Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2021 Ortrud Römer-Horn
Coverdesign: Francé-Design, Neuried
Satz, Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7543-9966-8
Der Bogen spannt sich von heiter bis nachdenklich, stammt
aus der Realität und reist ins Reich der Fantasie.
Es sind Geschichten von Katzen und ihren Menschen und von
Fabelwesen so wie so …
Ein Tier.
Ein Raubtier.
Ein Nutztier (fängt Mäuse).
Ein Mitbewohner.
Eine Sofa-Zierde.
Ein Lebensbegleiter – immer nah, immer auf Distanz.
Was ist sie wirklich?
Und ihre Menschen?
Sie sind etwas Besonderes, denn sie können das Geheimnis erahnen.
Manchen von ihnen gelingt es sogar, den Schleier ein wenig zu lüften und uns – die ganz Normalen – an ihrer Ahnung teilhaben zu lassen. Damit sind wir zufrieden. Denn wer von uns könnte das Geheimnis einer Katze aus weißem Mondstaub wirklich verstehen?
Ortrud Römer-Horn vermag ihr Wissen um das Geheimnis der Katzen in Worte zu fassen, und das kann eigentlich nur daran liegen, dass sie in einem früheren Leben, in einem asiatischen Tempel, aus einem goldenen Schüsselchen, zu Füßen eines Erleuchteten … nein, so weit will ich denn doch nicht gehen.
Als langjährige erfahrene Katzen-Expertin, erfolgsverwöhnte Ausstellerin, Journalistin und – natürlich – als liebevolle Katzenmutter hat sie ihren Lieblingen ein Halsband aus Geschichten geflochten … ganz ähnlich dem Juwelenhalsband der Katze mit den gelben Augen, dessen Edelsteine das Licht der Sonne sprengen wollten …
Gabriele Schröter, die herausragende Tierzeichnerin, hat mit sicherem Griff aus dem Spektrum ihrer darstellerischen Fähigkeiten nur eine einzige Nuance heraus gegriffen: Sie, die Hunde so porträtieren kann, dass statt des Rassetypus die Einzigartigkeit jedes Individuums für immer erhalten bleibt, die ebenso jede Katze unverwechselbar festzuhalten vermag, sie hat sich darauf beschränkt, die Aura der Katze an sich in ihren Skizzen einzufangen.
Oder besser gesagt:
Die Katze aus weißem Mondstaub hat ihr Modell gesessen.
Gisela Meyer-Franck, Sommer 2020
Wenn ich daran denke, wie Tiger, der genauso aussah, und auch wirklich ein wilder Kater war, zu uns kam, kann ich es in einen sehr kurzen Satz fassen: »Gert hat ihn vom Baum gepflückt.« Gert ist mein Mann. Und er hat den damals noch kleinen, ewig neugierigen Kater von einem großen Ast des mächtigen alten Kastanienbaums runtergeholt, der vor unserem Haus steht. Das war dann wohl der Beginn einer großen Männer-Freundschaft … aber ich will die Geschichte komplett erzählen. Von Anfang an!
Ich sah ein kleines getigertes Kätzchen mit hoch erhobenem Schwanz über die Straße laufen, direkt auf unser Grundstück zu. Es kam ein Auto. Der Fahrer bremste und schon war der kleine Streuner auf unserem Gelände. »Oh nein!« dachte ich, Alisha ist draußen, und schon war unsere betagte Afghanische Windhündin verdammt flott unterwegs, und dem kleinen Kater blieb nur der Ausweg nach oben.
Also erst einmal den Hund ins Haus gelotst und dann den Mann alarmiert. »Gert, Du musst die Leiter holen, Alisha hat eine kleine Katze in die Kastanie gejagt, bitte hole sie wieder runter. »Aber, das ist eine Katze, die kommt von selbst wieder runter!« »Nein, Katzen versteigen sich, und finden dann nicht mehr den Weg nach unten …« Also: Gert holte die große Schiebeleiter und lockte den jungen Kater auf seine Schulter. Was jetzt? Erst einmal was zum Futtern anbieten. Der erste Teller wurde gierig geleert, der zweite auch. Ende September konnte er auch über Nacht nicht mehr draußen bleiben. Also schnell im Flur einige Tücher übereinander gefaltet … es sollte ja nur für diese eine Nacht sein. Aber es kam alles ganz anders.
Der Zeitpunkt für eine Katze passte überhaupt nicht in unseren Plan. Wir hatten einen Urlaub gebucht und wollten in wenigen Tagen losfahren. Und eine Katze sollte erst im kommenden Jahr einziehen, und zwar eine Rassekatze, lieber noch zwei … Der kleine Tigerkater blieb also erst einmal nur für diese einzige Nacht im Haus, dann sollte er morgens, bitte, wieder in sein vorheriges Zuhause marschieren. Der junge Kater verließ auch das Haus, während Gert sich rasierte, aber die Haustür blieb offen, und schon war Tiger nach dem Morgen-Pipi wieder da. Was jetzt?
Wir fuhren in Urlaub und Tiger zog in eine Katzenpension ein. Dort rief ich dann jeden Tag an. Der muntere Bursche sauste durch alle Räume, und kaum waren wir wieder zurück, eroberte er auch unser Haus. Welch ein Glück, dass es im Rohbau war. Er konnte unter dem Dach rumflitzen, ganz nach Kater-Herzenslust. Zugestaubt und mit Spinnweben in den Schnurrhaaren erzählte er dann von seinen Abenteuern … einmal mit einem Zaunkönig im Mäulchen, den er als lebende Beute uns als Geschenk brachte. Der Vogel überlebte und durfte wieder fliegen.
Tiger hatte das unbändige Temperament einer über Generationen sich selbst auf Überleben gezüchteten Bauernkatze und brachte uns manches Mal zur Verzweiflung. Unserem Schreiner sprang er aus purem Übermut mit Anlauf an den Oberschenkel und krallte sich in seiner Arbeitshose fest. Glücklicherweise war dieses Teil aus dickem Qualitätsgewebe. Die Beine von Gert sahen lange aus als würde er jeden Tag durch stacheliges Gestrüpp laufen … ohne lange Hose. Die kleine Tochter unserer Freundin Ilona war entsetzt, als wir zum Gegenbesuch eingeladen wurden. »Aber ohne das Tigerchen«, war die Forderung des Mädchens, dem der Kater fast auf Augenhöhe begegnete. Gert erinnert sich immer noch atemlos an eine Landung vom Kleiderschrank, aus über zwei Metern Höhe, auf seinem Bauch. Ebenso an den Abrutscher in seinem Gesicht mit ausgefahrenen Krallen. Spätestens dann lernte ich mit Wasserstoff, Wundsalbe und Verbandsmaterial umzugehen.
Wir beschlossen, dass Tiger im Haus bleiben sollte. Zeitweise fahren viele Autos über die Straße vor unserem Haus, oft viel zu schnell, und wir wollten unsere erste Katze nicht vorschnell verlieren. Also beschloss ich, ihn an ein Geschirr zu gewöhnen, wie es meine Mutter schon vor vielen Jahren mit der bunt getupften Muschi erfolgreich geschafft hatte. Mit Tiger war es ein hartes Stück Arbeit. Mit viel Lob und Leckerlis schaffte ich es nach einigen Wochen, den Bauchgurt zuzuschnallen und den ersten Gang vor die Haustür zu wagen. Es klappte prima. Tiger verlangte ab sofort immer mit einem energischen und nicht zu überhörenden »MIAU« seinen Auslauf an der Leine. Die befestigten wir an immer anderen Stellen rund ums Haus, so dass Tiger sein Revier so groß als möglich kennen lernen konnte.
Eines Tages lag die Leine lang ausgezogen in der Wiese, ohne Geschirr und Tiger. »Ist Tiger im Hause?« fragte Gert. »Nein!« Wir sausten raus. Erst mal auf die Straße geschaut, ob dort … nein, glücklicherweise nicht. Nach kurzer, Herz-bis-in-den-Hals-klopfender-Suche, entdeckte Gert den Kater. Ganz relaxt lag er an einem schattigen Platz im Staudenbeet. Ein Zwischenstück an seinem Geschirr war gerissen.
Es dauerte Jahre bis Tiger ein Schmuser wurde. Meine hartnäckige Forderung nach sozialer Pflichterfüllung gegenüber seiner Menschin wurde lange mit Knurren und Fauchen beantwortet. Im Alter liebte er es dann, gefühlte Ewigkeiten auf Gerts Schoß zu liegen, wenn der gerne auf der Bank vor unserem Haus saß. Es gab auch keine Nacht ohne Tiger im Bett. Er kringelte sich ganz klein, und lag dann zwischen den Beinen. Viele Jahre saugte er schmatzend an seinem Bauch, eine Gewohnheit, die Katzen oft haben, wenn die Mutter nicht genug Milch hat, wie mir unsere Tierärztin erklärte. Was blieb, war der ewige Kampf um die Decke, die sich nach unten zog, sobald Tiger sich umdrehte.
An der Leine bestand Tiger erfolgreich mindestens einen Katerkampf und erlegte Mäuse und junge Ratten. Einmal, es war schon dunkel und Tiger wollte wieder raus und kurz darauf wieder ins Haus, -natürlich gehorchten wir- brachte er eine lebende Maus mit, die er in der Küche sausen ließ. Nein, es war nicht spaßig! Dort stehen die massiven Holzmöbel, die mein Schreiner-Großvater selbst fertigte, und es brauchte Muckis, die wegzurücken, um die vor Todesangst quietschende Maus zu sichten. Die Maus, die sich im Rauputz festkrallte, wurde von der Wand gefangen und dann wieder freigelassen.