Karl Schönherr: Der Weibsteufel

 

 

Karl Schönherr

Der Weibsteufel

Ein Drama in fünf Akten

 

 

 

Karl Schönherr: Der Weibsteufel. Ein Drama in fünf Akten

 

Neuausgabe.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Koloman Moser, Frau mit Hut, 1913

 

ISBN 978-3-7437-0582-1

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-7437-0534-0 (Broschiert)

ISBN 978-3-7437-0535-7 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Erstdruck: Leipzig, Verlag von L. Staackmann, 1914. Uraufführung am 6. April 1915 im Johann-Strauß-Theater in Wien.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Personen

 

Der Mann

 

Sein Weib

 

Ein junger Grenzjäger

 

Schauplatz: Eine Stube.

 

Erster Akt

Mann und Weib sitzen am Tisch. Vor ihnen stehen zwei Gläser mit Wein.

 

MANN noch jung, aber kränklich und schwach; mit schütterem, rötlichem Haarflaum. Erhebt sich und nimmt das Glas zur Hand; schmunzelnd. Weib. Was ist heut für ein Tag?

WEIB. Heut vor sechs Jahren haben wir Hochzeit ghabt.

MANN. Stoß an mit mir. Stoßen an. Weib, du sollst leben.

WEIB sieht ihm in die Augen. Und du nit minder. Trinken die Gläser leer und küssen sich auf die Wange.

MANN froh. Jetzt sag: Haben wir ein einzigsmal gstritten unter alle sechs Jahr?

WEIB. Wir sein immer gut auskommen. Ich weiß von kein Streit. Räumt die leeren Gläser vom Tisch.

MANN setzt sich und lacht. Na also. Grad lachen muß ich, wenn ich zurückdenk, wie sich die Leut da alle das Maul zerrissen haben: Du sollst mich nit nehmen. Und meine eignen Brüder gespottet und glacht: So ein blutschwaches Manndl und das Weib dazu – das geht nit gut aus. Übermütig. Wo sein sie jetzt alle – die Prophezeier; die Schwarzseher?

WEIB schlicht und warmherzig. Grad weil du schwach bist; und ich hab gsehen, du brauchst wen; und man kann dir was sein; grad deswegen hab i dich gnommen. Dann. Weißt, so hab i dich wie ein hilfnotiges Kind, das man hüten und pflegen und um das man sich sorgen muß.

MANN stiller, nachdenklich. Ja; so ein Krankensessel bin ich schon von kleinauf immer gwesen; sieht nach dem Bild seiner Mutter an der Wand. gelt, Mutter. Dann. Aber dafür bin ich schlau. Hat sich erhoben und verriegelt von innen die Tür. Zieh die Vorhäng zu. Während das Weib dem Befehl nachkommt, zieht er das Stehmesser aus der Hintertasche und hebt mit der Messerklinge ein Dielenstück des Fußbodens aus dem Falz. Holt aus der Höhlung in Papier gewickelten Seidenstoff und Spitzen hervor; breitet beides vor dem Weib auf dem Tische aus. Froh. He, Weib. Was sagst? Das ist für dich. Gelt, da schaust.

WEIB voll Freude. Ah, ist das eine Pracht. Die feinen Spitzen und die Seide. Probiert den Seidenstoff als Schürze.

MANN beobachtet befriedigt des Weibes Tun; für sich. Da hat sie eine Freud, das Kind. Dann. Gelt, Weib; Schmuggelwaar ist feine Waar. Und Schmuggelwaar tragt Gold. Hat der Kommode einen großen Lederbeutel mit großen. Goldstücken entnommen, die er mit Wohlgefallen auf dem Tisch Stück für Stück nebeneinander zu legen beginnt. Da; und da; und da; und da; den ganzen Tisch könnt ich pflastern mit Goldfüchs. Alles für dich.

WEIB greift nach seinem Arm; mit leuchtenden Augen. Wenn wir einmal das schöne Haus am Marktplatz haben; mit der großen Toreinfahrt und den gemalten Fensterbögen; und wenn ich dann am Sonntag in Spitzen und mit einem seidenen Kittel in die Kirchen rausch – ah.

MANN. Da werden die Leut hinter uns die Mäuler aufsperren.

WEIB wiegt den Lederbeutel in der Hand. Wieviel fehlt denn noch zum Haus?

MANN legt die Goldstücke wieder in den Beutel. Es fehlt nimmer viel; noch ein paar gute Frachten und wir wären so weit. Verschließt den Beutel wieder in die Kommode.

WEIB legt den Seidenstoff und die Spitzen wieder sorgsam zusammen. Ist nit heut nacht wieder eine Schmugglfracht kommen?

MANN nickt. Im Keller liegt sie; unter dem doppelten Boden; ist dem Weib beim Glattrollen der Spitzen behilflich, aber man kann nichts mehr wegschaffen; nix mehr zu Gold machen; der neue Jäger hat Augen, die sehen durch Holz und Mauer.

WEIB hat Spitzen und Seidenstoff wieder in das Papier gewickelt. Streicht denn der Tag und Nacht um?

MANN. So. Jetz legs nur wieder hinein. Weib legt das Paket in die Dielenöffnung, Mann paßt das Dielenstück wieder auf die Öffnung. Und die Schmuggler wollen nichts mehr wagen; sie sagen, ich als der Hehler hätt leicht lachen hinter dem warmen Ofen daheim; aber sie müßten es ausfressen; sie sagen, der neue Jäger haut und sticht und kennt kein Pardon; und der laßt sich auch nit abschmiern.

WEIB. Am End faßt er uns auch noch.

MANN hat sich vom Boden erhoben und tritt das eingepaßte Dielenstück mit den Füßen fest. Zieht dann das Weib zu einer altertümlichen, großen, geräumigen Truhe hin. Jetz sag einmal: Seit wir Mann und Weib sein, haltst du die Truhe da versperrt; kein Mensch weiß, was drin ist.

WEIB schroff abschneidend. Mann, es ist gut; die Truhe laß mir in Ruh.

MANN. Aber die Truhe hetzt uns die Grenzjäger auf den Hals.

WEIB. Wie das?

MANN. Jeder Knecht und jeds Dienstmädl, das einmal bei uns gwesen ist, redt von der Truhe im Dorf herum; da sei eine Heimlichkeit drin. Na, und da spitzen die Grenzjäger die Ohren. Dann. Sie haben jetzt schon wieder etwas Neus ausgetiftelt gegen mich.

WEIB. Was denn schon wieder?

MANN. Weil ich ihnen zu schlau bin, und sie kommen mir nit an – jetz wolln sie dich dazu einspannen.

WEIB. Mich?

MANN. Ja; dich – gegen mich. I weiß alls von einem, der selber dabei war; mit einem Goldstückl hab ich ihm das Maul aufgsperrt. Setzt sich auf die Truhe und zieht das Weib neben sich nieder. Dann. Also gestern hat der Kommandant die Jäger alle zusammgetrommelt und gsagt: »Ist keiner da, der mir endlich einmal den Kapitalfuchs da oben fangt?« Das wär nämlich ich. Drauf sagen die Jäger: »Wir tun, was wir können; aber dem kommt man nit an.« Drauf sagt der Kommandant: »Er soll ja ein saubers Weib daheim haben. Himmelelement. Und ihr Jäger alls jungfrische Kerl. Na also. Warum steckt sich denn keiner hinter sie und macht sie ein bißl verliebt – die Gans; bis sie zum Schnattern anfangt. Weib hat sich erhoben. So ein Weib frißt einem jungen Kerl ja bald aus der Hand; und dann erfahrt man alls, was man wissen will. Na also: Wer wagts?« Aber es ist mäuselstill geblieben in der Wachstubn; keiner hat sich grührt.

WEIB. Pfui Teufel. Ist das nit ein Spott und Schand, für was der ein Weib anschaut? Glaubs gern, daß er zu so was keinen Jäger findet. Der soll sich schamen bis ins letzte Haar.

MANN ruhig. Halt, bin noch nit fertig. Fährt fort. Wie der Kommandant sieht, es will keiner dran, hat er noch ein Draufgab geben: »Jäger«, sagt er, »wer mir den Fuchs da oben fangt, daß man ihm sein Hehlerei beweisen kann – der avanciert. – Ist noch keiner da, ders wagt?« Dann. Und jetzt ist einer vor und schreit: »Hier.«

WEIB. Wer?

MANN. Der neue Jäger. Der Wachtmeister fragt ihn noch: »Du blutjunger Jäger. Bist du bei den Weibern schon so gut beschlagen?« – Drauf hat der gsagt: »Hab noch mit keiner was zu tun gehabt; aber so ein Weib ein bissel karessieren, das wird doch kein Kunst sein. Und avancieren ist auch kein Dreck.«

WEIB. Du Hund.

MANN hat inzwischen die verschlossene Türe wieder aufgeriegelt und schiebt die Vorhänge an den Fenstern zurück; sieht wie ungefähr durch das Fenster; dann plötzlich. Weib, dort; schau. Weib ist ans Fenster geeilt. Siehst ihn? Über den Bergsteig kommt er; gradwegs auf unser Haus zu.

WEIB sieht hinter dem Fenster scharf zu. Hund, verruchter. Komm mir nur. Dir fahr ich an die Gurgel.

MANN tritt vom Fenster zurück. Was hättst davon? Der schlenkert dich weg, wie eine Fliegn.

WEIB. Wir schlagen ihm die Haustür vor der Nasen zu. Will ab.

MANN hält sie am Arm zurück. Natürlich. Daß wir gleich sein Verdacht aufriegeln. Dann sucht er uns auf der Stell das ganze Haus von oben bis unten ab und findet am End die ganze Fracht. Dann adje, Haus am Marktplatz, mit den gemalten Fensterbögen. Zieht sie ganz zu sich heran. Weib. Schlau muß man sein: Wenn uns einer eine Grube grabt, dann müssen wir gegengraben.

WEIB. Was willst damit sagen?

MANN. Wenn er dich fangen will – fang ihn du. Wirf ihm ein Hölzl; stell ihm ein Bein. Tu ihm auch ein bissel schön; halt ihn solang in der Stube, bis ich mit meinen Helfern die ganze Fracht aus dem Keller hab; solang er da in meiner Stube sitzt, weiß ich, er kann mit seinem Fernglas nit irgendwo hinter einem Baum oder Stein versteckt hocken und von der Weiten mein Haus abspekulieren.

WEIB starrt den Mann mit weit offenen Augen an. Aber Mann, was fallt dir denn ein? Ich so was. Ist das dein Ernst?

MANN klopft ihr auf die Schulter. Weib. Schlau muß man sein.

WEIB sträubt sich heftig. Na. Bitt dich, Mann. Stell mich zu so was nit an. Was fallt dir denn ein? Da müßt ich ja schon ganz ausgschamt sein.

MANN ungeduldig. Herrgott noch einmal; brauchst ja nur dazusitzen und ein bissel das Maul verziehen, wenn er was sagt. Und laß nur die Augen ein bissel spielen; du hast ja ein Paar gute Augen; nu, wie man halt so einen Gimpel lockt; das hat doch jeds Weib am klein Finger.

WEIB. Aber Mann, i bitt dich, Mann; das kann doch nit dein Ernst sein.

MANN abschneidend. Still jetzt. Er kommt schon. Flüstert ihr zu. Denk an das Haus am Marktplatz; Spitzen und Seide; es gschieht ja alls nur für dich.

JÄGER tritt in die Stube. Guten Tag um und um.

MANN. Auch soviel. Dann. Schau, Weib, wer da ist. Zum Jäger. Sind Sies oder nit: Der neue Jäger von der Grenz?

JÄGER. Ja, der bin ich. Sieht sich spähend in der Stube um und faßt das Weib fest ins Auge, zum Mann. Sie hausen da herobn wie in einem Geiernest; ganz weg von den Leuten.

MANN. Ja. Man laßt sich nit gern bei jedem Löffl voll Suppn ins Maul schauen. Wir wollen aber doch bald ins Tal ziehen, wenn sichs machen laßt; gelt, Weib. Dann. Herr Jäger, womit kann man dienen?

JÄGER behält das Weib im Auge. Es ist mehr Weibssach: Bin da drunten an einer Stauden hängen blieben und hab mir den Ärmel aufgrissen.

MANN wirft dem Weib einen verstohlenen Blick zu; besieht den Ärmel. Hm, da sein Sie aber ordentlich hängen blieben. Schaut aus, wie mit dem Messer gschnitten. Zum Weib. Weib. Gleich hol das Nähzeug und flick den Herr Jäger wieder schön zusamm.

WEIB holt zögernd widerwillig das Nähkörbchen, wobei ihr der Jäger mit den Augen folgt.

MANN wirft dem Weib, das das Nähzeug auf den Tisch gestellt hat, einen vielsagenden Blick zu. Weib; näh aber gut und fein, daß man nichts merkt. Geht der Eingangtüre zu.

WEIB wie von plötzlicher Angst befallen, flehend. Mann, bleib da. Der Türe zu. Oder wart, i geh auch.

MANN ihr zublinzelnd, ärgerlich. Sei nit so kindisch. Laß den Jäger nit warten; der hat noch andere Sachen zu tun. Bin gleich wieder da. Eingangtür ab.

WEIB setzt sich widerwillig an den Tisch und nimmt Nadel und Faden zur Hand; unwillig zum Jäger. So ziehen Sie also frisch Ihren Rock aus.