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Theodor Fontane, Brief an Georg Friedländer vom 16. November 1885, in: T. F., Werke, Schriften und Briefe, hrsg. von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger, Abt. IV: Briefe, Bd. 3: 1879–1889, hrsg. von Otto Drude [u. a.], München 1980, S. 436.
2
Theodor Fontane, Werke, Schriften und Briefe, hrsg. von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger, Abteilung IV: Briefe, Dritter Band: 1879–1889, München 1980, S. 206.
3
Theodor Fontane, Brief vom 22. April 1885 an Georg Friedländer, in: T. F., Briefe an Georg Friedländer, Heidelberg 1954, S. 6.
4
Fontane (s. Anm. 1), S. 436.
5
Theodor Fontane, »Unsere lyrische und epische Poesie seit 1853«, in: T. F., Werke, Schriften und Briefe, hrsg. von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger, Abt. III: Aufsätze, Kritiken, Erinnerungen, Bd. 1: Aufsätze und Aufzeichnungen, hrsg. von Jürgen Kolbe, München 1969, S. 236–244.
6
Theodor Fontane, Rezension zu Holz/Schlaf: Die Familie Selicke, in: T. F., Sämtliche Werke. Abt. III: Aufsätze, Kritiken, Erinnerungen. Bd. 2: Theaterkritiken, hrsg. von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger, München 1969, S. 847.
7
Theodor Fontane, Rezension zu Gustav Freytag: Die Ahnen, in: T. F., Sämtliche Werke, hrsg. von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger, Abt. III: Aufsätze, Kritiken, Erinnerungen, Bd. 1: Aufsätze und Aufzeichnungen, hrsg. von Jürgen Kolbe, München 1969, S. 316–325, hier S. 319.
8
Brief Theodor Fontanes an seine Tochter Martha vom 22. August 1895, in: Fontane (s. Anm. 1), S. 473.
9
Theodor Fontane, Effi Briest, hrsg. von Wolf Dieter Hellberg, Stuttgart 2017, S. 265.
10
Brief Fontanes an Georg Friedländer vom 16. November 1885, in: Fontane (s. Anm. 1), S. 435.
11
Tagebucheintragung vom 18. November bis 31. Dezember 1885, in: Theodor Fontane, Tage- und Reisetagebücher, Große Brandenburger Ausgabe, 2 Bde., Bd. 2: Tagebücher. 1866–1882 / 1884–1898, hrsg. von Gotthard Erler unter Mitarbeit von Therese Erler, Berlin 1994, S. 230. Wilhelm und Hans Hertz haben verschiedene Werke Fontanes verlegt.
12
Ludwig Pietsch, Rezension zu Theodor Fontane: Unterm Birnbaum, in: Theodor Fontane: Romane und Erzählungen in acht Bänden, Bd. 4: Graf Petöfy, Unterm Birnbaum, Cécile, hrsg. von Peter Goldammer, Berlin und Weimar 31984, S. 552–554.
13
Hans-Heinrich Reuter, Fontane, Bd. 2, Berlin 1968, S. 632 f.
14
Reuter (s. Anm. 13), S. 633.
15
Sylvain Guarda, Theodor Fontanes »Neben«-werke. Grete Minde, Ellernklipp, Unterm Birnbaum, Quitt: ritualisierter Raubmord im Spiegelkreuz, Würzburg 2004, S. 50.
16
Katharina Grätz, Alles kommt auf die Beleuchtung an. Theodor Fontane – Leben und Werk, Stuttgart 2015, S. 105.
17
Grätz (s. Anm. 16), S. 106.
18
Ebd., S. 109.
19
Ebd., S. 110.
20
Ebd.
21
Maurice Mojach, »Wie Fontanes Unterm Birnbaum zur aktuellen Kapitalismuskritik avanciert«, in: Märkische Allgemeine (17. 3. 2019), zit. nach: www.maz-online.de/Nachrichten/Kultur/Wie-Fontanes-Unterm-Birnbaum-zur-aktuellen-Kapitalismuskritik-avanciert-im-Theater-am-Rand-in-Oderaue-Barnim (Stand: 26. 11. 2020).
Autor |
Theodor Fontane, geboren am 30. Dezember 1819 in Neuruppin, gestorben am 20. September 1898 in Berlin. Er gilt als bedeutendster deutscher Romancier des Realismus und wird häufig in einem Atemzug mit den anderen großen europäischen Realisten Flaubert und Tolstoi genannt. |
Entstehungszeit |
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Ort und Zeit der Handlung |
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Epoche |
Realismus |
Gattung |
Kriminalnovelle |
Aufbau |
Die Erzählung besteht aus 20 Kapiteln. |
AutorFontane hatte um 1880 durch seine Balladen und Reiseschilderungen bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Sein Start als Romancier verlief allerdings nicht nach seinen Wünschen. Seinem Erstlingsroman Vor dem Sturm (1878) mit historischem Stoff folgte der ebenfalls historische Roman Grete Minde (1880), der auch Elemente des Kriminalromans (Kindesentzug, Brandstiftung und Mord) enthält. Seine erste Kriminalnovelle war Ellernklipp, in der ein Vater aus Eifersucht seinen Sohn tötet. Diese Erzählung aus dem Jahr 1881 beruht auf einer wahren Begebenheit. Nach einem Ehebruchsroman (L’Adultera, 1880) und einem Gesellschaftsroman (Schach von Wuthenow, 1882) kehrte er mit Unterm Birnbaum (1885) zur Kriminalnovelle zurück. Trotz häufig guter Kritiken blieben die Verkaufszahlen aller dieser Werke hinter den Erwartungen Fontanes zurück.
Fontane Fontanes Absichtinteressierte sich insbesondere für die gesellschaftlichen Strukturen und Stimmungen, die den Mord an einem Menschen ermöglichen und dessen Enthüllung behindern. Die Mentalität der Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes und ihre Einstellungen gegenüber der kirchlichen Autorität (Pfarrer) und den weltlichen Autoritäten (Ermittlungsbehörden) vermitteln ein Bild einer bornierten Dorfbevölkerung in einer ländlichen Provinz Preußens, die zu Neid, Lästereien, Besitzstreben und Prinzipienlosigkeit neigt.
Der Umgang der Tschechiner miteinander wird durch das öffentliche Ansehen bestimmt, das von den Besitzverhältnissen und den Zeugnissen des materiellen Wohlstands sowie von der Zugehörigkeit zum protestantischen Glauben abhängig ist. Zum Teil herrschen im Dorf Aberglauben.
In der Der Schauplatz des RomansGaststube und im benachbarten Garten sowie der näheren Umgebung des fiktiven Ortes Tschechin findet das Geschehen statt. Der Autor lässt einige Figuren auftreten, die er nach ihm aus seinem früheren Wohnort Letschin bekannten Personen entworfen hat. Auch die konservativen und zum Teil naiven Denk- und Verhaltensweisen der Dorfbewohnerinnen und -bewohner entsprechen zum großen Teil seinen Erfahrungen aus den Kindheitstagen, die er in der Region verbracht hat.
NebenhandlungDie Entdeckung der etwa zwanzig Jahre im Garten der Hradschecks vergrabenen Leiche eines französischen Soldaten, dessen Todesumstände nie geklärt worden sind, deutet darauf hin, dass sich die Tschechiner Dorfgemeinschaft nicht gerne mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzt: Eventuell fiel der Soldat einem Mord zum Opfer, und die Bewohnerinnen und Bewohner schützen die Beteiligten, die sich noch unter ihnen befinden könnten.
Das Geschehen dominiert weitestgehend der Die ProtagonistenGastwirt und Dorfladenbesitzer Abel Hradscheck. Er ist aus dem Nachbarort nach Tschechin zugezogen, seine Ehefrau hingegen stammt ursprünglich aus einer entfernteren und katholisch geprägten Region. Das Ehepaar Hradscheck, insbesondere Ursel, wird von den alteingesessenen Einwohnerinnen und Einwohnern mit Argwohn beobachtet. Obwohl die beiden das Besitzstreben dieser Menschen verinnerlicht haben und ihm gemäß handeln, gelingt es ihnen nicht, sich öffentliches Ansehen im Dorf zu sichern. Dazu trägt das Verhalten Ursels selbst bei, die sich als wohlhabender darstellt, als es ihre finanzielle Situation (auch nach Mutmaßung der übrigen Bewohnerinnen und Bewohner) erlaubt. Misstrauen erregt sie insbesondere bei den Frauen des Dorfes, die sie auch wegen ihrer ehemaligen Zugehörigkeit zum katholischen Glauben immer noch als Fremde behandeln, obwohl sie längst zur evangelischen Kirche übergetreten ist.
Das GeschehenAufgrund ihrer hohen Ausgaben stecken die beiden Ehepartner in finanziellen Engpässen; der Bankrott ist ihnen angesichts des bevorstehenden Besuchs eines Schulden eintreibenden Handlungsreisenden fast sicher. Abel unterbreitet seiner Frau deshalb einen Plan, der jedoch (ebenso wie ein Großteil seiner Ausführung) in der Novelle ausgespart ist (S. 26). Darum können die Leserinnen und Leser ihn nur anhand der darauffolgenden Ereignisse rekonstruieren. Abel begleicht beim Handlungsreisenden Szulski zunächst seine Schulden, um ihn dann zu töten und das Geld wieder an sich zu bringen. Anschließend täuscht Ursel Szulskis Abreise und seinen anschließenden Unfall vor. Dank eines ausgefeilten Plans, der die Soldatenleiche im Garten involviert, gelingt es Abel, das Misstrauen der Nachbarinnen und Nachbarn zu zerstreuen und die Ermittlungen zum Erliegen zu bringen. Allerdings werden Ursels Schuldgefühle so groß, dass sie psychisch und körperlich erkrankt und stirbt. Abel richtet sich unter diesen veränderten Lebensumständen ein, beschließt aber schließlich aus Furcht vor seiner Entlarvung, die Leiche Szulskis aus dem Keller zu holen und in die Oder zu werfen. Aus Unachtsamkeit entfernt er ein Brett, das Ölfässer im Flur fixierte. Während seiner Ausgrabung im Keller rollt ein Ölfass auf die Falltür und versperrt ihm den Rückweg. Hradscheck wird am nächsten Tag tot im Keller gefunden. Aufgrund des freigelegten Arms Szulskis können die im Keller befindlichen Personen das Geschehen zumindest teilweise rekonstruieren.
Die Novelle Fontanes bedient sich sowohl dem gängigen Aufbau und StrukturSchema einer Kriminalerzählung als auch dem der Detektivgeschichte. Sie erzählt, wie es typisch für das Genre der Kriminalerzählung ist, zunächst die Vorgeschichte einer Tat (Motive und Planung) und – zumindest andeutungsweise – den Hergang eines Verbrechens (Mord und dessen Vertuschung). Es folgt die Geschichte der Aufklärung (Spurensicherung und Befragung der Zeuginnen und Zeugen, Bewertung der Beweislage, Folgen für die Schuldigen), die das Mordgeschehen selbst weiter erhellt und der Gattung der Detektivgeschichte zuzuordnen ist. Doch steht, anders als für Detektivgeschichten üblich, nicht ein einzelner Ermittler im Mittelpunkt. Stattdessen erforschen mehr oder weniger engagierte und oft gemäß privaten Interessen handelnde Figuren den Fall – und das wenig erfolgreich. Die Leserinnen und Leser rekonstruieren den Mordfall nach und nach, weil sie immer mehr neue Erkenntnisse über die Einzelheiten erlangen. Sie haben einen entscheidenden Wissensvorsprung vor den ermittelnden Figuren, denn die Vorgeschichte und Teile des Tathergangs sind ihnen aus den Anfangskapiteln schon bekannt.
Die Kriminalerzählung fällt beim zeitgenössischen Aufnahme durch das PublikumPublikum durch. Zwar unternimmt Fontane mit dem Quitt noch einmal einen letzten Versuch, um mit einem Kriminalroman endlich zu einem literarischen Erfolg zu kommen, aber sowohl die verlegerischen Interessen als auch die ohnehin nicht besonders hohen Erwartungen des Autors bleiben unerfüllt. Fontane zieht die Konsequenzen und beginnt mit dem Verfassen von gesellschaftskritischen Novellen und Romanen, in denen er auf Elemente einer Kriminalerzählung verzichtet.