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The unholy Book of Tristan Wrangler – Reloaded

Deutsche Erstausgabe Juni 2016

© Don Bothbethy86@hotmail.de

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Alle Rechte vorbehalten!

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages. Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Lektorat: Belle Molina, Sophie Candice

Korrektorat: Belle Molina, Sophie Candice

Cover: Babels Art

Satz ebook / Print: Anke Neuhäußer

Erschienen im

A.P.P.-Verlag

Peter Neuhäußer

Gemeindegässle 05

89150 Laichingen

ISBN Mobi: 978-3-946484-81-3

ISBN e-pub: 978-3-946484-82-0

ISBN Print: 978-3-946484-83-7

Dieser Roman wurde unter Berücksichtigung der neuen deutschen Rechtschreibung verfasst, lektoriert und korrigiert.

Bisher von Don Both erschienen

Corvo – Spiel der Liebe

Mad Love

Bad Love

Immer wieder Verführung

Immer wieder Verführung – The End

Immer wieder Verführung – Sammelband

Immer wieder Special

Immer wieder Tristan und Mia

Dark Love – Reihe

Hope – mit Kera Jung

Forbidden Secret – mit Emily Key

Rock oder Liebe – Teil eins

Rock oder Liebe – unplugged

The unholy Book of Tristan Wrangler


Für alle, die wagen.

Für alle, die scheitern.

Für alle, die siegen.

Für alle, die leben.

Kurzbeschreibung

Dieses Buch erschien erstmals unter dem Titel: Immer wieder samstags – reloaded.

Mia Engel ist immer noch siebzehn Jahre jung, mollig und stammt nach wie vor aus ärmlichen Verhältnissen. Das ist aber auch schon alles, was beim Alten geblieben ist. Denn ihr persönlicher Sexgott hat nicht nur die Schönheit hinter der Fassade des Truthahns wahrgenommen, sondern ist Mia-Baby sogar regelrecht verfallen. Endlich hat er sich eingestanden, dass es wichtigere Dinge gibt als oberflächliche Attraktivität. Während die beiden darin schwelgen, ihren sexuellen Horizont stetig zu erweitern, braut sich Ärger zusammen, und zwar in Form von Eva Eber (macht ihrem Nachnamen alle Ehre) sowie Harald Engel (Teil der wütenden Erzeugerfraktion) … Werden ihre Seelen trotz der Widrigkeiten erkennen, was ihre Körper schon lange wissen – und zwar dass sie unwiderruflich zusammengehören?

Zweiter Teil des Amazon-Bestsellers.

Wagen Sie den Sprung … und sehen Sie hinter das Offensichtliche.

1. Wie alles begann!

Mia Engel, siebzehn Jahre jung, mollig, überzeugte Brillenträgerin, aus ärmlichen Verhältnissen kommend, oder kurz der Truthahn genannt, ist der Inbegriff eines unbeliebten Teenagers. Als würde dies noch nicht reichen, ist sie seit der ersten Klasse unsterblich in Aufreißer und absoluten Obermacho Tristan ›sexy‹ Wrangler verliebt – natürlich ohne jegliche Erwiderung des arroganten Gottes. Durch einen alkoholverursachten Unfall findet dieser sich eines Morgens mit dem Truthahn in seinen Armen wieder, was für sein kostbares Image den absoluten Super-Gau bedeutet.

›Immer wieder samstags‹ merkt er aber, dass Mia, obwohl sie nicht dem perfekten Supermodelbild entspricht, welches er im Bett normalerweise bevorzugt, andere Qualitäten besitzt und darüber hinaus auch die Macht, ihn ganz ohne Vorsatz um den hormongebeutelten Verstand zu bringen …

Ganz ohne etwas zu verlangen, verändert sie ihn, schleicht sich in sein Herz und nimmt es gefangen. Tristan (obwohl er es versucht) kann sich nicht mehr wehren ... Er lässt seine Mauern fallen und sieht ein, dass sein Mädchen alles ist, was er nie gesucht hat, aber immer brauchte. Doch eines Samstags geschieht das Unabwendbare. Von den innigen Gefühlen und ein wenig Alkohol geleitet, verlieren sich die beiden völlig ineinander – seelisch sowie körperlich – vor der gesamten Schule. Tristan zieht die Notbremse, stößt Mia-Baby von sich und versucht, sie vor dem größten Übel zu bewahren – sich selbst ...

***

»Du musst mich loslassen, Mia-Baby. Du musst aufhören, dich zwanghaft auf mich zu konzentrieren. Es gibt auch andere Dinge im Leben eines siebzehnjährigen Mädchens als ein sexbesessener Typ, der ein Arschloch ist.«

Hilflos schüttelte ich den Kopf, aber realisierte gleichzeitig, dass ich verloren hatte. Jede Faser schrie nach ihm, versuchte, sich an ihn zu ketten, ihn niemals gehen zu lassen, war bis zum Zerreißen gespannt. Bleischwer lastete die Unabänderlichkeit seiner Worte in dem abgeschotteten Raum des Wagens. Ich konnte ihn nicht überzeugen, wollte ihn nie einengen, nichts von ihm verlangen, also durfte ich es nicht komplizierter machen, als es war, auch wenn es mir das Herz brach. »Heißt das ... es ist ... aus?« Wie ich es schaffte, diese Frage zu formulieren und ihm damit mein Einverständnis gab, mich zu verlassen, diesen Traum endgültig zu beenden, würde mir immer ein Rätsel bleiben. Tristan presste die vollen Lippen aufeinander und nickte knapp. Seine Finger zitterten und zeigten nochmals eine Gefühlsregung, ansonsten wirkte er versteinert. Als er seine Hand fortzog, war es nicht nur der Verlust seiner Berührung, nein, die Wärme verschwand und wurde durch die eisige Kälte ersetzt, die Tristan fortwährend abzustrahlen schien. Alles andere von ihm war schon zu weit weg, unerreichbar. Sämtliches Blut wich aus meinem Gesicht, kalter Schweiß brach aus und ich wollte nur noch in der Leere versinken.

»Mia ...«, krächzte er und ein letztes Mal kehrte er zu mir zurück. Sein Schmerz war deutlich hörbar. Eine Qual, die er selber herbeigeführt hatte. Ein letztes Aufbäumen einer noch nicht komplett gebrochenen Seite brachte endlich die Wut zum Vorschein, die ich bereits herbeigesehnt hatte, die sich aber bisher nicht einstellen wollte. Er hatte kein Recht, Schmerz zu empfinden oder verletzt zu sein! Er hatte doch alles zerstört, hatte mir das Messer tief ins Herz gejagt! »Ich hasse dich!« Meine Aggression brach sich Bahn, aktivierte letzte Kraftreserven, die ich nutzte, um gegen seine harte Brust zu schlagen. Geschockt über mich selber, handgreiflich geworden zu sein, stoppte ich, riss die Tür auf und stolperte ins Freie. Keinen Augenblick länger hielt ich es neben ihm aus! Als Abschied trat ich mit voller Wucht gegen die Tür, drehte mich wortlos um und stürzte in Richtung meines Hauses. Mein Zorn verpuffte genauso schnell, wie er gekommen war, und hinterließ gähnende Leere, in der es nur Verzweiflung gab, die so schwer wog, dass ich sie nur gedämpft wahrnahm. Genauso gedämpft wie die Splitter meines gebrochenen Herzens, die sich durch meine Eingeweide fraßen.

Mit quietschenden Reifen brauste er davon, und mit jedem Meter, den sich Tristan von mir entfernte, wurde ich stärker in die Vergangenheit der letzten Jahre katapultiert. Allein und einsam, nur dass es diesmal richtig wehtat. Ich hatte geliebt und verloren. Er hatte mich geliebt und dennoch von sich gestoßen. Mit Licht war er in mein Leben gestürmt, um es dann voller Dunkelheit zu verlassen. Wo lag darin der Sinn?

Erschöpft fiel ich auf die Knie, schlug die Hände vor das Gesicht und schüttelte meinen Kopf. Die Tränen erhielten neuen Antrieb, quollen ungehindert aus meinen Augen, um zwischen meinen Fingern hindurch, stetig auf den kalten dunklen Steinboden zu fallen. Meine Energie war verbraucht. War alles nur ein Märchen? Das Zusammensein mit meinem Helden mit den dreckigen Gedanken und dem knallroten Audi konnte nicht echt gewesen sein. So viel Glück wurde mir noch nie zuteil. Aber war es denn Glück, wenn man in den Himmel gehoben wurde, um danach unweigerlich dermaßen hart aufzuschlagen, dass einem vor Trauer die Luft zum Atmen fehlte? Ich wusste es nicht. Ich wusste gar nichts mehr. Nur in einem war ich mir restlos sicher: Von diesem Verlust konnte ich mich unmöglich erholen. Niemals.

Ende Teil eins

2. Verdammt sei die Nettigkeit

Tristan ›sad‹ Wrangler

Ich konnte einfach nicht schlafen, und das schon seit Tagen.

Immer, wenn ich meine angestrengten Augen schloss, wartete da etwas auf mich: ihr Gesicht. Es verfolgte mich überall hin, hatte sich förmlich hinter meine Lider gebrannt und wollte partout nicht verschwinden. Dabei war es ebenso wunderschön wie in meiner Erinnerung, nur dass es jetzt tränenüberströmt und von Qualen verzerrt wirkte. Nach meiner Heimkehr an diesem verfickten Samstagabend hatte ich die fetteste Tüte geraucht, die die Welt je gesehen hatte, nur um mich zu beruhigen. Denn ganz ehrlich: Ich war ein nervliches Wrack und froh, dass ich die Fahrt überhaupt geschafft hatte, so sehr, wie ich zitterte. Selten war ich so durcheinander gewesen – oder gar ein so großer Wichser. Und das sollte echt was heißen! Wie hatte ich nur mein Mädchen so demütigen und sie in einem derart intimen, verletzlichen Moment fremden Blicken aussetzen können?

Inzwischen war offiziell, dass damit alles nur noch schlimmer geworden war. Durch mich, logisch, genauso, wie es Mia prophezeit hatte.

Die anderen würden sich nicht nur das Maul über sie zerreißen, sondern sie komplett zerfetzen. Tristan Wrangler, der mitten auf der Abschlussparty vor allen Schülern den Truthahn knallt. Ein ziemlich brisantes Thema, das deren Münder und Gedanken nicht sobald loslassen würde.

Wie konnte der Penner da oben oder irgendein ähnlicher Wichser nur so verschissen sadistisch sein? Hatte sie nicht schon genug Probleme? Musste ich da auch noch ihr Leben ruinieren – mit meiner dreckigen Klappe, meinem unersättlichen Ficker und dem größenwahnsinnigen Charakter?

Kurzum: Fuck!

Als der Joint vernichtet war, hörte ich Musik. Wie immer ohrenbetäubend laut ...

Doch nach einigen Minuten raste mein Vater wie ein wilder Stier in den Raum. Es war mitten in der Nacht und er – unglaublich – wollte wohl schlafen. Motzend drehte ich den Regler herunter, riss mir die Kleidung vom Leib und warf mich auf mein Bett.

Und jetzt lag ich hier. Auf dem Rücken, mit hinter dem Kopf verschränkten Armen und betrachtete das Einzige, was mich in Situationen wie diesen, in denen alles Drunter und Drüber ging, wirklich entspannte: mein Bild.

Genau genommen handelte es sich um die Zeichnung meiner Lichtung, auf der ich damals fast täglich gewesen war, nachdem mein Dasein so mir nichts, dir nichts zerstört wurde, als meine Mutter sich umgebracht hatte. Dort gab es alles, was man zum Relaxen brauchte: viele Bäume, deren Laub leise in der Brise rauschte, sattes, weiches Gras, den frischen Geruch von Pilzen, Tannen und ein kleines Bächlein, dessen Plätschern effektiver beruhigte als jede Meditations-CD.

Ich liebte diesen Ort. Er war mein heiligstes Heiligtum – neben meinem Bett. Deswegen konnte ich es nicht glauben, als damals in der Schule einfach so ein Gemälde davon hing.

Und hierbei ging es nicht einfach nur um ein Kunstwerk. Es strahlte genau das aus, was ich fühlte, wenn ich diese Zuflucht besuchte: Ruhe, Frieden, Geborgenheit. Beinahe wie Mia.

Ähnlich wie sie war es nämlich fucking perfekt. Jeder Grashalm, jedes blasse Wölkchen und jedes Blättchen schien mit Liebe zum Detail festgehalten. Man hätte es fast mit einem Foto verwechseln können und ich wollte so gerne erfahren, von wem dieses Wunder stammte. Doch die Lehrer schwiegen sich schmunzelnd aus – Arschkrapfen!

Nun sah ich mich wie üblich auf der großen Wurzel direkt über dem Bach sitzen. So musste ich die kilometerweite Wanderung nicht auf mich nehmen, um meinen Frieden zu finden, sondern konnte hier chillen und einfach nur die Zeichnung anschauen. Dieses Mal vermisste ich allerdings etwas neben mir auf diesem Holzgebilde der Natur: Mia Engel.

Seufzend vergrub ich die Finger in meinen Haaren, fuhr tief ausatmend über mein Gesicht und legte eine Hand auf meine Brust. Genau dorthin, wo es so verschissen schmerzte.

Ab jetzt würde sie in jeder Sekunde fehlen. Inzwischen wusste ich nämlich, was sie mir bedeutete: alles. Das würde immer so sein. Ganz klar. Sie konnte sich meiner ewigen Liebe sicher sein, ebenso dem Beschützerinstinkt ihr gegenüber. Dabei spielte es keine Rolle, dass ich alles versuchte, um einen Schlussstrich zu ziehen. Sie war mein Mädchen … für immer …

Und nicht nur das. Sie entsprach der Frau meines Lebens. Vergöttert und verehrt – bis in die Unendlichkeit –, jedoch auch zu gut für diese Welt. Zu gut, um auf einem beschissenen Baumstamm vor den anderen durchgefickt zu werden wie eine billige Nutte.

»Fuck!« Bei der Erinnerung an ihren Blick, als ihr klar geworden war, wo wir uns befanden und was wir getan hatten, zog sich mein Magen heftig zusammen.

Zunächst checkte ich die Möglichkeiten ab, den Partygästen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Leider funktionierte das nicht so einfach. Wie denn auch? Was hatten sie schon getan, außer mich zu nerven?

Dann gab es da meine großen Brüder und deren Schlampen, die mich nicht mit Mia in Ruhe ließen und ständig die Wahrheit erfahren wollten, um sie anschließend gegen mich zu verwenden, mich bloßzustellen und mein Mädchen fertigzumachen ... Wie man es jedoch drehte und wendete, selbst Tom und Phil konnte ich für meinen Mist nicht zur Verantwortung ziehen. Schließlich hatten sie nicht vor meinen Augen den heißesten Tanz hingelegt, den ich je sah, und nicht danach meinen Ficker in Mias Pussy gesteckt. Wäre ja auch echt eklig …

Ich gab noch nicht auf, versuchte immer zwanghafter, ein Opfer zu finden, um es für die Geschehnisse an den Pranger zu stellen. Ich konnte doch nicht wirklich so dermaßen schlecht sein, oder? Als Erstes war da selbstverständlich ... Mia … Klar! Letzten Endes war der gesamte geile Scheiß zwischen uns abgelaufen und mein Ficker in ihrer Pussy gewesen ... und was hatte der gejubelt und gejauchzt! Der Penner bereute übrigens nichts, wie üblich. Die Katastrophe war für den ein Freudentanz gewesen.

Aber genau das war doch auch ihr Ziel. Mia kannte mich gut – zu gut.

Begonnen bei ihrer Ankündigung, dass sie keinen verdammten Slip trug. Ohne Umschweife, einfach so. Dazu mein Wissen, dass sie jederzeit bereit für mich war. Sogar im Schlaf lechzte sie geradezu nach mir, wie sie mir vor ein paar Wochen eindrucksvoll bewiesen hatte.

Yeah, dann war da natürlich sie an sich: ihre Art, ihre Ausstrahlung, die bedingungslose Liebe zu mir. Manchmal fühlte es sich an, als müsse ich platzen. Ich verwandelte mich in einen liebeskranken Zombie, mein Körper übernahm das Denken und sorgte stets dafür, dass meine Begierden in die Tat umgesetzt wurden. Wollte ich mich also mit dieser wundervollen Person komplett vereinen, tat ich es eben. Nur gut, dass ich dabei nicht so wirkte wie die sabbernden, verschleimten Untoten in den Filmen. Denn das wäre ziemlich unsexy.

Auf jeden Fall war Mia Engel unschuldig, wie üblich.

Wäre ich ein dummer Scheißer, hätte ich sie verantwortlich gemacht, eben weil sie mit diesem manipulativen Mist zwischen uns begonnen hatte. Meine Beobachtungsgabe war scharf und so etwas wie Einfühlungsvermögen, wenn es um andere Menschen ging, besaß ich sehr wohl. Instinktiv wusste ich, was gewisse Gesten und Ausdrücke bedeuteten und ahnte meist, was die Leute in meiner Nähe dachten. Das stellte im Boxring einen meiner Vorteile dar. Und das Leben ist ja bekanntlich genau jener in groß, mit unzähligen Gegnern, die es zu besiegen gilt. Man sollte sie zu Boden befördern, bevor sie einen verletzen können. Daher hatte ich schon früh gelernt, ihre Schwächen und Stärken zu erkennen und mein Auftreten anzupassen, um sie damit zu manipulieren. Darin war ich perfekt und sie hatte von mir gelernt – leider.

Besonders meisterhaft verstand ich es jedoch, Frauen zu beglücken. Mir war klar, was sie wollten, schließlich hatte ich Hobelschlunzen mit Genuss studiert – von innen und außen sowie von hinten und von vorne, aber auch von der Seite ... Mein Mädchen verhielt sich keineswegs wie ihre Tittengenossinnen, eben weil es nicht so aufgewachsen war wie ein durchschnittlicher Teenager. Öffnete sie sich jedoch, wurde sie leicht durchschaubar. Einmal hinter die Fassade gelangt, konnte man gar nicht anders, als sich in sie zu verlieben.

An diesem berüchtigten Samstagabend war ich davon überzeugt gewesen, dass sie mich nicht abweisen würde. Ihre Gedanken drehten sich nur um mich, genauso wie meine nur um sie. Wir spiegelten sozusagen gegenseitig unsere Gefühle wider.

In dem Moment schien es so klar. So richtig ... Mia wollte mich, ich sie. Ganz fucking einfach!

Nach dieser kurzen Zeit puren Glücks war aber alles so fucking kompliziert geworden. Ich hatte meine Lider geöffnet, die bisher fest zusammengekniffen gewesen waren, und wurde geradewegs mit dem absolut fassungslosen Blick meines Bärenbruders Phil konfrontiert.

Niemanden sonst sah ich mehr an. Seine Miene reichte, um mir die Tragweite dieses Desasters zu verdeutlichen. Jetzt war es offiziell:

Tristan Wrangler würde wieder Scheiße fressen.

Verdammt! Raus! Ich musste hier weg. Sofort! Und mein Mädchen gehörte natürlich ebenfalls aus der Gefahrenzone gebracht. Also stand ich einfach so auf, wie wir waren, und marschierte mit ihr davon. Dabei war ich ziemlich froh, dass meine Hose nicht unter meinem Arsch baumelte und dass sie ein Kleid trug, welches das Wichtigste verdeckte. Wirklich schnell erreichten wir das Auto, und logischerweise verstaute ich sie erst mal in meinem Baby Nummer zwei. Dann stieg ich ein, ließ den Wagen an und trat gleich das Gaspedal bis zum Boden. So, wie ich zu ihr nach Hause raste, jagten die Gedanken durch meinen Kopf. Meine Ideen gingen nur blöderweise ausnahmslos in eine fatale Richtung.

Du kleiner Wichser bist nicht gut genug für dieses Mädchen. Du wirst sie niemals glücklich machen und ihr das bieten, was sie verdient, sondern sie zerstören und ihr Leben noch schlimmer werden lassen, als es ohne dich schon war ...

Denk nur ein verficktes Mal nicht an dich!

Hast du dir nicht geschworen, sie immer vor allem Leid zu bewahren? Sie zu schützen? Ja! Und das wirst du jetzt auch tun, gottverdammte Scheiße! Du setzt dem ein Ende und verteidigst sie vor dem größten Übel: dir selbst ...

Und als wir innerhalb von fünfzehn Minuten an dem hässlichen Plattenbau ankamen, wusste ich, was zu tun war.

Ich hatte sie verlassen und mich getötet. Yeah, wirklich cool! Aus Glückseligkeit wurde tiefe Trauer. Bei ihr war es dasselbe. Die großen offenen Augen verloren jeden Glanz, wurden stumpf und leer, als sie realisierte, dass ich sie zurückwies. Das war doch nicht möglich! Es war falsch, falsch, falsch!

Ihr zu sagen, sie würde einen anderen finden, ätzte wie Säure in meinen Adern. Mein Körper begann zu zittern, bei der Vorstellung von ihr in den Armen irgendeines Wichsers. Mein Befehl an sie, mich zu vergessen, fühlte sich an, als würde ich mich eigenhändig strangulieren. Als sie mich anflehte, bei ihr zu bleiben, mir entgegenhauchte, dass sie mich liebte, es für sie nie jemand anderes geben konnte und wir zusammengehörten, schrie mein Herz, dass sie recht hatte. Mia-Baby machte mich wieder mal so schrecklich schwach. Nur deshalb holte ich mir zum Schluss, was ich so dringend brauchte. Den Kontakt zu ihr. Ich berührte ihre weiche Wange und hämmerte mir dabei ein, dass dies das Ende war. Mein Entschluss stand fest, und ich wusste, dass sie es in meiner Mimik sah. Genau aus diesem Grund klammerte sie sich mit ihrem gesamten Sein an mich, wollte – konnte – mich nicht gehen lassen. Ein letztes Mal ihre zarte Haut spüren, ein letztes Mal in ihr wunderschönes Karamell eintauchen. Noch einmal gab ich nach …

Verzweifelt küsste sie meine Handfläche, überflutete sie förmlich mit Tränen und Schmerz. Und ich wollte nichts weiter, als sie in meine Arme ziehen, ihr klar machen, dass alles gut werden, ich sie niemals verlassen, und dass sie immer in meinem Herzen bleiben würde – selbst das war leider verboten.

Also baute ich sie erneut auf – jene Mauer, die ich jahrelang mit mir herumgetragen und die Mia Engel eingerissen hatte. Es tat physisch weh, mich vor ihr abzuschotten, aber ich schaffte es. Und danach … gingen das Leuchten, die Liebe und die Freude. Allein blieb ich in einem dunklen, leeren Raum zurück, in dem ich nur das Geräusch meines Atems und meines plumpen Herzschlages hörte.

Sie fragte mich, ob es aus sei, und die Worte brachten mich beinahe um. Sprechen war nicht länger möglich, aus Angst, dass ein einziger Ton die massive Wand zusammenbrechen lassen würde. Stattdessen nickte ich und entzog mich ihr. Taten mussten reichen, zu mehr war ich nicht fähig.

Was ich daraufhin in ihrem Gesicht erkannte, verfolgte mich bis heute: absolute Hoffnungslosigkeit.

Fuck! Ich hielt es kaum aus, mein Mia-Baby so zu sehen, hatte ich mir doch geschworen, sie nie wieder unglücklich zu machen. Fast knickte ich ein, alles in mir summte und vibrierte, der Putz bröckelte … verschissene Tränen brannten in meinen Augen. Aber dann – Gott sei Dank – kam ihr Hass! Und das war auch gut so, ich hatte es nicht anders verdient.

So einen Gefühlskrüppel wie mich sollte man besser nicht lieben. Hass war genau das Richtige, denn er machte es um so vieles leichter für sie. Das war das Wichtigste.

***

Trotzdem … Irgendetwas war immer noch verdammt falsch. Ich musste mit ihr zusammen sein, ohne sie funktionierte gar nichts mehr.

Das war mir innerhalb der letzten Tage klar geworden. Außerdem kehrte mein Egoismus in vollem Maße zurück, die Demütigung verblasste, die Erinnerung an die Geschehnisse dieses Samstags wurde fleckig. Ihre weichen Lippen, ihre zärtlichen Hände auf meinem Körper, ihr losgelöstes Lachen, ihr hingebungsvolles Stöhnen – das würde ich nie vergessen!

Doch um bei ihr zu sein – ohne sie zu zerstören! –, musste ich mich ändern. Wie ich das anstellen wollte? Keine Ahnung!

Aber ich wusste jemanden, der nicht halb so ahnungslos war ... Weil sie beide Personen kannte: mich und mein Mädchen.

Ich blickte auf die Uhr und angelte nach dem Handy, das sich am Boden neben meinem Heiligtum befand. Es war drei in der Früh. Sonntagmorgen, eine Woche nach dem Overkill. Sie war bestimmt wach und lag wahrscheinlich im Kingsize Bett meines Bruders. Genau der, der auch alles mit angesehen hatte … mich … in Mia, und der mich dafür ebenso fertigmachen würde wie Phil. Ich schluckte schwer und starrte das Telefon an.

Konnte ich es wagen?

Als ich mich durch meine letzten Anrufe scrollte, um Hexenschwesters Nummer zu wählen, erschrak ich mich fast zu Tode, weil es laut an meiner Tür klopfte.

»Fuck, Dad!«, rief ich wütend und sprang auf die Beine. Es war mir scheißegal, dass ich nur Shorts trug. Wenn es nach mir ginge, würde ich den ganzen Tag nackt herumlaufen. Wäre sowieso viel gemütlicher, seine Eier baumeln zu lassen.

Allerdings stoppte ich in der Bewegung, als ich ein leises, weibliches Kichern durch das Holz hörte, und riss kurz darauf fast die Klinke ab, weil ich mit Wucht daran zog. Mein Herz raste, blieb jedoch vor Enttäuschung beinahe stehen, als ich Vivis Glubschis bemerkte. Eine winzig kleine Sekunde hatte ich nämlich gehofft, mein Mädchen wäre da und würde mir einfach so verzeihen, wie sonst auch.

Ich war angepisst, obwohl ich Pumuckl eben anklingeln wollte und der mir mit seinem Auftauchen einige Arbeitsschritte abgenommen hatte. Ein schwarzes, mit Spitze besetztes, knappes Nachthemd hüllte sie ein, aber das interessierte mich einen Scheiß.

»Was machst du hier?«, fuhr ich sie an. Innerlich stöhnte ich entnervt über mich und meine unnötig ruppige Art.

»Ja, ich hab dich auch lieb, Tris. Schön, dass wir das geklärt haben. Und jetzt hab ich wirklich ein schlechtes Gewissen wegen dem, was passiert ist. Deshalb bin ich hier.« An meiner nackten Brust schob sie mich ins Zimmer und durchquerte es, um ihren mickrigen Hintern direkt auf meine Decke zu pflanzen! War das Weib nicht mehr ganz dicht?

»Geh sofort da runter!«, stieß ich knurrend hervor. Ich stand immer noch wie ein Idiot rum, und ihre Augen weiteten sich. Als ihr klar wurde, welchen Fehler sie soeben begangen hatte, sprang sie auf die dünnen Stelzen und tänzelte reumütig zum Sessel vor meinem Schreibtisch.

»Sorry, hab‘s vergessen ... Dein Heiligtum ist ja nur für Mia reserviert«, murmelte sie leicht verlegen.

Fuck! Der Name! Es tat weh! »Was willst du?«, erkundigte ich mich erneut, diesmal gelangweilt und schloss leise die Tür, während ich mit einer Hand durch meine mit Gel verklebten Haare strich. Und neeeein, das Gel war nicht eine Woche alt! Niemals! Ich war doch so ein selbstverliebter, verdammt eitler Scheißer … na gut … es war schon sieben Tage alt! Auf diese Art hielt ich es zurzeit mit meiner gesamten Körperpflege, sie fand nämlich faktisch nicht statt!

»Sicher nicht mit dir ficken!« Ähm, was? Um was ging es? Ach ja, was sie hier wollte …

»Natürlich nicht!« Mit halb zugekniffenen Lidern schlenderte ich zu meinem Bett, um mich selbst auf mein allerheiligstes Heiligtum zu setzen. Ich lehnte mich auf die Arme zurück und legte den Kopf etwas schief.

»Tristan Wrangler, du bist ein Idiot!«

»Ich weiß«, erwiderte ich ungerührt, denn das war mir vollkommen bewusst.

»Es war absolut falsch, sie vor allen zu ficken.«

»Ach echt?«

»Sie hat es ehrlich nicht leicht.«

»Wirklich!« Ich war immer erstaunter.

Vivi rollte mit den Augen. »Du musst dich ändern!«, platzte es plötzlich aus ihr heraus und ihre Arme flogen nach oben.

»Ich weiß.« Was sollte ich sonst sagen? Dieses Mal stockte sie und starrte mich an.

»Du weißt?«

»Ja.« Ich zuckte mit den Schultern.

»Oh!« Das klang verwundert und sie tippte sich gedankenverloren gegen die Unterlippe. »Also … das ist einfacher, als ich dachte. Du weißt, dass du sie menschenunwürdig behandelt hast?«

Dieser Ausdruck ließ mich erschaudern und »Hm« brummen.

»Wow!« Ihr ehrfürchtiges Fixieren wurde stetig penetranter. Ich beobachtete währenddessen die wahnsinnig interessanten Bäume vor dem Fenster, fühlte ihren Blick aber trotzdem. Als ich sie schließlich anvisierte, fuhr sie zusammen.

»Und das war es schon? Wow? Du weißt doch sonst immer über alles Bescheid. Machst komische Pläne und mischst dich überall ein und hier übst du dich in verschissenem Minimalismus? Ein verdammtes Wow?«, ätzte ich.

Sie grinste. »Nicht wirklich.«

»Und?«

Das war der Startschuss zu Größerem. Hätte ich bloß meine Klappe gehalten. »Du solltest dringend lernen, die Leute um dich herum zu achten, und zwar so, wie sie sind.« Ich schloss entnervt die Lider, denn das war mir bereits bekannt. »Schau! Du musst damit aufhören!«

»Womit?«

»Mit deiner überheblichen Art! Du bist nicht der König der Welt und schon gar nicht der Beste in allem!«

»Stell dir vor, das weiß ich auch!«, knurrte ich.

»Aber du versuchst ständig, deine Schwächen mit angeblicher Stärke zu überspielen«, stellte sie fest.

»Okay, du Superhyperpsychotante, was hat der Scheiß jetzt mit Mia zu tun?«

»Ganz einfach! Es wird Zeit, dass du die Menschen überhaupt würdigst, um Mia respektieren zu können.« Ich wollte ausrufen, dass ich Mia sehr wohl respektierte. Allerdings musste ich mir eingestehen, dass ich sie in diesem Fall nicht so gefickt hätte, also schnaubte ich ziemlich tief und strich mit beiden Händen durch meine Haare. Ihre Logik klang logisch. Okay ...

»Sei mal nett, Tristan. Wer Nettigkeit sät, wird Nettigkeit ernten. Glaub mir.« Aufmunternd und total in ihrer Therapeutentour gefangen, schmunzelte sie mich an.

»Schön! Dann bin ich eben nett!« Ich rotzte das Wort hervor, als wäre es verflucht, und sie lachte.

»Gut. Sag was Freundliches zu mir«, forderte sie wieder ernst und ich verzog beinahe schmerzhaft das Gesicht. »Mach schon. Das ist deine erste Übung am lebenden Objekt. Je öfter du dich liebenswürdig aufführst, umso leichter wird es dir fallen«, versprach sie.

Ich konnte mir das Augenverdrehen nicht verkneifen, aber schließlich dachte ich mir: Scheiß drauf!

»Du scheinst ja eigentlich ganz ... in Ordnung zu sein«, murmelte ich etwas zaghaft und überlegte angestrengt, was ich noch sagen sollte. »Und du ... bist für die Menschen da, wie so eine kleine Mutter Theresa in Hexenform.« Sie kicherte. »Du magst mein Mädchen, allein deswegen bist du einigermaßen cool, okay?« Der letzte Satz kam schneller als die vorhergegangenen und hörte sich ein wenig aggressiv an.

Sie strahlte. »Siehst du, das war doch gar nicht so schlimm! Und jetzt kommt die Nettigkeit zurück: Ich mag dich nämlich auch. Du bist ehrlich und nimmst kein Blatt vor den Mund, und tief in dir drinnen schlägt dein Herz am richtigen Fleck ...«, trällerte sie fröhlich und ich schnaubte.

»Wär ja schlimm, wenn’s im Arsch schlagen würde«, hakte ich murmelnd ab. »Und morgen? Da muss ich nach der Schule das beschissene Interview mit ihr führen. Ich hab sie die gesamte Woche nicht gesehen …«

»Ich weiß.« Sie funkelte mich plötzlich so seltsam an, dass ich unwillkürlich die Luft anhielt. Vivi plante bereits wieder. Oh fuck, auf was hatte ich mich hier nur verfickt noch mal eingelassen?

»Du wirst während des Interviews der perfekte Gentleman sein, ihr die Jacke abnehmen, den Stuhl zurechtrücken, dich zurücklehnen, und Tristan, du machst sie nicht an!«

Total angeekelt musterte ich sie. »Du hast da anscheinend was nicht kapiert.« Meine kleine Göttin anzumachen, geschah ganz von selbst. Dagegen war ich absolut machtlos!

»Nein!« Mit ihrem erhobenen manikürten Zeigefinger fuchtelte sie vor meiner Nase herum. »Du hast was nicht verstanden! Du sollst sie wie eine Lady behandeln. Glaubst du, das bringst du zustande? Wenn du nämlich wirklich nicht mal dazu fähig bist, kannst du sie vergessen. Sie ist kein Objekt ... keine Taschenmuschi, die du jederzeit zu deiner Befriedigung benutzen darfst, so wie es dir passt. Sie besitzt auch Gefühle und Bedürfnisse, und im Moment denkt sie, sie könne dich nur durch Sex halten. Das ist doch nicht richtig, oder? Du liebst mehr an ihr als nur ihren Körper, nicht wahr?«, fragte sie fast flehend.

»Natürlich«, stöhnte ich schwer. »Ich liebe alles an ihr.« Womit ich es zum ersten Mal in meinem Leben ausgesprochen hatte. Einfach so … und das, ohne vom verdammten Blitz getroffen zu werden und auf der Stelle tot umzufallen.

Vivi lächelte sanft. »Dann kümmere dich endlich um alles. Um ihre physischen Wünsche, aber auch um ihre geistigen. Somit wird sie lernen, dir nicht nur im Bett zu vertrauen, das ist es nämlich, was du willst. Also glaubst du, das schaffst du?«

»Ich denke schon …«, antwortete ich leicht entnervt. Sie blickte mich skeptisch an und verschränkte ihre Ärmchen vor der Brust.

»Glaubst du das echt, oder tust du nur so?«

»Ja, Mann!« Nun war ich wirklich pissig. Ich hoffte, sie würde nicht noch mal fragen, denn ansonsten hätte ich meine Nettigkeitsregeln kaum, dass sie festgelegt waren, sofort verletzen müssen.

»Gut!« Vivi grinste breit und stand auf. »Ich denke, ich werde mal wieder hochgehen. Tom ist bestimmt mit dem Kotzen fertig«

»Der Idiot säuft viel mehr, als gut für ihn wäre.«.

»Wenigstens tut er das nur samstags ...«

Samstags ... Diese Samstage hatten es ehrlich in sich. Ich seufzte, als ich an Tom und seine Reaktion auf meinen entblößenden Fick mit Mia Engel dachte. Bis jetzt hatte ich ihm, so wie allen anderen Lebewesen mit Erfolg aus dem Weg gehen können.

»Was sagt er eigentlich dazu?«, erkundigte ich mich tonlos und fühlte mich unwohl. Komischerweise verzog sich ihr Gesicht nicht auf die Art, wie ich vermutet hatte. Sie wirkte statt besorgt eher amüsiert.

»Frag ihn selbst!«

»Hä?« Wie auf Befehl klopfte es und ich erschrak mich beinahe zu Tode – schon wieder. Kein Wunder, ich war ja auch gnadenlos übermüdet. Vivi musterte ich äußerst misstrauisch. Wie hatte sie wissen können, dass es gleich klopfen würde?

Meine Mimik sprach wohl Bände, denn sie schwang gestresst eine Hand. »Ich habe vielleicht seine Schritte gehört, du kleiner Dödel!«, lachte sie und Tom polterte – wie ich nur mit Shorts bekleidet –, energisch ins Zimmer. Er schwankte nicht allzu sehr, hatte sich demnach ausgereihert und durfte somit meinen Tempel betreten.

»Was machst du hier?«, fragte er Vivi mit vorwurfsvoll gerunzelten Brauen, schnappte ihre schmale Taille, zog sie besitzergreifend an sich und pflanzte einen Kuss auf die fuchsroten kurzen Strähnen. Kichernd schlang sie ihre Arme um seine Hüften. Was sollte sie schon halb nackt mitten in der Nacht bei mir tun? Sie gab mir Psychogeheimtipps!

»Ich unterhalte mich nur ein bisschen mit deinem kleinen Bruder.« Sie zwinkerte mir zu; der Saftsack visierte mich mit verengten Augen an und löste sich von Vivi. Flüchtig kam ich mir vor, als wäre ich wieder vier und er sechs (oder scheiße acht?). Bereit, mich zusammenschlagen zu lassen, weil ich mich nicht wehren konnte.

Gleich würde er ihn loslassen, den Bombenzerstörungsspruch. Ich hielt vorsichtshalber den Atem an und wartete: Los! Sag es! Sag was Schlechtes über mein Mädchen, dann können wir loslegen!

Aber er legte die Stirn in Falten, verringerte die Distanz zwischen uns, kam plötzlich auf mich zu, packte mich an den Schultern und drückte mich an seine Brust. Direkt in den dichten Pelz, der dort genauso blond schimmerte wie das Haar auf seinem Kopf und mir in mein Riechorgan stach. Ich starrte sein entblößtes Fleisch an und wusste nicht, ob ich ihn angeekelt von mir stoßen oder vor Erleichterung heulen sollte. Denn das war wirklich nicht die Reaktion, die ich nach der Ex-Truthahn-Enthüllung erwartet hatte.

»Äh … Tommy?« Verwirrt linste ich zu Vivi, die grinsend ihre Nase kraus zog, und sich meinen Regalen zuwandte.

»Oh Tris ... Du musst dich nach der phänomenalen Scheiße echt ins Zeug legen, Alter«, murmelte er.

»Was?« Ich rückte von ihm ab und nahm diesmal ihn an den Schultern, um ihn mit einer Bewegung neben mir aufs Bett zu befördern. »Was zum Fuck willst du damit sagen?«

Leicht verschleiert sah er mich an. »Weißt du eigentlich, wie du sie am Samstag gefickt hast?«, erkundigte er sich leise. Entsetzt wartete ich, bis er weitersprechen würde, denn offenbar meinte er diese Frage verdammt ernst.

»Verdammt tief?«, riet ich unsicher, als von ihm nichts mehr kam.

Er lachte verhalten, doch dann wuschelte er mir plötzlich durch die Haare. Also er versuchte es. Da war nur leider eindeutig zu viel Uralt-Gel. Seine Finger verfingen sich und er riss sie fluchend und umständlich aus meiner dichten, sagenumwobenen, dunkelbraunen Masse, was scheiße wehtat. Ich widerstand dem Drang, ihm seine verschissenen ungeschickten Wurstfinger abzuhacken.

»Du benimmst dich manchmal wie ein kompletter Idiot!«, begann er schließlich, als er seine Hände irgendwann befreit hatte. »Aber trotzdem bist du mein kleiner Bruder. Ich liebe dich ...« entsetzt blinzelte ich ihn an: Es war ihm wirklich ernst. Fest erwiderte er meinen Blick. Grünbraun in Blau. »Glaubst du etwa, ich bin total blöd? Ich habe miterlebt, wie du dich die letzten Wochen verändert hast. Weißt du, dass du neuerdings so häufig lächelst wie damals, als Mum noch da war? Als es uns noch gut ging?« Dass er das jetzt so deutlich machte, schockte mich. Wir redeten nie über sie, und weswegen unser Leben so im Arsch war.

»Du bist glücklich, weil du sie liebst! Und du hast sie auch mit Liebe ge ... fuck, nein, das war kein Ficken ... das war Lieben, Alter. Ich hätte nie geglaubt, dass du so was überhaupt kannst. Es ist alles so intim zwischen dir und Mia, jeder einzelne Moment. Wenn man euch zusammen beobachtet, kommt man sich vor, als würde man ein altes Ehepaar durch ihr Wohnzimmerfenster bespannen. Du hast sie echt geliebt. Nur verdammt noch mal am falschen Ort, du riesengroßer, schwanzgesteuerter Depp!«

Damit stieß er mit den Fingerspitzen rügend gegen meinen verfluchten Schädel, und ich griff mir mit gespitzten Lippen an die Stirn.

Tom lachte erneut. »Man könnte meinen, du wärst fünf und ich hätte deinen Bagger geklaut.«

Bei der Erinnerung schmollte ich sogar noch mehr. »Den Gelben?«

»Welcher Bagger ist nicht gelb?«

Grinsend zuckte ich die Schultern. Aber es gab Wichtigeres: »Also findest du es nicht ... abgedreht? Ich und … Mia?«

»Mann, spinnst du? Ich finde es höchstens abgedreht, dass sie es geschafft hat, dir die Idiotie auszutreiben oder besser gesagt, auszuficken.«

»Hmm, das hat sie wohl ...«

»Baby, du hast gute Arbeit geleistet. Deine Gehirnwäsche hat eins a gewirkt. Er kann denken!«, verkündete Tom seiner Freundin, die übrigens während der gesamten Zeit die Musik in meinem CD-Rack inspiziert hatte, als wäre sie gar nicht anwesend.

»Ich weiß«, betonte sie nonchalant.

»Ihr seid so bescheuert«, grummelte ich vor mich hin, achtete jedoch darauf, dass sie es ja hörten. Die Idioten lachten nur lauter und ich verdrehte die Augen. Aber dann fiel mir wieder die Tragödie ein, und ich seufzte tief.

»Das wird schon! Sie liebt dich, du liebst sie! Du fickst sie gerne, sie lässt sich gerne von dir ficken …« Erfreut schlug Tom mir auf den Rücken und ich funkelte ihn einschüchternd an. So hatte er nicht über mein verdammtes Mädchen zu sprechen! Er konnte sich immer noch nicht alles erlauben, auch wenn er mein großer Bruder war, der soeben bedingungslos meine Gefühle akzeptiert hatte und mich nicht wegen meiner Schwäche für Mia-Baby fertigmachte.

»Ohhhh, Tristan ist bööööse!« Tom tat, als würde er sich vor Angst schütteln und erhob sich. »Wir sollten schleunigst verschwinden, bevor er seinen Schlagring auspackt ... und das ist kein Scherz. Er hat einem Typen, so einem aufgepumpten Vollhonk namens Paul, mal damit die Zähne aus der Fresse gehauen, weil er gegen ein Auto gepinkelt hat, das neben seinem Audi stand, und dieser ein paar physikalisch nachweisbare Spritzer hätte abbekommen können. Das muss er sich aber abgewöhnen, denn auf so was steht seine Mia überhaupt nicht.« Er nahm die Hand der lachenden Minihexe und zwinkerte mir spitzbübisch zu, während er sie aus dem Zimmer zog.

»Der Penner hatte es nicht anders verdient«, brummte ich gelangweilt.

Fuck! Diese ganze Nettigkeitstour ließ mich schon jetzt wie ein Weichei erscheinen! Wo war nur meine geniale, grandiose, geile, heiße, absolut fantastische Einschüchterungstaktik geblieben?

Wo waren meine Mauern? Ach ja ... Mia hatte sie eingerissen, die Frau, die ich liebte.

Morgen würde ich sie wiedersehen und versuchen, sie zurückzugewinnen – auf ehrlichem Wege, ohne ständig mit ihr zu spielen.

Ich würde daran arbeiten, ein besserer Mensch zu werden. Für sie ...