Carlo Goldoni: Der Diener zweier Herren. Ein Lustspiel
Übersetzt von Friedrich Ludwig Schröder
Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.
Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.
Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:
Carlo Goldoni. Gemälde von Alessandro Longhi
ISBN 978-3-8430-8049-1
Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:
ISBN 978-3-8430-8042-2 (Broschiert)
ISBN 978-3-8430-8043-9 (Gebunden)
Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.
Il servitore di due padroni. Entstanden 1745, Uraufführung wahrscheinlich 1746 in Mailand, Erstdruck: Florenz 1753. Hier in der Übers. v. Friedrich Ludwig Schröder, Halle a.d.S.: Verlag von Otto Hendel [o.J.].
Der Text dieser Ausgabe folgt:
Goldoni, Carlo: Der Diener zweier Herren. Übers. v. Friedrich Ludwig Schröder, Halle a. d. S.: Verlag von Otto Hendel [o. J.].
Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.
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Pandolfo, ein Kaufmann.
Rosaura, seine Tochter.
Doktor Lombardi.
Silvio, sein Sohn.
Beatrice, unter dem Namen Federigo Rasponi.
Florindo Aretusi.
Tebaldo, Wirt.
Blandina, Rosaurens Mädchen.
Truffaldino, ein Bedienter.
Zwei Aufwärter im Gasthofe.
Zwei Träger.
Ort der Handlung: Venedig.[6]
Zimmer in Pandolfos Hause.
Pandolfo, Doktor Lombardi, Tebaldo.
DOKTOR. Hier haben sie meine Hand – es bleibt dabei.
Sie schlagen ein.
PANDOLFO. Es bleibt dabei. – Heute Verlobung und morgen Hochzeit. Unser junges Volk ist so ineinander verliebt, daß sie uns gern die weitläufigen Vorbereitungen und Zeremonien schenken werden. – Sie sollen Zeuge sein, alter Krugvater!
TEBALDO. Viel Ehre!
PANDOLFO. Man kann wohl sagen, hier hat der Himmel seine Hand im Spiele gehabt. Ohne den plötzlichen Tod des jungen Rasponi wären wir wohl nie Schwäger geworden.
DOKTOR. Accidit in puncto –
TEBALDO. Was? der junge Rasponi ist tot?
PANDOLFO. Tot! – Er ist ermordet worden – in einer Gesellschaft wilder junger Leute – der Liebhaber seiner Schwester, den er nicht leiden konnte, war auch dabei. – Ich weiß die eigentliche Geschichte nicht; aber tot ist er.
TEBALDO. Der arme brave junge Mensch!
PANDOLFO. Haben Sie ihn gekannt?
TEBALDO. Wie das Mutterfäßchen in meinem Keller. Ich habe vier Jahre in Turin gewirtschaftet, und er war mein täglicher Gast. Ich hab' auch seine Schwester gekannt, ein prächtiges Mädchen! nur zu männlich erzogen. Sie trieb alle Übungen ihres Bruders. – Wer hätte das denken sollen!
PANDOLFO. Sie wird sich wohl trösten; des Bruders Tod macht sie zu einem sehr reichen, unabhängigen Mädchen. Aber daß wir nicht vergessen, warum ich Sie herbitten ließ. – Wir[7] wollen das Hochzeitsmahl bei Ihnen einnehmen. Treffen Sie Anstalten! Nicht prächtig, aber gut.
TEBALDO. Lassen Sie mich machen! Der erste Gang soll so substantiös sein als der Bräutigam, und der zweite so delikat als die Braut. Der dritte wird –[8]
Vorige, Blandina.
BLANDINA. Draußen ist der Bediente eines Fremden.
PANDOLFO. Was will er?
BLANDINA. Er will es Ihnen durchaus selbst sagen. Es ist ein netter, spaßhafter Mensch.
PANDOLFO. Nun, so laß den netten, spaßhaften Menschen hereinkommen.
BLANDINA geht ab.
PANDOLFO. Wahrscheinlich ein Reisender, der an mich adressiert ist.
TEBALDO. Bitte, mein Haus zu rekommandieren.
Vorige, Truffaldino, Blandina.
TRUFFALDINO. Übrigens hab' ich die Ehre, mit aller Hochachtung zu sein: Euer Wohledeln ergebenster Diener und Freund!
DOKTOR. Der Mensch beginnt seine Rede mit dem Schlusse eines Briefes.
PANDOLFO. Was will Er?
TRUFFALDINO. Kann ich vorher die Ehre haben, Sie um etwas zu fragen?
PANDOLFO. O ja.
TRUFFALDINO. Wer ist das artige, wohlerzogene, gutgenährte, rotbäckige, freundliche Mamsellchen?
PANDOLFO. Was geht Ihn das an? Es ist meiner Tochter Mädchen.
TRUFFALDINO. Ich wünsche Euer Wohledeln viel Freude an ihr! Zu Blandina. Und schätze mich glücklich, Sie kennen zu lernen.
PANDOLFO. Ist der Mensch ein Narr! – Komm' Er zur Sache, Freund! Was will Er? wer ist Er? wer schickt Ihn?
TRUFFALDINO. Gemach, mein Herr, gemach! Drei Fragen auf einmal, das ist zu viel für einen armen Teufel, wie ich bin.[8]
PANDOLFO zum Doktor. Was ist das für ein Mensch? – gewiß keiner von den klügsten.
DOKTOR. Auch wohl nicht von den ehrlichsten.
TRUFFALDINO zu Blandina. Sind Sie eine Braut?
BLANDINA. Ach nein.
PANDOLFO. Will Er bald sagen, wer Er ist; oder will Er seiner Wege gehen?
TRUFFALDINO. Wenn Sie nichts anderes wissen wollen, als wer ich bin, so bin ich mit zwei Worten fertig. Ich bin der Diener meines Herrn. Zu Blandina. Wir wollen wieder auf unsere Sache kommen.
PANDOLFO wendet ihn zu sich. Wer zum Henker ist denn Sein Herr?
TRUFFALDINO. Ein Fremder, der Sie besuchen will. Zu Blandina. Ich bin auch kein Bräutigam.
PANDOLFO wendet ihn zu sich. Will Er bald antworten? Wer ist Sein Herr? wie nennt er sich? was will er von mir?
TRUFFALDINO. Nur sachte, Ihro Wohledeln. Es ist der Herr Federigo Rasponi aus Turin. Er läßt Sie grüßen. Er ist mit der Post gekommen. Er ist unten. Er hat mich zu Ihnen geschickt. Er will Ihnen seine Aufwartung machen. Er erwartet mich mit der Antwort. – Sind Sie nun zufrieden? Wollen Sie noch mehr wissen? Zu Blandina. Wir wollen wieder auf unsere Sache kommen.
PANDOLFO wendet ihn. Ist Er von Sinnen? Mensch! was schwatzt Er?
TRUFFALDINO. Und wenn Sie wissen wollen, wer ich bin? – mein Name ist Truffaldino Battacchio aus Bergamo. Zu Blandina. Wir wollen vom Heiraten sprechen.
PANDOLFO wendet ihn. Wer Er ist, weiß ich – Er ist ein Narr. – Aber noch einmal – wer ist Sein Herr? ich fürchte, unrecht verstanden zu haben.
TRUFFALDINO für sich. Der arme Mann hört nicht gut. Schreiend. Mein Patron ist der Herr Rasponi von Turin.
PANDOLFO. Er ist toll oder besoffen. Herr Rasponi ist tot.
TRUFFALDINO. Er ist tot?
PANDOLFO. Ja, tot.
DOKTOR. Tot, tot.
TRUFFALDINO für sich. Was, mein Herr soll tot sein, und ich hab' ihn doch unten lebendig verlassen. Laut. Mit Erlaubnis –
PANDOLFO. Will Er sonst nichts?
TRUFFALDINO. Wenn er tot ist, so ist nichts mehr nötig. Beiseite. Ich muß sehen, ob es wahr ist. Geht ab.[9]
PANDOLFO. Wofür soll man den Menschen halten? Für einen Spitzbuben oder Narren?
DOKTOR. Für einen Spitzbuben.
TEBALDO. Für etwas von beiden.
BLANDINA. Und ich sage, es ist ein netter Spaßvogel. Aber ich muß doch dem jungen Brautpaare die Neuigkeit melden.
Läuft ab.
PANDOLFO. Wenn's wahr wäre, daß er lebte![10]
Vorige, Truffaldino kommt zurück.
TRUFFALDINO. Ich wundere mich über Sie, meine Herren! so geht man nicht mit armen Leuten um! so muß man nicht Fremde zum besten haben! Das vergeb' ich Ihnen in acht Tagen nicht.
PANDOLFO. Nun, Erznarr, was hat man Ihm denn getan?
TRUFFALDINO. Mir zu sagen, daß Herr Rasponi tot sei!
PANDOLFO. Und wieso?
TRUFFALDINO. Und wieso? Er ist unten, gesund, lustig und munter. Er will Sie besuchen, wenn Sie's erlauben wollen.
PANDOLFO. Der Herr Federigo?
TRUFFALDINO. Der Herr Federigo.
PANDOLFO. Rasponi?
TRUFFALDINO. Rasponi.
PANDOLFO. Von Turin?
TRUFFALDINO. Von Turin.
PANDOLFO. Ins Tollhaus mit Ihm! marsch!