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Bernd Reicheneder | Daniel Müller

FIT UND GESUND
MIT Natural Movement

Bernd Reicheneder | Daniel Müller

FIT UND GESUND
MIT Natural Movement

Das natürliche Bewegungstraining für einen starken und gesunden Körper

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

info@rivaverlag.de

Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und die Autoren haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Ausgabe des Titels Paleo Workouts, erschienen 2016 im BLV Buchverlag

1. Auflage 2021

© 2021 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

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Redaktion: Christoph Hellwig

Umschlaggestaltung: Sonja Vallant, München

Bildnachweis: alle Fotos auf dem Umschlag und im Innenteil: Ulli Seer, außer:

Daniel Müller: 80, 91, 102, 114, 134, 146, 159, 172; Gettyimages/NurPhoto: 12; Sandra Knott: 14 (re.); Thinkstock/motiongrafiks: 14 (li.)

Videonachweis: MovNat LLC, Nathan Amando, Eric Brown, Marbod Kindermann

Satz: Daniel Förster, Belgern

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-1706-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1386-4

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1387-1

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Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1

Die Entwicklung und die Bedeutsamkeit von Bewegung

Die Geschichte der natürlichen Bewegung

Warum MovNat?

Was ist MovNat?

Wo praktiziere ich MovNat und wie entwickele ich die Techniken?

Progressives Üben

Kapitel 2

Wie funktioniert Natural Movement?

Die fundamentalen Techniken für Anfänger und Fortgeschrittene

Ground Movements und Get Ups

Ground Movements und Transitions

Gehen

Balancieren

Laufen

Hängen und Klettern

Springen

Heben und Tragen

Werfen und Fangen

Kapitel 3

Plane deine Workouts

Die MovNat-Workouts

Beispiel-Trainingseinheit

10-Wochen-Workout für Anfänger

10-Wochen-Workout für Fortgeschrittene

Sicherheit

Nachwort

Über die Autoren

Verwendete Literatur und Empfehlungen

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Vorwort

Im Leben eines modernen Menschen ist körperliche Fitness nur noch eine Sache von vielen. Es ist jedem selbst überlassen, ob er seinen Körper trainiert oder nicht. Viele Menschen entscheiden sich gegen körperliche Bewegung, und inaktiv zu sein wird allgegenwärtig akzeptiert. Es scheint völlig in Ordnung zu sein, dass unzählige Erwachsene körperlich unfit sind und dass diese missliche Lage, die nicht einmal als solche thematisiert wird, anscheinend folgenlos ist. Oberflächliche und kosmetische Verbesserungen des Körperbildes verbleiben als die vorherrschenden Motive der Menschen, die regelmäßig trainieren. Moderne Fitnessstudios sind voll von »Spiegel-Athleten« – Menschen, die von ihrem eigenen Anblick wie besessen sind und hoffen, einem bestimmten Bild von »Fitness« zu entsprechen. Aber fit auszusehen und fit zu sein ist nicht dasselbe. Fit zu sein bedeutet, in der realen Welt fähig zu sein, körperliche Aufgaben zu lösen, effektiv und effizient handeln zu können und in herausfordernden Umweltsituationen richtig zu reagieren.

Betreten Sie den Weg von MovNat! MovNat – zusammengesetzt aus Movement und Natural(ly) – ist ein System für körperliche Bildung und eine ganzheitliche Fitnessmethode, die ganz und gar auf die Entwicklung genau dieser Fähigkeiten ausgerichtet ist. Ein »MovNatter« oder »Natural Mover« glaubt, dass es mehr dazu braucht, einen Körper zu bilden, als nur Muskeln aufzubauen, und dass es mehr dazu braucht, einen Menschen zu bilden, als nur einen Körper zu formen. Das uralte traditionelle Training hatte die körperliche und geistige Stärkung als Ganzes zum Inhalt; es betonte die lebenswichtige Notwendigkeit, sich auf die praktischen Anforderungen des Lebens vorzubereiten.

Die natürliche menschliche Bewegung ist nicht nur eine Option unter vielen. Sie war, ist und wird immer eine biologische Notwendigkeit sein. In einer Welt mit einer steigenden Zahl von körperlich hilflosen Männern und Frauen bekommt das zeitlose Streben, auf die wirkliche Welt vorbereitet zu sein, wieder eine grundlegende Bedeutung. Unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischem, kulturellem oder sozialem Hintergrund und auch unabhängig vom aktuellen Fitnessniveau ist diese physische Kompetenz für alle eine biologische Notwendigkeit.

Genauso wie meine Vorfahren vor mehr als hundert Jahren glaube ich, dass der beste Weg ist, so zu trainieren, dass man selbst nie in eine körperliche Hilflosigkeit gerät oder anderen immer helfen kann. MovNat ist sowohl eine uralte als auch eine hochaktuelle Herangehensweise an Fitness, die weit über oberflächliche und selbstsüchtige Erwartungen hinausgeht: Es geht nur darum, sich selbst und anderen helfen zu können.

Praktisch gesehen unterscheidet sich MovNat von anderen Fitnessmethoden oder Programmen in drei Hauptpunkten: Erstens basiert MovNat gänzlich auf natürlichen, organischen, vollständigen und anpassungsfähigen Bewegungen. Auch heute noch strebt fast die gesamte Fitness-»lndustrie« und ihre stetig wachsende technische Maschinerie in die entgegengesetzte Richtung. Warum um Himmels willen sollten Sie es tolerieren, dass sogenannte »Trainingsmaschinen« die eigentliche Funktionsfähigkeit Ihres Körpers diktieren, formen und verkümmern? MovNat bringt Ihre körperliche Natürlichkeit und Freiheit zurück.

Zweitens ist der praktische Wert dessen, was Sie tun, sofort sichtbar: »Ich springe über dieses Hindernis«, »Ich klettere auf diese Stange«, »Ich balanciere über diese Kante« oder »Ich hebe und trage dieses Gewicht«. Es hat etwas Hochmotivierendes, zu wissen, dass Ihre Übung tatsächlich einen Nutzen auf greifbare Art und Weise hat, anstatt sich die ganze Zeit vorzustellen, welchen Muskel Sie gerade trainieren, und dabei Wiederholungen zu zählen, und es ist einfach viel unterhaltsamer und macht Freude.

Schließlich sind die Bewegungen anpassungsfähig. Zu Anfang ist es vielleicht schwierig, sich vorzustellen, wie wichtig das ist. Bei MovNat gibt es so etwas wie die »perfekte Form« nicht. Wir verstehen nur die »effiziente« Form. Eine perfekte Form hat etwas mit der Nachahmung einer Position zu tun, die traditionell gespeichert wurde. Jemand hat gesagt, dass eine bestimmte Form genau die Form sei, und Sie müssen das so beachten, als wäre es eine Regel. MovNat erlaubt die Freiheit, jede nötige Anpassung vorzunehmen, die für die aktuelle Umgebung und den eigenen Körper wichtig ist. Dies ist der erste wichtige Aspekt der Anpassungsfähigkeit von Bewegungen. Der zweite ist die sogenannte »Körper-Geist-Umwelt«-Verbindung.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn Sie springen, müssen Sie möglicherweise stabil und exakt auf einer unebenen, kleinen Fläche landen. Ihr Geist kann sich hier nicht mit etwas anderem beschäftigen, weil Sie eine praktische Bewegung innerhalb einer Situation machen, die Sie nicht außer Acht lassen dürfen und an die Sie sich anpassen müssen. Ihr Geist und Ihr Körper müssen sich zur selben Zeit auf dasselbe konzentrieren. Sie müssen alle Sinne hellwach halten. Das ist wirkliche Achtsamkeit; reine Präsenz in dem Moment, in dem Sie gerade sind und was Sie gerade tun. Das schafft, was man als den »Flow«-Zustand bezeichnet. Im heutigen hektischen Leben ist die Achtsamkeit eine unübliche Fähigkeit und der Flow eine seltene, kostbare Erfahrung geworden.

Dieses Buch wurde von einem meiner besten Schüler und Ausbilder, Bernd Reicheneder, und seinem Co-Autor, Daniel Müller, geschrieben, die wie ich und mehrere Tausend weiterer Natural-Movement-Coaches auf dieser Welt all ihre Energien dazu aufwenden, die körperliche Energie der Menschen wieder aufzuwecken, ihre Bewegungskompetenz wieder zu schulen und ihr Selbstvertrauen, ihre Selbstachtung und Zufriedenheit durch Natural Movement zu erhöhen. Sie haben eine großartige Leistung erbracht, inhaltsreiches Material in einen praktischen Wegweiser für Anfänger zusammenzufassen, sodass es jeder verstehen und gleich ausführen und anwenden kann.

Keine wirkliche körperliche Kompetenz ist ohne die Anpassungsfähigkeit der Bewegung möglich und keine Bewegungsanpassungsfähigkeit ist ohne Achtsamkeit möglich. Achtsames Üben ist Ihre Gelegenheit, den Geist mit dem Körper, mit der Umgebung und dem Moment zu verbinden. Das allein macht MovNat zu einer einzigartigen Herangehensweise an das Thema Fitness.

Der Titel des Buches ist »Fit und gesund mit Natural Movement«. Die Idee ist es, den Menschen klarzumachen, dass es sich hier um eine natürliche Art und Weise des Trainings handelt, dessen Bewegungsabläufe denen unserer Vorfahren sehr ähneln, wie sie sich in der Wildnis bewegten und wie sie in diesem Prozess ein sehr hohes Leistungsniveau bekommen haben. Größtenteils ist es heutzutage immer noch die Art und Weise der praktischen Bewegung und Fitness von Jägern und Sammlern, die noch in der Natur leben. Wir nennen diese Art der Bewegung »Natural Movement«, und MovNat ist die Methode, die wir entwickelt haben, um diese natürlichen Bewegungen in effektivster Weise zurückzuerlangen. Natural Movement ist mehr als nur ein Workout. Es ist ein uraltes Bewegungsverhalten, das wir alle brauchen, ein Lebensstil, von dem wir gewaltig profitieren können, das Geburtsrecht der Selbstbefähigung und der körperlichen Gesundheit, wie wir sie alle verdienen. Durch das Erlernen und Ausführen der MovNat-Methode steht Ihnen das alles wieder offen.

Erwan Le Corre, Gründer von MovNat

Kapitel 1

Die Entwicklung und die Bedeutsamkeit von Bewegung

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Die Geschichte der natürlichen Bewegung

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Fitness, wie wir sie heute kennen, ist eine moderne Erfindung – etwas, das in den 1970er-Jahren mit Bodybuilding, Aerobic und Jogging seinen Lauf genommen hat. Körperliche Ertüchtigung jedoch reicht viel weiter zurück, in eine Zeit, in der körperliche Bewegung kein Luxus oder Freizeitvergnügen, sondern eine Notwendigkeit war, um das Überleben zu sichern. Vor Jahrhunderten und Jahrtausenden hatten die Menschen keine Maschinen und Gewichte, die wir heute in den Fitnessstudios finden, trotzdem waren sie in besserer körperlicher Verfassung als wir. Um zu verstehen, warum das so ist, wie die moderne Fitnesskultur entstand, was uns in der Zwischenzeit verloren gegangen ist, was MovNat ist und wie es wirken soll, hilft ein tieferer Blick in die Geschichte der natürlichen Bewegung.

Die Vorzeit – der Mensch als Teil der Natur

Diese Zeit war geprägt durch das Recht des Stärkeren, das Überleben und die Reproduktion. Entwöhnt vom Leben in Bäumen war der Mensch nun acht Millionen Jahre auf zwei Beinen unterwegs, bis er vor etwa 200 000 Jahren zum Homo sapiens wurde. Die körperliche Entwicklung folgte ihrem gewohnten natürlichen Weg, der durch die praktischen Anforderungen des Lebens in und mit der Wildnis, das Vermeiden oder Bewältigen von Bedrohungen und die Suche nach Nahrung und Schutz geprägt war.

Die Anforderungen an die Bewegung waren vielfältig und umfassten verschiedene Arten der Fortbewegung (Lokomotion), der Manipulation von Gegenständen, das Schwimmen und Kämpfen. Mit der Herstellung von Werkzeugen, dem Feuermachen und dem Jagen und Sammeln trat der Homo sapiens den Siegeszug über die Erde an.

Um in einer rauen Umgebung voller Hindernisse und Gegner zu überleben, musste der Mensch gut laufen, gehen, balancieren, springen, kriechen, klettern, heben, tragen, werfen, fangen, schwimmen und kämpfen können. Neben diesen praktischen Fähigkeiten entwickelten sich auch emotional-künstlerische Bewegungsformen, wie Tanzen, aber auch spielerische und rituelle Bewegungsweisen.

Die körperlichen Qualitäten, wie Kraft und Mobilität, wurden nicht durch strukturierte Trainingsprogramme, spezielle Methoden oder Fitnessprogramme erlangt, sondern von Kindesbeinen an durch die tägliche, instinktive und unumgängliche Praxis komplexer Bewegungsfertigkeiten nach und nach ausgebildet.

Die Jungsteinzeit: erste Landwirtschaft

Der Übergang vom nomadischen Jäger und Sammler zum Bauern führte zu dramatischen Veränderungen in der körperlichen Aktivität der Menschen. Die tägliche Hausarbeit des Getreideanbaus und der Viehzucht brachte neue physische Anforderungen mit sich. Die Arbeit und Ernährung waren jedoch zu einem Großteil monoton und führten zu Überbeanspruchungen des Bewegungsapparates, Mangelerscheinungen und Krankheiten. Gleichzeitig ging die Bedeutung von komplexen Bewegungen, wie Laufen, Balancieren, Springen, Kriechen oder Klettern, deutlich zurück. Solche Bewegungen sind im Rahmen der Sesshaftigkeit selten gefordert oder wurden in einer vereinfachten Art und Weise ausgeführt, wie zum Beispiel das sichere und besser einschätzbare Klettern auf eine Leiter im Vergleich zur komplexen Leistung, auf einen Baum zu klettern.

Die Antike: Kriegsvorbereitung und Ästhetik

Zwischen 4000 vor Christus und dem Untergang des Römischen Reiches 476 nach Christus erlebte die Zivilisation durch Kriege und Eroberungen mehrere Aufstiege, aber auch Verluste. Ägypter, Assyrer, Babylonier, Perser und später die Griechen und Römer führten das körperliche Training für die männlichen Jugendlichen und Männer ein. Der Grund? Vorbereitung auf den Krieg und Huldigung der Götter durch körperliche Leistung.

Das militärische Training in der Antike hatte Ähnlichkeiten mit den Bewegungen unserer Steinzeitvorfahren, jedoch war es strukturierter und hatte ein primäres Ziel, die Vorbereitung auf den Krieg: Gehen und Laufen mit und ohne Rüstung, Springen, Klettern, Heben und Tragen schwerer Gegenstände, Werfen, waffenloses und bewaffnetes Kämpfen, Reiten, Wagenrennen und das Erlegen wilder Tiere. Junge Männer bereiteten sich so auf sportliche Wettkämpfe und den Krieg vor.

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Die antike Skulptur »Diskobolos« gilt als Idealbild der Athletik.

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Im 18. Jahrhundert wurde das »Gymnasticon«, eine frühe Trainingsmaschine, entwickelt.

Quellen von athletischen Wettkämpfen gibt es vom alten Ägypten zur Zeit der Pharaonen und natürlich aus Griechenland, wo es allerorts sogenannte agonistische Spiele gab, allen voran die ehrwürdigen Spiele in Olympia. Schön und gut, kalós kai agathós, war das erklärte Ziel jedes griechischen Mannes und für die Griechen und als philosophisches Ideal ein wichtiger Teil der Erziehung und Bildung. Die körperliche Kultur wuchs über den praktischen Nutzen hinaus und wurde zum Selbstzweck, ähnlich unserer modernen Fitness. Im Römischen Reich verrohten die einstigen praktischen Ideale zusehends für grausame Spiele und wiederum den Krieg.

Das Mittelalter: Arbeit, Sport, Spiel und Krieg

Durch die Ausbildung eines vom Christentum geprägten Welt- und Menschenbildes veränderte sich die Körperkultur während des Mittelalters stark. Das Christentum stärkte den Glauben an den Geist des Menschen, der Körper wurde als sündhaft und unwichtig angesehen. Mittelalterliche Bewegungsformen umfassten größtenteils den aristokratischen Sport, der durch Jagd, Tanz, Ballspiele und Wettkämpfe geprägt war. Die körperliche Erziehung war innerhalb des Rittertums von Exklusivität geprägt. Innerhalb vieler Turniere vollzogen die Ritter Bewegungsfertigkeiten und Wettkämpfe im Laufen, Springen, Schwimmen, Tauchen, Speerwerfen, Steinstoßen, Bogenschießen, Ringen, Reiten, Schwertfechten, Skilauf, Eislauf, Segeln, Rudern und dergleichen. Der Handwerkerstand organisierte das Fecht-, Ring- und Schützenwesen sowie Kinderspiele.

Die Renaissance

Das Zeitalter der Renaissance brachte ein größeres Interesse am Körper, an der Anatomie, Biologie, Gesundheit und Bewegungserziehung. Neben der Ausweitung und Differenzierung des spätmittelalterlichen Sports (Fechten, Schießen, Schwimmen, Reiten, Spiele, Tanz) ist vor allem die Arbeit des Spaniers Cristobal Mendez prägend für diese Zeit. 1553 veröffentlichte er das erste Buch, das körperliches Training und seine positiven Effekte aus einer medizinischen Sichtweise darstellte und klassifizierte. 16 Jahre später erschien das berühmte Werk des italienischen Arztes Mercurialis De Arte Gymnastica, das einen ganzheitlichen Ansatz über Hygiene, Ernährung, körperliches Training und natürliche Heilmethoden beinhaltete. Es wird als erstes Buch der Sportmedizin angesehen und hatte einen großen Einfluss auf die Entstehung der Physiotherapie.

Die Industrielle Revolution und die moderne Leibeserziehung

Die Industrielle Revolution markierte den Wechsel von der Handarbeit zur maschinenbasierten Produktion und veränderte die soziale und Körperkultur grundlegend. Durch das Aufkommen eines sitzenden Arbeits- und Lebensstils entstanden neue Ansätze zur Bewegungserziehung. In Deutschland eröffnete Johann Bernhard Basedow 1774 das Gymnasium »Philantropinum«, wobei körperliches Training und Spiele im Fokus standen. Die Einleitung der modernen Leibeserziehung wurde besonders durch die Arbeiten von Johann Christoph Friedrich GutsMuths, dem »Großvater der Gymnastik« vorangetrieben. Sein Buch Gymnastik für die Jugend war das erste systematische Buch über das Turnen, es wurde zum Standardwerk der Leibeserziehung in der englischsprachigen Welt. Seine Übungen orientierten sich an aristokratischen Normen und der griechischen Gymnastik und umfassten Bewegungsformen wie Tragen, Heben, Ziehen, Hangeln, Klettern, Springen und Schwimmen.

Friedrich Jahn kam Anfang des 19. Jahrhunderts in die Körperkulturszene. Der »Turnvater« war ein Pionier der modernen Leibeserziehung, der sich an dem Philanthropen Pestalozzi orientierte. Sein 1811 in der Berliner Hasenheide eröffneter »Turnplatz« war der erste freie Sportplatz, auf dem systematische Leibeserziehung stattfand. Seine Turnübungen waren vielseitig und natürlich ausgerichtet, es fanden leichtathletische Übungen, Turnen an Geräten, Schwimmen, Fechten, Klettern, Spiele und Wandern statt.

In anderen Ländern Europas, wie England, Schweden, Italien, Spanien und dem heutigen Tschechien, sowie in Amerika entstanden im 19. Jahrhundert ähnliche Systeme der Bewegungserziehung, viele davon lehnten sich an die Arbeit von GutsMuths und Jahn an. Der Fokus der Bewegungsformen lag dabei größtenteils auf natürlichen Fertigkeiten, Körperübungen, Turnen, Laufen, Werfen und Fangen, Springen, Klettern und kämpferischen Wettkämpfen. Die Körper- und Trainingskultur brachte den Menschen praktische Bewegungsfertigkeiten bei, die sie für das reale Leben und mögliche Kriegssituationen vorbereiteten.

Ein Kontrast zu diesen Ansätzen war die Entwicklung des »Gymnasticon« im Jahr 1796. Das erste »Trainingsgerät« wurde von Francis Lowndes entwickelt, um die Gliedmaßen einzeln zu trainieren. Es entstand aus der orthopädischen Wissenschaft heraus und wurde bei Krankheiten, wie Gicht, Rheuma, Erschöpfung und anderen, verwendet.

Das Aufkommen und die Institutionalisierung der ersten Sportarten

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Das heutige Bild von körperlicher »Fitness« haben wir größtenteils der Fitnessindustrie zu verdanken.

Im 19. Jahrhundert kamen die ersten Sportarten nach Europa, wie zum Beispiel Boxen, Fußball, Rudern, Tennis, Hockey oder Golf. Auch technische Erfindungen, wie das Fahrrad, Motorrad oder das Auto, wurden »versportlicht«, also für sportliche Rennen tauglich gemacht. Die Sportarten wurden durch Meisterschaften, Regelwerke, Institutionalisierung und Medieneinsatz immer mehr professionalisiert, sodass die reine Bewegung und deren praktischer Nutzen wieder in den Hintergrund rückten. Die Leibeskultur ermöglichte auch gezielte Angebote für Frauen, Senioren, Kinder und so weiter.

Anfang des 20. Jahrhunderts brachte der französische Marineoffizier und Sportlehrer Georges Hébert die körperliche Kultur einen entscheidenden Schritt voran. Er entwickelte die »Méthode Naturelle«, ein Trainingssystem, das ausschließlich aus natürlichen Bewegungsfertigkeiten, wie Gehen, Laufen, Balancieren, Springen, Krabbeln, Klettern, manipulativen Fertigkeiten (Heben, Tragen und so weiter) und Selbstverteidigung bestand. Hébert war für die körperliche Ausbildung der französischen Marine zuständig und veröffentlichte 1912 sein erstes Buch L‘éducation physique ou l‘entraînement complet par la méthode naturelle. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der damit verbundenen »Aufbauphase« entstand der Hochleistungssport, der stark durch die Medien erfasst wurde und eine Abtrennung vom Breitensport vollzog. Die Menschen wollten nun immer mehr über die Optimierung der körperlichen Leistungsfähigkeit wissen, woraus die Sportwissenschaft entstand. Die körperliche Ertüchtigung wurde »Mittel zum Zweck«, anstatt auf eine selbstverständliche Weise in das Leben integriert zu sein. Die Welt der Spezialisierung wurde größer, allgemeine Bewegung wurde zu »Übungen« und »Sportarten«.

Die ersten Fitnessstudios und das Bodybuilding

Der Amerikaner Bernarr Macfadden gilt als Begründer der Fitnessstudios. Er propagierte einen minimalistischen Lebensstil in der Natur mit täglichem körperlichem Training und einem Verzicht von Alkohol, Tee, Kaffee und Weißbrot. Er veröffentlichte die ersten Magazine über Muskeltraining und veranstaltete Schauwettkämpfe in Amerika. Es entstand die Bodybuildingszene und das berühmte »oldschool« Fitnessstudio.

Es startete eine Fitnesswelle, die in ihrem Umfang kaum zu greifen ist. Das Zeitalter der ästhetikbasierten, industriegesteuerten Fitness- und Gesundheitsbewegungen umfasst zunehmend kompliziertere Trainingsgeräte, Home Equipment, die Nahrungsmittelergänzungsindustrie, Bücher, Zeitschriften, DVDs und diverse Fitness-Apps.

Der aktuelle Stand: Fitness überall?

Über den Zeitraum von einem Jahrhundert wurden tausende Methoden und Programme erfunden, die alle versprechen, Sie in die beste Form Ihres Lebens zu bringen, und das in der schnellsten verfügbaren Zeit. Die folgende kurze Aufzählung gibt nur einen bruchteilhaften Eindruck der immensen Marketingideen der modernen Fitnessindustrie, für die die Menschen im letzten Jahrhundert mehrere Millionen ausgegeben haben: 5-Minuten-Ab-Shredder, Pilates Power Balls, Spinning, Ab-Roller, Power Plates, Fitnessbänder, Power Slider, Gym Sticks, Gravity Boots und so weiter.

Wo sind wir gelandet?

Wenn wir über die Entwicklung der körperlichen Ertüchtigung und Fitness in der Menschheitsgeschichte nachdenken, sollten wir uns genau das fragen. Sicher haben die modernen Bestrebungen auch ihre Vorteile. Durch die sport- und gesundheitswissenschaftliche Forschung wissen wir besser denn je, wie unser Körper funktioniert, welche Belastungen er verarbeiten kann und wie wir seine Leistungsfähigkeit durch Training steigern können.

Doch trotz des vielen Wissens und der unzähligen Möglichkeiten zur körperlichen Ertüchtigung war die menschliche Bevölkerung noch nie so sesshaft, bewegungsfaul, krank und übergewichtig. Die Lebenserwartung steigt eher durch medizinische Fortschritte, die die entstandenen Beschwerden und Krankheiten besser bekämpfen, jedoch werden die körperlichen Einschränkungen und Krankheiten an sich nicht weniger, eher im Gegenteil – wie kann das sein?

Wir leben in einer Gesellschaft, in der körperliche Leistungsfähigkeit nicht mehr als praktischer Nutzen gebraucht wird. Durch den Fokus auf Dinge wie Arbeit, Geld, soziales Ansehen, Ästhetik, Reichtum, Bequemlichkeit, Sparsamkeit, Schnelllebigkeit und die primär symptomatischen und eindimensionalen Herangehensweisen im Gesundheitssystem verlieren wir mehr und mehr den Bezug zu unserer (eigenen) Natur.

Ein falsches Bild von Fitness

Die Gesundheits- und Fitnessindustrie vermittelt ein Bild von Fitness und Körperlichkeit, das nichts mit dem zu tun hat, was unser Körper tatsächlich braucht. Wir denken, Fitness bestünde aus einem ästhetischen Aussehen oder dem Meistern einer Sportart. Die am meisten verbreitete Meinung über »Trainieren« und Gesundheit ist, dass man nur regelmäßig Ausdauertraining machen müsste und ein wenig Krafttraining (vielleicht noch ein wenig Stretching). Dazu noch einige Nahrungsergänzungsmittel oder Diäten und schon sind Sie fit und gesund! Fitness zu besitzen bedeutet jedoch mehr, als nur Gewichte zu bewegen und zweibis dreimal pro Woche Ausdauerlauf zu betreiben. Sie sollten praktische Fertigkeiten erlangen, die im realen Leben anwendbar sind und die Sie befähigen, mit wechselnden Umweltbedingungen umzugehen. Vor dem Hintergrund der Sesshaftigkeit des Menschen, der steigenden Stressbelastung und gleichzeitig steigenden Anforderungen in Alltag, Beruf und Sport ist körperliches Training heutzutage eine absolute Notwendigkeit. Viele wissen nicht, welche Methode sie als Erstes ausprobieren sollen. Wir sind der Meinung, dass die Fitnesswelt an Klarheit und Einfachheit verloren hat. Wir haben unseren praktischen Sinn verloren. Wir haben unsere Natürlichkeit verloren.

Trotz der vielen Bemühungen der Gesundheitsund Fitnessindustrie waren wir noch nie so inaktiv. Sollten wir die Antwort weiterhin aus diesen Feldern erwarten? Oder kommt die Lösung von einer anderen, einfacheren und praktischeren Einstellung, einer natürlichen Bewegungskultur?

Warum MovNat?

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Welche Rolle spielt natürliche Bewegung im Kontext des modernen Lebensstils? Um besser zu verstehen, wie stark unser heutiges Verständnis von körperlicher Fitness und Bewegung von unserer eigentlichen Natürlichkeit abweicht, lohnt es sich, neben dem Blick auf die Menschheitsgeschichte auch die Individualentwicklung des Menschen zu betrachten. Dazu braucht man sich nur das Bewegungsverhalten eines Kindes anzuschauen, denn für Kinder ist Bewegung noch etwas völlig Natürliches.

Die ursprüngliche Bewegungspraxis

Erinnern Sie sich an die Bewegungsformen, mit denen Sie sich als Kind beschäftigt haben? Sicher nicht, denn als Kind haben Sie noch einen Bewegungsinstinkt, der es Ihnen ermöglicht, sich permanent mit Ihrer Umgebung auseinanderzusetzen, ohne darüber nachzudenken. Das, was Ihnen vielleicht einfällt, sind nur »Übungen« oder »Spiele« oder »Sportarten«, die Sie allerdings nur als solche bezeichnen können, weil Sie es von Ihren Eltern oder Spielkameraden erfahren haben. Vor dieser Zeit allerdings gab es in Ihrer Kleinkindentwicklung eine Phase, in der alle möglichen Bewegungsformen selbstverständlich, reaktiv und nicht klassifiziert waren. Sie haben Ihren Körper erlebt, ihn in der Umwelt eingesetzt, Kräfte erfahren, spielerische Momente erlebt. Schauen Sie sich ein Kind an. Es bewegt sich balancierend, kniend, kriechend, hüpfend, springend, dreht sich auf einem Fuß, tänzelt, attackiert, fällt hin, rennt, überwindet, stemmt, zieht, reißt, klettert ... und denkt dabei nicht eine Sekunde darüber nach, dass es sein gesamtes Bewegungssystem, seinen Körper und seinen Geist nachhaltig entwickelt. Die menschliche Bewegung ist generalisiert und nicht Mittel zum Zweck. Man gebraucht den Körper in der Art und Weise, in der man ihn gebrauchen kann, ohne Geräte, Hilfsmittel, Maschinen oder Ähnliches. Warum bewegen sich Kleinkinder und Naturvölker auf diese Art und Weise? Weil sie es können und weil sie es müssen!

Bewegung in ihrem ursprünglichen Sinn ist auch eine Ausdrucksform von Emotionen und Erfahrungen, denn unsere Stimmungen (allgemeine Stimmungen und aktuelle Gefühle) und Fertigkeiten sind permanent in unserer Körperhaltung und in unseren Bewegungen ersichtlich.

Keine »schädlichen« Bewegungen

Die menschlichen Bewegungsfertigkeiten haben sich durch die evolutionären Prozesse über Jahrtausende gebildet und verfeinert, dabei konnte sich auch ein gesundes Gefühl für Risiko und Wagnis ausprägen.

Es gab keine »schädlichen Bewegungen«, wie wir sie heutzutage zu nennen pflegen. In der konstanten Auseinandersetzung mit der Umwelt konnten sich der aktive und passive Bewegungsapparat, also unsere Muskulatur und die Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder, durch vielfältige Reize selbst ausprägen und leistungsfähig werden (auch durch zum Beispiel harten Boden, Kälte, Druck- und Zugkräfte). Der menschliche Körper bildete so einen eigenen Schutz durch den permanenten Umgang mit den Anforderungen aus der Umwelt. Für diese Belastungssituationen sind wir trainiert.

Bewegung fördert die Gehirnstruktur

Dazu kommt eine enorme Leistung unseres Gehirns. Bewegung ist der größte Faktor in der Entwicklung des menschlichen Neokortex (jüngster Teil der Großhirnrinde), denn je komplexer die Bewegungen wurden, desto mehr musste sich die Gehirnstruktur anpassen. Deshalb wirkte nicht nur das selbstständige Ausführen von vielfältigen Bewegungen, sondern auch das permanente Erlernen von neuen Bewegungen und Bewegungskopplungen auf die menschliche Entwicklung ein. Der Ausgangspunkt für Veränderungen in der Gehirnstruktur, den man neuronale Plastizität nennt, ermöglichte die Entwicklung von fortgeschrittenen Gehirnleistungen.

Die heutige Bewegungspraxis