Der Entwicklungsingenieur einer Brugger Technologiefirma verdächtigt die chinesischen Partner, welche der Firmenchef stolz engagiert hat, seine Entwicklungen ausspioniert zu haben. Er wendet sich diskret an den Nachrichtendienst des Bundes. Elliott Kern erhält den Auftrag, Licht in die Angelegenheit zu bringen. Dies muss alles in Verschwiegenheit geschehen, denn die Bundesbehörden und die schweizerische Wirtschaft scheuen davor zurück, die Wirtschaftsmacht China zu provozieren.
Kern ermittelt, und als ein Mord geschieht, wird er wieder ins Team der Aargauer Kantonspolizei integriert, dem es schliesslich gelingt, die Tat aufzuklären.
Elliott Kern war früher beim FBI, lebt bei seiner Mutter in Aarau und verehrt den Philosophen Michel de Montaigne.
Andreas Pritzker wurde 1945 in Windisch (Aargau) geboren. Er studierte Physik an der ETH Zürich und war als Forscher, Beratender Ingenieur und im Wissenschaftsmanagement tätig. Als Schriftsteller hat er neun Romane, zwei Erzählungen und drei Sachbücher verfasst. Zudem hat er als Publizist und Verleger verschiedene Texte veröffentlicht.
© 2021 Andreas Pritzker
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt (D)
Umschlagbild: CanStockPhoto
ISBN: 978-3-7534-3664-7
Die Handlung sowie die Personen und Namen in diesem Roman sind erfunden. Ähnlichkeiten mit wirklichen Personen sind nicht beabsichtigt.
Die bisherigen Elliott Kern-Krimis:
Stromnetz Palmöl
Seidenstrasse
Für Brigitte und Charles
Kapitel 1 – Mittwoch 7. April 2021
Kapitel 2 – Mittwoch 7. April 2021
Kapitel 3 – Donnerstag 8. April 2021
Kapitel 4 – Freitag 9. April 2021
Kapitel 5 – Samstag 10. April 2021
Kapitel 6 – Sonntag 11. April 2021
Kapitel 7 – Montag 12. April 2021
Kapitel 8 – Dienstag 13. April 2021
Kapitel 9 – Mittwoch 14. April 2021
Kapitel 10 – Donnerstag 15. April 2021
Kapitel 11 – Freitag 16. April 2021
Kapitel 12 – Samstag 17. April 2021
Epilog
Tamara rief um neun an. „Hallo, Elliott. Bist du wach?“
„Selbstverständlich. Wieso nicht?“
„Wir haben den Verdacht, dass du gerne lang schläfst. Der Oberst behauptet, wann immer er dich am frühen Morgen angerufen hat, hast du ziemlich verschlafen gewirkt und nur so getan, als seist du nicht mehr im Bett.“
Kern grinste vor sich hin. „Der Leitung des Nachrichtendienstes bleibt nichts verborgen. Weshalb rufst du an?“
„Der Oberst will, dass du einen Ingenieur aus Brugg triffst. Der Mann vermutet, dass die Chinesen seine Entwicklungen ausspionieren. Du sollst dem Verdacht möglichst diskret nachgehen.“
Sie zögerte, sodass Kern fragte: „Und wo ist der Haken?“
Sie seufzte. „Es ist alles inoffiziell. Der Ingenieur hat sich über einen Kameraden aus dem Militärdienst an uns gewandt, offenbar gegen den Wunsch seiner Firma. Die schrecken vor einer Untersuchung zurück. Haben Angst, sich den chinesischen Markt zu verderben.“
„Das heisst, es liegt gar keine Anzeige vor. Und um sich nicht die Finger zu verbrennen, lässt Felix mir den Auftrag von seiner Assistentin ausrichten.“
Tamara lachte herzlich. „Blödsinn. Er hat einfach wenig Zeit, und der Auftrag ist derart simpel, dass ihn auch die Assistentin des Chefs übermitteln kann.“
Kern lachte mit und sagte: „Immerhin, wenn ich euch beiden zusehe ist nicht immer klar, wer das Kommando hat.“
„Hör auf zu blödeln, Elliott. Es geht darum, dass du dir den Ingenieur anhörst. Ihr sollt euch an einem diskreten Ort treffen. Er sagt, in Brugg könne er das nicht tun ohne bemerkt zu werden, da kenne ihn jedes Schwein – Entschuldigung, ich zitiere den Oberst. Da die Cafés coronabedingt noch geschlossen sind, schlägt er den Wanderer-Parkplatz auf der Staffelegg vor. Du sollst mir sagen, wann du frei bist.“
„Ich habe in den nächsten Tagen keine Termine, die ich nicht verschieben kann. Wie heisst der Mann? Und um welche Firma handelt es sich?“
„Die Firma nennt sich Ytronic. Und der Mann heisst Brunold. Patrick Brunold. Ich mache mit ihm einen Termin ab und rufe wieder an.“
Kern setzte sich an seinen privaten Laptop – den dienstlichen Computer verwendete er aus Sicherheitsgründen nicht, um im Netz zu surfen – und gab Ytronic ein. Sogleich lieferte Google einen Link auf die Webseite der Firma samt Karte mit dem Standort.
Kern lernte, dass Ytronic hochpräzise elektronische Schaltelemente herstellte. Die Firma rühmte sich, Elemente mit einer perfekten, auf Nanosekunden genauen Schaltkurve entwickelt zu haben. Es gab einen Link zu einer Seite mit einer langen Liste von internationalen Referenzen. Weltweit waren die Dinger scheinbar in komplizierten Systemen verbaut worden. Die Informationen waren technisch, aber Kern konnte erkennen, dass es sich in einigen Fällen um Steuerungen in Waffensystemen, bei der Raumfahrt und im Luftverkehr handelte.
Die Firma lag im Brugger Schachen, war mittelgross und beschäftigte rund 50 Angestellte. Der CEO und Hauptaktionär hiess Rolf Hostettler. Das Organigramm umfasste vier Abteilungen: Entwicklung, Produktion, Marketing und Logistik. Als Leiter der Entwicklung wurde ETH-Ingenieur Patrick Brunold genannt. Gut, dachte Kern, ich höre mir an, was Brunold zu sagen hat.
Bald darauf rief Tamara wieder an. „Brunold wird heute um zwölf Uhr auf dem Parkplatz sein. Er fährt einen roten Porsche und meint, das genüge als Erkennungszeichen.“
„Das scheint ja dringend zu sein“, meinte Kern. „Okay, ich rede mit ihm und informiere euch.“
„Danke Elliott. Du hast es ja wirklich schön. Während ich im Büro schufte, kannst du bei schönstem Frühlingswetter in der Landschaft herumspazieren.“
„Habt ihr in Bern etwa schönes Wetter? Bei uns regnet es und ist kalt.“
„Aber immerhin bist du an der gesunden frischen Luft, während ich in einem stickigen Büro sitze.“
Kern grinste. Die Leitung des Nachrichtendienstes war in grossen, hellen Räumen untergebracht. Er sagte: „Das liegt daran, dass du für den Aussendienst nicht taugst. Eine derart gut aussehende Frau kann sich halt einfach nicht unauffällig bewegen.“
Tamara lachte. „Jetzt bin ich im Zwiespalt. Soll ich dich wegen einer sexistischen Bemerkung melden oder mich über das Kompliment freuen?“
„Ich empfehle letzteres.“
„Abgemacht. Viel Vergnügen.“
Da er dienstlich unterwegs war, zog Kern seine – wie er es nannte – Alltagsuniform an: hellblaues Hemd, graue Stoffhose, dunkelblauer Sakko, keine Krawatte. So hatte er sich auch als FBI-Agent gekleidet. Ein Kontrollblick in den Spiegel zeigte einen hageren Vierziger mit glattem, braunem Haar, kantigen Gesichtszügen und braunen Augen. Ziemlich unauffällig, keinerlei besonderen Merkmale.
Bevor er wegging, prüfte er die Lage beim Katzenfutter. Seine Mutter hatte am frühen Morgen offenbar wenig Zeit gehabt. Er bereitete dem Kater ein Schälchen Trockenfutter vor. Pharao hatte im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen. Als er Kern in der Küche hantieren hörte, kreuzte er sogleich auf. Kern sah ihm an, dass er die Idee gut fand.
Kern nahm seinen Regenmantel von der Garderobe und zog eine Baseball-Kappe der Boston Red Sox an, die jemand vor vielen Jahren in seiner Wohnung in Washington vergessen hatte. Dann fuhr er los. Um viertel vor zwölf stellte er sein Auto auf dem Parkplatz auf der Staffelegg ab. Er stieg aus und bewunderte seinen neuen Wagen, einen Qashqai. Den alten Captur hatte er zwar geliebt, aber der war zunehmend reparaturanfällig geworden. Er zog den Mantel und eine Hygienemaske an und blickte sich um. Die Aussicht über das Mittelland und auf die Jurahöhen war bei klarem Wetter prächtig. Heute bot die Sicht nur Gewölk, aus dem es leicht nieselte. Die Tröpfchen schlugen sich sogleich auf dem Autolack nieder. Auf dem Parkplatz standen trotz des Wetters einige Autos, und auf den Wegen, die zu den bewaldeten Höhen hinaufführten, waren vereinzelte Spaziergänger unterwegs, die ihre Hunde ausführten.
Kern musste nicht lange warten. Gegen zwölf näherte sich auf der kurvigen Strasse vom Schenkenberger Tal her in rassiger Fahrt ein roter Porsche. Der Mann, der ausstieg, wirkte auf Kern sympathisch. Er war mittelgross, leicht rundlich, trug trotz des Wetters eine Aviator-Sonnenbrille und hatte einen dunklen, ausladenden Wuschelkopf. Gekleidet war er in schwarze Jeans, Stiefel und eine Lederjacke.
Kern ging auf ihn zu, und der Mann zog seine Sonnenbrille ab. Sie hatte dunkle Augen verborgen, die über einer kräftigen Nase standen. Auch er zog nun eine Maske an.
„Ich bin Elliott Kern vom Nachrichtendienst“, sagte Kern und bot dem Mann seinen Ellbogen.
„Patrick Brunold“, antwortete der Mann und berührte Kerns Ellbogen mit dem seinem. „Kann ich einen Ausweis sehen?“
Kern zückte seinen Dienstausweis, und Brunold schaute sich diesen genau an. „Entschuldigung, aber ich muss vorsichtig sein.“
„Das klingt ja alles sehr spannend.“
„Ist es auch.“
„Wollen Sie spazieren, oder setzen wir uns in mein Auto?“
„Besser ins Auto. Scheint mir diskreter.“
Als sie sassen, fragte Kern: „Sie hegen einen Verdacht wegen Industriespionage, wollen oder können aber keine Anzeige erstatten. Wie haben Sie den Kontakt zu uns hergestellt?“
„Was täten wir ohne unseren Militärdienst. Ich habe meinen Spionageverdacht einem Freund und Dienstkollegen geschildert, einem Brugger Rechtsanwalt. Der hat mit Ihrem Kommandanten Dienst geleistet.“
„Die Armee, ein wertvolles Netzwerk“, sagte Kern. „Ich habe bereits die Webseite von Ytronic studiert.“ Er blickte Brunold von der Seite erwartungsvoll an.
„Dann wissen Sie ja, um welche Produkte es geht. Wie wir gerne feststellen, ist das Hauptmerkmal unserer Elemente eine perfekte Schaltkurve. Das konnte bisher niemand so gut wie wir machen. Ich habe den Schalter 'Ultrafast Switch 20053' entwickelt und dabei alle Konkurrenzprodukte getestet, auch das der chinesischen Firma Sinolectric, die uns qualitätsmässig am nächsten kommt. Nun habe ich entdeckt, dass Sinolectric seit kurzem einen Schalter mit derselben Charakteristik wie der unsrige sie hat anbietet, aber viel billiger verkauft. Ich habe über einen Freund einen solchen Schalter bestellt, ihn getestet und analysiert. Klar ist, er wurde unserem Schalter nachgebaut. Ich habe sogleich unseren Chef informiert und den Verdacht der Spionage geäussert. Doch Hostettler – der Firmeninhaber – will davon nichts wissen und ist gegen eine Anzeige.“
„Weshalb Spionage? Kann man so ein Ding nicht einfach mit Trial and Error nachbauen?“
„Hat mein Chef auch gefragt, und ich habe ihm dasselbe gesagt wie Ihnen. Grundsätzlich schon, aber das kann lange dauern, und vor allem wird man kaum je genau dasselbe Ergebnis erreichen. Viel einfacher ist es, eine Abkürzung zu nehmen und die genauen Baupläne zu beschaffen. Trotzdem will er keine Anzeige.“
„Warum das?“
Brunold grinste. „Aus Sinophilie, wenn Sie mir den Ausdruck gestatten.“
Kern lachte. „Das müssen Sie mir genauer erklären.“
„Hostettler ist von den Chinesen sehr beeindruckt. Dauernd schwärmt er von der neuen Seidenstrasse. Aber werden wir konkret. Ein Grosskunde für unsere Schalter ist die chinesische Firma Wuhong. Der Wirtschaftsattaché der chinesischen Botschaft, Maik Liu, vermittelte das Geschäft. Er weilt öfter in Brugg. Hostettler betrachtet ihn als Freund und ist einfältig stolz darauf. Auf Wunsch von Liu nahm er sogar dessen Nichte Feng Cheng als Praktikantin in mein Entwicklungsteam. Sie studiert Elektronik und ist zwanzig. Feng – das ist ihr Vorname – hat keinen Zugang zur Produktion, und ich setze sie isoliert ein. Sie soll in einer vertraglich geregelten Zusammenarbeit einen Schmitt-Trigger oder Taktgeber für Wuhong entwickeln. Wuhong ist der Meinung, wenn sie bei uns lerne, komme die Schaltkurve optimal heraus.“
„Die Namen der Schalter klingen für mich, Entschuldigung, chinesisch“, sagte Kern schmunzelnd.
„Dabei wurde der Schmidt-Trigger in den 1930er Jahren in Deutschland entwickelt. Nun ja, die Chinesen sind stark im Nachbauen und Weiterentwickeln, aber bei der Kreativität mangelt es. Könnte mit ihrem politischen System zusammenhängen. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Fest steht, jemand aus der Firma muss den Chinesen Unterlagen oder Infos geliefert haben. Da ein solcher Vorgang ein minimales Fachwissen braucht, kann es sich allenfalls um einen der drei Techniker handeln, die in meinem Team arbeiten. Ich verwerfe diese Möglichkeit. Die Techniker sind zuverlässig und grundsätzlich zufrieden mit ihren sehr gut bezahlten Jobs. Ich verdächtige eher Feng, die Spionage organisiert zu haben. Allenfalls hat sie einen der Techniker bestochen, was ich mir auch nur schlecht vorstellen kann. Aber ich denke, sie ist involviert.“
„Ist es denkbar, dass Sex eine Rolle gespielt hat?“
„Denkbar ist alles. Aber ich glaube nicht daran. Einer meiner Techniker ist schwul. Und die Ehefrauen der anderen beiden brauchen einen Vergleich mit der eher unbedarften jungen Chinesin nicht zu scheuen – so jedenfalls meine Einschätzung.“
„Gibt es Anhaltspunkte über das wie, wo und wann der Spionage?“
„Ja. Ich bin auch für die Sicherheit der Firma zuständig und habe deshalb vor Jahren Videokameras installieren lassen, welche den Zugang zum Hauptgebäude, in dem sich Chefbüro und Entwicklung befinden, überwachen. Wir haben die Videos niemals kontrolliert, weil wir uns sagten, wenn es einen Einbruch gibt, dann werden wir uns die Aufnahmen ansehen. Und einen Einbruch haben wir nie feststellen können. Als dann der Spionageverdacht aufkam, habe ich mir überlegt, dass der Ideenklau wohl etwa sechs Monate zurückliegen dürfte. So lange braucht es, um eine Produktion aufzuziehen. Ich habe einen der Techniker beauftragt, die Aufnahmen von diesem Zeitraum zu sichten, und er wurde fündig. Tatsächlich drang jemand eines Nachts über den Maschendrahtzaun ein. Der Eindringling konnte das Hauptgebäude betreten. Man sieht an der Fensterfront Lichtreflexe einer Taschenlampe im Chefbüro. Dort befindet sich der Safe mit den Bauplänen. Als der Eindringling herauskam, zeigte er – er trug übrigens einen Hoody – kurz sein Gesicht: eindeutig asiatisch.“
„Könnte das Ihre Feng Cheng gewesen sein?“
„Nein. Es stellte sich nämlich heraus, dass das Datum optimal gewählt war. Im letzten September feierte Hostettler seinen sechzigsten Geburtstag. Er lud die gesamte Belegschaft zu einer Grillparty in seinem Garten ein. Vor dem zweiten Lockdown war das wieder möglich. Und ich habe es überprüft: alle kamen, auch Feng.“
„Haben Sie im Chefbüro etwas entdeckt, das auf einen Einbruch schliessen liesse?“
„Nein. Am Tag nach dem Einbruch fiel weder Hostettler noch seiner Assistentin etwas auf, sonst hätten sie mich alarmiert. Das Büro war zwar verschlossen, aber das Schloss ist simpel. Ich habe Hostettler deswegen schon gewarnt, aber er scheut die Ausgaben für ein solides Schliesssystem. Auch wurde der Safe nicht gewaltsam geöffnet, sonst hätte ich selbst sechs Monate später bei genauem Hinsehen Spuren gefunden. Nichts davon, alles sauber. Aber ich meine, wenn ein Profi am Werk war, wäre das nicht überraschend.“
„Gut. Es sieht so aus, dass jemand einem Eindringling Insider-Informationen geliefert hat. Genauer, wo sich die Pläne befanden. Und wenn Sie Hostettler selbst oder die Techniker ausschliessen, könnte das Cheng gewesen sein. Ich denke, ich muss mir die junge Frau näher ansehen. Können Sie mir ein Bild von ihr beschaffen?“
„Kann ich. Ich habe an der Party Aufnahmen gemacht, und sie ist darauf.“
„Dann senden Sie mir die ganzen Aufnahmen auf mein Handy. Wir tauschen unsere Nummern aus, dann können wir diskret kommunizieren. Kennen Sie Chengs Adresse? Und wissen Sie, ob sie ein Auto besitzt?“
„Sie wohnt in einem der grossen Blocks in Richtung Lauffohr. Ich sende Ihnen ein SMS mit der Adresse. Und sie fährt einen Motorroller.“
Sie tauschten ihre Handynummern aus. Kern sagte: „Tauschen wir auch die e-Mail-Adressen aus. Können Sie mir jenen Ausschnitt aus der Videosequenz schicken, auf dem der Eindringling zu sehen ist?“
Brunold sagte: „Das mache ich.“ Er atmete tief aus. „Und danke, dass Sie sich darum kümmern.“
Sie verabschiedeten sich. Brunold bestieg seinen Porsche und fuhr mit einem Kavalierstart ab.
Die Angelegenheit regt ihn ziemlich auf, sagte sich Kern, als er in seinen Wagen stieg und zurück nach Aarau fuhr, aber unser Treffen hat ihm Auftrieb gegeben.
Zuhause angekommen, rief Kern Stierli an und erreichte den Oberst sogleich. Er informierte ihn über das Gespräch und sagte: „Ich werde die Chinesin beschatten. Sie lebt in Brugg. Und für die Überwachung brauche ich eines unserer Spezialfahrzeuge. Gibst du mir eines frei?“
„Klar. Kontrollierst du die Zielperson die vollen vierundzwanzig Stunden?“
„Ich denke, sechzehn bis zwanzig Stunden dürften genügen.“
„Das heisst, du brauchst eine weitere Person?“
„Eigentlich zwei.“
„Ich kann dir nur eine geben. Du bekommst Korporal Bouvier.“
Kern seufzte. „Das heisst acht bis zehn Stunden im Lieferwagen vor den Bildschirmen für jeden von uns.“
„Kann's nicht ändern.“
„Ist Bouvier wenigstens ein guter Mann?“
„Gut ja. Mann nein. Korporal Jana Bouvier ist in der Ausbildung zur Agentin und macht sich hervorragend. Sie wird morgen mit dem Lieferwagen bei dir antanzen.“
„Danke, Felix. Gibst du mich zurück an Tamara? Ich brauche ein Bild von Korporal Bouvier.“
Zu Tamara sagte er: „Hör mal, kannst du mir einen Mugshot von der Bouvier schicken?“
„Einen was?“
Kern musste lachen, weil er immer wieder in den FBI-Jargon zurückfiel. „Ein Erkennungsbild.“
„Wird gemacht.“
*
Kern hatte sich aus Brunolds Schilderung den Namen Maik Liu gemerkt und beschloss, über diesen nachzuforschen. Er schaute sich die Webseite der chinesischen Botschaft in Bern an, deren Hauptseite in perfektem Deutsch formuliert war. Kern fand Liu im Verzeichnis der Diplomaten, und zwar in der Wirtschaftsabteilung. Dort gab es weitere Links, aber diese führten zu chinesischen Seiten. Notfalls musste er die Texte übersetzen lassen. Das war jedoch nicht dringend.
Als nächstes fuhr er nach Brugg, um den Standort der Ytronic und die Adresse von Feng Cheng zu rekognoszieren.