Dietmar Beetz
Unterm Gedankenmüll
Gedichte
ISBN 978-3-95655-924-2 (E-Book)
Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
Das Buch erschien erstmals 1998 im Verlag Heike Wenig, Dorsten.
2018 EDITION digital
Pekrul & Sohn GbR
Godern
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Pinnow
Tel.: 03860 505788
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Nicht zu Novalis, nicht
zur Letzten Reckenburgerin -
aussteigen
aus dem Expreß;
am Gleisbett, wo
Ginster bleicht,
vorbei. Schattiges
Ahorngeraune ...
Bleibt sich nicht gleich, wo man
eingeht? - Hier
zucken in Spuckweite
Fernstraße, Fluß, Magistrale ...
Sinken seitab
unter Gras.
Und im Lenz
der Luise erblühn
in Georg Philipp Friedrichs Blau.
Er kam zum hellen Strande,
ein Neuland zu bestellen -
und ward, nicht dreißigjährig,
zu Staub am Strand, dem hellen.
Dazwischen Zeilenfurchen,
Furchen unter Tage... -
Die Blaue Blume wurzelt
auf einem Zechenschlage
und wurde aus Kavernen
mit rotem Salz getränkt. -
Parnaß hat einen Stammplatz
noch keinem je geschenkt.
Kinderblick in Gelb und Blau,
Mondflug anvisiert,
im Regal aus Hellerau
unter J. postiert.
Ganzwandhohe Poesie
katalogisiert
und die Daseinshierarchie
arteriell verspürt.
So wie du den Fürchtegott
cerebral verdaun.
D.B. werden. Wie B.J.
Eigenrampen baun.
Rauch über Dächern, der
Haut beizt und Schleimhaut -
Flor, dem Aurora
rosig entsteigt,
zu lächeln
mir, der ich pfeife
auf solche Gunst
auf dem vorletzten Loch.
Hinter rostrotem Gitter
lagern Gerüche.
Der Sommer treibt
Ausverkauf.
Staubiges Laub,
in den Rinnstein geblättert.
Auch die Kühle hat
ihren Preis.
Kälte kommt teuer.
Enorm - die Kosten pro
Herz auf Eis.
Ich leiste mir
keinen Gefrierschrank.
Ich treibe die Hitze
nicht aus dem Blut.
Ich bleib mit der Jahreszeit
hauteng in Fühlung.
Die Stadt scheint vergreist:
weiß an den Wurzeln -
der Wald, das
Haar auf dem Steiger;
unter der Bergstirn:
Runzeln - die Straßen,
Poren - die Fenster,
betongrauer Teint...
Stadt, Liebste, du bist
ernüchternd mir nah.
Von Bonaparte links liegengelassen,
lagert der Häuserhaufe auf dem Plateau.
Über Land führen Straßen hin,
vorbei an doppeltem Pappelposten.
Es ist ein Licht über den Mauern
zur Abendzeit wie Legendenschein.
Kassandra kommentiert für ein Freibier
eine Bronzetafel an räudiger Hausfront.
Aus ortsansässiger Jugend gähnt es
und lächelt abwesend-abgeklärt.
Früh um fünf wird man wiederum
zur Schicht holpern nach außerhalb.
Da schrumpft
das Kirchnest vor der
Himmelskulisse -
im Abendlicht meine
Gastspielarena.
Der Motor läuft
mit mir fort;
die Komparsen sind
längst gegangen;
bald fällt
der Vorhang Nacht.
Vorher noch mal ein
kreisrund gerahmter
Schnappschuß,
sentimental
koloriert.
Doch eines grauen Tags
verharrte er im Lauf und
sah sich um und sah
nur Hast und Haß und Harm und
Wichtig-
Widrig-
Nichtigkeit
und ging beiseite,
neidisch auf
das Tier, das sich
im Busch
verkriecht.
Die Zunge welk,
das Herz
im Rippengiebel
fledermausig;
ausgedorrt
da unten das Geschrumpel,
in der Schale oben
grauer Brei.
Erde,
ich bin
unterwegs.
1
Fichten, vom Winter
geköpft -
falsch gehegter,
enthaupteter Wald -
Schädelstätte
für Immergrün.
O du schöner...
O du...
O...
2
Unruh ist
über allen Gipfeln,
gewisser Hauch
über den Wipfeln,
kein Schweigen
im Wald.
Verstummt -
der Vogelschrei
unter der Motorsäge,
still der Wand'rer
am Kammweg -
wohin?
Das Dickicht aus Schachtelhalm
vibriert filigran,
Splitt bombardiert
Gold'nes Frauenhaar,
Farn wird gewedelt von
Abgasgewölk.
Wer hat dich abgegraben,
Labsal für Ziegenlippen,
Mittagsgemurmel im Hain? -
Schnakengesirr
wölkte im Erlenschatten
als Widerpart.
Der du gepflastert dein Bett,
den Sandstein gefugt und poliert,
Bruder Bach -
mager bei Dürre,
bei Schwemme üppig -
wo bist du hin?
Hain der Kindheit,
ahorngesäumtes Gartenquadrat,
einst umzäunt, uns erreichbar
nur auf dem Marderpfad.
Es war das kornäpfelilluminierte
Dorfparadies,
verbot'ne Frucht, lockend, rar und
geheimnisvoll süß.
Jetzt quert den Hain ein Trampelpfad,
und der Zaun ist geschleift.
Die Äpfel faulen im Gras,
angebissen, unausgereift.
Dorf in der Dämmerung, tagwärts,
Zeit vor dem Vollgasschrei,
Kammer, vom Fenster beflügelt,
Atem der Sakristei...
Muschel - das Herz im Gehäuse,
Sensor - das Sonnengeflecht;
vegetative Stille
vor dem Infarktgefecht.
Bald der erste Lidschlag, ein
Hieb in den Dämmerungstüll,
und ein Laut aus den Gründen
unterm Gedankenmüll.
Die Köstlichkeiten dieser Welt,
Tomaten, Kirschen, Paprika,
auch klare Wässerchen und trübe -
all das ist sonntagmorgens da
und wird erstanden: stück- und glasweis -
Genuß, der in die Hohlhand paßt;
der Schluck, der Happen - Maßeinheiten,
womit man angemessen praßt
und einen Obulus erübrigt
für blinde Brüder hinterm Zaun.
Ihr Kreuz quittiert, und Gott vergilt's. –
Schön illusorisch anzuschaun.
ULIZA PERWOMAISKAJA
Fast wie bei Repin: geschnitzte Fassaden
in Vorgartendickicht, staketenumstellt;
Pfade dazwischen, Radfurchen, Pfützen -
Spiegel voll Bläue, kondensstreifzerspellt.
Das ist die berührte Straße der Dorfstadt,
hochsommergrün, repinfremd markiert:
Sie schlägt eine Schneise von Bauland
zum Bahndamm,
birkengesäumt, von Lärm attackiert.
Noch hocken die Alten am Haus auf der
Holzbank,
noch hacken die Hühner im Abfall vorm
Tor;
doch pflügen schon Kipper die Inseln aus
Wermut,
doch wallt aus dem Modder schon Diesel
empor.
Das schmatzt erst und
schlingt dann,
schluckt runter -
Moloch Schwarzerde-
modder, frucht- und
furchtbar.
Schlamm, der in Stiefel quillt,
in Fahrerkabinen,
Schlamm im Genick -
Feind Nummer eins,
Fußangel, kalter
Kollektivleim, alter
Storystifter:
Wie Seewolf versackte,
Käpt'n Briese geht baden,
Die Moorkur der B.B. ...
Schlamm und sein Spanner
Staub, Väterchen Frost und
Mütterchen Glut - der
Härtetest hält an.
Achtzigfache Troika,
Schüttel, verdammter,
bockiger Gaul,
willst wieder mal