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Ali Özgür Özdil

Die Unsichtbaren - Djinn

Koran- und Hadith-Exegese am Beispiel des Geisterglaubens im Islam


Den Mutigen!


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Die Unsichtbaren - Djinn: Koran- und Hadithexegese am Beispiel des Geisterglaubens im Islam

Ali Özgür Özdil

Hamburg 1999

www.alioezdil.de

 

 „...Ich hatte keine Macht über euch, außer euch zuzuflüstern…“

(Sure 14, Vers 22)

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

 

II. Fragestellung

 

III. Methode

 

IV. Djinn

 

1. Linguistische Bedeutung des Wortes Djinn

 

2. Djinn nach dem Koran

a) Djinn

b) Djinna

c) Madjnûn

 

3. Djinn in der islamischen Überlieferungsliteratur „Hadîth“

3.1 Beispiele aus der Hadîth-Sammlung

 

4. Djinn im muslimischen Volksglauben

a) Aberglaube

b) Die Ansichten der muslimischen Gelehrten

c) Erlebnisse der Geisterbeschwörung und unwahre Dinge, die man für wahr hielt

d) Die Rolle der Djinn bei der Reinkarnation

e) Krankheiten, die von Djinn verursacht werden und ihre Behandlung

f) Zar-Kult

 

V. Muslimische Wahrsager in Deutschland

 

VI. Schlusswort

 

VII. Anhang

 

1. Djinn nach der Bibel

 

2. Kleines Lexikon des Aberglaubens

a) Unsichtbare Wesen und Kräfte

b) Drachen

c) Geist

d) Werwölfe

e) Vampir

f) Hexen

g) Zauber

h) Magie

i) Wodu

j) Elfen

k) Feen

l) Gnome

m) Kobolde

 

VIII. Literaturverzeichnis

Aladdin und der Flaschengeist

Dies ist die Geschichte von Aladdin und dem Djinn

welcher war in einer Flasche drin

und Aladdin diese in die Hand nahm

als sie an den Strand angespült kam

Aladdin öffnete die Flasche und ließ den Djinn frei

wobei dieser fuhr hinaus mit einem lauten Schrei:

„Nach tausend Jahren Gefangenschaft ist es nun vorbei!“

Und er sagte zu Aladdin: „Wart ihr es, der mich lies frei?“

Aladdin, ohne zu wissen, dass er war in Not

sagte „ja“ und wurde er mit dem Tode bedroht

Aladdin voller Angst aber nicht ohne List

fragte den Djinn, wie er aus der Flasche gekommen ist?

Der Djinn, der nicht ahnte, was Aladdins Absicht war

sagte ohne zu zögern mit lauter Stimme: „Ja!“

Nun fragte Aladdin, wie denn ein so großes Wesen

tausend Jahre in einer so kleinen Flasche gewesen?

Der Djinn, der ihm seine Macht zeigen wollte

und später sein Wunder erleben sollte

sagte: „Das zu beweisen ist nicht schwer

Sieh nur her!“ und dann verschwand er

Er fuhr wieder in die Flasche hinein

und wurde dabei winzig klein

Aladdin rannte schnell zur Flasche hin

wo nun der Djinn war wieder drin

und hat sie eilig zu gemacht

und dann über den Djinn heftig gelacht

Der Djinn wieder eingefangen, flehte ihn an:

„Wisst ihr, dass ich Wünsche erfüllen kann?“

Wir wissen, der Rest ist Geschichte

doch was lernen wir aus diesem Gedichte?

Es gibt viele Flaschen mit Gefahren drin

die heißen Vodka, Rum oder eben Gin

Und wenn der Mensch sie zu sich nimmt

kommt es vor, dass er sich schlecht benimmt

Wie von einem Djinn besessen

kann er sich manchmal auch vergessen

Besser ist es aufzupassen

und keinen Djinn aus der Flasche zu lassen

I. Einleitung

Die Beschäftigung mit metaphysischen Wesen wie mit Engeln und Djinnen (im Folgenden als "Djinn" wiedergegeben), ist Teil der islamischen Glaubenslehre. Der Glaube an ihre Existenz ist Bestandteil des islamischen Glaubens bzw. eine der Glaubenspfeiler des Islam. Der Koran und die islamische Überlieferung (Hadith) enthalten viele, teils sehr detaillierte Informationen zu diesen Wesen.

Die vorliegende Arbeit ist eine themenorientierte Exegese mit einer theologischen Analyse, in der verschiedene Koran- und Hadith-Exegeten zu Wort kommen. Des Weiteren wird, unter Zuhilfenahme verschiedener Literatur, der Volksglaube beleuchtet.

Sobald über „die verborgenen Dinge“ wie z.B. über Paradies und Hölle, Engel, Teufel sowie Djinn gesprochen wird, können die Meinungen oft auseinander gehen. Das ist nicht verwunderlich, denn dass, was in den Quellen des Islam zu lesen ist und das, was im Volksglauben Verbreitung findet, steht nicht selten in einem Widerspruch zueinander.

Im Folgenden wird der Versuch unternommen, dem Glauben an die „verborgenen“ Dinge, spezifisch den Djinn, nachzugehen. Ich schreibe über Djinn, d.h. über „Wesen“ oder „Kräfte“, die für unsere Sinne verborgen sind.

Der Auslöser für diese Untersuchung war ein Gespräch aus dem Jahre 1999 mit einem Bekannten über „Außerirdische“. Er war vernarrt in Science Fiction Filme, wie z.B. „Raumschiff Enterprise“. Seine Frage lautete, ob es nicht doch außerirdische Wesen in anderen Galaxien geben könnte? In seiner Phantasie wünschte er sich Zeitreisen und Reisen mit Lichtgeschwindigkeit durch unser Universum. Auch wenn dies gegenwärtig noch nicht möglich sei, so wollte er nach dem Tod, sollte er ins Paradies kommen, „wo man sich alles wünschen kann“, zurück in unser Universum und durch den Weltraum reisen und neue Welten entdecken. Meine Meinung dazu war, dass erstens der Mensch, wenn er ins Paradies kommen sollte, wohl kaum den Wunsch haben würde, noch die Möglichkeit hätte, wieder zurückzukehren und zweitens, nach islamischer Auffassung, nach dem Tag des Jüngsten Gerichts, unsere Erde und das Universum, nicht mehr existieren werde. Um Spekulationen keinen Raum zu lassen, bat ich ihn um etwas Geduld und versprach ihm den Koran und die Überlieferungen vom Propheten Muhammad ﷺ in Bezug auf die Djinn zu analysieren. Die vorliegende Arbeit ist nun das Ergebnis dieser Analyse.

II. Fragestellung

Im islamischen Volksglauben befinden sich, im Gegensatz zur religiösen Lehre, teilweise sehr lebhafte und teilweise sehr widersprüchliche Schilderungen. Welche Rolle spielen Djinn in der Lebenswelt von Muslimen heute und in einer modernen Gesellschaft?

Inwiefern sind Koran und Sunna als die wichtigsten Quellen des Islam maßgebend dafür? Oder dominiert vielmehr der Volksglaube, der auf Erzählungen von unerklärlichen Erlebnissen basiert? Gibt es wohlmöglich auf vieles eine rationale Erklärung?

III. Methode

Man stelle sich drei Folien vor, die übereinander liegen. Auf der ersten Folie befindet sich die Beschreibung der Djinn im Koran, auf der zweiten Folie die Beschreibung der Djinn in der Überlieferungsliteratur (Hadith) und auf der dritten Folie die Beschreibungen aus dem Volksglauben von Marokko bis Indonesien. Wie bei einem genetischen Abgleich, etwa bei einem Vaterschaftstest, werden alle drei Folien übereinandergelegt und miteinander verglichen. Untersucht wird dabei, was sich im Koran, in der Hadithliteratur und im Volksglauben deckt und was in einem offenkundigen Widerspruch zueinandersteht. Dies gilt es hier zu untersuchen.

Es wurde daher erst jeder Koranvers, in dem es um Djinn geht, mit den dazugehörigen Interpretationen analysiert, im zweiten Schritt wurden alle Überlieferungen über die Djinn in den sogenannten „Büchern der Sechs“ (arab. Kutub as-Sitta), den bekanntesten sunnitischen Hadith-Gelehrten untersucht und im dritten Schritt wurde die Sekundärliteratur nach Anhaltspunkten zum Volksglauben untersucht.

IV. Djinn (gesprochen: Dschinn)

Im vorliegenden Kapitel folgt erst die lingusitische Bedeutung des Wortes "Djinn". Im Anschluss daran werden der Koran, die Sunna und der Volksglauben analysiert. 

1. Linguistische Bedeutung des Wortes Djinn

Djinn wird abgeleitet von der arabischen Stammwurzel djanna, was „bedecken, verbergen, verhüllen“ bedeutet. Die Passivform des Wortes (djunna) bedeutet „verrückt sein oder werden, besessen sein, wahnsinnig und närrisch“. Der Besessene, Geisteskranke oder Verrückte, wird als madjnûn bezeichnet. Djinna bedeutet „Besessenheit, Verrücktheit, Wahnsinn“. Das Substantiv Djinn hat die Bedeutung „unsichtbare Wesen, die aus (rauchlosem) Feuer erschaffen sind und, die schadend oder helfend ins menschliche Leben eingreifen“. Auch das Wort Djanna(t), also „Paradies“, leitet sich aus derselben Stammwurzel ab und bedeutet „Garten“.

Die unterschiedlichen Arten der Djinn werden „ʿIfrît, Ghûl und Siʼlât“ genannt.

D. B. Macdonald vermutet, dass dieser Begriff möglicherweise vom lateinischen Wort „Genius“ abstammen könnte, dass in der römischen Religion „die dem Mann innewohnende göttliche Kraft“ bedeutet (vgl. Islam Ansiklopedisi. Istanbul 1993, Bd. 3, S. 192 f.).

 

2. Djinn nach dem Koran

Im Koran lassen sich insgesamt 84 Stellen zu Djinn finden, wobei die 72. Sure den Namen „die Djinn“ trägt.

 

Hier die Liste aller Koranverse, in denen der Begriff "Djinn" vorkommt:

 

Sure 6, Verse 100, 112, 128, 130

Sure 7, Verse 38, 179, 184

Sure 11, Vers 119

Sure 15, Verse 26-42

Sure 17, Verse 88

Sure 18, Verse 50-51

Sure 23, Verse 24-25, 70

Sure 26, Vers 27

Sure 27, Verse 10, 17, 39-40

Sure 28, Vers 31

Sure 32, Vers 13

Sure 34, Verse 8, 12-14, 40-41, 46

Sure 37, Verse 36, 158

Sure 41, Verse 25, 29

Sure 44, Vers 14

Sure 46, Verse 18, 29-31

Sure 51, Verse 39,52,56

Sure 54, Vers 9

Sure 55, Verse 15, 33, 39

Sure 56, Verse 74

Sure 68, Verse 2, 51

Sure 72, Verse 1-15

Sure 81, Vers 22

Sure 114, Verse 1-6

 

Im Folgenden sollen alle Verse aus der Tabelle Schritt für Schritt mit den dazugehörigen Interpretationen dargelegt werden.