Frostmagie – Searching Santa
Über das Buch:
Für die Kinderärztin Emily ist Weihnachten nicht gerade das Lieblingsfest, deshalb nimmt sie dieses Jahr die Einladung ihrer Tante an und besucht sie in Frost Creek.
Hier versucht sie, ihre Vergangenheit für eine kurze Zeit zu vergessen. Aber sie hat nicht mit Adrian gerechnet.
Der Künstler weckt Gefühle und Sehnsüchte in ihr, die sie längst verdrängt hatte.
Nach allem, was sie durchgemacht hat, stellt sich nur eine Frage:
Ist sie bereit, der Liebe eine Chance zu geben?
Faye Donaghue
Frostmagie – searching Santa
Copyright © Faye Donaghue
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Zuwiderhandlungen sind strafbar und verpflichten zu entsprechendem Schadenersatz.
Solvig Schneeberg
Johannesstr. 112
99084 Erfurt
Umschlaggestaltung:Grace C. Stone
Lektorat: T. K. Moon
Dieses Werk ist rein fiktiv.
Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Für
Die Liebe meines Lebens.
All die wundervollen Frauen der Wortkunst, die mir um jede Tages- und Nachtzeit mit ihrem Rat zur Seite stehen.
Vera. Wie immer.
Die 13 Autorinnen, die gemeinsam mit mir dieses Abenteuer wagten.
Kapitel 1
Immer wieder starrte ich auf mein Handy. Immer wieder rief ich die Nachricht auf. Immer wieder warf ich mein Telefon anschließend wütend aufs Bett. Nur um es zwanzig Sekunden später doch wieder in die Hand zu nehmen.
„Mistkerl!“
Dieses Mal warf ich mein Handy endgültig auf die weiche Matratze. Wütend fuhr ich mir durch die Haare. Der lange Pferdeschwanz hatte sich allmählich aus dem Gummi gelöst, so oft war ich hindurchgefahren. Ich band den Zopf neu.
Mein Handy vibrierte und ich erlag dem Drang nachzusehen.
Erleichtert seufzte ich, als ich die SMS meiner Tante las. Sie schickte mir nur noch einmal eine genauere Wegbeschreibung nach Frost Creek. Obwohl ich jeden Sommer bei ihr verbrachte, schickte sie mir jedes Mal so eine Nachricht, wenn ich sie besuchte. Da ich die letzten vier oder fünf Jahre allerdings nicht mehr dort gewesen war, begrüßte ich ihre Fürsorge. Im Winter waren Straßen oft unbefahrbar oder gesperrt und ich hatte keine Lust, mitten in der Pampa festzusitzen.
„Bist du dir sicher, dass du das machen willst, Emmy?“
Ich drehte mich überrascht um, als ich die Stimme meiner besten Freundin Chloe hörte. Sie sprang auf mein Bett und ihre kurzen Locken hüpften auf und ab.
„Besser als Weihnachten hier zu verbringen“, meinte ich und widmete mich wieder dem Koffer, der aufgeklappt auf dem Bett neben ihr lag.
„Aber Weihnachten in dieser kleinen Idylle zu verbringen, wird deine Laune sicherlich nicht heben. Außerdem ist Weihnachten erst in sechs Wochen!“
„Weihnachten ist überall scheiße“, murmelte ich.
Nein, Weihnachten würde nie wieder so zauberhaft und unschuldig sein wie in meiner Kindheit. Seit sich meine Eltern an Heiligabend vor 15 Jahren trennten, wurde Weihnachten in unserer Familie nie wieder gefeiert.
„Außerdem bin ich in Frost Creek meilenweit entfernt von diesem Arschloch“, fuhr ich fort und schüttelte den Kopf, um meine negativen Gedanken zu vertreiben. Wobei Kyle auch nicht gerade für positive Gedanken sorgte.
Chloe nickte. „Kyle hat wirklich Nerven hierher zu ziehen.“
Ich schwieg. Mein Ex-Freund hatte nicht nur die Dreistigkeit besessen, nach Los Angeles zu ziehen, nein, er zog auch noch in meine Nachbarschaft. Direkt in das Haus nebenan. Ich hatte Chloe angefleht, mit mir die Schlafzimmer zu tauschen, damit ich nicht länger unter seiner Beobachtung stand.
Meine beste Freundin war sofort dazu bereit, sie hätte vermutlich auch noch mehr getan, aber fürs Erste war der Zimmerwechsel genug.
Wir hatten uns bereits im ersten Semester an der Uni ein Zimmer geteilt und waren nach dem Studium zusammen nach L.A. in dieses kleine Haus gezogen. Wir absolvierten beide gerade unsere Assistenzzeit am Sacred Heart Hospital. Sie in der Chirurgie und ich auf der Kinderstation. Normalerweise könnten wir uns das nicht leisten, aber wir kamen beide aus wohlhabenden Familien und so ein Strandhaus war für uns locker drin.
„Stalking nennt man das“, berichtigte ich sie. „Ein betrügerisches Arschloch, das mich stalkt.“
Meine Freundin griff nach einem dünnen Pullover und wechselte das Thema. „Ist das nicht ein wenig zu dünn? Du wirst frieren.“
„Dann kaufe ich mir eben neue Klamotten“, sagte ich und schnappte nach dem Pulli. Er war wirklich zu dünn. Etwas für den warmen Herbst hier in Los Angeles. Für den rauen Winter in Frost Creek gänzlich ungeeignet.
„Verdammt“, fluchte ich und ließ mich neben Chloe fallen. „Vielleicht ist das wirklich keine gute Idee.“
„Oh nein, du wirst keinen Rückzieher machen!“
„Warst du nicht gerade diejenige, die mich gefragt hat, ob ich mir sicher bin?“ Grinsend stieß ich sie an. „Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich Weihnachten nicht hier verbringen will. Schon gar nicht in der Nähe von Kyle. Je weiter weg, desto besser.“
„Selbst auf dem Mond wärst du nicht weit genug weg.“
„Vermutlich. Aber das andere Ende des Landes reicht doch erstmal.“ Seufzend legte ich den Pullover in meinem Schoß zusammen.
„Mein Flug geht erst später in der Nacht. Ich hätte also noch ein paar Stunden um etwas Neues zu kaufen.“
„Das wollte ich hören.“ Chloe stand auf und zog mich mit sich.
Ich fühlte mich unsicher, nachts durch die Straßen von L.A. zu fahren. Der Taxifahrer war freundlich und plapperte ein wenig vor sich hin und ich mochte seine Art von Small Talk, dennoch beteiligte ich mich nur sporadisch an dem Gespräch. Mein Blick glitt immer wieder nach hinten. Verfolgte uns dieser schwarze Jeep oder bildete ich mir das nur ein? Nein, ganz sicher war es der rote Sportwagen. Vielleicht aber auch das andere gelbe Taxi?
Hitze durchströmte mich, obwohl die Klimaanlage lief. Aber ich schwitzte und war nervös. Eigentlich ängstlich. Bestimmt war es keine gute Idee gewesen, einen Nachtflug zu buchen. Auf den Straßen war weniger los und auch im Flughafen wären kaum Leute unterwegs. Aber Kyle schlief um diese Uhrzeit schon. Es war schließlich schon ein Uhr nachts.
Gott, vielleicht war es doch eine miese Idee gewesen, mitten in der Nacht zu verreisen. Chloe hatte mir geholfen, unbemerkt das Haus zu verlassen. Ich war mir wie eine Flüchtige vorgekommen. Was ich ja irgendwie auch war. Nur hätte ich mir nie träumen lassen, aus meinem eigenen Haus zu flüchten! Mein Gepäck hatte Chloe für mich am frühen Abend bereits aufgegeben, sodass ich jetzt nur noch mit meinem Handgepäck unterwegs war.
„Miss?“
Die fragende Stimme des Fahrers riss mich aus den Gedanken. Wir waren am Flughafen angekommen.
„Verzeihen Sie. Vielen Dank.“ Ich bezahlte die Fahrt mit einem großzügigen Trinkgeld und stieg aus. Ich warf einen letzten Blick auf die nächtlichen Straßen, bevor ich das gläserne Flughafengebäude betrat.
Es war doch mehr los, als ich angenommen hatte. Und erstaunlicherweise verlieh mir das eine gewisse Sicherheit. Ich war nur eine von vielen Reisenden.
Gott, wann war ich nur zu so einem Angsthasen geworden?
Beinahe zwei Jahre lang hatte ich Ruhe vor Kyle gehabt. Zwei Jahre hier in Los Angeles, die mir jetzt nur wie eine lange Auszeit vorkamen, bevor der Terror wieder von vorne losgegangen war.
Langsam drängte ich mich durch die Reisenden zu meinem Gate.
Weihnachten war erst in sechs Wochen, aber vermutlich waren viele hier auf dem Weg zu ihren Familien. Überall standen bunt geschmückte Weihnachtsbäume, Girlanden waren um Geländer geflochten und ich zählte auf den ersten Blick drei Weihnachtsmänner, die um Spenden baten. Durch das Stimmengewirr der Menschenmasse drang Weihnachtsmusik aus den Boxen, nur unterbrochen von den Durchsagen der Flughafenmitarbeiter.
Fröhliche Weihnachten!
Am Arsch.
Keine zwanzig Minuten später saß ich in meinem bequemen Sitz der ersten Klasse und hatte ein Glas Champagner in der Hand. Notwendig? Nein, sicher nicht. Aber der blubbernde Alkohol half mir, mich auf das Hier und jetzt zu konzentrieren. Dabei hasste ich Champagner. Ich bevorzugte ein kühles Glas Wein. Oder Tequila. Aber auch in der luxuriösen ersten Klasse konnte man eben nicht alles haben.
Neben mir nahm eine ältere Dame Platz. Sie trug ein passendes Set aus Rock, Bluse und Blazer. Perlen zierten ihre Ohren und den Hals. Eine schwarze Lederhandtasche von Louis Vuitton rundete ihr Ensemble ab. Die grauen Haare waren akkurat zu einem kurzen Bob frisiert. Ihr abschätziger Blick machte deutlich, was sie von ihrer Sitznachbarin hielt.
„Sie fliegen nicht oft?“, fragte sie mit dieser nasalen Stimme, wie sie nur die Reichen benutzten und schnipste mit den Fingern nach der Stewardess. Sie orderte ein Glas Champagner, bevor ich antworten konnte.
„Nun, meine Liebe?“ Mit dem Glas in der Hand betrachtete sie mich von oben bis unten. Augenblicklich kam ich mir wieder wie die Vierzehnjährige vor, die von den Verwandten einer Prüfung unterzogen wurde. Nur, dass ich dieses Mal kein rotes Rüschenkleid trug, sondern nur eine Leggins und einen weiten Oversize-Pullover. Meine Füße steckten in derben Stiefeln, nicht in filigranen Pumps.
„Ich fliege öfter“, gab ich schließlich zu.
„Tatsächlich?“ Sie rümpfte die Nase. „Dann ist die erste Klasse also für Sie das erste Mal?“
Ich musste mich zusammenreißen, ihr nicht meine Meinung zu sagen. Der Flieger war noch nicht gestartet und ich würde die nächsten vier Stunden mit ihr verbringen müssen.
„Ich fliege nur erster Klasse“, betonte ich und hoffte, dass sie nun zufrieden wäre.
„Ich auch. Es ist doch so viel bequemer.“ Sie trank einen Schluck. „Und man hat Ruhe vor dem“, sie sah sich verstohlen um, „nun ja, Pöbel ist vermutlich nicht mehr politisch korrekt.“ Sie grinste schelmisch. Beinah verlieh ihr das ein unschuldiges Aussehen. Wenn sie nicht so eine groteske Einstellung hätte, würde sie vermutlich sogar nett wirken.
„Nein, das ist es nicht“, bestätigte ich. „Und nur weil sich jemand die erste Klasse leisten kann, sagt das noch lange nichts über seinen Charakter aus.“
„Da haben Sie allerdings Recht. Rosalie McGalen.“ Sie hielt mir ihr Glas entgegen und ich stieß aus Höflichkeit mit ihr an.
„Emily Palmer.“
„Besuchen Sie Ihre Familie?“, fragte sie, während die Flugbegleiter alles für den Start vorbereiteten.
„Und Sie?“, fragte ich stattdessen.
Rosalie versteckte ihr schmallippiges Lächeln hinter ihrem Glas. „Ich besuche meinen Sohn und seine -“, sie zögerte. „Seine Familie.“
„Sie freuen sich schon bestimmt auf Sie.“
Kurz lachte sie auf. „Oh ja, ganz sicher.“
An ihrem Tonfall erkannte ich, dass da mehr dahintersteckte, doch ich wollte nicht nachfragen. Ich war müde. Erschöpft. Durch meinen Job im Krankenhaus war ich es gewohnt die Nächte durchzuarbeiten, aber die halbe Stunde von meinem Haus zum Flughafen hatte mich vollkommen entkräftet. So hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.
„Langweile ich Sie?“, fragte Rosalie, als hätte ich sie persönlich beleidigt.
„Bitte verzeihen Sie. Ich komme von einer anstrengenden Nachtschicht im Krankenhaus.“ Eine glatte Lüge. Mein Urlaub hatte vor drei Tagen begonnen.
„Ach, Sie sind Krankenschwester?“
Ich spürte wie das Flugzeug beschleunigte und krallte mich instinktiv in die Armlehnen. Obwohl ich oft flog, waren Start und Landung für mich jedes Mal anstrengend.
„Ich bin Kinderärztin“ erklärte ich, sobald wir stabil in der Luft waren.
„Ach tatsächlich?“ Ihre perfekt gezupften Augenbrauen schossen in die Höhe. „Zu meiner Zeit war das ja undenkbar.“
Darauf wettete ich. Doch ich lächelte nur milde und trank meinen Champagner aus. Die letzten Stunden und der Alkohol machten mich schläfrig. Rosalie plapperte noch auf mich ein, aber ich döste weg und wachte erst wieder auf, als der Sinkflug begann.
Rosalie reichte mir eine kleine Visitenkarte, bevor sie sich aus ihrem Sitz erhob und verlangte als Erste das Flugzeug verlassen zu dürfen.
Ich versuchte wach zu werden. Außerhalb des kleinen Fensters ging die Sonne auf. Der Himmel war wolkenlos. Das Bodenpersonal war dick angezogen und ich konnte ihre Atemwolken sehen.
Ja, ich war eindeutig nicht mehr in Kalifornien.
Kapitel 2
Ich wischte mir die Farbe von den Fingern, doch sie war längst getrocknet. Wie so oft. Wenn ich malte, vergaß ich oft die Zeit. Und das Essen, wie mir mein Magen mit einem lauten Knurren deutlich machte. Das Sandwich, das ich mir heute Morgen gemacht hatte, war längst vertrocknet und sicherlich nicht mehr genießbar. Oder lecker.
Das unfertige Bild vor mir auf der Staffelei musste eh noch trocknen, bevor ich weiter daran arbeiten konnte. Zeit für eine Pause.
An dem alten Waschbecken in der Ecke wusch ich meine Hände. Ich bekam nicht alle Farbreste von der Haut, aber es war besser als nichts. Wenn ich noch einmal mit dreckigen Händen bei Harriet auftauchte, würde mir die alte Frau die Hölle heißmachen. Und mir meinen geliebten Kaffee verweigern. Das war absolut keine Option!
Ich ging von meinem provisorischen Atelier nach unten ins Wohnzimmer, wo ich mir einen dicken Pullover überzog. Das Harriet’s war nur schräg über die Straße. Wenn ich mir eine Winterjacke anzog, würde ich mehr Zeit vertrödeln, als ich zum Café brauchte.
Der alte Ofen in der Ecke gab ein merkwürdiges Geräusch von sich und ich wartete kurz, ob er explodieren wollte oder nicht. Als nach einigen Augenblicken immer noch nichts in Flammen stand, beschloss ich zu gehen. Sollte meine Galeriewohnung bei meiner Rückkehr noch stehen, wäre das ein weiterer Pluspunkt auf meiner Tagesliste. Eigentlich war es das jeden Tag, in dem mich der Ofen nicht im Stich ließ und die Wohnung einigermaßen gut beheizte. Wenn ich im Atelier arbeitete, störte mich die Kälte nicht, aber nach einem langen Tag als Weihnachtsmann in den Straßen von Frost Creek sah das schon ganz anders aus. Normalerweise arbeite ich nur in der Mall, aber an einigen Tagen spielte ich auch den Weihnachtsmann für die Bürger der Stadt, um Spenden zu sammeln.
Deshalb verbrachte ich auch meine kreativen Pausen lieber bei Harriet.
Ihr kleines Café verbreitete gerade in der Weihnachtszeit eine heimelige Atmosphäre. Der Geruch von Plätzchen und Kakao strömte mir entgegen, als ich eintrat. Ich blieb einen Moment stehen und sah mich um.
Auf der Eckbank links von mir saß eine Gruppe junger Mädchen, Teenager. Sie sahen durchgefroren aus, so wie sie ihre Hände an ihren Getränken wärmten. Der alte Mr. Fuller saß wie üblich in dem roten Ledersessel in der hinteren Ecke und las Zeitung. Der Mann war ein Unikat. Oder ein Dinosaurier. Je nachdem wen man fragte.
Zielstrebig ging ich zur Theke, wo noch ein Barhocker übrig war. Doch statt der grauhaarigen Harriet begrüßte mich eine Fremde.
Ihre blonden Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten. Ein paar Strähnen wurden mit Haarspangen in Form von Weihnachtsmannmützen zurückgehalten. Ihre hellen Augen sahen mich abwartend an, abwertend eher. Sie registrierte die Farbflecken an meinen Händen. Gott sei Dank konnte sie nicht sehen, wie dreckig meine Jeans war. Ich kam mir ziemlich schäbig vor.
„Willkommen.“ Sie setzte ein falsches Lächeln auf. „Was kann ich Ihnen bringen?“
Vollkommen fasziniert starrte ich sie an. Ihre sanfte Stimme passte sogar nicht zu dem harten Blick.
„Äh, ich nehme“, ich blinzelte ein paar Mal unsicher, dabei bestellte ich immer das Gleiche.
„Einen Schokocappuccino mit einer Prise Zimt“, mischte sich Harriet ein, die gerade den Verkaufsraum betrat. In der Hand ein Blech mit frischen Plätzchen.
„Warte, ich helfe dir, Tante Harriet.“
Die Fremde schob ein paar Sachen hinter der Theke beiseite, damit Harriet das Blech abstellen konnte.
„Danke, Liebes.“
Dieses Mal war das Lächeln der Blondine echt. Sie drehte sich um und machte sich an dem silbernen Ungetüm von Kaffeemaschine zu schaffen. Ich hatte zu Hause nur eine einfache Filtermaschine. Das Teil da hinten jagte mir Respekt ein.
„Du hast eine Nichte?“, fragte ich, um mich von der hübschen Frau mit dem runden Hintern abzulenken, die gerade meinen Cappuccino machte. Sie trug eine enge schwarze Hose und eine weite, weiße Bluse.
„Oh, Emily hat mich schon immer in den Sommerferien besucht. Dass sie Weihnachten bei mir verbringt, ist eher meiner kaputten Hüfte zu verdanken.“ Harriet zwinkerte mir zu. Ich hatte das Gefühl, dass mehr dahintersteckte, traute mich aber nicht zu fragen, weil Emily mit einer großen Tasse zurückkam. Der satte Schokoladenduft stieg mir in die Nase und ich seufzte genießerisch.
Der erste Schluck verbrannte mir wie immer die Zunge, weil ich nicht abwarten konnte. Dennoch schmeckte ich den Unterschied sofort.
Harriet grinste mich an.
„Emmy hat die Rezeptur ein wenig geändert. Was sagst du?“
Ich versuchte den Schmerz zu ignorieren und nickte.
„Fantastisch. Was hast du getan?“, fragte ich. Das Lächeln, dass mir Emily schenkte, war echt.
„Das verrate ich nicht. Familiengeheimnis.“ Sie zwinkerte ihrer Tante zu, wie diese vorhin mir. Ja, eindeutig. Familie.
„Wie siehst du eigentlich wieder aus?“ Plötzlich schlug Harriets Tonfall um. Ich wusste sofort, worauf sie anspielte.
„Meine Hände sind sauber!“, verteidigte ich mich.
„Sauber? Ich kann mindestens sechs verschiedene Farben sehen!“
Ich verbarg meine Hände unter dem Tisch und nuschelte eine Entschuldigung.
„Du bist unmöglich, Adrian. Wie oft habe ich dir gesagt, dass -“
„Tante Harriet? Ich glaube, Mr. Fuller möchte etwas von dir.“
„Was? Oh, ja. Einen Moment.“ Harriet hob einen Zeigefinger, als würde sie mir drohen. Und irgendwie wusste ich, dass dieses Gespräch wirklich noch nicht vorbei war.
„Danke“, flüsterte ich und legte meine Hände wieder auf die Theke.