KENNST DU DEN WITZIGSTEN WITZ DER WELT? ER VERSTECKT SICH IM FOLGENDEN KAPITEL.
Am Rande des Maschinenquartiers, in einem besonders heruntergekommenen Teil, der selbst von Androiden nur noch selten frequentiert wird, schwebt eine kleine Spionagedrohne durch die Luft. Das Fluggerät mit dem lustigen Modellnamen SKY-SPY-3 fällt nicht auf, gibt es doch mehr Drohnen am Himmel als Lobbyisten im Regierungsviertel. SKY-SPY-3 hat den Auftrag, die Stahltür eines fast verlassenen Industriegebäudes zu beobachten. Die Drohne fliegt zu einer gegenüberliegenden Fabrik und verankert sich mit ihren Saugfüßchen an deren Außenmauer. Dort hängt sie jetzt bei Tag und Nacht, bei Wind und Wetter. Wie ein großes Insekt. Grau auf Grau. Fast unsichtbar. Sie hängt dort, weil der Fette Frank dem Puppenspieler verraten hat, wo seine Stammkunden wohnen.
Die schwere Stahltür öffnet sich für Peter. Er nimmt den Aufzug und schlurft oben angelangt durch einen Flur mit verstaubten Regalen voller Bücher. Echte Druckwerke, die nicht personalisiert sind. Er öffnet seinen Rucksack, stellt den Lesestoff der letzten Wochen zurück ins Regal und sucht sich neuen aus. Er nimmt Das Recht auf Faulheit, außerdem Bullshit Jobs und schließlich einen großen Wälzer namens Opportunismus & Repression. Und dann steckt er noch Doppelmord im Paralleluniversum in seinen Rucksack. Einfach ein geiler Titel. So beladen, betritt er den Raum mit der Panzerglasscheibe. Dort ist der Alte gerade damit beschäftigt, Geräte zu verkabeln. Eine ganz und gar aus der Zeit gefallene Tätigkeit. So sehr, dass manche Historiker inzwischen, wenn sie über die Epoche vor der Gründung von QualityLand referieren, in Anlehnung an Stein-, Bronze- und Eisenzeit, von der Kabelzeit sprechen.
»Ich habe keine Ahnung, wo sie ist«, sagt der Alte zur Begrüßung.
Überall um ihn herum liegen merkwürdige Geräte, seltsame Teile und Rechner ohne Gehäuse.
»Was sind das für seltsame Teile?«, fragt Peter.
»Die sind übrig«, sagt der Alte.
»Hä?«
»Das sind die Teile, die übrig bleiben, wenn man etwas auseinandernimmt, repariert und wieder zusammensetzt.«
»Verstehe.«
»Diese Teile erfüllen keinen anderen Zweck, als Leute wie mich, die sich erdreisten, Dinge zu reparieren, zu verwirren.«
»Die da oben schrecken wirklich vor nichts zurück.«
»Spar dir deinen Sarkasmus«, sagt der Alte. »Ich weiß nicht, wo sie ist. Beendet das nicht unser Gespräch?«
»Nun ja, es ist halt so, dass ich jetzt schon seit Wochen nichts mehr von Kiki gehört habe …«
»Junge, ich weiß wirklich nicht, wo sie ist, und wenn ich es wüsste, würde ich es dir nicht sagen.« Der Alte krabbelt unter seinem Schreibtisch hervor. »Was soll das mit dem Hut?«
»Hilft gegen die Überwachung«, sagt Peter.
Der Alte blickt ihn skeptisch an.
»Hab ich gelesen«, sagt Peter.
»So, so. Hast du gelesen.«
»Sie glauben nicht, dass es was bringt?«
»Es könnte schon funktionieren, wenn die Welt ein Magritte-Gemälde wäre und alle denselben Hut trügen. Aber solange du der Einzige mit Hut bist, machst du dich damit eher noch auffälliger. Du weißt schon. Wie in einem alten Krimi. ›Folgen Sie dem Mann mit dem Hut!‹« Der Alte lacht.
Peter nimmt seinen Hut ab und legt ihn auf einen Klappstuhl.
»Hören Sie, ich mache mir Sorgen um Kiki …«
»Du hast vielleicht schon mal von dem äußerst fiesen Marshmallow-Experiment gehört?«, fragt der Alte.
»Dem was?«
»Wissenschaftler haben Vierjährige in leere Räume gesteckt, in denen nichts war als ein Marshmallow. Dann haben sie den Kindern gesagt, sie dürfen jetzt das Marshmallow essen oder können fünfzehn Minuten warten und bekommen ein zweites Marshmallow.«
»Ja und?«
»Fünfzehn Jahre später haben sie sich die Kinder wieder angeschaut. Diejenigen, die der sofortigen Bedürfnisbefriedigung widerstanden hatten, konnten sich besser konzentrieren, nahmen deutlich seltener Drogen, hatten bessere Ergebnisse bei Intelligenztests et cetera, et cetera … Kurz gesagt: Sie kamen besser klar!«
»Warum erzählen Sie mir das?«
»Ich habe den Test mit Kiki gemacht.«
»Und?«