Aischylos: Der gefesselte Prometheus

 

 

Aischylos

Der gefesselte Prometheus

 

 

 

Aischylos: Der gefesselte Prometheus

 

Übersetzt von Johann Gustav Droysen

 

Vollständige Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Gustave Moreau, Prometheus, 1868

 

ISBN 978-3-8430-6224-4

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-5093-7 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-5095-1 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Anfang einer Prometheus-Trilogie, um 470 v. Chr.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Griechische Tragiker: Aischylos, Sophokles, Euripides. Hg. v. Wolf Hartmut Friedrich, übers. v. J. G. Droysen (Aischylos), K. W. F. Solger (Sophokles), J. A. Hartung (Euripides), München: Winkler, 1958.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

Personen

 

Kratos und Bia (Kraft und Gewalt), Riesengestalten

 

Hephaistos

 

Prometheus

 

Chor der Okeaniden

 

Okeanos

 

Io, Inachos' Tochter

 

Hermes[234]

 

KRATOS.

Wir stehn am fernsten Saum der Welt, dem skythischen

Gelände jetzt, in unbetretner Einsamkeit.

Hephaistos, du wirst eingedenk jetzt sein des Amts,

Das dir der Vater übertrug, den Frevler hier

In diamantner Fesseln unlösbarem Netz

Hoch anzuschmieden auf den gipfelsteilen Fels.

Denn deines Kleinods, wunderkünstlichen Feuers, stahl

Er einen Funken, gab ihn preis den Sterblichen.

Den Frevel soll er büßen jetzt den Ewigen,

Auf daß er lerne, sich Kronions Herrentum

Zu fügen, seiner Menschengunst Einhalt zu tun.

HEPHAISTOS.

Gewalt und Kraft, euch beiden hat jetzt Zeus' Gebot

Sein Ziel und Ende, weitres bleibt euch nichts zu tun.

Ich aber selbst, ich zittre, den verwandten Gott

Mit Gewalt zu schmieden an ein unwirtbar Geklüft;

Und dennoch zwingt Notwendigkeit mich, so zu tun;

Des Vater Wort mißachten ist die schwerste Schuld.

Hochsinnger Sohn der rateskundgen Themis, dich

Gezwungnen muß gezwungen ich in Ketten jetzt

Unlösbar schmieden an den menschenöden Fels,

Wo nie Gestalt, nie Stimme eines Menschen dir

Sich naht, vom glühnden Strahl der Sonne dir versengt

Der Glieder blühnde Kraft dahinwelkt, bis ersehnt

Dir dann den Tag einhüllt die buntgewandge Nacht,

Dann fort den Frühreif wieder schmilzt der Sonne Blick.

So stets von jedem Elend, jeder Gegenwart

Wirst du gequält; da ist niemand, der helfen kann.

Den Dank gewinnt dir deine Menschenfreundlichkeit,

Da, Gott du, unbekümmert um der Götter Zorn,

Den Menschen Ehre gönntest mehr, als du gesollt.

Drum wirst du Hüter dieses öden Felsens sein,

Schlaflos, emporgefesselt, ungebeugt das Knie,

Wirst viele Jammerklage, vieles Weh und Ach

Vergebens schrein; denn unerbittlich zürnet Zeus;[235]

's ist hart ein jeder, der in neuer Macht sich sieht.

KRATOS.

Auf, auf! Was säumst du und bedauerst ihn umsonst?

Wie, hassest du nicht diesen gottverhaßten Gott,

Der doch den Menschen frevelnd dein Kleinod verriet?

HEPHAISTOS.

Verwandter Ursprung, lange Freundschaft binden stark.

KRATOS.

Ich glaub's; doch unfolgsam des Vaters Worten sein,

Wie ist es möglich? Scheust du es nicht um vieles mehr?

HEPHAISTOS.

Stets ohn Erbarmen bist du und voll wildem Trotz!

KRATOS.

Es hilft ja doch nichts, Tränen ihm zu weinen; drum

Müh dich umsonst nicht mit so ganz Vergeblichem!

HEPHAISTOS.

O dieser Hände hundertfach verhaßt Gewerb!

KRATOS.

Warum verhaßt dir? Denn mit einem Wort: des Grams,

Der jetzt dich drückt, trägt deine Kunst dir keine Schuld.

HEPHAISTOS.

Und doch, o hätte jeder andre sie erlost!

KRATOS.

Es ward den Göttern alles, nur nicht Herr zu sein;

Denn frei und Selbstherr nennst du niemand außer Zeus.

HEPHAISTOS.

Ich seh's; entgegen dem zu sprechen hab ich nichts!

KRATOS.

Und eilst dich doch nicht, gleich mit Fesseln ihn zu umfahn,

Damit dich säumig nicht der Vater möge sehn?

HEPHAISTOS.

Nun, mir zu Händen sind die Ketten ja schon zu sehn!

KRATOS.

Um die Hände leg sie, schmiede sie ihm aus aller Kraft

Mit deinem Hammer, nagle fest sie an den Fels!

HEPHAISTOS.

Schon faßt es; nicht ist meiner Arbeit Werk umsonst!

KRATOS.

Schlag's mehr, noch mehr ein! Keil es fest! Laß nirgend nach!

Der weiß sich Rat zu finden, wo's unmöglich scheint.

HEPHAISTOS.

's ist unerlösbar jetzt geschlossen dieser Arm.

KRATOS.

So schmiede sicher auch den andern an, damit

Er lernt, vor Zeus sei seine Schlauheit eitel Nichts.

HEPHAISTOS.

Der einzig tadelt, keiner sonst mich noch mit Recht.

KRATOS.

Des diamantnen Keiles schonungslosen Zahn,

Hier durch die Brust hin treib ihm den mit aller Kraft!

HEPHAISTOS.

Weh dir, Prometheus! Ach, ich seufz um deinen Schmerz!

KRATOS.

Du zögerst nochmals, seufzest um den Feind des Zeus?

Daß nur du selbst nicht um dich selbst einst jammern mußt!

HEPHAISTOS.

Du siehst ein Schauspiel, nicht mit Augen anzuschaun!

KRATOS.

Des wohlverdienten Lohns beschieden seh ich ihn.

Auf! Um die Seiten leg ihm an den Eisengurt![236]

HEPHAISTOS.

Ich muß es tun; befiehl es nicht zum Überdruß!

KRATOS.

Jawohl befehlen, an dich treiben obendrein!

Steig nieder, gürte jetzt den Schenkel eisern ein!

HEPHAISTOS.

Und schon geschehn ist's also sonder viele Müh!

KRATOS.

Jetzt schlage tüchtig ihm der Kette Stift in den Fuß,

Denn deiner Arbeit Richter ist, du weißt es, streng!

HEPHAISTOS.