Ralf Isau

Stilsicher schreiben in 10 Schritten

1. Auflage, 2021

© 2021 Ralf Isau

Verfasser: Ralf Isau, Bergweg 5, 71679 Asperg

Druck: BoD — Books on Demand GmbH, Norderstedt

Print: ISBN 978-3-7557-8756-3

Umschlaggestaltung: Phantagon Agentur, Asperg

Schriftarten: Georgia, Trebuchet MS

Alle Rechte vorbehalten.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Dieses Buch ist kein »Wie schreibe ich einen Roman?«-Ratgeber. Es versteht sich auch nicht als neues Standardwerk für den Umgang mit der deutschen Sprache. Stilsicher schreiben in 10 Schritten ist ein handlicher Leitfaden für jeden, der im geschriebenen oder gesprochenen Wort stilsicherer kommunizieren möchte: auf einer Produktseite im Internet, in einem Prospekt, im täglichen Schriftverkehr oder für eine Rede. Kurz: Das Buch wendet sich an alle, die gerne bessere Texte schreiben würden, sich aber bisher damit schwergetan haben.

Dabei ist es so leicht!

Kennen Sie die 80-zu-20-Regel, auch Paretoprinzip genannt? In vielen Bereichen des Lebens können Sie 80 Prozent einer Aufgabe durch den Einsatz von nur 20 Prozent der Mittel erledigen. Grundsätzlich trifft dies auch auf das Verfassen von Texten zu. Schreiben ist vor allem Handwerk. Ein genialer Text besteht nur zu einem Teil aus Inspiration, aber zu 99 Teilen aus Transpiration. Ich behaupte, jeder oder jede kann leichter lesbare, eingängigere und wirksamere Texte schreiben. Dazu muss er oder sie nur die »Zehn Gebote des guten Stils« beachten.

Durch das Anwenden der ersten fünf Stilgebote werden Sie Ihr Sprachverhalten grundlegend verbessern. Sie lernen, Ihr »Publikum« zu fesseln. In der zweiten Hälfte des Buches optimieren Sie dann Ihre Stilsicherheit bei der Wortwahl und beim Satzbau.

Guter sprachlicher Stil muss anpassungsfähig sein. Es ist ein Unterschied, über welchen Kanal Sie kommunizieren: Kurznachrichten im Twitter-Format, Webseiten, Blogposts, verschiedenste Druckerzeugnisse, Präsentationen, Vorträge – jede Bühne hat ihre Besonderheiten. Wo es passend oder nötig ist, gehe ich darauf ein.

Gut zu wissen: Stilsicher schreiben in 10 Schritten verschont Sie mit der Geheimsprache der Grammatik. Die wenigen Fremdwörter im Text erkläre ich allgemein verständlich. Auch auf die Geschwätzigkeit so vieler Sachbücher habe ich wohlweislich verzichtet. Kurz, bündig und durch zahlreiche Beispiele leicht nachvollziehbar vermittelt Ihnen das Buch die Grundlagen guten sprachlichen Stils. Und die in den Fotos gezeigte Straßenkunst aus aller Welt ist obendrein auch noch unterhaltsam.

Probieren Sie’s! Sobald Sie mit dem Lesen beginnen und das Gelernte anwenden, werden Sie stilsicherer sprechen und schreiben. Jeden Tag ein bisschen mehr.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Ihr Ralf Isau

Die 10 Gebote des guten Stils

Guter Stil bezaubert. Nicht nur bei Äußerlichkeiten wie der Kleidung oder der Inneneinrichtung der Wohnung wirkt Stilsicherheit anziehend. Wer kultivierte Umgangsformen besitzt und sich gepflegt auszudrücken weiß, gewinnt leichter die Sympathie und das Vertrauen von Menschen. Auch im geschriebenen Wort.

Das klingt wie eine Binsenweisheit. Eigentlich müsste eine stilvolle Sprache die Regel sein. Schließlich ist guter Stil der Schlüssel zur Aufmerksamkeit und zum Herzen unserer Zuhörer und Leser. Wer andere für sich einnehmen will, sei es aus geschäftlichem oder anderem Grund, kann sich eine schwerfällige, ermüdende oder banale Sprache nicht leisten. Trotzdem prasselt sie täglich auf uns ein.

Schlechte Texte tragen eine wesentliche Mitschuld am miesen Ruf der Werbung. Obwohl viele Werbetreibende ihre Zielgruppe eher abschrecken als fesseln, muss man begeisternde Texte mit der Lupe suchen. Das Internet quillt geradezu über vor Banalitäten und Modewörtern, die hip sein wollen und doch nur den Gähnreflex auslösen. Selbst teure TV-Spots langweilen allzu oft, weil die gesprochenen Texte elementare Regeln des guten Stils verletzen.

Woran erkennt man einen guten Text? Am Erzählen einer spannenden Geschichte, dem sogenannten Storytelling? Oder an der überbordenden Fantasie des Texters?

Storytelling und Fantasie sind wichtig. Sie geben einem Text Würze, sorgen für Aufmerksamkeit, verstärken die Erinnerung. Zuhörer und Lesegourmets wissen das durchaus zu schätzen. Doch aller Esprit nützt nichts, wenn der Verfasser die grundlegenden Stilregeln missachtet. Sie werden überrascht sein, wie einfach diese »10 Gebote des guten Stils« sind. Man muss sie sich nur bewusst machen.

Und man muss sie anwenden.

Aus gutem Grund spreche ich von Geboten und nicht von Empfehlungen oder Tipps. Beim Lesen der folgenden Kapitel werden Sie erkennen, wie unumgänglich diese Regeln für eine verständliche, gewinnende Kommunikation sind.

Der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem Schreiben von Texten. Immer wieder betone ich die leichte Lesbarkeit. Denn die kreativsten Ideen nützen nichts, wenn niemand sie lesen will. Weil die Sprache holprig ist, zu schwerfällig oder unverständlich. Weil Amtsdeutsch, Bandwurmsätze und vielsilbige Wortungetüme den Lesefluss hemmen. Oder weil unkonkrete Behauptungen und großspurige Superlative den Argwohn der Leser wecken.

Über das Handwerk des Textens gibt es ganze Bibliotheken von Fach- und Sachbüchern. An der »Hamburg School of Ideas« (ehemals »Texterschmiede Hamburg«) können angehende Profis zu den höheren Weihen des Textens vorstoßen.1 Im Buch wollen wir uns auf das Wesentliche beschränken. Wenn Sie nicht ohnehin ein Naturtalent, begnadeter Schriftsteller oder exzellenter Werbetexter sind, wird das Beachten folgender zehn Grundregeln die Qualität Ihrer Texte dramatisch verbessern:

1. Wisse, worüber du schreibst: Unkenntnis produziert Worthülsen.

2. Schreibe, wie du sprichst: Schrift- und Amtsdeutsch will niemand lesen.

3. Bleibe anschaulich und konkret: Je allgemeiner, desto langweiliger.

4. Fasse dich kurz: mit maximal vierzehn Wörtern pro Satz und fünf Silben pro Wort.

5. Schreibe dynamisch: durch den Wechsel von kurzen und längeren Sätzen.

6. Hüte dich vor dem Passiv (deutsch: »Leideform«): Es ist unpräzise und raubt einem Text den Schwung.

7. Benutze präzise, aktive Verben: Sie beflügeln den Text.

8. Spare an Hauptwörtern: Substantivierten Verben und Adjektive blähen einen Text unnötig auf.

9. Geize mit Adjektiven: Ein treffendes Verb ist meistens besser.

10. Meide Schachtelsätze: Je weniger Einschiebsel, desto klarer der Text.

Keine Regel ohne Ausnahme

Sprache zu normieren ist zwar ein löbliches, doch unmögliches Unterfangen. Den Austausch von Wörtern nach vereinbarten »Spielregeln« zu betreiben, ist gut und wichtig für das gegenseitige Verstehen. Gäbe es diesen gemeinsamen Nenner nicht, würden Missverständnisse überhandnehmen. Schon ein winziges Satzzeichen kann den Sinn einer Aussage auf den Kopf stellen. Sehen Sie sich bitte einmal die folgenden zwei Sätze an:

Hör auf, Taube!

Hör auf Taube!

Mit Komma klingt der Satz ziemlich verzweifelt. Hat es der Schreiber nur aus Anstand unterlassen, seinen inneren Aufschrei auszuschreiben? „Hör auf, Taube, hier alles vollzukacken!“ Ohne das Komma mutiert der Satz plötzlich zu einem glühenden Appell, auch Gehörlosen eine Stimme zu geben.

Sehen wir uns noch ein zweites Satzpaar an:

Komm, wir essen jetzt, Onkel Otto.

Komm, wir essen jetzt Onkel Otto.

Hier verwandelt das Fehlen des letzten Kommas den Satz in eine unverhohlene Einladung zum Kannibalismus. Der arme Onkel Otto.

Bei falschen Buchstaben ist es nicht anders. Falls der Bürgermeister »in allen Rasen der Stadt herumbohrt«, um Fliegerbomben zu finden, mag man das akzeptieren. Wenn er indes »in allen Nasen der Stadt herumbohrt«, wäre das ziemlich übergriffig.

Und wie verhält es sich mit den in diesem Buch vorgestellten zehn Geboten des guten Stils? Ganz genauso. Wenn diese Regeln Ihren Alltag bestimmen, werden Sie deutlich stilsicherer schreiben und reden. Doch manchmal liefert gerade der Bruch mit dem guten Stil den Aha-Effekt, der Ihre Leser aufmerken lässt.

Kennen Sie noch den Werbespruch, mit dem Verona Poth (damals Feldbusch) für eine Telefonauskunft warb? »Da werden Sie geholfen«, versprach sie dem Fernsehpublikum. Das passte zu dem Blödchenimage der Dame, die den grammatikalischen Missgriff mit perfektem Timing intonierte.

Doch Vorsicht! Ausnahmen sollten Ausnahmen bleiben. Bei den meisten Lesern und Zuhörern wirkt leicht verständliches und korrektes Deutsch am besten. Lassen Sie uns deshalb in den folgenden zehn Kapiteln die Stilgebote nun etwas genauer beleuchten.


1 Siehe school-of-ideas.hamburg im Internet

1. Wisse, worüber du schreibst

Unkenntnis produziert Worthülsen. Das sind leere Floskeln, die den Bildschirm oder das Papier füllen und nichts oder wenig aussagen. Je komplizierter sich ein Text liest, desto wahrscheinlicher kaschiert der Verfasser damit nur seine Unkenntnis. Sich mit solchen Texten zu plagen, kann für Leser und Zuhörer ziemlich frustrierend sein. Die wohl wichtigste Regel guten Stils betrifft daher die Recherche. Sie lautet: Wisse, worüber du schreibst.

Spätzle für den guten Text

Im besten Fall ist ein Texter von der Materie, über die er schreibt, begeistert. Leser spüren das, denn Begeisterung steckt an. Um diese Wirkung zu erzielen, müssen Sie Ihr Sujet in- und auswendig kennen. Worüber immer Sie schreiben wollen, sie müssen sich gründlich mit der Materie befassen.

Das ist durchaus wörtlich gemeint. Als ich einmal einen Werbetext über ein Spätzlesieb entwickeln sollte, bat ich den Hersteller um eine Warenprobe. Damit fabrizierte ich dann Spätzle – zum ersten Mal in meinem Leben. Ich war begeistert, wie leicht das ging und wie gut die Teigwaren schmeckten (meine Frau war da anderer Meinung). Sie können sich vorstellen, was für ein mitreißender Text aus meiner Erfahrung entstand.

Alleinstellungsmerkmale hervorheben

»Beherrsche die Sache, dann folgen die Worte.«

Cato, d. Ä.

Mit obigem Zitat hat es der römische Staatsmann Marcus Porcius Cato, der Ältere, auf den Punkt gebracht: Der Verfasser einer Botschaft muss sein Angebot aus dem Effeff kennen. Nur dann kann er seine Zuhörer und Leser dafür begeistern.

Je anschaulicher Sie die Alleinstellungsmerkmale und Vorteile Ihres Angebots beschreiben, desto stärker werden Sie sich von Ihren Konkurrenten abheben.

Grundsätzlich spielt es keine Rolle, ob der Text ein neues Smartphone, eine Dienstleistung oder eine Weltanschauung anpreist. In jedem Fall sollte der Schreiber genau wissen, warum sein Angebot so gut ist. Ohne fundiertes Hintergrundwissen bleiben ihm nur allgemeine Floskeln wie »beste Qualität«. Geben Sie diese leere Phrase einmal in Anführungsstrichen bei Google ein. Ich bekomme 600000 Treffer angezeigt. Wollen Sie der 600001. sein?

Nur ein Texter, der sein Angebot genau kennt, kann das Einzigartige daran präzise beschreiben. Vielleicht finden Sie bestimmte Aspekte gar nicht so speziell, weil sie täglich damit zu tun haben. Für Ihre Leser mögen sie aber neu und besonders sein und erregen deshalb Aufmerksamkeit. Charles Edwards vom Institut für Einzelhandel an der New York University sagte einmal:

»Je mehr Tatsachen Sie aufzählen, desto mehr werden Sie verkaufen.«

Fakten kann aber nur der nennen, der genau weiß, worüber er schreibt. Je anschaulicher Sie die Alleinstellungsmerkmale und Vorteile Ihres Angebots hervorheben, desto klarer werden Sie sich von der Konkurrenz abheben. Und dann wirkt der Text.

Kompliziertes einfach erklären

Nun ist ein Spätzlesieb ein vergleichsweise einfacher Artikel. Je komplexer das Produkt oder die Dienstleistung ist, desto mehr Zeit braucht der Texter für seine Recherche. Nehmen Sie sich diese Zeit, wenn Sie den Text selbst schreiben. Falls jemand anderer diese Arbeit für Sie erledigt, bestehen Sie auf eine gründliche Vorbereitung, selbst wenn es mehr Zeit und Geld kostet.

Um etwas Schwieriges einfach zu erklären, muss man es durch und durch verstehen. Wer hier nur auf die Kosten schielt, kommt am Ende einen nichts sagenden, mit belanglosen Phrasen aufgeblähten Text. So etwas will niemand lesen. Der Leser fühlt sich nicht ernst genommen und wendet sich gelangweilt ab. Im Internet kostet ihn das nur einen Klick. Beherzigen Sie daher, was uns der deutsche Philosoph und Literat Arthur Schopenhauer rät:

»Die erste, ja schon für sich allein beinahe ausreichende Regel des guten Stils ist, dass man etwas zu sagen habe: Oh, damit kommt man weit.«

Sobald Sie diese erste Stilregel beherzigen, werden Sie Ihre Texte inhaltlich auf ein viel höheres Niveau heben. Bei diesem ersten Gebot ging es um einen inneren Wert. Das ist das Fundament jedes guten Textes. Im nächsten Kapitel wagen wir uns ins knisternde Spannungsfeld zwischen Umgangssprache und Schriftdeutsch. So viel vorab: Guten Stil lernen Schüler selten im Deutschunterricht an den Schulen.

2. Schreibe, wie du sprichst

»Ihr müsst dem Volk aufs Maul schauen.«

Martin Luther

Quälen Sie Ihr Publikum nicht mit sperrigen Texten. Das Leseverhalten hat sich seit Anfang des Jahrtausends merklich verändert: Leser und Leserinnen wollen sich möglichst verständlich, kurz und am besten noch unterhaltsam informieren. Stoßen sie auf eine gestelzte Schriftsprache, beenden sie die Lektüre schon nach wenigen Sätzen.

Einer der häufigsten Gründe für schwer lesbare Texte ist der Irrtum, nur Schriftdeutsch sei gutes Deutsch. Das haben uns die Deutschlehrer und -lehrerinnen so eingebläut. Das Umgangssprachliche belegen sie mit dem Bann der roten Tinte. So mancher Exschüler bleibt in diesem Trauma lebenslang gefangen. Aber das muss nicht sein.

Wer anderen Menschen Gedanken auf anschauliche Weise vermitteln möchte, sollte es nicht im sperrigen Schriftdeutsch tun. Am besten, Sie betrachten diesen Begriff ab heute als Synonym für »schlechten Stil«. Die erste Steigerungsform von Schriftdeutsch lautet übrigens »Amtsdeutsch« und der Superlativ ist das »Kanzleideutsch«.

Beamtensprache: auf Stilsünden getrimmt