Die Fotos und Aquarelle stammen vom Autor. Die beiden Fotos aus der NS-Zeit hat Ernst Halberstadt, ein Enkel von Sigmund Freud, kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gemacht. Als jüdischer Schüler musste er kurz darauf die Schulfarm Scharfenberg verlassen. Die Grafik „Wilhelm Blume“ von Siegfried Kühl hängt im Zentralgebäude der Schulfarm Scharfenberg. Das Theaterplakat stammt aus der Ära von Rudi Müller und ist abgedruckt in der Festschrift „60 Jahre Schulfarm Insel Scharfenberg“ (1982).
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Originalausgabe, 1. Auflage 2021
© 2021 Rainer Werner
Sämtliche Rechte vorbehalten.
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Satz: Patricia Strunk, Berlin
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783754358320
(Der Dichter Otto Julius Bierbaum bei einem Besuch auf der Insel Scharfenberg)
Als zu Pfingsten 1918 ein Primanerzirkel des Humboldt-Gymnasiums in Berlin im Park von Schloss Wiesenburg im Hohen Fläming zeltete, erträumten sich die Schüler die ideale Schule: „In der Schule sollte alles getrieben werden, denn nichts Menschliches ist uns fremd, da sollte neben der Wissenschaft besonders die Kunst gepflegt werden, da sollen die Schüler Ställe ausmisten lernen und den Laokoon lesen, Stiefel besohlen und Cellokonzerte geben […] Schüler und Lehrer! Vereinigt euch zur Idealschule!“1
Im Überschwang der pädagogischen Euphorie hätten sie sich nicht träumen lassen, dass sich ihr Schultraum schon vier Jahre später erfüllen sollte. 1922 nutzte der junge Studienrat Wilhelm Blume die Gunst der Stunde - die Umbruchphase nach dem verlorenen Weltkrieg und der gescheiterten Revolution -, um eine reformpädagogische Versuchsschule auf den Weg zu bringen. In den 11 Jahren, die ihm bis zur Übernahme der Schulfarm Scharfenberg durch die Nationalsozialisten blieben, schuf er pädagogische Glanzpunkte, die in die ganze Republik und ins deutschsprachige Ausland ausstrahlten. Mit dem „Gesamt- und Kulturunterricht“ ermöglichte Blume das fächerverbindende Lernen; die Vollversammlung mit gleichem Stimmrecht für jeden Inselbewohner begründete die Selbstverwaltung der „Insulaner“; die Gemeinschaftsarbeit in der Landwirtschaft und den Handwerksinnungen war dazu angetan, neben den kognitiven Talenten auch die körperlichen Anlagen zu entwickeln. „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“ war auf der Schulfarm Scharfenberg keine Phrase, sondern tägliche Realität.
Unter dem Regime der Nationalsozialisten hielten Führerkult und Rassenlehre Einzug, wo zuvor Humanismus und Gemeinschaftsgeist gewaltet hatten. Von November 1940 bis Mai 1945 war die Schule im Rahmen der Kinder-Land-Verschickung in ländliche Regionen ausgelagert. Der Neubeginn 1946 ging mit der Aufnahme von Mädchen in die Schulgemeinschaft einher. Die Jahre zwischen 1949 und 1969 dienten der Konsolidierung des reformpädagogischen Erbes und der vorsichtigen Anpassung des Bewährten an die gesellschaftliche Entwicklung. Die antiautoritäre Studenten- und Schülerbewegung von 1968 bewirkte in der Schulfarm eine einschneidende Zäsur. Die Schülerproteste erschütterten die Institutionen der Schülerselbstverwaltung in Schule und Internat. Die Folge war der Bruch mit dem reformpädagogischen Prinzip, Leben und Lernen in einer Hand – der des Lehrers – zu vereinen. Da die Lehrer zunehmend die Internatsdienste verweigerten, hielten Sozialpädagogen Einzug im Internat. Unter der Leitung von Rudi Müller erlebte die Schulfarm eine Blüte auf einem speziellen Fachgebiet: dem Schultheater. Unter seiner Leitung entstand der Berliner Lehrplan für das Fach Darstellendes Spiel. Die Schulfarm Scharfenberg war die erste Berliner Schule, die Darstellendes Spiel als reguläres Schulfach in der gymnasialen Oberstufe einführte.
1995 war die Schulfarm Scharfenberg von der Schließung bedroht, weil der Berliner Senat nicht länger gewillt war, eine Schule zu subventionieren, die den Zuspruch von Eltern und Schülern zu verlieren drohte. Die Weiterexistenz der Schule konnte gesichert werden, freilich zu einem hohen Preis. Die Schulfarm Scharfenberg wurde in ein Gymnasium mit gebundenem Ganztagsbetrieb umgewandelt, das auch für Tagesschüler aus der näheren Umgebung offensteht. Das Internat wurde von der Schule abgetrennt und zur Betreuung einem freien sozialen Träger übergeben. Das reformpädagogische Erbe der Schulfarm Scharfenberg war damit endgültig preisgegeben worden.
Wenn die Schulfarm Scharfenberg im Jahr 2022 ihren hundertsten Geburtstag feiert, sollte sie das Jubiläum zur Selbstvergewisserung nutzen. Sie muss die Frage beantworten, wie sich aus dem ruhmreichen reformpädagogischen Erbe eine stimmige zeitgemäße Pädagogik gestalten lässt. Die Beiträge in diesem Buch sollen den heutigen und ehemaligen Scharfenbergern und den Freunden der Schulfarm in aller Welt die historische Entwicklung der Schulfarm Scharfenberg vor Augen führen und ihr pädagogisches Potential erläutern. Nur wenn man weiß, woher man kommt, kann man die Gegenwart gestalten.
Anmerkung
1. Wilhelm Richter, zit. nach Dietmar Haubfleisch: Schulfarm Insel Scharfenberg, Dissertation, Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt/M. 2001, S. 55
(Berlin, 2021)
Im August 1989 betrat ich zum ersten Mal die Insel Scharfenberg, um meine Stelle als Deutsch-, Geschichts- und Theaterlehrer anzutreten. Beim Rundgang über die Insel fiel mir auf, dass die Baulichkeiten einen ziemlich ramponierten Eindruck machten. An einigen Gebäuden bröckelte der Putz, auch die Klassenräume hätten einen Schönheitsanstrich gut gebrauchen können. Äußerst spartanisch eingerichtet waren die Schülerwohnhäuser. Die Gemeinschaftsduschen entsprachen dem Standard von Jugendherbergen der 1950er Jahre. Im Fachbereich Theater fand ich Scheinwerfer vor, die noch aus der Zeit stammten, als Rudi Müller als Theater-Guru auf der Insel das Zepter führte. Von meiner vorigen Schule, einer Gesamtschule, war ich, was Gebäudezustand und Ausstattung angeht, ein wenig verwöhnt. Von allen Berliner Schulformen hatten Gesamtschulen damals die beste Ausstattung. Den Kindern aus der Unterschicht wollte man wenigstens in materieller Hinsicht beste Lernbedingungen bieten. Die Gymnasien glaubte man vernachlässigen zu können, weil Kindern aus dem Bildungsbürgertum das Lernen auch unter kärglichen äußeren Bedingungen leichtfällt. Mich erinnerte der äußere Zustand der Schulfarm an Partnerschaftsannoncen, bei denen die suchende Dame an Stelle äußerer Schönheit ihre „inneren Werte“ hervorhebt. Solche hatte die Schulfarm Scharfenberg in der Tat reichlich zu bieten, allem voran die ruhmreiche pädagogische Tradition.
Die Vorteile der Schulfarm Scharfenberg wusste ich bald zu schätzen. Die Klassen waren kleiner, als es an Berliner Gymnasien üblich war. In den Oberstufenkursen tummelten sich manchmal weniger als zehn Schüler. Die ganze Schule war mit ihren 180 Schülern äußerst überschaubar. Wenn man auch im Internat Dienst tat, lernte man in wenigen Wochen die meisten Schüler mit Namen kennen. Gegenüber den innerstädtischen „Lernfabriken“ mit ihren bis zu 1.000 Schülern war die Schulfarm Scharfenberg ein gemütlicher Familienbetrieb. Bis auf wenige Ausnahmen versahen alle Lehrkräfte auch Dienste im Internat. Den Nachtdienst in den sieben Schülerwohnhäusern leistete ein Pädagogen-Gespann, bestehend aus einem Lehrer und einem Sozialpädagogen. Dieser Dienst wurde wie in alten Scharfenberger Zeiten Kronidendienst genannt. In der Wortneuschöpfung „Kronide“ verschmelzen die Bedeutungen der Wörter Kronos (Vater des Zeus, höchste Autorität) und Chronos (Herrscher über die Zeit).
Sisyphos-Arbeit Internatserziehung
Der Internatsdienst begann in der Regel mit dem gemeinsamen Abendbrot. Die Schüler strömten aus dem Werkunterricht, der in den "Innungen" stattfand, oder vom Freizeitsport in der Mensa. Die freie Zeit vom Abendbrot bis zum Zubettgehen verbrachten sie meistens in oder vor den Wohnhäusern, in denen jeweils eine Klasse untergebracht war. Für die Schüler der gymnasialen Oberstufe gab es ein eigenes „selbstverwaltetes“ Wohnhaus. Abends machten die Schüler Spiele, hörten Musik oder erledigten die Hausaufgaben. Fußball- oder Basketballturniere in der Sporthalle waren auch sehr beliebt. Einmal im Monat gab es im „Kro“, einem selbstverwalteten Schüler-Café im Blumehaus, eine Kulturveranstaltung. Oft waren es Lesungen von Schriftstellern oder Diskussionsveranstaltungen zu tagespolitischen Themen. Die Schulfarm hatte offensichtlich den wachen politischen Geist der Gründerzeit bewahrt.
Den Schülern fiel es schwer, die Ordnung in den Gemeinschafts- und Schlafräumen aufrechtzuerhalten. Wenn sie in der Küche gekocht hatten, ließen sie Töpfe und Geschirr gerne verschmutzt zurück. Ohne ein striktes Regelwerk wäre in den Wohnhäusern das Chaos ausgebrochen. Mit Kommandomethoden kam man allerdings nicht weit. Man musste die Schüler davon überzeugen, dass die Ordnung im "eigenen Haus" die Lebensqualität aller Bewohner erhöht. Gute Erfahrung machte ich mit dem erzieherischen Prinzip der Belohnung. Da die Wohnhäuser von großen Bäumen umgeben waren, mussten im Herbst Berge von Laub zusammengefegt und auf dem Kompost deponiert werden. Ich legte für unser Haus den Laub-Termin fest und kündigte an, dass es nach getaner Arbeit zur Belohnung Pfannkuchen mit Apfelmus und Eistee gibt. Beim ersten Termin halfen von 30 Schülern nur 10 bei der Laubaktion mit. Beim zweiten Termin waren es schon 20. Der Appetit auf Leckeres hatte geholfen, die Bequemlichkeit zu überwinden. Ich ließ unter den Schülern auch zwei Haussprecher wählen, die mich bei der erzieherischen Arbeit im Internatshaus unterstützten. Verantwortung für das Gemeinwesen zeigt sich bei Kindern mitunter schon sehr früh. Deshalb ist eine Schule gut beraten, wenn sie die Schüler in altersgerechter Form in Entscheidungsprozesse einbindet. Der Einsatz für die Schulgemeinschaft ist auch eine Ausbildung in zivilgesellschaftlichem Engagement, die sich im Erwachsenenleben auszahlt.
„Tiere sind die besten Freunde.“ (Mark Twain)
Besonders positiv auf die Pädagogik der Schulfarm Scharfenberg hat sich die Landwirtschaft ausgewirkt. Zu meiner Zeit war die Arbeit auf dem schuleigenen Bauernhof noch fest in den Lehrplan der Schule eingebunden. Jede Klasse war für die Betreuung einer Tierart zuständig: Klasse 7 für die Kaninchen, Klasse 8 für die Hühner, Klasse 9 für Schweine und Kühe und schließlich Klasse 10 für die Pferde. Zur Betreuung gehörte das Füttern der Tiere, die Reinigung der Ställe, das Einsammeln der Eier in der Hühnerfarm, das Striegeln der Pferde und die Schur der Schafe. Die Schüler taten das mit Hingabe und einer Zuverlässigkeit, die man ihnen von ihrem Engagement im Unterricht her nicht zugetraut hätte. Niemand wollte sich nachsagen lassen, "seine Tiere" vernachlässigt zu haben. Selbst in den Sommerferien reisten einige Mädchen täglich aus der Innenstadt an, um ihre Tiere zu versorgen, obwohl der Hausmeister angeboten hatte, diese Aufgabe in der Ferienzeit für sie zu übernehmen.
Heute gibt es Grundschulen, die mit ökologisch wirtschaftenden Bauernhöfen Kooperationen eingehen. Dabei machen sie bei ihren Schülern dieselben Erfahrungen, wie wir sie gemacht haben. Der Umgang mit Tieren bildet Tugenden aus, die der herkömmliche Unterricht nicht zu entwickeln vermag. Tiere fördern Fürsorglichkeit und Verantwortungsgefühl. Sie erziehen zu Pünktlichkeit und Selbstdisziplin. Der Körperkontakt mit Tieren ist zudem für Kinder eine Art von Seelenbalsam. Er kann ihre Fantasie anregen und ihre Erlebnisfähigkeit vertiefen. Die Empathie, die sie für Tiere empfinden, wird auch dem Umgang mit Menschen zugutekommen.
„Fährmann, hol über!“
Außenstehende stellen sich eine Schule auf einer Insel sehr idyllisch vor. Am Abend war es aber auch beschwerlich, die Insel zu erreichen oder sie wieder zu verlassen. Es gab zwei Motorfähren, eine große für Autos und eine kleine für Personen. Die Personenfähre stellte nach 21 Uhr ihren Betrieb ein, ebenso an Sonn- und Feiertagen. Dann konnte man die Insel nur noch mit dem Ruderboot erreichen oder verlassen. Es gab drei davon, wobei die Regel zu beachten war, dass auf jeder Seite des Fahrwassers immer ein Boot deponiert sein musste. Sonst hätte man, wenn man nachts aus der Stadt kam, nicht mehr auf die Insel zurückkehren können. Um auf jeder Seite einen Kahn zu haben, musste man mitunter dreimal rudern, also bei einer Fahrt einen Kahn ankoppeln und ihn auf die andere Seite schleppen. Um dies zu vermeiden, wandten die Schüler gerne einen Trick an. Wenn sie ins Kino gingen, versteckten sie auf der Festlandseite einen Kahn im Schilf, um nachts auf alle Fälle einen vorzufinden. Die Schüler lernten in den Klassen 7 und 8 rudern und paddeln, in den Klassen 9 und 10 surfen und segeln. Einige Lehrer und Sozialpädagogen hatten einen Segelschein, um am Nachmittag die Schüler auf den Segelbooten beaufsichtigen zu können. Ich erinnere mich noch gut an dunkle Nächte, in denen ich um 23 Uhr nach Dienstschluss mit einem Ruderboot über den stürmischen Tegeler See ans Festland ruderte. Ich trug eine Stirnleuchte, um nicht vom Kurs abzukommen. Auch kalte Abende, an denen ich durch sich auftürmende Eisschollen rudern musste, habe ich nicht vergessen. An dieser Schule zu unterrichten, hatte eben auch einen gewissen Abenteuerwert. In den zehn Jahren meiner Tätigkeit in der Schulfarm Scharfenberg ist der Tegeler See dreimal zugefroren. Dann konnte ich mit Schlittschuhen oder, wenn Schnee gefallen war, mit Langlaufskiern auf die Insel fahren. Bei den Schülern hatte man durch solche sportlichen Aktivitäten einen Stein im Brett. Ich schwamm auch beim Wettbewerb "Schwimmen rund um Scharfenberg" mit, an dem einmal im Jahr Schüler aus allen Berliner Schulen teilnahmen.
„Leinen los!“
In der Schulfarm Scharfenberg habe ich das Segeln gelernt. Schon in meiner ersten Woche erzählte mir der Schulleiter, er habe mich zum nächsten Segelkurs angemeldet. Möglichst viele Lehrer sollten den Segelschein erwerben, um die Schüler zu beaufsichtigen, wenn sie am Nachmittag mit den schuleigenen Booten auf dem Tegeler See segelten. Die theoretische Ausbildung fand in der Seglerstube des Fährhauses statt, für die praktische Ausbildung benutzten wir die schuleigenen Boote. Unser Ausbilder war ein Sportlehrer, der selbst ein guter Segler war. Im Hafen der Schule gab es Traditionsboote aus Holz und moderne Boote aus Kunststoff. Bei der Pflege der Holzboote half unser Tischler, der auch den Segelschein hatte. Im Sommer 1990 legte ich die Segelprüfung ab. Schon im Herbst kaufte ich mir ein kleines Kajütboot, das ich im Bootshafen der Schulfarm vertäute. Meine Segelbegeisterung stieg von Jahr zu Jahr, so dass ich mir bald ein Traditionsboot kaufte, eine „Varianta 65“ der Firma Dehler. Außerdem trat ich in einen Segelverein ein. Bald machte ich auch den Sportboot-Führerschein See, der es mir erlaubte, auf der Ost- und Nordsee zu segeln. Bis heute bin ich begeisterter Segler. Insofern bin ich der Schulfarm Scharfenberg dankbar, dass sie mir den Anstoß für diesen schönen Sport gegeben hat.
Strenges Regiment
Eine Referendarin, die ich in Deutsch und Geschichte betreute, hatte während ihres Studiums mit ihrem Lebenspartner an einer Weltumsegelung teilgenommen. Sie erklärte sich bereit, unsere Segelabteilung auf Vordermann zu bringen, die in einem verlotterten Zustand war. Sie entmüllte den Bootsschuppen, legte Inventarlisten an und gab unserem Tischler Aufträge zur Überarbeitung unserer Holzboote. Vor allem legte sie Regeln fest, die die Schüler beim Benutzen der Segelboote zu beachten hatten. Sie kämpfte gegen die Unsitte, nach dem Segeln das Boot am Steg zu vertäuen und die Segel angeschlagen zu lassen. Wenn sie nicht geborgen und ordentlich verstaut werden, werden sie durch Nässe unansehnlich. Wenn sie ständig im Wind flattern, können sie auch beschädigt werden. Die Referendarin begann ein straffes Regiment. Wer nach dem Segeln die Segel nicht ordentlich im Bootschuppen verstaute, wurde einen Monat lang vom Segeln ausgeschlossen. Um die Regel durchzusetzen, kettete sie alle Boote an und gab die Schlüssel dem Fährmann, der einer Liste entnehmen konnte, wer gerade segelberechtigt war. Die lange Winterzeit füllte sie mit Wartungs- und Pflegearbeiten. Jeder Schüler, der im Sommer segeln wollte, musste im Winter 20 Arbeitsstunden absolviert haben. Die Stunden wurden in einem Arbeitsbuch durch Klebemarken dokumentiert. Schon nach kurzer Zeit war die Segelabteilung in Schuss. Boote und Material waren in tadellosem Zustand und wurden pfleglich behandelt. Als die Referendarin nach dem Examen die Schule verließ, kehrte der alte Schlendrian zurück. Keiner der Sportlehrer fühlte sich bemüßigt, das erfolgreiche Regiment fortzusetzen, das die segelbegeisterte Kollegin eingeführt hatte. Woran lag das? Gemeineigentum wird immer schlechter behandelt als Privateigentum. Daran sind alle sozialistischen Staatsexperimente gescheitert. Und eine reformpädagogisch geprägte Schule kann nur gedeihen, wenn die Lehrkräfte sich mehr engagieren, als es der Dienst nach Vorschrift verlangt.
Wildtiere erobern die Schule
Da ein Drittel der Insel Scharfenberg als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, konnte es nicht ausbleiben, dass uns die dort lebenden Wildtiere auf die Pelle rückten. Damals betrieb die Landwirtschaft neben der Tierhaltung auch noch Feldbau. Wenn eine Rotte Wildschweine wieder einmal die Felder umpflügte, um an die nahrhaften Früchte zu gelangen, schlug der Landwirt Alarm. Mit Trara rückte dann die von Schülern gebildete Inselfeuerwehr aus und vertrieb das Borstenvieh von den Äckern. Wildschweine sind gute Schwimmer. Sie kommen gerne aus den umliegenden Waldgebieten auf die Insel, um sich an den Blumenzwiebeln in den Vorgärten der Internatshäuser gütlich zu tun. Im Heizungsraum des Schulgebäudes zog einmal eine Fuchsfähe ihren Wurf groß. Über ein kaputtes Kellerfenster war sie eingedrungen und hatte den warmen Raum als ideale Kinderstube entdeckt. Zum Glück fiel in der Zeit der Aufzucht der Welpen die Heizung nicht aus. Sonst hätten die Monteure den Familienfrieden der Füchse empfindlich gestört. Nachdem die Jungen ausgezogen waren, untersuchte eine Schulklasse im Biologie-Unterricht die Überreste der Tiere, die die Füchsin ihren Jungen serviert hatte. Es waren Mäuse, Ratten, Singvögel und Kaninchen.