Klaus Kopka wurde 1964 in Frankfurt am Main geboren. Da seine Mutter in einem Reisebüro arbeitete und Englisch sprach, waren Individualreisen von Beginn an Teil seines Lebens.
Seine erste selbstorganisierte Reise führte ihn zusammen mit vier Klassenkameraden im Alter von 16 Jahren per Fahrrad durch die Bretagne. Neben Europa waren es anfangs Länder wie die USA, Kanada, Neuseeland und Australien die sein Interesse als fahrradgeeignete und sichere Reiseländer auf sich zogen. Nach seinem Studium der Architektur in Frankfurt konzentrierte er sich zunehmend auf Reisen nach Lateinamerika und Asien. Insgesamt verbrachte er bis 2014 über 70 Monate auf Reisen und hat sich dadurch ein umfangreiches Wissen um die Organisation von Individualreisen angeeignet.
Bibliografische Informationender Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothekverzeichnet diese Publikation inder Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sindim Internet über www.dnb.de abrufbar.
Copyright © 2014 Klaus Kopka
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
Umschlaggestaltung:
Klaus Kopka
Umschlagfoto: Klaus Kopka, Vava’u, Tonga
Printed in Germany
ISBN: 978-3-7357-6418-8
Das Buch soll Mut und Lust machen, auf eigene Faust die Welt zu erkunden. Es richtet sich sowohl an Reise-Einsteiger als auch an Pauschalreise-Aussteiger. Beide Gruppen werden sich die gleichen Fragen, Bedenken, vielleicht sogar Ängste teilen.
Mit diesem Buch möchte ich das Wissen vermitteln, das für die erfolgreiche Umsetzung einer selbst organisierten Reise erforderlich ist. Der Sprung ins kalte Wasser ist selbstverständlich eine denkbare Variante und für all jene mit ausreichend Zeit und Geld nicht die schlechteste.
Für alle Anderen jedoch kann der Berg an anfänglicher Ungewissheit dazu führen, sich erst gar nicht der Situation aussetzen zu wollen, was mit Sicherheit eine traurige Lösung wäre.
Mit Hilfe von über 30 Jahren Reiseerfahrung möchte ich Ihnen ein realistisches Bild vom Reisen ohne Veranstalter vermitteln.
Um die Lektüre nicht zu trocken ausfallen zu lassen, habe ich mich entschlossen, persönliche Erlebnisse aus meinen Reisen an passender Stelle einzufügen. Dabei greife ich teilweise auf Aufzeichnungen zurück, die während meiner Reisen entstanden sind.
Definition: Das von mir verwendete Wort „Reiseführer“ bezeichnet immer einen „Führer“ in Buch- oder Ebook-Form und nicht die Reiseleitung in Gestalt einer Person.
Und jetzt wünsche ich Ihnen viel Spaß dabei, sich Lust auf die Planung Ihrer ersten Individualreise zu holen!
Klaus Kopka
Bei einer Pauschalreise werden von einem Reiseveranstalter Reiseleistungen wie Anreise, Unterkunft, Verpflegung sowie Ausflüge und sonstige Programmpunkte als "Paket" verkauft. Bei einer Individualreise muss sich der Reisende um die Buchung dieser Einzelleistungen selbstständig kümmern. Dabei ist jegliche Art der Kombination denkbar. Eine überaus gängige Variante ist es, sich selbst um Anreise und eventuell Unterkunft zu kümmern und vor Ort weitere Einzelleistungen wie Tagesausflüge o.ä. dazu zu buchen.
Diese Art des Reisens ist definitiv mit mehr Arbeit verbunden. Als Pauschalreisender reicht es theoretisch, ein Land kennenlernen zu wollen und sich das passende Reisedatum beim Veranstalter seines Vertrauens herauszusuchen und zu buchen. Getreu nach dem Motto "das wird schon schön werden".
So einfach kann man es sich als Individualreisender nicht machen. Man wird kaum umhin kommen, sich mit dem Land vorab zumindest grob auseinanderzusetzen.
Wenn genügend Zeit zur Verfügung steht oder nur ein sehr überschaubares Gebiet bereist werden soll, reicht es, sich nur um die Anreise zu kümmern und einen halbwegs aktuellen Reiseführer zu erwerben. Diese Reiseführer sind informativ genug, um sich vor Ort spontan das nächste Ziel heraus zu suchen.
Früher habe ich oft die Zeit während des Hinfluges genutzt, um mir im Reiseführer ein Hotel herauszusuchen und alles weitere ergab sich vor Ort mit Hilfe eben dieses Reiseführers oder Empfehlungen anderer Reisender. Noch spontaner würde man freilich reisen, verzichtete man gänzlich auf einen Reiseführer. Für diesen Schritt bräuchte man allerdings wirklich sehr viel Zeit und müsste für zahllose Enttäuschungen offen sein. Als positives Ergebnis wäre zu verbuchen, dass man notgedrungen einen viel intensiveren Kontakt sowohl zur einheimischen Bevölkerung als auch zu anderen Reisenden suchen müsste. Dies würde den Charakter der Reise stark beeinflussen, da die Kommunikation in den Vordergrund rücken würde.
Möchte man in 2-5 Wochen (durchschnittliche Reisezeit für Berufstägige) ein Land oder auch nur eine Region kennenlernen, empfiehlt es sich, etwas rationeller vorzugehen. In der Regel buche ich mir einen Flug und suche mir am Zielort über das Internet vorab eine Unterkunft für die ersten Übernachtungen. Nach einer anstrengenden Anreise möchte ich nicht noch auf Hotelsuche gehen müssen. Dies lässt sich bequemer von zu Hause aus über das Internet erledigen (siehe hierzu „Flüge & Co über das Internet buchen“).
Meist habe ich auch meine Reiseroute schon grob durchgespielt. Sind die Entfernungen zu groß, um sie sinnvoll auf dem Landweg zurücklegen zu können, buche ich schon von zu Hause die notwendigen Inlandsflüge dazu. Die Erfahrung zeigt, dass man damit vor Ort nicht unnötig Zeit verliert und preislich bleibt es sich meist gleich. Außerdem ist das Risiko groß, dass es just an dem gewünschten Tag keine freien Plätze mehr gibt. Dadurch besteht die Gefahr, Zeit zu verlieren oder im ungünstigsten Fall seine Planung gänzlich umwerfen zu müssen.
Hat man sich entschlossen, bereits von zu Hause aus die Inlandsflüge zu buchen, kommt man nicht umhin, seine Reiseroute recht konkret durchzuplanen. Dies ist eigentlich nur Personen zu empfehlen, die schon über Reiseerfahrung verfügen, da man einschätzen können muss, wie lange man für welche Aktivitäten vor Ort brauchen wird. Da dieses Buch Individualreise-Neulinge ansprechen möchte, kann ich hier nur einen kurzen Eindruck davon vermitteln, welcher Grad an Vorausplanung von zu Hause aus möglich und auch sinnvoll sein kann.
Im Dezember 2011 habe ich mit meiner Partnerin Kolumbien bereist. Ein Blick auf die Landkarte und ein paar Stunden Reiseführer-Studium haben gezeigt, dass die Entfernungen groß und die Sehenswürdigkeiten über die gesamte Landesfläche verteilt sind. Unsere vier Wochen hätten nie ausgereicht, um sich mit straßengebundenen Verkehrsmitteln einen kulturellen wie landschaftlichen Überblick zu verschaffen.
Schnell wurde klar, dass man Inlandsflüge in den Reiseplan integrieren sollte. Letztlich haben wir uns für drei Flüge entschieden, nachdem wir die Zeiten dazwischen so gut es uns möglich war durchgeplant hatten. Hat man die Flüge gebucht, weiß man auch an welchem Tag man seine Zwischenziele erreichen wird. So macht es durchaus Sinn, auch diese Unterkünfte vorauszubuchen. Da wir uns darüber hinaus entschlossen hatten, eine knappe Woche in einer DschungelLodge unterzukommen, war die Reise, bevor wir überhaupt aufgebrochen sind, schon ziemlich "verplant". Letztlich mussten wir uns nur um vier Übernachtungen in Kolumbien selbst zu kümmern.
Früher hätte mich diese Vorstellung gänzlich abgeschreckt und wenn ich diesmal mehr Zeit gehabt hätte, wäre ich wohl ebenfalls nicht auf die Idee gekommen. So jedoch machte diese Art der Vorplanung Sinn und wir hätten die Reise rückblickend betrachtet nicht anders machen wollen.
Ein weiteres Beispiel.
Im Dezember 2012 entschlossen wir uns zu einer Reise nach Myanmar. Ich war fünf Jahre zuvor dort gewesen und hatte ein ausgesprochen entspanntes Reisen in Erinnerung, zumal es damals kaum Touristen gab. Als wir anfingen, uns über eine mögliche Reiseroute Gedanken zu machen (der Flug war bereits gebucht), mussten wir feststellen, dass wir in jenem Jahr nicht die einzigen waren, die auf die Idee kamen, dem früheren Burma einen Besuch abstatten zu wollen. Die Infrastruktur des Landes, speziell die Versorgung mit Unterkünften, konnte die zu erwartende Nachfrage kaum befriedigen. Das Land, in dem lange Zeit ziemlich alles reglementiert war, begann sich zu öffnen und der reiselustige Teil der Welt wollte partizipieren. Ob Individual- oder Pauschaltourismus, im Jahr 2012 wurde zum allgemeinen Aufbruch geblasen. Die Gesetze der Marktwirtschaft griffen bei den nur begrenzt vorhandenen Unterkünften ebenso wie in jedem kapitalistischen Land. Hotels, die vor fünf Jahren noch 20 $US gekostet hatten, waren 2012 kaum unter 60 $US zu bekommen. Wohl gemerkt ohne Änderung der Ausstattung. Im Gegenteil, diese war fünf Jahre älter geworden. In Reiseforen wurde berichtet, dass Touristen teilweise in Klöstern übernachten mussten, weil keine Zimmer mehr zur Verfügung standen. Für einige mag dieser Umstand zum erinnerungsreichsten Teil Ihrer Reise geworden sein, für die meisten jedoch nur stressig. Voraus geht gewöhnlich ein stundenlanges Suchen, ob nicht doch noch irgendwo ein Zimmer zu ergattern ist. Hat man am Ende doch noch eines gefunden, so ist das Preis-Leistungs-Verhältnis mit Sicherheit abenteuerlich.
Um Überraschungen dieser Art zu vermeiden, hatten wir uns entschlossen, die Reise weitestgehend von zu Hause vorzuplanen. Neben der angespannten Zimmersituation gab es auch einen Engpass an Flugtickets im Land. Da Straßenverbindungen oft schlecht sind, das Land relativ groß ist und die Überlandverbindungen mit langen Fahrzeiten verbunden sind, macht das Integrieren von Inlandsflügen sehr wohl Sinn. Wir fingen an, eine Route auszuarbeiten und uns um mögliche Unterkünfte und Flüge zu kümmern. Die Web-Seiten der vier inländischen Fluggesellschaften waren über lastet und auch direkte Anfragen blieben unbeantwortet. Die Reservierung der Unterkünfte war einfacher. Zwar zeigte sich, dass schon drei Monate vorab einige Unterkünfte aus gebucht waren, die meisten ließen sich allerdings problemlos online buchen. Einige wenige mussten wir tatsächlich telefonisch anfragen, aber nach zwei Wochen waren sämtliche Unterkünfte reserviert. Einzig, dass wir immer noch keinen unserer vier Inlandsflüge reservieren konnten. Letztlich baten wir unser Hotel in Yangon, dies für uns zu erledigen. Wir waren äußerst skeptisch, aber kurz nach unserer Ankunft bekamen wir sämtliche Flugtickets ohne Provisionsaufschlag ausgehändigt.
Die Flexibilität, einer der großen Vorteile der Individualreise, war dahin. Dafür hatten wir uns zeitraubende Organisation vor Ort erspart. Ein Tausch, der sich allemal gelohnt hatte, wie wir während der Reise wiederholt feststellen mussten.
Dies sollte nur ein weiteres Beispiel dafür sein, wie sehr man, falls gewünscht, eine Reise von zu Hause aus vorbereiten kann. Wem es also sympathischer ist, während des eigentlichen Reisens den organisatorischen Aufwand so gering wie möglich zu halten, kann die gesamte Reise gemütlich von zu Hause aus über Wochen oder Monate ausarbeiten und durchplanen.
Die Vor- und Nachteile einer Individualreise werden bei Wikipedia wie folgt beschrieben:
„Zentraler Vorteil einer Individualreise ist die größere Flexibilität. Der Kunde kann die Reise maßgeschneidert nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zusammenstellen, die zu besuchenden Orte selbst auswählen und den Zeitplan selbst bestimmen. Insbesondere erlangt er so auch Zugang zu Orten, die im Rahmen von Pauschalreisen mangels Nachfrage oder wegen schwerer Durchführbarkeit nicht angeboten werden.
Andererseits trägt der Reisende den Organisationsaufwand und die Verantwortung für das Gelingen selbst. Kann er etwa einzelne Leistungen deshalb nicht nutzen, weil andere ausfallen, so muss er sie ggf. trotzdem bezahlen. Auch hat er keinen zentralen Ansprechpartner, sondern muss sich mit einer Viel zahl von Akteuren auseinandersetzen.“
Eine Reise beinhaltet eine Ortsveränderung über den persönlichen Bewegungsradius des Alltags hinaus. Um sie vom Tagesausflug abzugrenzen, sollte sie mindestens eine Über nachtung beinhalten.
Die Organisation der Fortbewegungsmittel sowie der Unterkünfte stellt also den zentralen Bestandteil der Reiseorganisation dar.
Wenn ich in Frankfurt wohne und über das Wochenende zur „Dokumenta“ nach Kassel fahre, so ist dies selbstverständlich eine Reise. Organisiere ich An- und Rückreise sowie die Unterkunft selbst, handelt es sich folgerichtig um eine Individualreise. Städtereisen wie die eben beschriebene Reise nach Kassel sind verhältnismäßig einfach zu organisieren. Je nach Entfernung zum Ziel wähle ich das passende Verkehrsmittel, sowie die meinen Bedürfnissen entgegenkommende Unter kunft.
Ob ich für diese Städtereise von Frankfurt nach Hamburg fahre oder nach Rom, New York oder Peking fliege ist im Grunde egal. Wir kennen die Verkehrsmittel, wir vertrauen darauf, dass sie uns zum Ziel bringen. Aber schon der Weg zum gebuchten Hotel unterscheidet sich. Ist in Hamburg die Welt aufgrund der gemeinsamen Kultur noch halbwegs vertraut, trifft dies bei den drei anderen Zielen kaum mehr zu. Hier hilft uns die deutsche Sprache nicht mehr weiter und ob der italienische Taxifahrer in der Lage ist, Englisch zu sprechen, darf ebenso bezweifelt werden. Dafür kommen uns Straßenbild und Verkehr noch halbwegs bekannt vor. Dies darf im Falle von New York oder Peking nicht erwartet wer den. Spätestens in Peking stellt der Weg vom Flugzeug ins Hotelzimmer eine gewisse Herausforderung dar.
Zum Glück sind in den Reiseführern diese Wege ziemlich detailliert beschrieben, so dass man sich vor der Ankunft mit den Begebenheiten vor Ort vertraut machen kann. Zumindest der Transfer mit dem Taxi sollte ohne größere Aufregung möglich sein.
Dies ist sowohl Segen als auch Fluch eines Fluges. Man kann in relativ kurzer Zeit an einem uns gänzlich fremden Ort sein. Die Geschwindigkeit jedoch lässt keine behutsame Adaption zu. Man wird in eine fremde Welt gespuckt und muss mit ihr sofort in der Lage sein umzugehen.
Haben wir uns ein Ferienhaus in der Toskana gemietet, so nähern wir uns dem Ziel gewöhnlich langsam mit dem eigenen Fahrzeug. Italiens Straßen sind uns vertraut, bevor wir unser eigentliches Ziel erreicht haben. Es ist mit Sicherheit die behutsamere Art und Weise, sich mit der Fremde vertraut zu machen.
Beide vorgestellten Modelle beinhalten die einmalige Anreise zum Urlaubsziel, eine gewisse Zeit am bzw. in der Umgebung des Ziels sowie die Rückreise. Die nächste Stufe einer Individualreise nimmt die Rundreise im eigenen Fahrzeug ein, ob von zu Hause aus gestartet oder vor Ort gemietet. Der einzige Unterschied besteht im Grunde darin, dass das eine Ziel um beliebig viele andere ergänzt wird. Jeweils muss man sich mit der Wegfindung und einer erneuten Übernachtungsgelegenheit auseinandersetzten. Je nachdem, wie lange man am jeweiligen Zwischenziel verweilt, erlangt die fremde Umgebung eine gewisse Vertrautheit. Diese hat nicht zu unterschätzende Vorteile. Man beginnt zu entspannen. Positive Eindrücke, wie ein nettes Restaurant oder ein lauschiger Park für die Mittagspause, sind wiederholt abrufbar. Man sollte die Vorfreude auf etwas Bekanntes nicht unterschätzen. Nicht zuletzt deshalb zieht es einen Großteil der Urlauber immer wieder an die gleichen Plätze. Sie haben sich dort einmal wohl gefühlt und sind sich sicher, es auch ein wieder holtes Mal zu tun.
Ein Ortswechsel hin zu einem unbekannten Terrain birgt immer wieder Überraschungen - schlechte wie gute. Da der Mensch von Natur aus risikoscheu ist, tendiert er zur Wie derholung des Vertrauten und damit zur Minimierung der unangenehmen Überraschungen.
Diese Tendenz erkenne ich auch bei mir. Allerdings unterscheide ich zwischen kurzen und längeren Reisen. Ein typisches Beispiel wäre ein Skiwochenende. Da ich ohnehin nie länger als max. ein Wochenende im Jahr fahre, bin ich nicht daran interessiert, neue Gebiete zu erkunden. Zwei bis drei Tage sind dafür in meinen Augen nicht ausreichend. Hier setze ich gerne auf Altbewährtes. Ein anderes Beispiel. Seit gut 20 Jahren fahre ich im Herbst für 10 Tage nach Norwegen. An- und Abreise ausgenommen, verbleiben mir eine Woche Aufenthalt im Ferienhaus. Es ist immer der gleiche Ort, meistens das gleiche Haus. Alle Wege kenne ich auswendig. Den Bauern und seine Familie kenne ich, seit ich 10 Jahre alt bin. Ich weiß, wo die Pilze stehen und wo ich Beeren pflücken kann. Alles ist mir vertraut, aber genau danach steht mir in dieser einen Woche im Oktober der Sinn. Genau zu wissen, was mich erwartet und mich genau darauf schon monatelang im Voraus zu freuen.
Im Gegensatz dazu suche ich auf längeren Reisen die Überraschung. Ich suche nach der Herausforderung, mit unvorhersehbaren Situationen umgehen zu müssen. Steht mehr Zeit zur Verfügung, haben negative Eindrücke nie die Chance, die Oberhand zu gewinnen.
Die nächste Steigerung einer Individualreise stellt den Verzicht auf ein eigenes Fahrzeug dar und beinhaltet damit die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Dieser Schritt erfordert das Einholen der notwendigen Informationen über Fahrzei ten, Abfahrts- und Ankunftsorte sowie den Erwerb des benötigten Fahrscheins.
Ein Großteil dieser Vorbereitungen können mit Hilfe des Reiseführers, dem Internet oder einem gutem Reisebüro vorab von zu Hause aus geregelt werden, so dass man vor Ort nur noch wenig organisatorischen Aufwand betreiben muss. Alternativ kann man sich um die benötigten Verkehrsmittel auch erst im Land kümmern. Dadurch verliert man zwar Zeit, bleibt jedoch flexibel.
Flexibilität ist, wie von Wikipedia beschrieben, der größte Vorteil einer individual geplanten Reise. Folgerichtig betrachten wir nun das mögliche Extrem dieser Reiseform.
Wir buchen einen Flug in ein Land, das wir erkunden wollen und lassen uns in diesem treiben. Wir haben einen Reiseführer im Gepäck, der uns einen Überblick über die Sehenswürdigkeiten des Landes gibt, so dass wir uns für die zur Verfügung stehende Zeit einen groben Plan zurechtlegen können. Da wir nichts außer dem Hin- und Rückflug und ggf. den ersten Übernachtungen gebucht haben, sind wir bezüglich unserer Route und der Verweildauer an den verschiedenen Orten offen. Wir können jederzeit auf Empfehlungen anderer Reisender reagieren oder uns kurzentschlossen mit jemandem zusammentun, um eine gewisse Zeit gemeinsam zu reisen.
Die benötigten öffentlichen Verkehrsmittel, wie auch die Unterkünfte werden spontan vor Ort gewählt. Für Viele mag die Vorstellung, dass man morgens nicht weiß, wo man die kommende Nacht verbringen wird, etwas Beängstigendes haben. Die theoretische Möglichkeit, in einem fremden Land keinen Platz für die Nacht zu finden, erscheint alptraumhaft. Nach 30 Jahren Erfahrung kann ich beruhigen, es kommt in der Praxis nicht vor. Stattdessen wird man sich sehr schnell an diesen Zustand gewöhnen und einen entspannten Umgang damit entwickeln. Abgesehen davon gibt es immer die Möglichkeit, morgens beim Auschecken aus seinem Hotel, das Zimmer für die kommende Nacht telefonisch reservieren zu lassen. Die Reiseführer geben einen realistischen Einblick über den zu erwartenden Standard der verschiedenen Unterkünfte.
Diese zuletzt dargestellte Art einer Individualreise hat in der Tat den Nachteil, dass ich mich um alles vor Ort selbst kümmern muss. Ein nicht zu unterschätzender Teil des Tages wird dadurch mit Organisation belegt. Aber genau darin besteht der Reiz dieser Reiseform. Sich selbst kümmern zu müssen, bedeutet, die Sinne offen und den Geist aktiv zu halten. Ich komme zwangsläufig viel ausgiebiger mit der einheimischen Bevölkerung in Kontakt, deren Land und Kultur mich nachweislich interessiert (sonst würde ich die Reise nicht unternehmen). Ich gerate in Situationen, die ein Problem darstellen. Probleme, die gelöst werden wollen, müssen und schlussendlich auf die eine oder andere Art auch immer gelöst werden. Aber genau von diesen tagtäglichen kleineren und größeren Problemen lebt eine Reise und noch viel wichtiger, bleibt sie in Erinnerung. Die Nachhaltigkeit einer Reise hängt in sehr großem Maße von genau diesen Situationen ab. Für Probleme Lösungen zu finden, ist genauso befriedigend, wie früher eine gute Note nach Hause getragen oder im Berufsleben eine Anerkennung erfahren zu haben.
Ich möchte dies an einem Beispiel versuchen darzustellen.
Es war wohl die unangenehmste Situation, in die ich auf meinen Reisen bisher geraten bin.
2003 bereiste ich für drei Monate Indien. In einem Tempel in Kolkata (ehem. Kalkutta) wurden mir im Gedränge der Gläubigen annähernd meine gesamten Reisedokumente entwendet. Das Etui hatte ich in der Beintasche meiner Hose. Durch die extreme Enge bekam ich die Tat nicht mit. Der Verlust betraf meinen Pass, das Flugticket, alle Travellerschecks, eine Kreditkarte, rund 150 US $ in bar, meinen internationalen Tauchschein sowie ein Zugticket für eine 40-stündige Zugfahrt von Kolkata quer durch Indien nach Rajasthan. Geblieben war mir, was ich in meinem separaten Portemonnaie hatte. Eine zweite Kreditkarte und einige Rupien. Hier hatte sich bewährt, dass ich prinzipiell mein Portemonnaie im Urlaub in einer vorderen Hosentasche trage.
Damit Sie mich nicht falsch verstehen, alles ist relativ, schlimmer geht immer. Damals war dieser Vorfall ein sehr großer Schreck für mich, bildete ich mir doch ein, dass mir so etwas nicht passieren könnte.
Bevor ich versuche, mir die ganze Geschichte im Detail in Erinnerung zu rufen, möchte ich lieber von einer handschriftlichen Aufzeichnung Gebrauch machen. Den ersten Teil hatte ich zwei Tage nach dem Vorfall notiert, den zweiten eine Woche nach Beendigung der Reise.
„Warum man sich in Indien besser nicht die Wertsachen entwenden lassen sollte“
Das Gefühl, welches sich langsam des Körpers bemächtigt, ist schwer zu beschreiben.
Der Griff zur Beintasche, an der sich die wichtigsten Reisedokumente befinden sollten, ist Routine. Ich weiß nicht wie oft am Tag ich diese weitestgehend unbewusst ausgeführte Bewegung tätige. Dem Ertasten des Etuis wird keine große Bedeutung beigemessen, wird seine Existenz doch als selbstverständlich hingenommen.
Dies ändert sich schlagartig, wenn die Hand ins Leere greift. Der Körper reagiert sofort, in Sekundenschnelle stellen sich Bauchschmerzen ein.
Nach fünf Minuten und zweimaliger Ganzkörperkontrolle stellt sich Gewissheit und gleich darauf Schwindel ein.
Ich beginne den Inhalt abzurufen. Reisepass, Flugticket, eine Kreditkarte, alle Reiseschecks, 150 $US, ca. 150 Euro in Rupien, ein für indische Verhältnisse teures Zugticket und meinen Tauchausweis. Gut denke ich, Tauchen wollte ich ohnehin nicht.
Die Fahrt zurück zum Tempel, wo das Missgeschick nur passiert sein konnte, dient lediglich dem Versuch, nichts unversucht zu lassen. Letztlich die naive Hoffnung, sich mit dem neuen Besitzer über die von ihm nicht verwertbaren Gegenstände handelseinig zu werden. Niemand spricht mich an, sodass ich gefrustet wieder abziehe.