Prolog

Der Morgen ist immer am schönsten. Da hat er seine Ruhe, und niemand nervt mit einem Bedürfnis nach Kommunikation.

Herr Stegmann sitzt an seinem Schreibtisch im Architekturbüro der Kraft GmbH im fünften Stock. In einem halben Jahr wird er die Führung eines völlig neuen Teams übernehmen. Herr Kraft möchte eine Abteilung ins Leben rufen, die nur umweltfreundliche, autarke Wohngebäude entwickelt. Und Herr Stegmann wird dieses Team leiten. Es ist kein Wunder, dass ausgerechnet er ausgewählt wurde. Er ist einer der kreativsten Köpfe, die der Chef in seinem Unternehmen sitzen hat.

Nur deswegen wurde er ausgewählt. Bestimmt nicht, weil er gut mit Menschen umgehen kann. Die stille Übereinkunft ist allerdings, dass der Stegmann das noch lernen wird. Welcher Führungskraft wird schon Führung beigebracht. Das lernt man einfach so nebenbei, indem man es macht.

Zumindest ist es bei Herrn Kraft so gewesen, und er kam damit super klar. Herr Kraft sitzt im neunten Stock. Ein kleiner, älterer, weißhaariger Herr mit zig Familienbildern auf dem Schreibtisch von seiner Frau, seinen fünf mittlerweile erwachsenen Kindern und den drei Enkelkindern. Pino, Mali, Paula und Struppi nicht zu vergessen. Alle Hunde, die sie bisher schon hatten.

Auf dem Schreibtisch von Herrn Stegmann sind keine Fotos. Im Gegensatz zu seinem Chef herrscht bei ihm ein heilloses Durcheinander. Fotos würden ihn nur ablenken. Herr Stegmann nennt das Chaos eine kreative Ordnung, die allerdings nur er zu verstehen scheint.

Er ist völlig versunken in seine Arbeit, bis er auf einmal Gemurmel um sich herum wahrnimmt. Die Kollegen sind da. Er geht in die Küche und macht sich einen Kaffee. Allgemeine Berichterstattung, wie das Wetter am Wochenende war und warum und wieso und weshalb wer mit wem was und wie gemacht hat. Kommunikation eben. Anstrengend.

Herr Stegmann fokussiert den Kaffeeautomaten und überlegt kurz, ob er etwas dazu sagen soll. Herr Kraft meinte, er solle sich mehr öffnen und mehr aufs Beziehungskonto einzahlen, indem er sich häufiger mit den Kollegen unterhält. Gute Idee, nur interessiert ihn leider nicht, wie das Wetter am Wochenende war und warum und wieso wer mit wem was und wie gemacht hat. Während er auf den heißen Kaffee wartet, überlegt er immer mal wieder, wo er einsteigen und auch etwas dazu sagen könnte. Schließlich gibt er resigniert auf, lässt es bei dem gegrummelten Hallo in alle Richtungen bewenden und verschwindet mit dem dampfenden Kaffee in seinem Büro.