel für das eigene Gemüt sein könnte. Fremde Angst berauschte ihn, lenkte ihn ab von der, die er in seinem Leben selbst gespürt hatte, und Chester glaubte nicht leben zu können, wenn er nicht mehr in der Lage war, sie zu erzeugen und zu kosten.
Nachdem der Motor gestartet und dem Lenkrad ein letzter Hieb verpasst war, fädelte er sich in den Londoner Linksverkehr ein. Bis zu seiner Wohnung hätte er genügend Zeit, darüber nachzudenken, was aus ihm geworden war.
Zu Hause angekommen, warf Chester seinen Autoschlüssel in die dafür vorgesehene Glasschale auf der Kommode und schleuderte seine Jacke auf den Garderobenständer. Sein Augenmerk richtete er bereits auf das Bücherregal im Wohnzimmer, das hinter der Wand stand, auch wenn er es noch nicht sehen konnte. Dessen Magnetfeld zog ihn an und erst, als seine Finger über die Buchrücken der Romane strichen, die er veröffentlicht hatte, beruhigte sich sein Herzschlag. Das waren seine Werke. All die Worte und Geschichten, die sich von seinem Innersten den Weg nach draußen gebahnt hatten, um Leser zu finden. Und wie er Leser gefunden hatte! Seine Karriere hatte rasant gestartet und ihn weiter nach oben gebracht, als er es jemals für möglich gehalten hatte. Wenn in Großbritannien jemand ein Horrorbuch kaufte, dann war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Chesters Name vorne auf dem Cover prangte. Er war es, der die gesamte Insel zittern und durch Unmengen von imaginärem Blut waten ließ. Er bescherte allen, die sich trauten, die Albträume, die sie haben wollten.
Er ging hinauf in sein Büro, der Ort, an dem er sich am wohlsten fühlte. Dort betrachtete Chester die Pinnwand mit den Karteikarten, auf denen er Ideen für seine nächsten Geschichten notiert und zu ersten Handlungssträngen arrangiert hatte.
Das Telefon läutete so grell, dass er zusammenzuckte.
Wer könnte um diese Uhrzeit etwas von mir wollen?
Gemächlich näherte er sich dem Telefon mit einer Vermutung. »Unbekannte Nummer« war auf dem Display des tragbaren Telefons zu lesen, wie bei jedem vorherigen Anruf.
»Hallo.« Es war nicht nötig, dass Chester seinen Namen nannte. Der Anrufer wusste, wessen Nummer er gewählt hatte.
»Chess. Wie war es? Ich habe vorhin schon einmal angerufen, aber da warst du wohl noch nicht zu Hause.« Am Telefon war Lucille Shelldrake, die erste Person, die er eine seiner Geschichten hatte lesen lassen. Sie war damals gegen Ende der Schulzeit in seinem Literaturkurs die Beste gewesen und ihr hatte er sich anvertraut, wodurch eine enge Freundschaft entstand, die bis auf ein kurzes Beziehungsintermezzo rein platonisch geblieben war. Sie war der einzige Mensch aus der Schulzeit, mit dem er noch Kontakt hatte. Abgesehen natürlich von seiner Mutter, aber diesen Kontakt pflegte er nicht freiwillig.
»Lucy, dass du zu der Zeit nicht schläfst. Musst du morgen früh nicht in der Bibliothek sein?«
»Dein Abend war also nicht ganz optimal. Momentan ist der Wurm drin. Weißt du, woran es liegt?«
Chester seufzte. Eine menschliche Eigenart, die er sich normalerweise verkniff. »Ich glaube, ich habe meinen gruseligen Schneid verloren. Das Publikum wirkte ermüdet. Stell dir das vor. Aber ich möchte heute Abend nicht darüber reden und am liebsten das Desaster aus meinen Gedanken verbannen.«
»Du weißt, dass das nicht stimmt, Chess. Du wirst von Buch zu Buch besser. Aber dann möchte ich dir den Gefallen tun und dir das Neueste erzählen, was ich von einem Kollegen erfahren habe.«
Als Chester eine knappe halbe Stunde später auflegte, hatte es Lucy tatsächlich geschafft, seinen Kopf mit allerlei Belanglosigkeiten über den Buchmarkt und gemeinsame Bekannte zu füllen. Gerade als er sich wieder wie er selbst fühlte und nach einer Tasse Earl Grey zu Bett gehen wollte, klopfte es unten stürmisch an seiner Haustür.
Wieder blickte er auf die Uhr und fand es unangemessen, um diese Zeit belästigt zu werden. Er schüttelte den Kopf. Unangemeldete Besucher waren ihm ein Gräuel und meist täuschte er Abwesenheit vor. Aber wen es zu dieser Nachtstunde an seine Tür getrieben hatte und was ein solches Hämmern verursachen mochte, das wollte Chester herausfinden. Wenn seine Mutter ihrem Alter endlich erlegen wäre, hätte er einen Anruf erhalten. Kein Nachbar würde ihn stören, das wagten sie schon nicht bei Tag.
An der Haustür überlegte er sich, schnell noch in seine Schuhe hineinzuschlüpfen, unterließ das jedoch. Der Besucher war nicht angemeldet, zum Teufel mit einem akkuraten Auftreten seinerseits. Nur durch seine grau melierten Haare fuhr er sich kurz mit den Fingern, den Impuls vermochte er nicht zu unterdrücken. Das dringende Klopfen hatte derweil aufgehört. Er drehte den Schlüssel, schloss damit die Haustür auf und öffnete sie.
Vor ihm stand niemand.
Kurz ging er die Möglichkeiten durch, was in seinen Romanen geschehen würde, wenn das ein Ablenkungsmanöver wäre.
Vor dem gusseisernen Zaun, der seinen Vorgarten vom Bürgersteig abtrennte, entdeckte er im Licht einer Straßenlaterne drei Jugendliche auf ihren Fahrrädern. Jeder der drei hielt etwas in der Hand. Kaum hatte er die Jungen entdeckt, flogen drei Eier in seine Richtung. Zwei zerschellten an der Wand, eines an der Haustür, und verspritzten ihren widerwärtigen Schleim auf ihm und seinem Eigentum.
»Alter Horrorfreak!«, rief einer der drei Halbwüchsigen, bevor sie davonradelten und er sie seinerseits beschimpfen konnte.
Die Respektlosigkeit vor seinem Alter und seinem Beruf machte ihn sprachlos. War er so tief gesunken, dass er sich das bieten lassen musste? Eine Eisschicht legte sich um sein Herz. Vor zehn Jahren noch hatte das ganz anders ausgesehen.
Aber Chester Harris schloss die Haustür, ohne ein Wort von sich zu geben, ohne sich um die Verschmutzung an seinem Haus zu kümmern. Seine Halsschlagader pochte, während er sich mit einem Handtuch das Gesicht abwischte.
Diese eine Idee, von der er zuletzt zu träumen begonnen hatte, manifestierte sich erneut in seinem Kopf. Es handelte sich dabei nicht um etwas, worüber er zu schreiben gedachte. Diese Sache wollte er selbst erleben.
Schlaflos verbrachte er die Nacht in seinem Bett, wälzte sich hin und her. Wilde Gedanken hielten ihn wach. Kühn, frei und mächtig fühlte er sich. Wenn er seine Pläne umsetzen wollte, lag viel Arbeit vor ihm. Noch größer wäre das Risiko, das er selbst eingehen würde. Kurz zögerte er. Aber hatte er überhaupt etwas zu verlieren? Möglicherweise war das seine letzte Möglichkeit, wieder zum dem zu werden, der er war. Es wäre seine Chance, in einer Gesellschaft von abgestumpften, gleichgültigen und respektlosen Menschen das Gefühl von Angst zu lehren.