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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

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Epilog

Danksagung

Die Autorin

Helena Hunting bei LYX

Impressum

HELENA HUNTING

HOPE

Roman

Ins Deutsche übertragen von
Beate Bauer

Zu diesem Buch

Cosy Felton liebt die Freiheit, das Abenteuer und die Abwechslung. Doch um ihre Rechnungen zu bezahlen (und ihr Studium zu Ende zu bringen), arbeitet sie in einem Laden für Sexspielzeug. Vielleicht nicht der beste Job der Welt, aber er hält sie über Wasser. Als jedoch eines Mittags der wohl heißeste Typ des Universums den Laden betritt, ist Cosy völlig von den Socken. Und der Anzugträger ist komplett hilflos: Griffin Mills hat den Schwarzen Peter gezogen und muss nun allerlei Devotionalien für einen Junggesellenabschied besorgen. Cosy nimmt sich (selbstlos!) dieser Angelegenheit an und führt Griffin souverän durch seine Einkaufsliste. Dabei macht sie nicht nur das Geschäft ihres Lebens, sondern der Mann im Anzug beschert ihr auch gewaltiges Herzklopfen. Sie ist sich sicher, dass sie ihn niemals wiedersehen wird … bis Griffin wenige Tage später wieder vor ihrem Tresen steht. Sie lassen sich auf ein Date ein, auch wenn beide unterschiedlicher nicht sein könnten. Denn während Cosy nichts von Beziehungen hält, hat Griffin, der seriöse Geschäftsmann, gerade erst eine schwere Trennung hinter sich. Alles soll bei einem harmlosen Flirt bleiben, doch je mehr Zeit die beiden miteinander verbringen, desto intensiver werden die Gefühle und schon bald müssen sich Cosy und Griffin entscheiden: Folgen sie ihrem Verstand oder hören sie auf ihre Herzen?

Im Gedenken an Kandace,
deren Licht in den Herzen jener weiterleuchtet,
die die Ehre hatten, sie zu kennen
und zu lieben.

1

SEXY OUTFIT

Cosy

In einem Sexshop zu arbeiten ist alles andere als aufregend. Schön, ich bekomme fünfzig Prozent Rabatt, was schon ein Vorteil ist, aber das ist keinesfalls ein Ausgleich für die Merkwürdigkeiten, mit denen ich es hier zu tun habe. Wie zum Beispiel Eugene, der in der Nachbarschaft wohnt und ein Stammkunde ist. Er kam heute Vormittag in den Laden und spielte an sämtlichen ausgestellten Spielzeugen herum. Er ist ein harmloser Typ, aber dieses Herumfummeln an den Silikonteilen ist schon reichlich schräg. Schließlich sagte ich ihm, dass ich den Laden für ein paar Minuten schließen müsste, um mir im Deli direkt gegenüber etwas zu essen zu besorgen.

Während ich auf mein Hähnchen-Schawarma warte, gehe ich in Gedanken alles durch, was ich heute Nachmittag noch erledigen muss. Die Magazine darauf kontrollieren, dass die Seiten nicht zusammenkleben, das Regal mit der aromatisierten Gleitcreme auffüllen und alles, was Eugene angefasst hat, mit Silikonreiniger abwischen. Sobald ich diese lästigen Pflichten erledigt habe, kann ich mich an die Hausarbeit für mein Seminar in Hotelmanagement setzen.

Vorausgesetzt, es kommen nicht doch noch Kunden.

Ich blicke kurz aus dem Fenster, um mich zu vergewissern, dass Eugene nicht vor dem Laden herumlungert und darauf wartet, dass ich ihn wieder hereinlasse. An manchen Tagen kommt er mehrmals vorbei. Zum Glück ist er nicht mehr da, aber ein schwarzer Sportwagen parkt vor dem Laden. Er sieht schick aus und war vermutlich teuer, was bedeuten könnte, dass er einem potenziellen Kunden gehört, der bereit ist, Geld auszugeben.

Loki, der Kassierer, reicht mir das Schawarma und die Getränke.

»Danke! Einen schönen Tag noch!«

»Dir auch«, sagt Loki zu meinen Brüsten.

Als ich auf die Straße trete, sehe ich, wie ein Mann im Anzug das Schild liest, das ich an die Tür geklebt habe. Ich will keinen potenziellen Kunden verlieren, also hole ich tief Luft und setze meine beste Verkäuferinnenmiene auf. Wenn ich mit Kunden zu tun habe, muss ich mich immer in eine andere Person verwandeln, um diese peinliche Situation zu überstehen. Die Vor- und Nachteile von Sexspielzeug mit völlig Fremden zu erörtern macht mir nicht gerade Spaß, aber es zahlt die Miete, also habe ich gelernt, damit umzugehen.

Mein Root Beer schäumt und quillt aus dem Strohhalm, der Kaffee schwappt über meine Hände – diese Deckel schließen einfach nicht richtig – und das Hähnchen-Schawarma baumelt gefährlich zwischen kleinem und Ringfinger, als ich die Straße überquere.

Der Anzugträger wirkt auf den ersten Blick nicht so schräg wie Eugene, aber das kann täuschen. Die Hälfte von diesen Typen denkt, dass sie mich wie eine Prostituierte behandeln können. Oder sie geben vor, dass das merkwürdige Zeug, das sie kaufen, ein Geschenk sei. Von wegen Geschenk. Das kann mir keiner erzählen.

Der Anzugträger dreht sich um und geht zu seinem Wagen, also rufe ich: »Hallo! Sie da in dem Anzug, warten Sie!«

Er beugt die Schultern, als wollte er sich kleiner machen, was kaum möglich ist. Bei seiner Größe hat er vermutlich auf dem College Football gespielt. Oder er hat Verwandte im Marvel-Universum. Egal, auf jeden Fall ist der Typ groß.

Er bleibt stehen, was gut ist. Ich könnte heute noch ein paar Verkäufe gebrauchen. Die Provision ist immer ein willkommenes Plus zu dem mickrigen Mindestlohn. Nächste Woche ist die Miete fällig. Und seinem Auto nach zu urteilen hat er genügend Geld.

Meine Absätze sind himmelhoch, und alles, was ich anhabe, ist entweder zu kurz oder zu eng, um sich damit schnell bewegen zu können – die Dienstkleidung im Sex Toy Warehouse soll sexy aussehen, genauer gesagt enthüllend –, also trippele ich die restlichen Meter und versuche dabei, den Ladenschlüssel aus meiner Tasche zu fingern, ohne das Schawarma fallen zu lassen.

»Tut mir leid, dass Sie warten mussten, aber Gummischwänze sind kein befriedigendes Mittagessen.«

»Ich könnte mir vorstellen, dass sie auch sonst nicht besonders befriedigend sind«, antwortet er mit einer tiefen Stimme, die sicherlich gut dafür geeignet wäre, mir schmutzige Sachen ins Ohr zu flüstern.

Ich kann nicht sagen, ob das jetzt zweideutig gemeint war. Wie auch immer, ich habe schließlich damit angefangen.

Ich stehe vor ihm und sehe ihn an. Heiliger Jesus auf deiner Wolke aus Zuckerwatte, das muss mein Glückstag sein. Der Anzugträger sieht umwerfend aus. So umwerfend, dass es einem die Luft aus den Lungen saugt und das Blut zwischen den Schenkeln pulsiert. Nur gut, dass eine Klitoris nicht so reagiert wie ein Penis, sonst würde meine vor Erregung aus den Shorts hängen. Doch so beschränkt sich meine Reaktion auf feuchte Unterwäsche und ein Prickeln.

Seine dunklen Haare sind glatt und kurzgeschnitten, seitlich gescheitelt und sehr gepflegt. Er wirkt wie eine Mischung aus einem Kinohelden aus den Fünfzigern und einem Gangster. Hugh Beaumont und Capone zusammengerollt und in Lust getaucht. Seine Nase ist gerade, die Lippen sind voll und sein Kinn wirkt so kräftig, als könnte man damit eine Tür aufbrechen. Seine Gesichtszüge sind kantig, trotzdem gelingt es ihm, jungenhaft auszusehen und pure, unverfälschte Männlichkeit auszustrahlen.

Er fährt sich mit der Zungenspitze über die volle Unterlippe, und sein Adamsapfel hüpft. Ich sehe auf und blicke in seine Augen. Sie haben eine seltsame Farbe, nicht ganz grün und nicht ganz braun, eher eine Art Honiggelb mit einem smaragdgrünen Kreis. Fast wie eine Katze. Und seine Wimpern sind dicht und dunkel wie die eines Mädchens.

Ich versuche immer noch, die Schlüssel aus meiner Tasche zu ziehen, aber meine Konzentration wird durch seine Ausstrahlung ziemlich beeinträchtigt. Schließlich klemme ich mir das Schawarma vor die Brust, genauer, zwischen meine Brüste, und reiche ihm den Getränkehalter. »Nehmen Sie das mal?«

Er blinzelt ein paarmal, sein Blick huscht zu der Stelle, wo ich das Schawarma eingeklemmt habe, bevor er mir wieder in die Augen sieht. »Sicher.«

Als er den Getränkehalter nimmt, fällt mir auf, dass seine Nägel gepflegter sind als meine, kurz und ordentlich gefeilt. Viele der männlichen Kunden haben abgeknabberte Fingernägel. Oder Dreck darunter. Dieser Typ allerdings nicht.

Im Geiste höre ich schon das Klingeln der Registrierkasse, als ich endlich die Schlüssel aus meiner Tasche zerre und sie an meinem Finger baumeln lasse. »Hab sie.«

»Schön.« Er schenkt mir ein gezwungenes Lächeln, das so schön ist wie der Rest seines Gesichts, und blickt sich nervös um. Ganz offensichtlich will er hier nicht gesehen werden. Leider sind meine Hände verschwitzt, weshalb ich Mühe habe, den Schlüssel in das Schloss zu stecken, was sein Unwohlsein nicht gerade schmälert.

Sobald ich die Tür aufstoße, beginne ich in der eisigen Luft der Klimaanlage zu frösteln. Draußen ist es heißer als zwischen den Eiern des Teufels, was für Vegas um diese Jahreszeit eher ungewöhnlich ist. Der Temperaturunterschied zwischen drinnen und draußen ist enorm. Ich habe zwar eine Strickjacke hinter dem Tresen, aber die trage ich nur, wenn keine Kunden im Laden sind.

Ich nehme ihm das Tablett wieder ab und signalisiere ihm, reinzugehen. Als ich ihm in den Laden folge, nehme ich mein Mittagessen wieder von meinen Brüsten. Ich bin am Verhungern und würde zu gerne das köstliche Schawarma verschlingen, aber mir ist bewusst, dass dies zu phallisch wirken würde, weshalb ich warten muss, bis der Anzugträger wieder weg ist, um anzügliche Kommentare oder Blicke zu vermeiden.

Er steht immer noch am Eingang und lässt seinen Blick umherwandern. Er fährt sich mit der Hand über die Brust und die Krawatte und steckt sie dann in die Hosentasche. Ich hoffe, er gehört nicht zu der Sorte, die an sich herumspielen, während sie sich umsehen. Das ist schon vorgekommen. Oft sogar. Eugene ist einer von den Grabblern.

»Ich heiße Cosy.« Ich tippe auf mein Namensschild. »Sagen Sie Bescheid, wenn ich Ihnen behilflich sein kann.«

Er richtet seinen Blick auf mich und bleibt an dem Schild hängen, das über meiner linken Brust befestigt ist, bevor er ihn eilig zu meinem Gesicht hebt. Was daran liegen könnte, dass ich unter dem weißen Top einen lila BH mit rosa Herzchen trage, was man deutlich erkennen kann. Es war der einzige saubere BH, den ich heute Morgen finden konnte, und ich war spät dran. Außerdem wirkt sich dieser Look positiv auf Verkäufe aus. Entwürdigend? Kann schon sein. Aber Stolz ist keine Währung, die mein Vermieter akzeptiert.

Er blinzelt ein paarmal und fährt sich mit der Hand über den Nacken. »Okay. Danke … Cosy.«

Er sagt meinen Namen wie die meisten anderen auch – langsam und mit einer gewissen Unsicherheit. So, als wäre er sich nicht sicher, ob es sich um einen Sexshop-Witz handelt. Ist es aber nicht. Wenigstens macht er keinen schrägen Kommentar.

Er wandert zwischen den Regalen umher und massiert dabei noch immer seinen Nacken. Er fühlt sich sichtlich unwohl. Es ist ziemlich spannend zu beobachten, wie er rot anläuft, als er an dem Regal mit den Pornoheften vorbeihuscht, nur um vor der Wand mit den Dildos stehenzubleiben. Das peinliche Erröten kenne ich noch gut aus meiner Anfangszeit hier, aber sobald ich gelernt hatte, mein Verkäufergesicht aufzusetzen, wurde es einfacher. Den Leuten gefällt es anscheinend, sich merkwürdige Dinge in ihre Körperöffnungen zu stecken.

Der Anzugtyp zieht ein Blatt Papier aus seiner Hosentasche. Er betrachtet es eingehend und schüttelt murmelnd den Kopf. Mein Magen knurrt. Ich hatte nur einen Müsliriegel heute früh, und jetzt ist es beinahe zwei Uhr. Je länger er braucht, umso kälter wird mein Schawarma. Es schmeckt auch kalt, aber am besten ist es, wenn es direkt aus dem Kontaktgrill kommt. Andererseits – je länger er bleibt, umso wahrscheinlicher wird er sich zu einem Kauf genötigt fühlen.

Auch wenn er nicht darum gebeten hat, beschließe ich, ihm behilflich zu sein. Außerdem ist er ein attraktiver Mann, und seine Hilflosigkeit ist sowohl amüsant als auch niedlich. Ich werfe einen kurzen Blick in den kleinen Spiegel, den ich an der Kasse aufbewahre. Der Lippenstift ist perfekt und die Wimperntusche nicht verschmiert, was schon mal vorkommen kann, wenn man an einem Ort lebt, der heißer als die Hölle ist. Mission Provision kann beginnen.

Ich gehe beschwingt auf ihn zu und denke daran, wie viel Übung es mich gekostet hat, auf diesen Absätzen zu laufen, ohne mir einen Knöchel zu verstauchen. »Brauchen Sie Hilfe?«

Er zuckt zusammen, als hätte ihn ein Elektroschocker getroffen, und lässt den Zettel eilig in seiner Tasche verschwinden. »Ich habe Sie gar nicht kommen hören.«

»Das tut mir leid.« Ich schenke ihm ein strahlendes Lächeln. »Sie wirken etwas verloren, also wollte ich Ihnen meine fachkundige Unterstützung anbieten. Kann ich Ihnen bei der Auswahl des richtigen Dildos für Ihre speziellen Bedürfnisse helfen?« Das klingt zum Glück ganz sachlich und professionell.

»Oh.« Sein Blick wandert zu der Wand und dann wieder zu mir. »Mein Freund will heiraten, und wir planen einen Junggesellenabschied. Und da ich den Schwarzen Peter gezogen habe, bin ich jetzt hier, um ein paar von diesen …« – er macht eine Handbewegung zu der Wand – »Dingern zu kaufen.«

»Schön. Es ist also für eine Junggesellenparty.« Meine Damen und Herren, ich präsentiere Ihnen die häufigste Ausrede der Welt. »Wir sollten Ihnen zunächst einmal einen Einkaufskorb holen, damit Sie nicht mit labberigen Gummischwänzen hier herumlaufen müssen.«

Ich drehe mich auf dem Absatz um und schlendere zu den Einkaufskörben, wobei ich mich über den unpassenden Spruch ärgere. Eine Menge Kunden haben Probleme, einen hochzukriegen, und darauf anzuspielen ist schlecht fürs Geschäft. Also konzentriere ich mich lieber darauf, mich aufreizend zu bewegen und mit durchgestreckten Beinen nach einem der pinkfarbenen Einkaufskörbe zu bücken, auf denen in hübscher Kursivschrift »Sündenkorb« steht. Meine Shorts sind wahnsinnig kurz, was den Vorgaben der Geschäftsführung entspricht. Natürlich steht das nicht im Arbeitsvertrag, aber es wird vorausgesetzt. Und immerhin ist das Aufblitzen einer Pobacke genauso verkaufsfördernd wie ein durchsichtiges Top. Zumindest nach meiner Studie über den Zusammenhang von Kleidung und Verkaufszahlen. Also bitte keine voreiligen Schlüsse.

Wie ein provozierend gekleidetes Rotkäppchen ohne Kappe aus einem Märchen für Erwachsene schlendere ich zu dem Anzugträger zurück, bereit, mich ein wenig zu amüsieren. Ich hake mich bei ihm unter, was ihn in Angst und Schrecken zu versetzen scheint, aber da er keinen Ehering trägt, spricht nichts dagegen, den Verkauf mit ein wenig Flirten anzukurbeln. Der Stoff seines Anzugs fühlt sich seidenweich an, und ich wette, er war teuer. Unter dem Stoff kann ich auch fühlen, wie muskulös seine Oberarme sind. Das ist ein kaltes Schawarma wohl wert.

Ich weise mit der Hand zu den Gummischwänzen an der Wand. »Ich habe gemerkt, dass Sie sich für die Doppel-Dildos interessieren. Wir haben eine große Auswahl davon.«

»Ich vertraue da ganz auf Ihre Erfahrung«, murmelt er.

Je unwohler er sich fühlt, desto entspannter werde ich. Ich bin jetzt ganz in meinem Element. Kein Problem, ihm einen Doppel-Dildo zu verkaufen. Ich lasse seinen Arm los und stelle den Korb ab, wobei ich mich erneut aus der Hüfte hinunterbeuge, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. »Da gibt es große Unterschiede. Am besten verraten Sie mir, wofür Sie ihn benötigen.«

Er macht große Augen und räuspert sich. »Sie sollen hauptsächlich als Scherzgeschenke dienen. Wofür sie hinterher benutzt werden, spielt wohl keine Rolle.«

»Hmm. Na schön. Aber ich finde, bevor Sie sich entscheiden, sollten wir die verschiedenen Modelle testen. Nur für den Fall, dass Ihr Freund eine genaue Vorstellung davon hat, was er damit anfangen möchte.« Ich hebe einen ausgestreckten Zeigefinger. »Nur einen Moment!«

»Aber …«

Ich drehe mich elegant auf dem Absatz um, danke innerlich meiner Schwester, die mir beigebracht hat, wie man mit dem Hintern wackelt, und gehe zum Tresen hinüber. Ich greife mir ein paar feuchte Reinigungstücher und die Flasche mit dem Silikonreiniger und kehre zu dem Anzugträger zurück, dessen Gesicht aussieht, als würde es gleich in Flammen aufgehen. In der kurzen Zeit, die ich weg war, hat er bereits einen Gummischwanz in den Korb gelegt.

»Mmm.« Ich betrachte seine Wahl mit leicht missbilligendem Blick und nehme ein Ausstellungsstück aus dem Regal. Wir haben immer ein paar der beliebtesten Modelle bereitliegen, damit die Kunden sie besser vergleichen können.

Ich sprühe das rosa Riesenteil von oben bis unten ein und nehme dann eins der Reinigungstücher, um es der Länge nach abzureiben.

»Was tun Sie da?« Er klingt, als ob seine Eier in einem Schraubstock steckten.

»Ich bereite es für Sie vor. Eugene war heute Morgen hier, und er spielt gern an den Ausstellungsstücken herum.«

»Wer ist Eugene?«

»Ein Kunde.«

»Den Sie so gut kennen, dass Sie ihn beim Vornamen nennen?«

»Er kommt sehr oft.«

»Darauf möchte ich wetten.«

Ich wische erneut über die beiden Eicheln, bevor ich ihm den Dildo hinstrecke. »Könnten Sie das mal kurz halten?«

Nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, ist das das Letzte, was er tun möchte. Ich lasse den Gummischwanz zwischen meinen Fingern hindurchgleiten, und er fängt ihn brav auf, bevor er den Boden berührt.

»Gute Reaktion.« Ich zwinkere ihm zu, nehme das nächste Modell aus dem Regal und verpasse ihm dieselbe Behandlung. Natürlich sieht es so aus, als würde ich ihm einen runterholen, aber genau das ist ja der Punkt.

Ist es moralisch vertretbar, so seinen Umsatz zu steigern? Wohl kaum. Aber Typen, die sich unwohl fühlen und gleichzeitig geil sind, neigen dazu, mehr Geld auszugeben.

»Okay, Zeit für einen Vergleich!« Ich benutze meinen Gummischwanz wie einen Pointer und zeige damit auf den Schwanz, den der Anzugträger hält. »Ihrer ist fünfundvierzig Zentimeter lang, meiner fünfunddreißig. Jetzt schütteln Sie ihn mal.«

Er schaut mich finster an, tut aber wie geheißen.

»Fantastisch. Sehen Sie, wie steif er im Vergleich zu dem hier ist?« Ich schüttele den Gummischwanz und versuche an die Verkaufsprovision zu denken. In der Vergangenheit hat das immer gut geklappt.

»Schon möglich.«

»Schon möglich gibt es nicht. Hier.« Ich schnappe mir den, den er in der Hand hält – er lässt augenblicklich los –, und schüttele sie alle beide. »Sehen Sie, meiner ist viel flexibler.«

»Ist das gut oder schlecht?«

Nach den wöchentlichen Verkäufen zu urteilen, müssen es wohl viele Leute gut finden. »Mit dem richtigen Gleitmittel kann es ein lustvolles Erlebnis für Ihre Freundin sein.« Keine Ahnung, ob das stimmt, aber zumindest steht es so auf der Verpackung. Außerdem versuche ich, ihm Informationen zu entlocken.

»Ich habe keine Freundin. Und selbst wenn es stimmt, was Sie sagen, würde ich es doch bevorzugen, ihr mit meinem … Penis Lust zu bereiten, anstatt mit dem Ding hier.« Er macht eine flüchtige Geste in Richtung der Dildos in meinen Händen. »Aber da das für eine Party gedacht ist, spielt mein Beziehungsstatus ohnehin keine Rolle.«

Ich zwinkere ihm verschwörerisch zu. »Natürlich nicht.«

»Ich meine es ernst.« Er wühlt in seiner Tasche und zieht die Liste hervor. »Ich habe wirklich den Schwarzen Peter gezogen und bin jetzt hier, um das ganze seltsame Zeug zu kaufen.«

Ich schnappe mir die Liste und verhindere mit einer geschickten Drehung, dass er sie mir wieder entreißt. Sie ist ziemlich lang, also sagt er entweder die Wahrheit, was die Party betrifft, oder er lügt bezüglich seiner Freundin. Beides wäre nicht ungewöhnlich.

»Also, einen Punkt auf der Liste haben wir bereits abgehakt. Und den Rest für die Party suche ich Ihnen rasch zusammen.« Ich nehme den Korb und einen verpackten Doppel-Dildo und tänzele hinüber zu den batteriebetriebenen Vibratoren, die als Nächstes auf der Liste stehen.

Als wir zur Gleitcreme kommen, wirkt er völlig verloren. Es gibt zwanzig verschiedene Geschmackssorten, und anstatt eine Auswahl zu treffen, greift er sich eine Tube von jeder. Meine Provision wird ziemlich üppig ausfallen.

»Arbeiten Sie schon lange hier?«, fragt er mich, nachdem ich ihn mit einer sündhaft teuren Vorrichtung zur persönlichen Befriedigung, Reinigungsspray und einem Spezialgleitgel versorgt habe.

»Ein paar Monate«, antworte ich.

Er nickt, als wäre er von der Auskunft fasziniert. »Machen Sie das hauptberuflich?«

Er scheint sich ein wenig zu entspannen, was gut ist. Also setze ich das überflüssige Geplauder fort. »Nein, das ist nur ein Teilzeitjob.«

»Und was tun Sie, wenn Sie hier nicht arbeiten?«

Aber hallo. Versucht der Typ etwa, mich anzumachen? Ich meine, er sieht toll aus, aber er kauft auch jede Menge schräges Zeug, und noch ist nicht raus, ob das alles wirklich für diese Party ist. Aber solange es Spaß macht, spiele ich mit. »An meinen freien Tagen bin ich Produkttester für Sexspielzeug.«

»Bitte was?«, stottert er.

Ich werfe den Kopf zurück und lache lauthals. Er ist wirklich süß. »Das war ein Scherz! Oh mein Gott, Sie sollten Ihr Gesicht sehen. Entspannen Sie sich, Sie sind viel zu zugeknöpft.« Ich ziehe spielerisch an seiner Krawatte. »Ich bekomme zwar einen netten Rabatt auf alles hier im Laden, aber wer würde das hier schon testen wollen?« Ich tippe auf die schwarze Gummifaust neben den Analstöpseln, womit wir am Ende angekommen wären.

Er murmelt etwas, das ich nicht verstehe.

»Egal, ich habe ein paar Kurse am College belegt, um meine Karriere voranzutreiben, damit ich dieses Zeug hier nicht den Rest meines Lebens verkaufen muss.«

»Sie sind auf dem College?« Es klingt schon wieder, als würde er ersticken.

»Mm-hmm. Ich brauche ein wenig länger für den Abschluss, weil ich gerne reise. Aber da ich sicher noch vierzig Jahre arbeiten werde, denke ich, dass ich meine Freiheit genießen sollte, solange es geht. Die Leute sagen immer, dass sie reisen werden, sobald sie im Ruhestand sind, sparen dafür ihr ganzes Geld, und kaum müssen sie nicht mehr arbeiten, bekommen sie einen Herzinfarkt und sind tot. Oder sie sind einfach zu alt und klapperig, um noch Spaß zu haben.«

»Das ist eine interessante Perspektive.«

»Vermutlich nicht die gängigste, aber schließlich lebt man nur einmal.« Ich zeige auf den Stöpsel, der annähernd die gleiche Größe hat wie mein Kopf. »Das ist der größte.«

Er verzieht das Gesicht. »Bitte sagen Sie mir, dass die Leute so etwas hier nicht wirklich kaufen.«

Ich zucke mit den Achseln. »Ein oder zwei alle paar Wochen.«

»Als Scherzgeschenk?«

»Danach frage ich nicht.«

Er schüttelt den Kopf und deutet auf den Analstöpsel daneben, der zwar nur ungefähr halb so groß, aber immer noch riesig ist. »Notfalls kann man das Teil immer noch als Türstopper benutzen.«

Nachdem wir die Liste nochmals kontrolliert haben, gehen wir zur Kasse. Er legt seine Brieftasche auf den Tresen, klappt sie auf und entnimmt ihr eine Kreditkarte, während ich seine Einkäufe scanne und einpacke.

»Das macht dann sechshundertsiebenundfünfzig Dollar neunundsechzig.«

Er atmet tief ein und aus und reicht mir die Karte. »Wehe, wenn er nicht einiges von dem Kram auch benutzt.«

Ich werfe einen Blick auf die Karte. Griffin. Ein ungewöhnlicher Name, aber nicht so schräg wie meiner.

Die Türglocke bimmelt, als ein neuer Kunde den Laden betritt. Es ist noch ein Anzugträger, der aber ordinär und schmierig wirkt. Wie ein Angestellter eines Pfandleihhauses oder so. Bäh! Hoffentlich geht das schnell, damit ich doch noch zu meinem Schawarma komme. Das inzwischen bestimmt kalt und aufgeweicht ist, aber das ist meine Schuld, weil ich so intensiv mit Griffin beschäftigt war. Und es hat sich ausgezahlt.

Griffin wirft einen Blick auf den neuen Kunden und zieht die Schultern hoch. Als würde er dadurch weniger auffallen. Das Ausdrucken der Rechnung scheint ewig zu dauern. Ich reiche sie ihm, wobei seine langen, kräftigen, manikürten Finger meine streifen.

Ich bekomme schlagartig Gänsehaut. Vielleicht ist auch der Thermostat zu niedrig eingestellt, denn aus dem Luftschacht über mir bläst auf einmal kalte Luft auf mich herab, was mich frösteln lässt.

Er steckt die Rechnung in seine Brieftasche und nimmt die Tüten. »Dann vielleicht bis demnächst.«

»Genügend Spielzeug sollten Sie vorerst haben, aber wenn Ihnen die Gleitcreme ausgeht, wissen Sie ja, wo Sie mich finden.« Ich zwinkere ihm zu, aber innerlich könnte ich mich treten. Ich habe keine Ahnung, wie dieser Typ drauf ist, doch ich rolle ihm quasi den roten Teppich aus, um wieder vorbeizukommen. Ich hätte zwar nichts dagegen, sein hübsches Gesicht wiederzusehen, aber vielleicht gehört er ja doch zur perversen Sorte. Vielleicht aber auch nicht.

Er lächelt und klopft auf die Glasplatte des Tresens. »Einen schönen Tag noch, Cosy. Und danke für die ausführlichen Erläuterungen.« Er wirft mir ein kurzes Grinsen zu, und heilige Scheiße, allein davon könnte ich einen kleinen Orgasmus bekommen.

Alles gut, nichts passiert. Aber sein Lächeln ist verdammt sexy.

Ich beobachte, wie er den Laden verlässt, bevor ich mich nach dem schmierigen Anzugträger umsehe. Er ist in der Videoecke. Ich kann nicht verstehen, wie Leute für so etwas Geld ausgeben, wenn sie es im Internet umsonst bekommen, aber was soll’s.

Schließlich kauft er zwei Granny Movies und verschwindet. Ich nehme an, er hat ein Mutterproblem oder so etwas.

Als er weg ist, kann ich mich endlich meinem Mittagessen widmen. Wie vermutet, ist es durchgeweicht, aber immer noch lecker. Während ich esse, kritzele ich auf einem Block herum und merke auf einmal, dass ich ganz oft Griffins Namen schreibe, als wäre ich ein dummes Schulmädchen. Ich verdrehe die Augen. Der Typ ist einer von einer Million Anzugträgern, die für einen Geschäftstermin einfliegen und sich nebenbei ins Vergnügen stürzen, um dann in ihr normales Leben zurückzukehren und jedem von ihrem Trip nach Vegas vorzuschwärmen.

Was nicht heißt, dass ich keine Fantasievorstellungen von ihm haben darf.

2

SEXY STALKER. VIELLEICHT.

Cosy

Drei Wochen später

Ich stöhne, als mein Wecker schrillt. Montage sind furchtbar. Besonders, wenn ich bei STW arbeite und nach der Schicht noch ein Abendseminar habe. Dies ist einer dieser Montage.

Ich wälze mich aus dem Bett und stolpere in Richtung Badezimmer. Es ist halb zehn, aber ich fühle mich, als könnte ich noch weitere vier Stunden schlafen. Wahrscheinlich, weil ich bis zwei Uhr morgens an meiner Arbeit für das Hotelmanagementseminar gearbeitet habe. Ich bin fast durch und muss sie zum Glück erst morgen abgeben. Also kann ich sie noch einmal durchgehen und sicherstellen, dass ich nicht zu viel frühmorgendlichen Unsinn geschrieben habe.

Ich dusche schnell, hülle mich in ein Handtuch und gehe in Richtung Küche. Mein Apartment ist zwar klein, aber funktional. Als ich das Wohnzimmer betrete, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Auf der Couch liegt jemand. Genauer gesagt, meine Schwester liegt dort. Ich betrachte sie einen Moment lang, um mich zu vergewissern, dass sie auch atmet. Als ich sehe, wie sich ihr Rücken hebt und senkt, seufze ich erleichtert.

Nevah ist meine ältere, unvernünftigere Schwester. Dass sie hier auf meiner Couch liegt, kann nur eines bedeuten: Entweder sie hat sich von ihrem aktuellen Freund getrennt, oder sie hat wieder einmal ihren Job verloren. Oder beides. Manchmal dauert es nur ein, zwei Tage, bis sie und ihr jeweiliger Freund sich wieder zusammenraufen. Wenn sie aber keinen Job und niemanden sonst findet, bei dem sie einziehen kann, bleibt sie schon mal für ein paar Wochen. Oder zumindest so lange, bis ihr meine Tagesplanung und mein verantwortungsbewusstes Verhalten auf die Nerven gehen.

Ich lasse sie schlafen und setze Kaffeewasser auf, während ich mich für die Arbeit fertigmache. Ich ziehe meine STW-Uniform an, die aus einem Tanktop mit dem Firmenlogo auf beiden Brüsten und Shorts besteht. Hochhackige Schuhe sind keine Vorschrift, aber die Erfahrung zeigt, je höher die Absätze, desto besser die Umsätze. Ich packe auch mein anderes Outfit für den Unterricht ein. Als ich es einmal versehentlich vergessen hatte, brachte mir das eine Menge Blicke ein. Außerdem wurde ich von drei Typen auf ein Date eingeladen. Diesen Fehler mache ich nicht noch einmal.

Ich gieße mir eine Tasse Kaffee ein, schwarz ohne Milch oder Zucker. Nicht weil ich die nicht mag, im Gegenteil. Aber die Hälfte der Zeit wird die Milch bei mir sauer oder der Zucker geht mir aus. Also habe ich beschlossen, mich nicht mehr damit herumzuärgern, um mir die Enttäuschung zu ersparen.

Es ist schon zehn, also muss ich mich beeilen, wenn ich nicht zu spät kommen will. Ich schiebe einen Bagel in den Toaster und stopfe eine Banane und ein paar Müsliriegel in meine Tasche, falls ich später Hunger bekommen sollte.

Nevah macht ein Auge auf und stöhnt. »Musst du morgens solchen Lärm machen?«

»Soweit ich weiß, steht nur mein Name im Mietvertrag. Ich wüsste also nicht, auf wen ich Rücksicht nehmen sollte.«

»Fies bist du auch noch. Kein Wunder, dass du Single bist.«

Ich ignoriere die spitze Bemerkung, obwohl es mich verletzt. Was Beziehungen angeht, läuft es bei mir nicht sehr gut. Was zum Teil daran liegt, dass ich nicht sehr ortsgebunden bin. Sobald ich einen Typen auch nur ein bisschen besser kennenlerne, habe ich das Bedürfnis, für eine Weile aus Vegas zu verschwinden. Ich musste am eigenen Leib erfahren, dass es sinnlos ist, eine Beziehung einzugehen, wenn man nur ein paar Monate da ist, weshalb ich mich lieber auf nichts so richtig einlasse.

»Hast du dich mit deinem Typen gestritten?« Da sie ihre Liebhaber schneller wechselt als ihre Unterwäsche, habe ich es aufgegeben, mir ihre Namen zu merken.

»Ich will nicht darüber reden.« Nev zieht sich das Kissen über den Kopf.

»Du weißt ja, wo alles ist.« Der Toaster spuckt den Bagel aus. Es ist kaum noch Frischkäse da, also nehme ich stattdessen Nutella. »Ich arbeite heute und habe danach noch ein Seminar. Vor zehn werde ich nicht zurück sein. Bist du dann noch hier?«

»Weiß nicht.«

»Na gut. Dann schick mir eine SMS oder hinterlass eine Nachricht, damit ich mir keine Sorgen mache.« Ich packe den Bagel ein, greife mir eine Papierserviette und mache mich auf den Weg.

»Kannst du mir’n Zwanziger dalassen?«, ruft Nev mir hinterher.

Ich verkneife mir ein genervtes Stöhnen und greife nach meiner Brieftasche. »Alles, was ich habe, sind ein Fünfer und ein Zehner.«

Sie streckt den Kopf unter dem Kissen hervor. Ihre Augen sind blutunterlaufen, und ihre Wimperntusche ist verschmiert. Sie sieht aus, als wäre sie auf einer ziemlich harten Sauftour gewesen. »Das wird dann wohl reichen müssen.«

Ich lege die Scheine auf den Tisch neben der Tür. »Es ist noch ein Rest Pasta im Kühlschrank, falls du Hunger hast. Und im Brotkasten sind Bagels. Du kannst auch in meinem Bett schlafen, wenn du willst.«

»Danke, Schwesterchen.« Nev setzt sich auf. Sie trägt ein kurzes, enges, schwarzes Kleid, das darauf schließen lässt, dass sie letzte Nacht aus war. Ich nehme an, dass sie einen ziemlichen Kater hat. Sie schlurft an mir vorbei, wobei sie die Decke auf den Boden fallen lässt. Sekunden später kracht die Schlafzimmertür ins Schloss.

Ich vergewissere mich, dass ich die Wohnungstür richtig abgeschlossen habe, und seufze, als ich am Fahrstuhl das »Außer Betrieb«-Schild sehe. Ich renne also acht Stockwerke hinunter und bin bereits verschwitzt, noch bevor ich auf die Straße trete. Es wird wieder ein heißer Tag werden, aber zum Glück ist der Bus klimatisiert, und ich bekomme sogar einen Sitzplatz. Während der Fahrt kontrolliere ich nochmals meine Arbeit auf Tipp- und Rechtschreibfehler.

Heute bin ich nicht alleine im Laden, weil Helix, eine der anderen Verkäuferinnen, die Abendschicht hat und sich deshalb unsere Arbeitszeiten überschneiden. Helix’ richtiger Name ist Helun Alix, weil ihre Eltern keinen gewöhnlichen Namen wollten. Da sie keinen von beiden mag, hat sie einfach ihr eigenes Hybrid daraus gebastelt, und jeder nennt sie so.

Als ich aus dem Bus steige, bekomme ich die heißen Abgase aus dem Auspuff direkt ins Gesicht. Ich muss ein Stöhnen unterdrücken, als ich Eugene gegenüber im Café erblicke. In letzter Zeit häufen sich seine Besuche. Bei mehr als der Hälfte kauft er nichts, und ansonsten sind es nur Gleitgel oder Damenunterwäsche. Keine Ahnung, für wen die gedacht ist, aber er fragt mich jedes Mal nach meiner Meinung.

Ich winke ihm zu und überquere den Parkplatz. Es sind noch fünfzehn Minuten, bis der Laden öffnet, also nutze ich die Zeit, um die Regale mit den Magazinen und Blu-rays aufzuräumen.

Wie befürchtet, kommt Eugene in dem Moment, in dem ich die Tür aufschließe und das GEÖFFNET-Leuchtschild einschalte, herein. Er ist extrem nerdig und ungeschickt. Nicht dass ich damit ein Problem hätte. Ich kam ein Jahr früher in den Kindergarten, also weiß ich aus eigener Erfahrung, wie es ist, gleichzeitig beides zu sein. Was mich tatsächlich stört, sind seine fettigen Haare und der starke Geruch von Zigaretten und Muff, den seine Kleidung verströmt. Hinzu kommt sein fortwährendes Grinsen. Es ist gruselig.

Zum Glück wird er von einer Gruppe Frauen verscheucht, die nach Scherzartikeln für einen Junggesellinnenabschied suchen. Nachdem sie sämtliche Artikel gekauft haben, die der Laden zum Thema Penis zu bieten hat, hocke ich mich hinter den Tresen, um die Korrekturen meiner Seminararbeit abzuschließen, als die Türglocke erneut erklingt.

Ich blicke kurz auf und mein Magen krampft sich seltsam zusammen. Es ist der etwas steife Anzugträger von vor ein paar Wochen. Griffin. Der Hauptdarsteller in meinen gegenwärtigen Pornofantasien.

Was für eine Überraschung; normalerweise sind Typen, die an Junggesellenpartys teilnehmen, spätestens nach einer Woche wieder aus der Stadt verschwunden. Aber vielleicht lebt er ja hier, und seine Freunde sind für einen Besuch eingeflogen? Egal, er ist wieder da, womit ich nie im Leben gerechnet hätte. Nur dass er diesmal ein Poloshirt und Golfhosen trägt, womit er genauso sexy aussieht wie beim letzten Mal.

»Ist das Gleitgel schon alle?«, frage ich, während sich die Tür hinter ihm schließt. Ich ärgere mich über meine unangemessene Begrüßung. Kunden in einem Sexshop in Verlegenheit zu bringen ist nicht die beste Strategie, um Geschäfte zu machen. Außerdem ist mir der Gedanke an die Mengen von Aromagel, die er gekauft hat, peinlich. Ich erinnere mich nur selten daran, was jemand kauft, schon gar nicht bei einem Typen, der Kram für eine Junggesellenparty besorgt. Aber es gibt nun mal eine spezielle Anwendung für dieses Gel, bei der Lippen und Zunge eine Rolle spielen. Und das bedeutet, dass ich mir umgehend vorstelle, wie er am Muschibüffet nascht. Natürlich an meinem.

Er grinst und zieht leicht den Kopf ein, als er am Dessousregal vorbeigeht und dabei mit den Fingern über einen Body aus rosa Spitze streicht. »Das war für eine Junggesellenparty, erinnern Sie sich?«

»Oh ja, richtig.« Ich tippe mir an die Schläfe. »Sie hatten den Schwarzen Peter gezogen. Wie könnte ich das vergessen?« Ich klappe den Laptop zu und stütze mich lässig mit einem Arm auf den Tresen. Dabei überprüfe ich mein Aussehen in dem winzigen Spiegel an der Kasse. »War die Party so erfolgreich, dass Sie noch eine hier in Sin City veranstalten wollen?«

»Äh, nein. Die eine reicht mir vorerst.« Er bleibt einen Schritt vom Tresen entfernt stehen, wobei er sich am Nacken kratzt und mir unter seinen schönen Wimpern hervor einen unentschlossenen Blick zuwirft.

»Womit kann ich Ihnen dann behilflich sein, Griffin?«

Ein kleines Lächeln umspielt seine Lippen. »Sie erinnern sich an meinen Namen.«

»Ein sehr ungewöhnlicher Name, den man nicht so leicht vergisst.« Nicht dass ich ihn die letzten Wochen andauernd überall hingekritzelt hätte. Ich habe keine Ahnung, was mich an ihm reizt. Vielleicht seine Augen? Vielleicht sein Unbehagen, als ich über jedes übertriebene Teil, das er gekauft hat, ironische Bemerkungen gemacht habe? Vielleicht einfach seine Sexyness?

Sein Lächeln wird breiter. »Nicht so ungewöhnlich wie Cosy.«

»Nun, da müssen Sie meine Mutter fragen …«

Jetzt lacht er, was zu einer umgehenden Reaktion in meiner unteren Körperhälfte führt. Ich halte das nicht für normal.

»Wenn Sie keinen Nachschub für eine Party benötigen, was dann?«

Er hakt die Daumen in die Hosentaschen und wippt auf seinen Absätzen. »Ich, also … ich war gerade in der Gegend und dachte mir, ich sehe mal, ob Sie arbeiten.«

Mit dieser Antwort habe ich keinesfalls gerechnet. Er wirkt ziemlich nervös, aber auf eine andere Art als beim letzten Mal. »Wegen meiner erstaunlichen Kenntnisse, was Sexspielzeug angeht?«

»Nun, das war wirklich hilfreich. Mein Kumpel war sehr beeindruckt, dass ich alles auf der Liste bekommen habe.« Er tritt einen Schritt vor. »Äh, ich weiß nicht, wie ich … haben Sie einen Freund?«

»Entschuldigung, wie bitte?«

»Ich bin ein Idiot.« Er macht eine Handbewegung in meine Richtung. »Natürlich haben Sie einen Freund. Ich meine, sehen Sie sich nur an, wie auch nicht?«

Ich meine zu wissen, was hier abläuft, aber ich habe keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll. Vermutlich sollte ich lügen und ihm erzählen, dass ich einen festen Freund habe, aber stattdessen versuche ich es mit Aufrichtigkeit.

»Ich habe keinen Freund.«

»Wirklich nicht?«

»Zu anstrengend. Ich habe schon genug zu tun, da brauche ich nicht noch jemanden, der gefühlsmäßig von mir abhängig ist.« Umwerfend, Cosy. Du flirtest wie ein Profi. Ich weiß auch nicht. Ich kann Sexspielzeug verkaufen wie niemand sonst auf der Welt, aber wenn es darum geht, mit Männern zu flirten, die mir gefallen, werde ich total nervös und sage Dinge, ohne darüber nachzudenken.

Er lacht und stützt einen muskulösen, gebräunten Unterarm auf den Tresen. »Was ist mit Dates? Haben Sie Dates, oder ist das auch zu anstrengend?«

»Ich habe Dates.« Von Zeit zu Zeit fühle ich mich einsam und verabrede mich mit einem Typen. Meistens vom College, aber mit niemandem aus meinem Kurs, weil das nur zu Problemen führen würde.

Mit manchen bin ich sogar mehrmals ausgegangen, aber sobald einer anfing, Gefühle zu entwickeln, habe ich mich abgesetzt. Ich bin zu unbeständig, um etwas Ernstes anzufangen, und ein gekränktes Ego heilt viel schneller als ein gebrochenes Herz. Ich bin im letzten Jahr nur einmal zu weit gegangen. Der Typ ruft noch immer ab und zu an. Meistens wenn er betrunken ist. Keine schöne Geschichte.

Er neigt den Kopf zur Seite. »Würden Sie gerne einen Kaffee trinken gehen?«

»Mit Ihnen?« Was für eine idiotische Frage.

»Im Idealfall, ja.«

Ich bin baff, weil er nach so langer Zeit hier auftaucht, um mich um eine Verabredung zu bitten, und zögere, weshalb ich ihm keine direkte Antwort gebe. »Selbst an einem kühlen Tag sind es hier mindestens zwanzig Grad, und Sie wollen mich auf einen Kaffee einladen?«

»Es kann auch ein Eiskaffee sein. Oder jedes andere Getränk.«

Ich würde gerne Ja sagen, weil es garantiert unterhaltsam wäre, mit ihm Kaffee zu trinken. Allerdings habe ich es mir zum Prinzip gemacht, nie mit Kunden auszugehen, weil die meistens pervers sind. Nicht dass ich damit ein Problem hätte. Sonst würde ich wohl kaum in diesem Laden arbeiten.

»Ich verabrede mich nicht mit Kunden.«

»Betrifft das auch ehemalige Kunden?«

Ich verziehe das Gesicht. »Bestimmt sind Sie ein richtig netter Typ, aber vor ein paar Wochen haben Sie jede Menge schräges Zeug gekauft, weshalb es wahrscheinlich sicherer für mich ist, abzulehnen.«

»Und wenn ich das ganze Zeug nicht gekauft hätte, würden Sie annehmen?«

»Aber Sie haben es gekauft.«

»Aber nichts davon war für mich.«

»Das behaupten Sie zumindest.«

Er lässt den Kopf sinken und knetet sich den Nacken, bevor er mich wieder anblickt. »Ich muss wohl irgendwie schräg auf Sie wirken, oder?«

Ich wünschte, er wäre nicht so attraktiv. Oder dass er mir die letzten drei Wochen, seit er zum ersten Mal hier war, nicht die ganze Zeit im Kopf herumgeschwirrt wäre.

»Irgendwie? Ich verstehe schon, dass Sie Ihrem Freund bloß einen Gefallen getan haben. Es ist nichts Persönliches.«

»Sie müssen es nicht erklären, ich versteh schon.« Er wirft mir ein gequältes Lächeln zu.

Es ist so süß, dass ich fast vom Stuhl falle, ein weiterer Grund, warum es keine gute Idee ist, mit ihm auszugehen. Ich kenne ihn überhaupt nicht und finde ihn echt zum Anbeißen.

»Das war wohl keine schlaue Idee. Ich kam hier zufällig auf dem Rückweg vom Golfplatz vorbei, obwohl ich vermute, dass Sie mir das nicht glauben werden. Egal, ich dachte mir, dass ich Ihnen wohl kaum auf der Straße über den Weg laufen würde, und, äh … ich dachte, es würde vielleicht Spaß machen, Zeit mit Ihnen zu verbringen. Ich würde zu gerne herausfinden, ob das stimmt, aber ich verstehe, dass Sie daran kein Interesse haben. Sie müssen sich keine Sorgen machen, ich bin kein Stalker.«

»Dass Sie das betonen müssen, lässt Sie eher wie einen erscheinen.«

Er atmet tief aus und lacht leise. »Yep, das kann ich nachvollziehen.« Er tippt mit den Fingern auf den Tresen und wirft mir einen Blick von der Seite zu. »Gut. Ich werde Folgendes tun.« Er nimmt sich den Post-it-Block, der neben der Kasse liegt, und einen Stift. »Ich schreibe Ihnen meine Handynummer auf, falls Sie es sich anders überlegen sollten. Wahrscheinlich werden Sie sie in den Papierkorb werfen, sobald ich gegangen bin, aber da ich diesen Laden aus Sorge, doch zum Stalker zu mutieren, niemals wieder betreten werde, habe ich auch nichts zu verlieren. Und meinen Stolz habe ich beim letzten Mal ohnehin irgendwo da hinten verloren.« Er macht eine Geste in Richtung der Wand mit den Gummischwänzen und schreibt dann seinen Namen und seine Nummer auf.

Er schiebt mir den Post-it-Block hin und klopft einmal kurz auf den Tresen. »Ich persönlich finde Sie echt umwerfend, und ich konnte Sie während der letzten Wochen einfach nicht aus dem Kopf kriegen. Und glauben Sie mir, ich hab’s versucht. Es wäre schön, von Ihnen zu hören. Obwohl ich mir wahrscheinlich gerade mit dem, was ich gesagt habe, mein eigenes Grab geschaufelt habe.«

Er betrachtet mein Gesicht auf eine Weise, die sich sehr intim anfühlt, so als würde er versuchen, es sich einzuprägen. »Einen schönen Tag noch, Cosy.«

»Danke, Griffin. Ihnen auch.« Wow, das klang ziemlich belegt. Aber es gefällt mir, seinen Namen auszusprechen. Er rollt so schön auf der Zunge. Ich frage mich, ob ich ihn auf die gleiche Art aussprechen würde, wenn er … sagen wir mal … das aromatisierte Gel von meinem Körper lecken würde.

Er wirft mir noch ein verzagtes Lächeln über die Schulter zu, dann geht er hinaus.

Ich warte, bis sein Sportwagen den Parkplatz verlassen hat, bevor ich auf das gelbe Post-it mit der Nummer schaue. Er hat eine schöne Handschrift. Was überhaupt nichts zu bedeuten hat. Er könnte trotzdem eine besser angezogene, hübschere und wohlduftendere Version von Eugene sein.

Ich starre die Nummer ein paar weitere Sekunden an und bin mir bewusst, dass ich das nur tue, um sie mir einzuprägen. Ich schüttele den Kopf, zerknülle den Zettel und werfe ihn in den Mülleimer. Aber ich verfehle ihn, und der Papierball landet auf dem Boden und rollt direkt vor meine Füße. Ich sollte das besser nicht für ein Zeichen halten.

Ich glaube nicht einmal an Zeichen.

Wenn ich diesmal auf den Mülleimer ziele, werde ich ihn nicht verfehlen.