Den Einfluss der Ernährung auf das Wohlbefinden ihrer Patienten entdeckten die Mediziner schon sehr früh. Von den verschiedenen Therapiemöglichkeiten, zwischen denen wir heute auswählen können, konnten sie damals nur träumen. Die Behandlung beruhte allein auf Beobachtungen der Ärzte, wie die Leiden ihrer Patienten verringert werden konnten, und so verordneten sie teils abenteuerliche Diäten zur Steuerung des Blutzuckers.
Die ersten ernährungstherapeutischen Maßnahmen gegen die Polyurie (vermehrte Harnausscheidung) fanden sich im 1550 vor Christus niedergeschriebenen Papyrus Ebers. Die Betroffenen erhielten Diäten aus Weizen oder Haferkorn, vermischt mit Honig, Ocker, Pflanzenextrakten und Wasser.
Der griechische Arzt Aretaios aus Kappadokien (80–130 n. Chr.) hinterließ die erste präzise Beschreibung des Typ-1-Diabetes: »Diabetes ist eine schwer zu behandelnde Erkrankung, die das Fleisch und andere feste Teile des Körpers in Harn auflöst. Die Kranken hören niemals auf, Flüssigkeit abzugeben. Die Flut ist nicht zu stoppen, als ob eine Wasserleitung geöffnet worden wäre. Das Leben ist kurz, elend und schmerzvoll, der Durst unstillbar. Man kann sie weder davon abhalten zu trinken noch Wasser zu lassen. Wenn sie wirklich eine Zeitlang aufhören zu trinken, wird ihr Mund ausgedörrt und ihre Körper trocken. Ihre Eingeweide erscheinen wie vertrocknet. Die Kranken werden von Erbrechen, Unruhe und brennendem Durst gepeinigt, und nach kurzer Zeit sterben sie.« Als Ursache dieses Leidens vermutete Aretaios eine Erkrankung des Magens. Er konzentrierte seine Therapien auf eine Reinigung des Magens und empfahl seinen Patienten Milchkuren, Backobst, Wein und Abführmittel.
Auch in Indien und China war die Erkenntnis, dass die Symptome des Diabetes durch die Auswahl der Nahrungsmittel beeinflusst werden können, bekannt. Der chinesischen Arzt Sun Si Miao (600 n. Chr.) schrieb in einem seiner medizinischen Werke: »Zunächst müssen diejenigen, die Medizin praktizieren, die Ursache der Krankheit erkennen. Wenn sie diese gefunden haben, sollen sie versuchen, das Leiden mit den Mitteln der Ernährung zu heilen. Nur, wenn die Ernährung fehlschlägt, dann verschreiben sie Medizin.«
Etwa zur gleichen Zeit wurde in Indien Diabetes als »madhumea« bezeichnet, was übersetzt »Honigharn« bedeutet. Man unterschied bereits zwei Formen des Krankheitsbildes. Jene, die bei der wohlhabenden, gut genährten Schicht auftrat und jene, die meist junge und magere Menschen betraf und schnell zum Tode führte. Bei der Form des Diabetes, die nur in der wohlgenährten Bevölkerungsschicht auftrat, vermutete man als Ursache ein Überessen mit Reis, Mehl und Zucker. Als therapeutische Maßnahme setzten die Mediziner eine Einschränkung der genannten Kohlenhydrate ein und erzielten damit die gewünschten Erfolge. Die Gruppe derer, die bis auf die Knochen abmagerten und immer schwächer wurden, empfahlen sie eine Reismast, damit sie Gewicht zunahmen und wieder zu Kräften kamen.
Im Mittelalter wurde der Diabetes bereits genauer beschrieben. Im Qanun al-tibb (Kanon der Medizin), dem wohl berühmtesten Werk des persischen Arztes Avicenna (980–1037 n. Chr.) beschreibt er verschiedene Symptome des Diabetes: krankhaft gesteigerte Nahrungsaufnahme, Entzündungen der Haut, Wundbrand, Schwindsucht und Impotenz. Die Ursache der Erkrankung suchte er nicht, wie vor ihm Galen, in den Nieren, sondern er suchte sie in der Leber.
Bis in das 16. Jahrhundert bildeten die Lehren Galens und Avicennas die Basis der medizinischen Forschung.
Erst Paracelsus (1493–1541) stellte neue Theorien über die Ursache des Diabetes auf. Er widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Urin der Betroffenen. Nach dem Verdampfen des Urins erhielt er einen salzähnlichen Rückstand. Er nahm an, dass die Zusammensetzung des Blutes bei Diabetikern eine andere sei und vermutete, dass diese salzähnlichen Substanzen, die er »Tartarus« (Weinstein) nannte, die Nieren schädigen. Er glaubte, dass der Tartarus sich in den Nieren festsetzt und sie versalze. Hier vermutete er die Ursache für den großen Durst und Harndrang der Betroffenen. Paracelsus lehrte, dass die Kranken ihrem Körper umso mehr Tartarus zuführten, je mehr Nahrung sie aufnähmen und verordnete jedem Betroffenen Hungerkuren. Die Einführung der Hungerkur gilt als die erste erfolgreiche Diabetestherapie.
Erst ein Jahrhundert nach dem Tod von Paracelsus wurde der süß schmeckende Diabetikerharn von dem englischen Arzt Thomas Willis (1621–1675) wiederentdeckt. Willis war überzeugt, dass das gute Leben der Gesellschaft, die gerne und viel unverdünnten Wein trank, Diabetes fördere. Auf die nahe liegende Annahme, dass der süße Geschmack des Urins vom Zucker herrühre, kam er nicht. Er vermutete, dass sich im Blut Salze mit Schwefel vermischten und übermäßig über die Nieren ausgeschieden wurden, woraufhin das Gewebe austrockne und Durst und Gewichtsverlust die Folge seien. Er empfahl den Leidenden eine Diät aus Zitronenwasser, Reis und Gerste mit Milch vermischt.
Matthew Dobson (1745–1784), vom Königlichen Krankenhaus Liverpool, experimentierte mit dem Urin von Diabetikern und erkannte, dass sowohl deren Urin als auch das Blut Zucker enthält. Durch Verdampfen des Urins trennte er die festen von den flüssigen Bestandteilen und erhielt eine weiße Masse, die wie brauner Zucker schmeckte. Er war der Meinung, dass beim Diabetes eine zuckerähnliche Masse im süßlich schmeckenden Blutserum vorlag, die über den Urin ausgeschieden wurde. Matthew Dobson war der erste Arzt, der von einem Zusammenhang zwischen dem Zuckergehalt im Blut und im Urin berichtete. Weiterhin beobachtete auch er, dass es den Patienten besser ging und ihr Urin weniger süß schmeckte, wenn sie sich an ihre Diät hielten.
John Rollo (1749–1809), ein schottischer Militärarzt, dokumentierte im Jahre 1797 die erste kontrollierte Studie zur Diabetestherapie. Er ließ die Erkenntnisse von Matthew Dobson, dass sich sowohl im Blut als auch im Urin von Diabetikern zu viel Zucker befindet, in seine Diätempfehlungen einfließen.
John Rollo war der erste Arzt, der seinen Patienten eine Low-Carb-Diät verordnete. Er beschränkte die Kohlenhydrate auf ein Minimum und empfahl eine Kost reich an Eiweiß und tierischen Fetten. In seinem Buch »An Account of Two Cases of the Diabetes Mellitus« beschreibt er detailliert den Verlauf seiner Patienten. Der Zustand der Patienten verbesserte sich und die Glukosurie (Zuckerausscheidung über den Urin) verschwand. Einer seiner Patienten war ein Captain der British Royal Artillery. Er wog zu Beginn der Behandlung 105 Kilogramm, litt unter ständigem Harndrang und war stark dehydriert. John Rollo bewies, dass durch seine Diät, die aus Wasser, Milch, Pudding aus Schweineblut, Fleisch, Zwiebeln, Kohl und Salaten bestand, die Symptome, das hohe Gewicht und der Zucker aus dem Urin verschwanden. Er beobachtete auch das Wiederauftreten der Glukosurie, wenn der Patient Bier oder Kuchen konsumierte. Aus seinen Beobachtungen zog er den Schluss, dass Diabetes eine Erkrankung des Magen-Darm-Trakts sein muss, bei der im Darm zu viel Zucker aus der kohlenhydrathaltigen Nahrung produziert wird.
In Frankreich verfolgte man Rollos Theorie, dass Diabetes mellitus eine Erkrankung des Verdauungstrakts ist. Apollinaire Bouchardat (1809–1886) sah die Ursache des Diabetes in einer zu frühen Umwandlung von Stärke zu Glukose (Traubenzucker) im Magen, wodurch der Zucker zu schnell ins Blut gelangt. Ebenso wie Rollo versuchte er, die Kohlenhydrate in der Nahrung weitestgehend zu ersetzen. Er setzte auf eine vielseitigere Auswahl an Gemüse und einen höheren Fettanteil. Auch sollten seine Patienten alkoholische Getränke als Energielieferant nutzen. Er empfahl eine tägliche Menge Wein von ein bis zwei Litern. Bouchardat hatte während der Entbehrungen im deutsch-französischen Krieg die Beobachtung gemacht, dass viele Diabetiker infolge der Unterernährung harnzuckerfrei wurden. Daraufhin empfahl er ihnen eine überwiegend knappe Kost, führte Fastentage ein und motivierte sie zu körperlicher Bewegung.
Etwa zeitgleich untermauerte der französische Physiologe Claude Bernard (1813–1878) den Vorteil kohlenhydratarmer Ernährungsformen bei Diabetes. In Tierversuchen zeigte er, wie die Kohlenhydrate aus der Nahrung im Darm gespalten und als Glykogen (Speicherform der Glukose) in der Leber gespeichert werden.
Den Vertretern der kohlenhydratarmen Ernährungsformen standen Forscher, die auf kohlenhydratreiche Kostformen schworen, entgegen.
Die einen hielten Reis für den wichtigsten Kohlenhydratträger, andere die Kartoffel und wieder andere schworen auf Hafer. Erst die von Carl von Noorden (1858–1944) eingeführten Hafertage stießen auf größere Resonanz. Von Noorden sah die vermehrte Zuckerbildung der Leber als Ursache des Diabetes. Seine Diätform beinhaltete zwei kohlenhydratfreie Tage pro Woche, an denen er seinen Patienten zusätzlich 120 Gramm Cognac verordnete.
Der Amerikaner Frederick M. Allen (1879–1964) begann seine Forschung mit diabetischen Hunden. Seine sorgsam geführten Studien zeigten, dass eine Reduktion der gesamten Nahrungszufuhr eine deutliche Verbesserung des Diabetes bewirkt. Er untersuchte, wie sich verschiedene Kostzusammensetzungen auf die Glukosurie auswirkten.
Er beobachtete, dass die Hunde Zucker über den Urin ausschieden, wenn sie kohlenhydratreich gefüttert wurden. Bekamen sie ein Futter, das einen hohen Fettanteil und niedrigen Kohlenhydratanteil besaß, blieben sie harnzuckerfrei. Bei seinen Auswertungen nahm er die Ergebnisse und Erkenntnisse seines ärztlichen Kollegen Elliot P. Joslin (1869–1962) zu Hilfe. Joslin hatte zuvor intensive Studien an Patienten durchgeführt und aufgezeichnet. In seinem 1916 erschienenen Werk »The Treatment of Diabetes Mellitus« dokumentierte er seine Ergebnisse von über 1.000 Diabetikern und zeigte, dass sich durch eine kohlenhydratarme Diät und ein strenges Sportprogramm die Sterblichkeit um 20 Prozent verringern ließ.
Nach den Hunden untersuchte Allen dieses Prinzip der starken Kalorienrestriktion auch an diabetischen Patienten. Er ließ sie einige Tage fasten, bis der Blutzuckerspiegel in den Normalbereich gefallen war. Dann erst bekamen die Diabetiker etwas zu essen. Seine Diätempfehlungen waren äußerst kohlenhydratarm und immer auf eine Unterernährung ausgerichtet. Bei den älteren, übergewichtigen Diabetikern konnte er mit dieser Therapie ausgesprochen gute Erfolge verzeichnen. Mit dieser Radikalkur konnten viele Diabetiker vor dem Koma bewahrt werden, aber leider sind viele von denen, die er vor dem Koma bewahrt hatte, an Unterernährung gestorben.
Bis zur Einführung des Insulins blieb die kalorienbegrenzte, kohlenhydratarme Ernährung die Standardtherapie bei Diabetes mellitus.
Gut, dass die Möglichkeiten, den Diabetes zu behandeln, heute so vielfältig sind und Essen auch mit Diabetes äußerst genussvoll sein kann. Vorbei sind die Zeiten der Fastentage zur Senkung des Blutzuckers. Dennoch sollten wir die Erkenntnisse der frühen Forscher nicht vergessen. Auch heute profitieren Diabetiker von einer Ernährung, die positiv auf den Blutzucker wirkt. In den letzten Jahren wurden vermehrt Empfehlungen laut, bevorzugt eine Reduktion der Kohlenhydrate in der diätetischen Therapie des Diabetes einzusetzen. Mittlerweile gibt es viele Studien mit höchster Evidenz, die zeigen, dass eine kohlenhydratreduzierte Ernährung nach den Empfehlungen der LOGI-Methode für Typ-2-Diabetiker und Menschen, die ein hohes Risiko haben, Typ-2-Diabetes zu entwickeln (metabolisches Syndrom), besonders geeignet sind. Die positiven Veränderungen bei den Fettstoffwechselwerten, die wir heute nutzen, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einzuschätzen, weisen eindeutig darauf hin, dass Low-Carb Vorteile gegenüber den traditionellen kohlenhydratreichen, fettarmen Ernährungsempfehlungen hat.
Spüren Sie eine nagende Skepsis? Fragen Sie sich, wie es möglich ist, dass die LOGI-Ernährungspyramide sinnvolle Empfehlungen für Ihren Diabetes geben kann, wo sie die Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) quasi auf den Kopf zu stellen scheint? Ihre Skepsis kann ich nachvollziehen. Hören wir Diabetiker doch seit Jahrzehnten, dass nicht das Brot dick macht, sondern der Aufschnitt und, dass für Diabetiker die gleichen Empfehlungen gelten wie für gesunde Menschen. Viele Diabetes- und Ernährungsberaterinnen lehnen alternative ernährungstherapeutische Ansätze noch immer ab. Sie orientieren sich weiterhin an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Sie vergessen, dass die Ernährungsempfehlungen der DGE sich an gesunde Menschen wenden. Alle Diabetiker haben aber eines gemeinsam: eine Kohlenhydratverwertungsstörung. Bei einem gesunden Menschen steigt der Blutzucker nach dem Verzehr von Kohlenhydraten nicht über 140 mg/dl. Mit Diabetes kann der Blutzucker, abhängig von der Menge der aufgenommenen Kohlenhydrate, sehr hoch ansteigen. Hohe Blutzuckerwerte tun nicht weh. Sie führen nicht dazu, dass man sich krank fühlt. Darin liegt ein großes Risiko für Menschen mit Diabetes, denn Diabetes ist eine chronische Erkrankung. Einige Wochen hoher Blutzucker schadet der Gesundheit nicht. Hohe Blutzuckerwerte über Jahre hinweg schädigen die Nerven sowie die Gefäße und führen zu Folgeerkrankungen an Augen, Nieren und Füßen.
Die Standard-Diabetesberatung für übergewichtige Typ-2-Diabetiker ist auf die Gewichtsabnahme ausgerichtet. Kohlenhydratreiche, fettarme Mahlzeiten sollen das Körpergewicht reduzieren, um den Zuckerund Fettstoffwechsel positiv zu beeinflussen. Durch die Gewichtsreduktion wird die Insulinresistenz gemindert. Neben der Vererbung zählt sie nach heutigen Kenntnissen zu den Hauptursachen für die Entstehung des Typ-2-Diabetes. Insulinresistenz bezeichnet eine verminderte Empfindlichkeit der Körperzellen gegenüber dem Hormon Insulin, wodurch es in seiner Wirkung, den Blutzucker zu senken, erheblich beeinträchtigt wird.
LOGI rollt das Feld sozusagen von hinten auf. Weniger Kohlenhydrate in den Mahlzeiten bedeutet weniger Glukose im Blut, die mithilfe des Insulins in die Zellen transportiert werden muss. LOGI entzieht der Insulinresistenz die Gefahr für die Gesundheit. Je flacher der Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit (postprandialer Blutzucker) ist, desto weniger fällt die verminderte Insulinempfindlichkeit ins Gewicht.
Im Gegensatz zu den Empfehlungen der DGE müssen bei LOGI zur Verbesserung des Blutzuckerverlaufs nicht erst Pfunde verloren werden. LOGI wirkt sofort. Bereits bei der ersten Mahlzeit werden Sie sehen, wie wenig Ihr Blutzucker ansteigt. Ohne auch nur ein Gramm abgenommen zu haben. Die Gewichtsabnahme folgt den besseren Blutzuckerwerten.
Es ist Zeit, dass die Fachgesellschaften von der ausschließlichen Präferenz einer fettreduzierten, kohlenhydratreichen Ernährung Abstand nehmen und LOGI als eine Alternative in der ernährungstherapeutischen Behandlung des Diabetes mellitus akzeptieren. Die LOGI-Methode bietet ein therapeutisches Konzept, den Blutzucker- und Insulinspiegel diätetisch niedrig zu halten, um Folgeerkrankungen des Diabetes zu verhindern. LOGI entspricht einer moderaten, gesundheitsfördernden Ernährungsform, die auch ohne Gewichtsreduzierung die Gesundheit verbessert und Krankheitsrisiken deutlich reduziert.
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