Wilhelm Müller: Die schöne Müllerin / Die Winterreise. Zwei Gedichtzyklen
Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.
Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.
Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:
Isaac Levitan, Winterlandschaft mit Mühle, 1884
ISBN 978-3-7437-0153-3
Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:
ISBN 978-3-86199-912-6 (Broschiert)
ISBN 978-3-86199-913-3 (Gebunden)
Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.
Der Text dieser Ausgabe folgt:
Wilhelm Müller: Gedichte. Vollständige kritische Ausgabe mit Einleitung und Anmerkungen besorgt von James Taft Hatfield, Berlin: B. Behr’s Verlag, 1906 [= Deutsche Literaturdenkmale, Nr. 137 = 3. Folge, Nr. 17].
Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.
Ich lad' euch, schöne Damen, kluge Herrn,
Und die ihr hört und schaut was Gutes gern,
Zu einem funkelnagelneuen Spiel
Im allerfunkelnagelneusten Styl;
Schlicht ausgedrechselt, kunstlos zugestutzt,
Mit edler deutscher Rohheit aufgeputzt,
Keck wie ein Bursch im Stadtsoldatenstrauß,
Dazu wohl auch ein wenig fromm für's Haus:
Das mag genug mir zur Empfehlung sein,
Wem die behagt, der trete nur herein.
Erhoffe, weil es grad' ist Winterzeit,
Thut euch ein Stündlein hier im Grün nicht Leid;
Denn wißt es nur, daß heut' in meinem Lied
Der Lenz mit allen seinen Blumen blüht.
Im Freien geht die freie Handlung vor,
In reiner Luft, weit von der Städte Thor,
Durch Wald und Feld, in Gründen, auf den Höhn;
Und was nur in vier Wänden darf geschehn,
Das schaut ihr halb durch's offne Fenster an,
So ist der Kunst und euch genug gethan.
Doch wenn ihr nach des Spiels Personen fragt,
So kann ich euch, den Musen sei's geklagt,
Nur eine präsentiren recht und ächt,
Das ist ein junger blonder Müllersknecht.[3]
Denn, ob der Bach zuletzt ein Wort auch spricht,
So wird ein Bach deshalb Person noch nicht.
Drum nehmt nur heut' das Monodram vorlieb:
Wer mehr giebt, als er hat, der heißt ein Dieb.
Auch ist dafür die Szene reich geziert,
Mit grünem Sammet unten tapeziert,
Der ist mit tausend Blumen bunt gestickt,
Und Weg und Steg darüber ausgedrückt.
Die Sonne strahlt von oben hell herein
Und bricht in Thau und Thränen ihren Schein,
Und auch der Mond blickt aus der Wolken Flor
Schwermüthig, wie's die Mode will, hervor.
Den Hintergrund umkränzt ein hoher Wald,
Der Hund schlägt an, das muntre Jagdhorn schallt;
Hier stürzt vom schroffen Fels der junge Quell
Und fließt im Thal als Bächlein silberhell;
Das Mühlrad braust, die Werke klappern drein,
Man hört die Vöglein kaum im nahen Hain.
Drum denkt, wenn euch zu rauh manch Liedchen klingt,
Daß das Lokal es also mit sich bringt.
Doch, was das Schönste bei den Rädern ist,
Das wird euch sagen mein Monodramist;
Verrieth' ich's euch, verdürb' ich ihm das Spiel:
Gehabt euch wohl und amüsirt euch viel![4]
Das Wandern ist des Müllers Lust,
Das Wandern!
Das muß ein schlechter Müller sein,
Dem niemals fiel das Wandern ein,
Das Wandern.
Vom Wasser haben wir's gelernt,
Vom Wasser!
Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht,
Ist stets auf Wanderschaft bedacht,
Das Wasser.[4]
Das sehn wir auch den Rädern ab,
Den Rädern!
Die gar nicht gerne stille stehn,
Die sich mein Tag nicht müde drehn,
Die Räder.
Die Steine selbst, so schwer sie sind,
Die Steine!
Sie tanzen mit den muntern Reihn
Und wollen gar noch schneller sein,
Die Steine.
O Wandern, Wandern, meine Lust,
O Wandern!
Herr Meister und Frau Meisterin,
Laßt mich in Frieden weiter ziehn
Und wandern.[5]
Ich hört' ein Bächlein rauschen
Wohl aus dem Felsenquell,
Hinab zum Thale rauschen
So frisch und wunderhell.