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Der

SCHMIDT MAX

macht ein
Buch

MIT TEXTEN VON
ELMAR TANNERT UND
BILDERN VON
ANDRÉ GOERSCHEL

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Brauchtumspflege der besonderen Art: ein Bier im Denkmal

Der perfekte Zwetschgendatschi

Waldbaden – sag bloß nicht Spaziergang dazu

Vom Reiz der Kälte: W-w-w-wi-hinterschwimmen

Mit dem Aufzug ins Grüne: schwebende Gärten

Die beste Pizza der Welt

Nerven wie Drahtseile: Übernachten in der Steilwand

Auf dem SUP durch Venedig

O’zogn is: Wiesn-Outfit selber machen

Säen, düngen, mähen, mulchen: der perfekte Rasen

Mit dem Wasserflugzeug über dem Comer See

Auf einer Kräuterwanderung zur Hausapotheke Natur

Eine Audienz beim Papst

Nostalgie pur: Skifahren wie vor 100 Jahren

Zu Besuch im Erdbeerhimmel

Reiten lernen in fünf Tagen

Eine selbst gebaute Uhr

Die Schönheit der Erschöpfung beim Retro-Radrennen Eroica

Schwammerlsuche im Winter

Flussschwimmen in Zürich

So knusprig, so gut: der Sonntagsbraten

Wandern im Regen – herrlich, nichts wie raus

Das allmächtige Taschenmesser

Italienisch verführt mit Risottovariationen

Auf dem Fränkischen Rotwein-Wanderweg

Einen Rodel selber bauen

Ein Gourmetmenü vom Lagerfeuer

Einmal Held sein beim historischen Bobrennen

Die ewige Ruhe im selbst gebauten Sarg

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Der Schmidt Max wurde 1968 in München geboren.
Er ist Schauspieler und Fernsehmoderator.
Seit 2003 moderiert er das BR-Magazin
freizeit.
Er lebt in München und am Chiemsee.

DER SCHMIDT MAX

Der Schmidt Max macht jetzt also ein Buch. Aha. Weil?

Die Antwort ist relativ einfach: weil’s Zeit wird. Vor dreißig Jahren haben sich Herbert Stiglmaier und Frank Meißner auf den Weg gemacht, eine ganz besondere Sendung für das Bayerische Fernsehen zu entwickeln. Die freizeit. Ein Format, das es so in der deutschen Fernsehlandschaft noch nicht gab. Thematisch bunt und unterhaltsam. Es war die Zeit der VHS-Recorder und Fernsehzeitschriften. Fünf Moderator*innen gaben der Sendung in den ersten zwölf Jahren ein Gesicht. Seit 2003 darf nun ich diese wunderbare Sendung moderieren. Besser gesagt: erleben. Umgeben von einem großartigen Team, bei dem ich so sein darf, wie ich bin. Ebenso großartig sind all die Bekanntschaften, die ich vor der Kamera machen durfte und immer noch darf. Tolle Menschen mit viel Enthusiasmus und vor allem Humor bei jeder einzelnen Produktion. Und dieses Lebensgefühl, die ganzen Erfahrungen, die Vielzahl an Themen und Begegnungen, das soll jetzt also alles irgendwie in ein Buch. Aha.

Wie? Keine Ahnung. Bei bislang an die 280 Sendungen mit mir eine schier unmögliche Aufgabe. Es muss also eine Auswahl getroffen werden. Genau. Und im besten Fall stehen die auch stellvertretend für alle anderen. Ja, so könnte es gehen. Schließlich heißt es ja: Der Schmidt Max macht ein Buch und nicht zehn. Außerdem braucht eine zehnbändige Enzyklopädie dann doch a bissal viel Platz aufm Nachtkastl. Ich freue mich jedenfalls sehr über dieses Buch und kann mich nur bei allen Beteiligten recht herzlich für dieses Kunststück bedanken.

So, aber jetzt halte ich Sie nicht mehr länger auf. Schließlich haben Sie ja gerade Freizeit. Und diese, das kann ich sagen, ist kostbar. Also, viel Spaß beim Lesen.

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30 Jahre

»FREIZEIT«

Nichts weniger als die erste Freizeit-Sendung im deutschen Fernsehen wollten wir erfinden. Die Premiere wurde wochenlang beworben und dann, tja, dann fielen wir zum Sendestart gleich mal aus. Genau am dafür festgelegten Tag, am 17. Januar 1991, begann der Zweite Golfkrieg …

Als Nächstes planten wir Eissegeln auf den Kärntner Seen, nur leider hatten wir drei Tage völlige Flaute. Beim Ersatzdreh, einer Schlittentour, brach sich Moderatorin Stefanie Tücking zwei Rippen. Und bei einer Folge wenig später kippte Moderator Herbert Gogel samt Kamera aus einem Heißluftballon.

Uns Machern war klar: Das halten wir keine sechs Monate durch. Daraus sind nun dreißig Jahre geworden – und es gibt uns noch immer.

Wir sind Absolventen der Deutschen Journalistenschule und glühende 1860-Anhänger mit Dauerkarte in der Stehhalle des Grünwalder Stadions. Außerhalb des Stadions und der Redaktion gründelt Stiglmaier in seinem Weinkeller als IHK-geprüfter Sommelier, während der Fliegenfischer Meißner dem Huchen, seinem Lieblingsfisch, folgt.

Im Geiste vereint, im Temperament doch recht unterschiedlich. Und so »darf« der Max mal im Römertopf kochen, muss aber zwei Wochen später als tauchende Putzkolonne im Haifischbecken schrubben. Mit Haien versteht sich.

Froh, so einen Teufelskerl entdeckt zu haben, begann 2003 die noch erfolgreichere Zeit dieser Sendung, die glücklicherweise bis heute andauert. Den Schmidt Max komplettiert der alte grüne Opel Kadett seines Opas, eine abgetragene cognacfarbene Lederjacke und sein lichter werdendes Haupthaar, an dessen Verlust er gerne öffentlich leidet. Seit dreißig Jahren schreiben wir die Drehbücher zur Sendung. Wir – dazu gehört seit bald zwei Jahrzehnten auch Sylvie Menning. Über 1 000 Themen sind es inzwischen geworden. Bei besonders kniffligen Aufgaben fragt der Schmidt Max: Habt ihr es selber ausprobiert? Haben wir. Und deshalb baumelt der Max schon mal beim Übernachten in einer 400 Meter hohen Steilwand (siehe Seite 64) oder muss achtzig Kilometer mit dem alten Stahlrennrad die Schotterpisten der Eroica (siehe Seite 156) überstehen. Zum Ausgleich gibt’s Reisen zu Wein und Kulinarik – von Tomate bis Datschi (siehe Seiten 20, 58 u. 214).

Mit dieser Mischung aus Wahnsinn und Wellness, von Arschbacken bis Kuchenbacken haben wir fünf Mal den »Columbus« gewonnen, den Oscar des deutschen Reise-Journalismus, dazu den Katholischen Medienpreis der Deutschen Bischofskonferenz für unseren gefilmten Versuch, eine Papst-Audienz bei Franziskus (siehe Seite 110) zu bekommen, außerdem den Deutschen Denkmalschutz-Preis und die Bayerische Denkmalschutzmedaille.

Der Todfeind eines Magazins sind ordentliche Geschichten – ordentliches Thema, ordentlich recherchiert, ordentliche Bilder: das einzige Schlafmittel, das mit den Augen eingenommen wird. So etwas wollen wir auch in Zukunft bestmöglich verhindern.

Eine Auswahl unserer ungewöhnlichsten Geschichten finden Sie hier im Buch. Viel Freude beim Ausprobieren. Denn das war uns immer das Wichtigste: Alle verfilmten Abenteuer sind garantiert nachmachbar.

Frank Meißner
und Herbert Stiglmaier

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Brauchtumspflege der besonderen Art:

EIN BIER IM DENKMAL

Auch für den Schmidt Max ist Bier ein Lebenselixier. Umso größer die Misere, wenn der Herbst einzieht und die Biergartensaison sich davonstiehlt.

Hilfreich ist, wenn man einen Fachmann kennt, in diesem Falle den Herrn Dr. Karl Gattinger vom Landesamt für Denkmalpflege, der einem über die biergartenlose Zeit hinweghilft, indem er seine Kenntnisse übers Biertrinken auf höchstem wissenschaftlichen Niveau weitergibt. Ein gemeinsamer Ausflug soll sie zu allerlei historischen Bierquellen führen.

Überraschenderweise kommen dabei zuerst die sonst eher weinseligen Unterfranken ins Spiel: Der Schmidt Max steuert nämlich auf Herrn Gattingers Befehl seinen geliebten Großvaterkadett in Bayerns hohen Norden, über Bamberg hinaus nach Junkersdorf bei Königsberg. Im Jahr 1840, bemerkt Herr Gattinger, habe es in Unterfranken noch 194 Kommunbrauhäuser gegeben. Also praktisch eines in jedem Dorf. Und noch immer hundertprozentig original erhalten ist bis heute das Brauhaus in Junkersdorf, das bierigste Baudenkmal Bayerns mit gelebter Braukultur.

Je mehr Herr Gattinger sich in Fahrt redet, umso trockener wird dem Schmidt Max seine Kehle. Groß ist schließlich seine Freude, als sie nach dreistündiger Reise endlich vor einem schmucken kleinen Sandsteinbau stehen, auf dem die Jahreszahl 1839 prangt. Das Ziel ihrer (Sehn-)Süchte.

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Koryphäen unter sich: Karl Gattinger hat seine Doktorarbeit übers Bier geschrieben und auch Herr Schmidt studierte länger an der Angewandten

Herr Gattinger kommt schon wieder ins Schwärmen, und dies noch vor dem ersten Schluck Bier.

»Da schaun S’, Schmidt Max«, sagt er, »die Gesimsgliederung mitsamt den Seitenlisenen, dann da oben die Ladeluke –«

»Die Seitenli… was? Denken Sie sich grad neue Wörter aus?«

»Eine Lisene, das ist wie ein Sims. Bloß senkrecht anstatt waagrecht.«

»Aha.«

„Kommt vom französischen lisière – Saum, Rand, Kante.«

»Ah so?«

»Und die kassettierte Holztür mit dem Rautenmuster – was sagen Sie dazu?«

»Wirklich pfundig – aber meinen S’ nicht, wir sollten die Tür lieber aufmachen als anschauen, dass wir endlich zum Bier kommen?«

Aber auch die geöffnete Tür führt noch nicht direkt zum Bier, sondern zuerst zum historischen Interieur. Der eiserne Läuterbottich aus einer Zeit noch vor dem Ersten Weltkrieg ist ein inneres Volksfest für den Historiker, und während der Schmidt Max mit ihm über die alten Holzstiegen zur Darrkammer hinauf- und auch gleich wieder hinunterkraxelt, beschäftigt ihn die Überlegung, ob der Gattinger Karl am Ende vorhat, sein inneres Volksfest völlig ohne Bier zu feiern. Andererseits ist es vielleicht besser, sich in nüchternem Zustand über die steilen Stiegen zu bewegen.

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Gelebte Braukultur im unterfränkischen Junkersdorf: der über 100 Jahre alte Läuterbottich des Kommunbrauhauses wird regelmäßig genutzt

Nach gefühlten Stunden, aber in Wahrheit doch nur einer halben, kann der Schmidt Max endlich degustieren, was in dem alten Gemäuer frisch entstanden ist. Bei einem unterfränkischen Seidli in der Gaststube erfährt der Schmidt Max, dass er soeben eines von circa 5 000 trinkt – 25 Hektoliter umfasst der Braugang – und dass es sich, laut Braumeister Martin, um einen Mischmasch aus Wiener und Münchner Malz handle, das wiederum aus Bamberg stamme. Und wenn er nicht der Schmidt Max wäre, so hätte er höchstwahrscheinlich gar kein Seidli gekriegt, weil das Bier in diesem Kommunbrauhaus nicht verkauft wird, sondern ausschließlich für die hundert Vereinsmitglieder da ist. Diese wiederum verhelfen dazu, dass das Bier unversteuert bleibt, denn jeder Erwachsene in Deutschland ist dazu berechtigt, zwei Hektoliter Bier pro Jahr steuerfrei für den Eigenbedarf zu brauen.

Als der Schmidt Max schließlich auch den Unterschied zwischen obergärig und untergärig kennengelernt hat (der entscheidende Unterschied ist die Temperatur beim Gären), ist er unversehens beim zweiten oder vielleicht auch schon dritten Seidli angelangt, und der Herr Gattinger mahnt zum Aufbruch. Allerdings noch nicht zur nächsten Brauerei, sondern vorerst nur zum Wohnwagen, der Ausnüchterung wegen. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil Braumeister Martin sonst in seinem Hauptberuf als Polizist aktiv werden müsste.

Nach einem erfrischenden Mittagsschlaf (»mittogs is die beste Zeit zum Schloffa«) setzt sich das Gespann wieder in Bewegung. Eigentlich zwei Gespanne: Dem Schmidt Max sein alter Kadett mitsamt dem historischen Wohnwagen sowie der Schmidt Max selbst mitsamt dem bierhistorischen Fachmann.

Im nächsten Reiseziel Ellingen erwartet sie gewissermaßen das Gegenteil von Junkersdorf – dort Kommunbräu, hier Schlossbrauerei. In Junkersdorf ein Bier, das außer den hundert bierseligen Kommunarden keiner kennt – hier in Ellingen ein Dunkles, das auf seiner Schaumkrone noch eine europäische Bierpreiskrone trägt. Während Dr. Gattinger wieder über die architektonischen Details von Schloss- und Brauereifassade doziert, blickt der Schmidt Max verstohlen an sich herab und denkt darüber nach, ob er nicht doch noch schnell nach Hause fahren, sich umziehen und in edler Nadelstreifenumhüllung wieder auftauchen sollte. Aber zu spät – schon sind Fürst und Fürstin da und geben den Weg zur Besichtigung frei und damit zu weiteren inneren Volksfesten des Herrn Gattinger.

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In der ehemaligen Brauerei des Deutschherrenordens in Ellingen geht es auch heute noch adelig und bierig zu

»Da schaun S’ her«, sagt er, als sie im dreihundert Jahre alten Sudhaus, dem Kernstück einer jeden Brauerei, stehen. »Sehng S’ des?«

»Des Deckengewölbe?«

»Genau. Typisch barock – schee verzogen, passt net genau.«

Findet der Schmidt Max erstaunlich, weil, der Johann Sebastian Bach ist schließlich auch barock. Hat der jetzt genauso komponiert, wie das Gewölbe dasteht? Schee verzogen, passt net genau? Klingen tut’s eigentlich nicht so. Außerdem heißt’s doch immer, Bach wäre Mathematik.

Dr. Gattinger gibt zu bedenken, dass »barock« aus dem Portugiesischen stamme und ursprünglich »schiefe Perle« bedeutete. »Aber Hauptsache ist – schaun S’, wie das Sudhaus erhalten ist, mitsamt dem Gewölbe über unseren Köpfen und dem Steinplattenbelag unter unseren Füßen. So was gibt’s heit nimmer, da red einer von Fortschritt …«

Dem Schmidt Max, der ja ursprünglich nur seine Herbstdepression bekämpfen wollte, scheint der Weg zum wahren Fortschritt in der Tat noch hoffnungslos lang. Denn wahrer Fortschritt wäre, den entscheidenden Schritt zum Seidli zu tun, in dem sich der Kummer über das Ende der Biergartensaison ertränken lässt und das hier in Mittelfranken wahrscheinlich schon wieder ganz anders heißt.

Während der Schmidt Max vom Seidla träumt, träumen auch Fürstin und Fürst von und zu Ellingen – vom Ausbau der ehemaligen Wirtschaftsgebäude und Stallungen zu Lofts und Wohnungen, zu Räumen, die für Festivitäten zur Verfügung stehen.

Gott sei Dank hilft die beängstigend zeitig hereinbrechende Dunkelheit ein wenig nach und lenkt die Schritte nun endlich zum preisgekrönten Dunklen, Europameister 2014. Wie aber verhält man sich nun, wenn man als Oberbayer in Franken mit einem exorbitanten Bier konfrontiert wird, das man am liebsten im täglichen Abonnement beziehen würde? Soll man jodelnd und schuhplattelnd auf dem Tisch oder Tresen oder sonst wo herumhüpfen?

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Nach einer ausgiebigen Erkundung des Schlossgeländes mit dem Fürstenehepaar wird ebenso ausgiebig der Europameister probiert

»Hat scho was«, sagt der Schmidt Max.

»Schmeckt aber scho …«, sekundiert Dr. Gattinger.

»… eigentlich …«

»… gar net …«

»… so schlecht …«

»… oder?«

Zu später Stunde befinden sich die beiden Herren ganz allein in der Gaststube, Fürst und Fürstin haben sich längst zur Ruhe begeben. Allein an der Anzahl der leeren Gläser auf dem Tisch ließe sich schon die Qualität der hiesigen Erfrischungsgetränke erkennen.

»Warum«, so dem Schmidt Max seine letzten Worte vor dem Schlummer, »warum haben wir keine fürstliche Suite reservieren lassen?«

»Weil man sich den Wohnwagen mit fürstlichem Bier schön genug trinken kann!«, behauptet Dr. Gattinger. Dann schnarcht er.

Keinesfalls darf man sich mehr als zwei Brauereien pro Tag vornehmen. Auch dann nicht, wenn eine der beiden nur eine Sorte Bier anbietet.

Buchtipps

Karl Gattinger, Genuss mit Geschichte: Reisen zu bayerischen Denkmälern – Brauhäuser, Bierkeller, Hopfen und Malz, Volk Verlag 2016

Anders Möhl u. Elmar Tannert, 33 Biere. Eine Reise durch Franken, ars vivendi verlag 2016

Der Weg von Ellingen nach Seemannshausen wird deshalb erst am nächsten Tag angetreten. Er führt nicht nur zweihundert Kilometer nach Südosten, sondern auch von spätherbstlicher Farbenpracht zum ersten dünnen Schneewinterkleid. Unentschieden wie die Jahreszeit, findet der Schmidt Max, ist auch der Eremitenklosterbau. Ausgestaltet mit Wand- und Deckengemälden einerseits, aber dann doch wieder nur mit Holz- statt Marmortreppen andererseits.

»Typisch Bettelorden«, sagt der Herr Gattinger dazu.

»Egal«, meint der Schmidt Max, »Hauptsache, wir müssen hier nicht um die Getränke betteln. Aber bis jetzt haben wir noch niemanden gesehen.

Jemand da?«

Er betätigt einen Klingelzug, und ein schriller Ton ruft den Braumeister herbei, der nicht ganz unpassend zu seiner Profession den Namen »Kellerer« trägt und mit Abfüllen beschäftigt war – nicht sich, sondern Flaschen. Wohlgeformte Biersiphonflaschen, um genau zu sein.

»Für den Export nach Übersee?«

»Nein. Für die Gäste zum Mitnehmen.«

Denn auch wenn das Bier Export heiße – ein solches naturbelassenes, unfiltriertes und unpasteurisiertes Bier sollte man spätestens drei Wochen nach der Abfüllung konsumieren, und daher sei es auch zum Export in näher gelegene Gegenden nur sehr bedingt geeignet.

Der Schmidt Max verspürt schon wieder Durst und fragt nach einem Probeschluck. Beinah hat er Pech.

»Heute ist Ruhetag«, sagt die Chefin, die sich dazugesellt hat. »Aber Sie können gern was mitnehmen.« Gesagt – getan. Allerdings: Die Herren Schmidt und Gattinger haben die Lektion gelernt und exportieren das Export nicht allzu weit. Nehmen Platz direkt vorm Haus, wo die nachmittägliche Herbstsonne ihre Strahlen fast waagerecht hinschickt, und prosten einander zu. Nicht nur einmal. Zum Wohnwagen ist es zum Glück nicht weit.

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Im Kloster Seemannshausen in Niederbayern werden schon seit 400 Jahren hungrige und durstige Pilger empfangen

Beim Erwachen am nächsten Morgen kommt dem Schmidt Max angesichts seiner etwas mangelnden Fitness der Karl Valentin in den Sinn: Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es jetzt schon ist.

Positiv zu vermerken ist indes, dass die Trinkkur mit dem heutigen Tag und nach dem letzten Reiseziel, Kloster Baumburg im Chiemgau, ihr Ende finden wird. Dortselbst reicht die Brautradition bis ins Jahr 1612 zurück, doch noch mehr beeindruckt den Schmidt Max die Größe der hauseigenen Latifundien. Weil nämlich: Die 35 Hektar Baumburger Gerstenfelder reichen weiter, als das Auge reicht. Sie dehnen sich gewissermaßen in die weite Welt hinaus, ohne sich ihrer bedienen zu wollen.

»Wir wollen keine australische Gerste«, so der Braumeister, »keine französische Gerste, wir wollen ausschließlich unsere Chiemgauer Gerste.«

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Oberbayern, das Land der Barockklöster – wenn Kirche, Brauhaus und Braustüberl so nah beieinanderliegen, kann das nur Gutes bedeuten

»Ist ja auch ökonomisch vernünftig, wenn ma des Zeug net durch die halbe Welt karrt«, stellt der Schmidt Max fest.

»Und ökologisch«, sekundiert der Herr Gattinger.

»Außerdem schmeckt’s halt einfach.«

Das darf man bei aller Vernunft nicht außer Acht lassen. Den Beweis erbringen sie ebenfalls direkt vor Ort. Sie setzen sich ins Bräustüberl und genießen nachhaltig die regionalen Produkte, die ihrerseits eine nachhaltige Wirkung entfalten. Es handelt sich nämlich um ein äußerst bockhaltiges Sortiment – außer einfachem Bockbier verheißt man ihnen auch »zwoa Doppelböck, oan gstopften Bock und drei Eisböck.«

Eben hat Herr Gattinger noch von den herrlichen Gewölben geschwärmt. Nun verblasst allmählich der Barock des Baudenkmals hinter dem Bock, der darinnen gebraut wird. Gut, dass sie nirgendwo mehr hinmüssen. »Bier trinken ist schön, macht aber viel Arbeit«, konstatiert der Schmidt Max, was so oder so ähnlich ebenfalls von Karl Valentin stammt.

»Da haben wir Glück, Schmidt Max«, resümiert Herr Gattinger, »dass wir unsere Arbeit lieben. Prost!« image

Schlossbrauerei Ellingen

imageSchlossstraße 10
91792 Ellingen

imagewww.fuerst-carl.de

Klosterbräu Seemannshausen

imageSeemannshausen 8
84140 Gangkofen

imagewww.klosterbraeuseemannshausen.de

Klosterbrauerei Baumburg

imageBaumburg 20
83352 Altenmarkt

imagewww.baumburger.de

Hinweis: Alle drei Brauereien informieren ausführlich zu Spezialitäten, aktuellem kulinarischen Angebot und Führungen auf den angegebenen Webseiten.

Der perfekte

ZWETSCHGEN DATSCHI

Zwetschgen vom Baum, Teig anrühren, Zwetschgen auf Teig, in den Ofen damit, halbe Stunde warten und – fertig ist er, der Zwetschgenkuchen. Zwetschgenkuchen? Doch wohl eher der bayerische Zwetschgendatschi – oder? Der Schmidt Max kommt ins Grübeln, denn er hat munkeln hören, dass man in manchen Regionen auch von einem »Zwetschgenblootz« spricht. Aber wie schreibt man den bloß? Blootz oder Bloods oder gar Plotz wie Hotzenplotz, weil die Großmutter in den Geschichten vom Räuber Hotzenplotz auch immer Zwetschgenkuchen backt?

Noch wichtiger aber ist die Geschmacksfrage. Macht man einen Mürbteig? Macht man einen Hefeteig? Und: Macht man den Datschi respektive Blootz rund oder eckig? Auch dies gehört ganz klar zu den Geschmacksfragen. Schließlich schmecken Spaghetti ja auch anders als Tagliatelle oder Makkaroni.

Zur Klärung dieser Fragen hilft nur, sich auf Reisen zu begeben, dorthin, wo die Fachleute zu Hause sind. Die erste Reise führt den Schmidt Max ins unterfränkische Mönchsondheim und dort wiederum zuerst zum Heimatforscher Reinhard Hüßner, der den Schmidt Max sogleich auf einen Baum schickt. »Reif ist die Frucht, wenn beim Rupfen der Stiel am Ast bleibt«, schärft er ihm ein.

Während der Schmidt Max hoch oben am Baum emsig pflückt, eingedenk des Bibelwortes im Schweiße deines Angesichts sollst du deinen Datschi essen, schwelgt Herr Hüßner in Erinnerungen an goldene Zwetschgenzeiten. Rund 60 000 Bäume habe es allein im Landkreis Kitzingen gegeben, doch im Lauf der Jahrzehnte habe man ihnen den Garaus gemacht, unter anderem bei Flurbereinigungen. Da habe es Prämien für die Abholzung der Bäume gegeben – heute würden Prämien für Neuanpflanzungen ausgezahlt. Auch seien früher, erfährt der Schmidt Max weiter, die Zwetschgen waggonweise als »Prünellen«, gedörrt und in Rauch getrocknet, exportiert worden; aber: Aufwand groß, Erlös gering, das tue sich niemand mehr an.

»Ein Grund mehr«, meint der schwitzende Schmidt Max, als er mit vollem Korb hinunterklettert, »den Datschi hochleben zu lassen!« Herrn Hüßners bisher freundliche Miene umwölkt sich. Der Schmidt Max ist ins fränkische Fettnäpfchen getreten. Blootz, nicht Datschi, so Herr Hüßner, sage man in Franken, denn das fränkische Wort Blootz heiße zu Hochdeutsch »Platz«, und weil der Blootz genau so flach und rund sei wie ein Blootz, heiße der Blootz eben Blootz.

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Der Landkreis Kitzingen, früher die reinste Zwetschgenlandschaft, aber auch heute werden Streuobstwiesen wieder gefördert

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Fluffiger Hefe- oder üppigerer Mürbteig: Da geht der Riss quer durch Bayern – in Unterfranken wird mit dem Blootz Ersterer bevorzugt

Mit diesen Worten geleitet er den Schmidt Max zum Mönchsondheimer Kirchenburgmuseum, wo er von den drei Landfrauen Christa, Ilse und Lisbeth erwartet wird. Sie verraten ihm vor den nächsten Arbeitsgängen die drei Blootzgrundlagen: Erstens, so Ilse, bereite man einen Hefeteig, weil es mit Mürbteig ein Zwetschgenkuchen wäre und kein Zwetschgenblootz, zweitens, so Lisbeth: »wichtig is des Dämpferla«, und drittens, ergänzt Christa: »Am End muss mer aufpass, dass er net spundig wird.«

Der Schmidt Max bekennt vor Lisbeths strengem Blick vorsichtshalber nicht, dass er nicht weiß, was ein Dämpferla ist, zumal er sich plötzlich wie ein Erstklässler fühlt vor den drei Damen, die den Eindruck machen, als hätten sie ihr Leben lang das Fach Zwetschgenblootz unterrichtet und nicht immer nur Einser vergeben. Stattdessen lässt er, um Wohlwollen heischend, seinen randvollen Korb begutachten. »Dass des der Korb ausghalten hat!«, zollt Ilse Respekt.

Angesichts der Zwetschgenmenge lässt man den Schmidt Max nicht allein, sondern verarbeitet die Ernte zu viert, zumal man ihn auf den rechten Weg führen muss. Nämlich: Zwetschge an der Naht einschneiden, aufklappen, Kern freilegen, aufgeklappt hinlegen, beide Hälften schräg einschneiden. Zum zweiten Mal an diesem Tag gerät der Schmidt Max ins Schwitzen, nicht wegen der Mühe, sondern weil er fürchtet, dass seine operativen Zwetschgenschnitte vor den Augen des Fachfrauentrios keine Gnade finden, aber sie bescheiden ihm freundlich: »Dann drückmer halt amal a Aug zu!«

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Rund wie ein Dorfplatz: Woher der fränkische »Blootz« seinen Namen hat, dürfte nun nicht mehr verwundern

Es folgt der Teig. Die fränkischen Damen platzieren sich wieder auf dem Sofa und lassen den Bayern unter ihrer Aufsicht agieren. Beim Bereiten des Teigs erschließt sich endlich die Bedeutung des Dämpferlas: Es gilt, eine Teigkuhle zu bilden und in ebendiese Hefe, Milch und Zucker hineinzurühren. Und auch a weng a Mehl.

Der Schmidt Max fühlt sich in seine Kindheit zurückversetzt, als er mit Essen noch spielte. Auch wenn Essen angeblich nicht zum Spielen da war, gestaltete er den Kartoffelbrei in unbeaufsichtigten Momenten zu einem Berg und den Berg durch Eindrücken des Gipfels zu einem Vulkan, in den er Bratensoßenlava hineinfüllte, die sich alsdann in die Erbsendörfer am Fuße des Kartoffelbreivulkans wälzte – so ähnlich geht es ihm jetzt mit dem Dämpferla vom Hefeteig, und die drei Landfrauen wirken durchaus nicht so, als würden sie ihn des Spielens mit Essen zeihen, sondern verfolgen seine Teigarbeit mit Wohlwollen. Vielleicht denken sie sogar darüber nach, ob sie nicht auf ihre alten Tage noch einmal heiraten sollten. Nicht irgendwen, versteht sich, sondern den Schmidt Max, der den aufgegangenen Teig jetzt so lang auf dem runden Blech aufnudelt, bis er sich Komplimente einfängt – »Hast schee rund aufgnudelt!« und: »Wemmer schee rund aufnudeln kann, kammer aa gut tanz!«

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Vier Tage wird der fast hundertjährige Ofen vorgeheizt, der Teil des Mönchsondheimer Freilandmuseums ist

Das muss er jetzt unter Beweis stellen, und während er nacheinander mit Christa, Ilse und Elsbeth das Tanzbein schwingt, denkt er darüber nach, ob er nicht im nächsten Leben als Unterfranke zur Welt kommen möchte, um diesen ebenso eigenartigen wie schönen Dialekt nicht erst lern zu müss, sondern von Kindheit an zu sprech.

Aber lass dich von solchen Gedanken net ablenk, Schmidt Max, weil, jetzt musst die Zwetschgen aufleg, schön rund von außen nach innen, am Schluss noch a wengala Zimt draufschütt und dann zum Bäcker geh!

Bäcker Jürgen hat extra für den Schmidt Max schon vorheizen lassen, und zwar den alten Backofen von 1927, der seit 1958 nur noch zu besonderen Gelegenheiten in Betrieb genommen wird und wiederum in der Gemeindebackstube steht, die seit 1557 existiert und sich im Mönchsondheimer Rathaus (www.kirchenburgmuseum.de) befindet. Dem Schmidt Max sein Blick fällt auf ein Schild:

Polizeilich verboten ist,

das Betasten der Esswaren

das Mitbringen von Hunden

das Spucken auf den Boden.

Von wann es wohl sein mag? Keine Zeit zum Sinnieren, jetzt muss er unter Jürgens Anleitung den Blootz fachmännisch im Ofen platzieren und sich dabei auch noch die Frage verkneifen, ob man in Franken eventuell von blootzieren spricht.

Die gute halbe Stunde bis zum fertigen Zwetschgenblootz geht schnell vorbei. »Wunderbar!«, befindet die Damenrunde einhellig das Ergebnis, »net spundig geworden, sondern fluffig!«, und konstatiert nebenbei, dass sich der Schmidt Max »das größte Trumm« genommen habe.

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»Wer ko, der ko!« – in geselliger Probierrunde mit den drei Damen vom Blootz sowie Bäckermeister Jürgen

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Die Allgäuer Schwestern Elisabeth und Monika sparen beim Datschi nicht an Butter, Streuseln und Sahne

An diesem Punkt hat er allerdings erst den halben Weg zur Wahrheit über Blootz und Datschi zurückgelegt, auch wenn er sich bereits wie am Gipfelpunkt der Seligkeit fühlt. Es heißt also weiterziehen, von Unterfranken ins Oberallgäu zu den Schwestern Monika und Elisabeth.

Dort, in Kempten, bleibt ihm das mühselige Pflücken erspart, denn die Datschispezialistinnen decken ihren Bedarf auf dem Markt, mit Zwetschgen vom Bodensee. Ebenso schnell, wie die Zwetschgen besorgt sind, zeigt sich auch: Mit dem in Unterfranken erworbenen Fachwissen kann der Schmidt Max im Oberallgäu nicht punkten. Hier backt man nicht rund, sondern eckig; hier bereitet man keinen Hefeteig, sondern einen Mürbteig; hier werden die Zwetschgen nicht, wie in Franken, auf den Teig gelegt, sondern hineingedootscht, sprich, fest hineingedrückt; hier werden sie gewaschen anstatt trocken abgerieben, und auch die Schnittmethode ist eine andere. Nicht Zwetschge an der Naht einschneiden, aufklappen, Kern freilegen, aufgeklappt hinlegen, beide Hälften schräg einschneiden, sondern oben ein Schnitt, dann ein Schnitt quer, ein Schnitt an der Unterseite, Zwetschge auseinanderklappen, Kern raus und fertig. Oder so ähnlich. Sogar bei der Ei-Auswahl zeigt sich ein Unterschied: Monika und Elisabeth schwören zu Schmidt Max’ Erstaunen auf grünschalige Hühnereier, die von Frühlegern stammen.

Tipp

Die ZweiSchwestern Moni und Elisabeth haben ihre Leidenschaft fürs Backen von der Oma und der Mama geerbt – und geben sie in ihren Backkursen gerne an Interessierte weiter. Das Datschi-Rezept sowie viele andere Köstlichkeiten finden sich außerdem im Backbuch der Schwestern, Mit Liebe gebacken, erschienen 2019 im AVA-Verlag.

imagewww.zweischwestern.net

Und außerdem: Hier überlässt man dem Schmidt Max nichts allein – die Schwestern sind bei jedem Handgriff dabei. Sie kennen es von Kindheit an nicht anders, haben als Schülerinnen und Studentinnen in Bäckereien gejobbt und im Lauf der Jahre womöglich schon Millionen von Zwetschgen entsteint. Delegieren werden sie vermutlich erst dann, wenn sie das gesegnete Alter der unterfränkischen Landfrauen erreicht haben.

Nachdem die Zwetschgen eingedatscht sind, also fest in den Mürbteig hineingedrückt, folgt etwas ganz Wichtiges, wovon in Unterfranken nie die Rede war: Streusel. Ohne die geht’s nicht, so Monikas und Elisabeths Credo – das heißt mit anderen Worten: nicht ohne geschmolzene Butter, Zucker und Mehl nebst Zimt und Nüssen zur Verfeinerung. Und noch während der Schmidt Max erstaunt konstatiert, dass sich die Kemptener Datschigeschwister einer beneidenswerten Schlankheit erfreuen, sprechen sie auch noch von Schlagsahne, an der man ebenso wenig wie an Streuseln sparen dürfe. Eventuell kraxelt man ja im Allgäu nach dem Verzehr von einem Stück Zwetschgendatschi mit Schlagsahne ein paarmal aufs Rubihorn und wieder hinunter, um die Kalorien loszuwerden, überlegt der Schmidt Max, dieweil er vollmundig verkündet, dass er den Datschi aus Monikas und Elisabeths Backstudio jeden Tag essen könnte. Und jetzt ahnt er auch, warum die Mönchsondheimer Landfrauen die Schlagsahne weggelassen haben – in Unterfranken sind die Berge nicht so hoch. Aber dafür kann man dort schöner mit dem Teig spielen … image

ZWETSCHGENBLOOTZ MIT HEFETEIG

Zutaten

500 ml Milch | 100 g Butter | 100 g Zucker | 3 Eier | ½ Teelöffel Salz | 3 Pck. Trockenhefe| 1 – 1,2 kg Mehl | Zwetschgen zum Belegen

Zubereitung

Die Hälfte des Mehls in eine Schüssel geben und zu einem Kegel aufhäufeln. Die 3 Päckchen Hefe und den Zucker dazugeben. Mit lauwarmer Milch verrühren und das »Dämpferla« gehen lassen, bis sich der Teig verdoppelt hat.

Anschließend die restlichen Zutaten dazugeben. Wenn der Teig noch an den Fingern klebt, mit Mehl korrigieren.

Noch einmal an einem warmen Ort gehen lassen. Zum Schluss den Teig auf einem gefetteten Blech ausrollen und mit Zwetschgen belegen. Vor dem Backen ein letztes Mal kurz stehen lassen.

Backofen auf 200° C vorheizen und den Blootz etwa 35 – 40 Minuten backen.

Tipp

Für die Streusel: 170 g Mehl | 100 g Zucker | 100 g Butter |

2 kg Zwetschgen | Zimtzucker, falls die Zwetschgen sauer sind