Ada Christen: Gedichte

 

 

Ada Christen

Gedichte

Lieder einer Verlorenen

Aus der Asche

Schatten

Aus der Tiefe

 

 

 

Ada Christen: Gedichte. Lieder einer Verlorenen / Aus der Asche / Schatten / Aus der Tiefe

 

Neuausgabe mit einer Biographie der Autorin.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Rudolf Krziwanek, Fotografie von Ada Christen

 

ISBN 978-3-8430-8571-7

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-7992-1 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-7999-0 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Lieder einer Verlorenen

Erstdruck: Hamburg (Hoffmann & Campe) 1868.

Aus der Asche

Erstdruck: Hamburg (Hoffmann & Campe) 1870.

Schatten

Erstdruck: Hamburg (Hoffmann & Campe) 1872.

Aus der Tiefe

Erstdruck: Hamburg (Hoffmann & Campe) 1878.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Ada Christen: Lieder einer Verlorenen, 2. Auflage, Hamburg: Hoffmann & Campe, 1869.

Ada Christen: Aus der Asche. Neue Gedichte, Hamburg: Hoffmann & Campe, 1870.

Ada Christen: Schatten, Hamburg: Hoffmann & Campe, 1872.

Ada Christen: Aus der Tiefe. Neue Gedichte, Hamburg: Hoffmann & Campe, 1878.

 

Die Paginierung obiger Ausgaben wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

Lieder einer Verlorenen

Zueignung

Es mahnt mich aus Deinem blauen Aug'

Ein wüster Jugendtraum;

Da nickt ein blasses Mädchengesicht –

Ach, ich erkenn' es kaum.

 

Und ein entgötterter Himmel liegt

Vor mir – ach, Alles bricht! –

Doch mildert das letzte, grellste Bild

Das süße blaue Licht.

 

Herzblut

1.

O könnt' ich Alles geben,

Was dieses Herz bewegt,

Und all die tausend Gedanken,

Die wüst mein Schädel hegt! –

 

Es dränget heiß zur Lippe,

Was mir das Herz zerbricht;

Ich kenn' es, ach, ich fühl' es –

Doch sagen kann ich's nicht!

 

2.

Es fragen mich die Menschen,

Was mich so elend gemacht;

Ich sag' euch, ich habe mein Elend

Mit auf die Welt gebracht.

 

Es liegt in meinem Fühlen

In dem halbentfesselten Geist,

Der aufwärts will und der Alles

Zur Erde doch wieder reißt.

 

3.

Ich blickte jüngst in mich –

So recht in's Herz hinein

Und glaubte noch etwas zu finden

Von dem, was einstens mein.

 

Ich sah mein verlornes Eden,

Mein versunkenes Paradies,

Mich selbst den gefallenen Engel,

Den Himmel und Erde verstieß.

 

4.

Ach nur einmal möcht' ich sinken

Noch in deine Arme hin,

Und nur einmal noch vergessen,

Was ich war und was ich bin!

 

Ach nur einmal so dich sehen

Wie du einst gewesen bist;

Und dann Alles wieder leiden,

Was schon war und was noch ist.

 

5.

Nur eine Thräne gebt mir wieder,

Nur eine einz'ge will ich haben!

Mit dieser Thräne aber will ich

Das todeskranke Herze laben.

 

In diese Thräne will ich senken

Mein ganzes namenloses Weh,

Mit dieser Thräne will ich sagen,

Was ich stets fühl' und kaum versteh'!

 

6.

Ach, ihr wißt nicht, wie sich's lebt,

Athmet in der Trunkenheit

Einer Liebe, die befreit,

Die begeistert, die erhebt!

 

Ach, ihr wißt nicht, wie sich's lebt,

Athmet in Versunkenheit

Einer Liebe, die entweiht,

An der Schmach und Elend klebt!

 

7.

Von dem, was ich besessen,

Ist wenig mir geblieben,

Von meinen süßen Träumen,

Von Glauben, Hoffen, Lieben!

 

Nur schmerzliches Erinnern

Ist's, was das Herz behielt,

Verachtung, Haß und Flüche –

Und eines Mannes Bild.

 

8.

»Heut haben wir schönes Wetter.«

»»O ja, recht schönes, mein Herr!««

Das sind so unsre Gespräche,

So kalt, so dumm, so leer.

 

Du streichelst mir fragend die Wange,

Du kennst das gewisse Roth;

Für dich ist's nichts als Schminke –

Für mich: in der Brust der Tod.

 

9.

Ich hab' in langen Tagen

Gar oft an dich gedacht,

Ich hab' in langen Nächten

Gehofft, geweint, gewacht.

 

Wie einstmals sitz' ich wieder

Beim abgebrannten Licht;

Ich wache – aber hoffen

Und weinen kann ich nicht.

 

10.

Ich weinte um den Frühling –

Ich Thörin!

Ich weinte um die Blumen,

Die alle verblüht und verwelkt –

Ich Thörin!

Wer weint um meine Jugend?

Wer weint um meine Träume?! – –

 

11.

Sieh', in dies dein theures Bildniß

Möcht' ich mich so ganz versenken;

Könnt' ich, ach! dem Bilde doch

Athem, Leben, Sprache schenken!

 

Könnt' ich in die kalten Formen

Gluth und Blut und Liebe gießen,

Könnt' ich diese lieben Hände

Heiß zu heißem Drucke küssen! –

 

Ach, ich kann es nicht. Es bleibet

Kalt und stumm in stolzer Ruh';

Aber du bist gut getroffen:

Denn es ist so ganz wie du!

 

12.

Wenn ich ihn manchmal sah,

Hab' ich gezittert, gebangt;

Und dennoch wieder hab' ich

Nur ihn zu sehen verlangt.

 

Und wenn er im Vorbeigehen

Nur leicht mein Kleid berührt,

Hab' ich noch lang darüber

Mit den Blumen diskurirt.

 

13.

Da sprach er so lieb und so freundlich,

So zärtlich, gütig und mild;

Man konnte beinahe glauben,

Er hab' auch Alles gefühlt.

 

Doch plötzlich dieser Blick,

Dies Lächeln – o mein Gott!

Dies höhnische Compliment –

Ich wollt', ich wäre todt!

 

14.

Ach ja, es ist nur allzu wahr,

Was nützt dir mein Lieben und Leben,

Und würd' ich aus den Adern

Mein rothes Blut dir geben.

 

Blut ist Blut und bleibt es,

Und wird ja nie zu Geld,

Und Geld gehört zum Leben:

Das ist der Lauf der Welt.

 

Mein Leben nützt dir nichts;

Bezahlte man mich für's Sterben,

Ich stürbe ja gerne morgen

Um Alles dir zu vererben.

 

15.

Ich sehne mich nach wilden Küssen,

Nach wollustheißen Fieberschauern;

Ich will die Nacht am hellen Tag

Nicht schon in banger Qual durchtrauern.

 

Noch schlägt mein Herz mit raschem Drang,

Noch brennt die Wang' in Jugendgluthen –

Steh' still, lösch' aus mit einem Mal!

Nur nicht so tropfenweis verbluten!

 

16.

Du hast mich unsäglich elend gemacht,

Und doch, ich kann dich nicht lassen;

Ich liebe dich stets mehr und mehr –

Und sollte dich endlos hassen.

 

Mein letzter Stern ging unter,

Als du dich von mir gewandt:

Da bin ich mit vollem Herzen

In's leere Leben gerannt.

 

17.

»Dein Vers hat nicht das rechte Maaß,«

So will man mich verweisen,

»An Fluß und Glätte fehlt es ihm« –

Und wie sie's sonst noch heißen.

 

Sie zählen an den Fingern ab,

Verbessern wohl zehnmal wieder;

Ich leg' die Hand auf mein blutendes Herz:

Was das sagt, schreib' ich nieder.

 

In der Irre

[23] Ueber der dummen kurzen Komödie

Sind ernste lange Jahre vergangen;

Es ward eine dumme lange Tragödie

Und heiße Thränen durchfurchten die Wangen,

Ich hörte noch hinter mir zischen und lachen

Als Leib und Seele zusammenbrachen.[24]

 

Abschied

Und als ich fortgezogen,

Hab' ich in der letzten Nacht

Der Straße, wo er wohnte,

Eine Abschiedsvisite gemacht.

 

Hab' angesehen die Steine,

Die oft sein Fuß betritt,

Und dachte, wär' ich reich,

Ich nähme sie alle mit.

 

Ich kam zu seinem Hause

Und wußte selbst nicht wie,

Und hin bis an das Thor –

Dort sank ich auf die Knie'.

 

Ich sah empor zum Fenster

Und hab' es schmerzlich gegrüßt;

Ich habe mit heißer Lippe

Die Stufen am Thore geküßt.[25]

 

Ja selbst die kalte Mauer

Berührte mein brennender Mund;

Doch hielt ich zitternd inne,

Denn an mich hinan sprang sein Hund.

 

Und er stand hinter mir;

Ich sah ihn schweigend an.

Da fragte er mich lächelnd,

Was ich denn hier gethan?

 

Dies Lächeln war vernichtend,

Ich rang nach einem Wort;

Dann sagte ich kaum hörbar:

»Herr, morgen geh' ich fort.«

 

Und abermals dies Lächeln,

Das mich so elend gemacht:

»Ich wünsche glückliche Reise –

Und mithin gute Nacht.«[26]

 

Verloren

1.

Evoe! Es klingen die Becher;

Evoe! Es kreischen die Weiber,

Wilder, brünstiger klammern sich fest

Zum lüsternen Tanze die lüsternen Leiber.

Evoe! Die trunkene Lust

Kann uns der Himmel nimmer geben:

Aber die Hölle vergessen läßt –

Evoe! – Dieses wüste Leben!

 

2.

Es rauscht und schwirrt das Saitenspiel;

Sie faßten mich an zum Tanz.

Hei, wie der bachantische Kreis sich schwang

Im blendenden Lichterglanz!

 

Sie preßten mir in die Hand ein Glas,

Bekränzten mit Rosen mein Kleid;

Ich ward in Bachus Namen getauft

Und der Frau Venus geweiht.

 

Und wie ich in dumpfer Betäubung

Im Wagen bin gesessen,

Da sagte man mir lächelnd:

So wirst du ihn vergessen.

 

Champagner

1.

Ist dein Leben freudenleer –

Trink' Champagner!

Ist das Herz von Gram dir schwer –

Trink' Champagner!

Spotten die Menschen um dich her –

Trink' Champagner!

Hast nicht Wunsch noch Thränen mehr –

Trink' Champagner!

Trink' Champagner! Es bannt die Trauer

Der leichte Franzose, der rosig glüht,

Jagt die sentimentalen Grillen

Aus dem schweren deutschen Gemüth!

 

2.

Die lustigen Champagnergeister

Die drehen mich jetzt im Kreis

Und im Kopfe summt mir

Eine seltsam wirbelnde Weis'.

 

O weh, im Magen ist mir

Auch gar so wunderlich;

Doch das allergrößte Uebel

Ist, daß ich denk' an Dich!

 

Sie glauben, daß ich betrunken sei

Und wollen mit mir spielen;

O hütet euch, gerad' im Rausch

Erwachen die bösen Grillen.

 

Denn wenn ich's recht toll getrieben,

Getobt, mich heiser gesungen:

Hab' ich nur zu übertäuben gesucht

Meine bösen Erinnerungen.

 

3.

Wie man im Rausch noch denken kann?

Ihr meint wohl, daß die Gedanken,

So wie die matten, schweren Füße

Auch immer knicken und schwanken.

 

Mein Leben ist ein langer Rausch,

Und weil ich darin gar viel gedacht,

So hat mich das viele Denken

Zuletzt noch nüchtern gemacht.

 

Wiedersehen

Ich hatt' ihn lang nicht mehr gesehen –

Und mich beinahe todt gesehnt;

Ich kam zurück zu ihm –

Und habe mich glücklich gewähnt.

 

Drei Stunden stand ich vor dem Thor

Im Regen pudelnaß

Und holte mir einen Schnupfen

Und Husten so zum Spaß.

 

In später Nacht kam er nach Haus

Und lud' mich mit Müh' nur ein;

Erzählte, er habe Kopfweh

Von schlechtem Ofnerwein.

 

Dann sprach er von seinem Windspiel,

Daß es kein schön'res gibt;

Und dann von einer Todten,

Die er vor Zeiten geliebt. –[32]

 

Wir gingen plaudernd zu Bette,

Er schlief sehr bald auch ein;

Ich aber mußte noch lange,

Sehr lange wach noch sein.

 

Der Mond schien still durch's Fenster,

Goß über den Schläfer sein Licht

Und sah, wie ich weinend küßte

Des blassen Mannes Gesicht.[33]

 

Eine Nacht

Ich hab' einen schönen Traum geträumt

In einer langen Nacht;

Da warst du gut und freundlich mit mir,

Doch hat's mich traurig gemacht.

 

Du hieltest mich an die Brust gedrückt,

Unser Athem hat sich vereint;

Ich habe dir die Hände geküßt

Und leise dabei geweint.

 

Du legtest die Hände mir auf's Haupt

Und sahst mich forschend an;

Ich aber weinte immer fort,

Du hast mir Leides gethan.

 

»Und hab' ich dir auch Leides gethan,

Vergiß es nur geschwind

Und weine nicht« – so sprachest du –

»Mein armes verlorenes Kind![34]

 

Du sollst nicht mehr verlassen sein,

Ich will dich hegen und pflegen,

Und weil du bald stirbst, so will ich

Dich selbst zur Ruhe legen.« –

 

Ich aber weinte immer fort

In der langen bangen Nacht –

Und bin im Arm eines Andern

Am Morgen aufgewacht.[35]

 

Einer

Alle Herzen, alle Menschen

Hatten sich von mir gewandt,

Und mit Abscheu alle Lippen

Meinen Namen bald genannt.

 

Da kam Einer, sah in's Antlitz,

In das thränenblasse mir:

»Unter Schweinen,« sprach er traurig,

»Fand die Perle ich an Dir.«

 

Elend

1.

Die Luft ist wie verpestet,

Vergiftet, was ich seh',

Und alle Blicke sind Dolche

Und jedes Wort ein Weh.

 

Die Herzen sind verschlossen,

Erkennen mich nimmermehr;

Von Allen aber, von Allen

Verkennt mich am meisten er!

 

Und würd' ich's ihm erzählen,

Ihm Alles sagen – o Gott!

Er würde auch dann noch lachen

Und ich – ich wäre todt!

 

2.

Und bist Du auch so höhnisch mit mir,

Und siehst du mich auch nicht gern,

So ist es mir dennoch manches Mal

Als ständ' ich dir nicht so fern.

 

Als wären deine Gedanken

Dennoch öfter bei mir;

Und wenn ich so denke und sinne,

Dann treibt's mich hin zu dir.

 

Ich stehe zitternd vor deinem Haus,

Mir ist, du müßtest mich holen;

Doch Niemand kommt und Niemand ruft –

Und weinend enteil' ich verstohlen.

 

3.

Ist es nicht thöricht und kindisch schwach,

Wenn ich so seufze und schwärme

Und tugendhaft und thränenreich

Leib und Seele hinunter härme.

 

Das Gestern mag vergessen sein

Sammt allen dunklen Sorgen,

Das Heut' ist mein – und dieser Wein

Vergessen macht das Morgen.

 

4.

Lebend unter Niedern und Rohen

Zieht's mich mächtig empor zum Hohen;

Doch die Flügel beschwert mit Steinen,

Sink' ich auf's neue herab zum Gemeinen.

Müde des Eklen und Kleinen

Eil' ich zu Orgien aus bitterer Noth –

Und so, begeistert vom Reinen,

Erstick' ich noch im Koth!

 

5.

Daß im Herzen mir erstorben

Alle, alle guten Keime,

Daß vom Laster überfluthen

Meine Worte, meine Reime;

Daß in der entweihten Brust

Wüste Leidenschaften toben:

Menschen, das verdank' ich euch!

Teufel müssen euch belohnen!

 

6.

Es giebt viel Elend in der Welt,

Viel tausend gebrochene Herzen;

An allen Ecken und Enden hallt

Der Aufschrei großer Schmerzen.

 

Ein Elend aber kenne ich –

Es kann kein größ'res geben;

Zwei kleine Worte schließen's ein –

Es heißt: verfehltes Leben.

 

7.

Hab' oft nicht zurecht mich gefunden

Da draußen im Gedränge,

Und oft auch wieder wurde

Die Welt mir fast zu enge.

 

Dann liebt' ich schnell und lebte schnell

Und schürte mein Verderben;

Der Pöbel johlte – ich lachte

Zu meinem lustigen Sterben.

 

8.

So kommt und seht und staunt mich an!

Ich bin schon, die ihr sucht:

Das Wunderthier, das, noch so jung,

Die ganze Welt schon verflucht.

 

Doch fürchtet euch nicht, ich bin kein Thier,

Das Menschen zerreißt und verschlingt:

Ich bin ein armes Wesen nur,

Das von seinem Elend singt.

 

Menschen

Als ich, mit der Welt zerfallen,

Schweigend ging umher,

Da fragten die lieben Menschen:

Was quälet dich so sehr?

 

Ich sagte ihnen die Wahrheit;

Sie haben sich fortgedrückt

Und hinter meinem Rücken

Erklärt, ich sei verrückt.

 

Weiber

Ich kam mit Thränen und wollte büßen,

Was ich und Andere verschuldet;

Sie aber traten stolz mit Füßen

Das Herz, das schon so viel erduldet.

 

Und Weiber waren es immer wieder,

Die mich entrüstet mit Geißelhieben

So tugend-dumm und weiblich-nieder

Von neuem stets in's Elend trieben.

 

In der Kunstausstellung

Was drängt die bunte Menge

Sich gaffend um dies Bild?

Es ist ein junges Mädchen

Mit Zügen krampfhaft wild.

 

Ihr alten eitlen Gecken

Drängt euch nicht so nahe hin,

Reizt nicht an den zarten Formen

Den abgestumpften Sinn.

 

Seht hinter euch – o sehet!

Dort an der dunkelsten Stell'

Lehnt bleich, ohnmächtig von Hunger,

Des schönen Bildes Modell.

 

Letzter Versuch

Ich habe mich zu erhängen gesucht:

Der Strick ist abgerissen.

Ich bin in's Wasser gesprungen:

Sie erwischten mich bei den Füßen.

Ich habe die Adern geöffnet mir:

Man hat mich noch gerettet.

Ich sprang auch einmal zum Fenster hinaus:

Weich hat der Sand mich gebettet.

Den Teufel! ich habe nun alles versucht,

Woran man sonst kann verderben –

Nun werd' ich wieder zu leben versuchen:

Vielleicht kann ich dann sterben.

 

Auf!

Komödianten ziehen vorüber,

Wüst verwitterte Gestalten

Mit verblichenen Gewändern,

Lügnerisch verschminkten Falten.

 

Dieses übertünchte Elend

Diese rohe Prahlerei

Ist doch einmal etwas Neues

In dem eklen Einerlei.

 

Nehmt mich mit! Ich will das spielen,

Was mich Welt und Liebe lehrte,

Und ihr sollt euch wundern, Leute,

Wie mein Elend ich verwerthe!

 

Tragödie

Die Glocke ruft – aufrauscht der Vorhang.

Ach, Kleine, ich seh' dein Ringen:

Du bist so elend und mußt lachen;

Ich hör' die Thränen kichernd klingen,

Ich seh' Begeist'rung mit Verzweiflung streiten –

Armes Kind, du leidest viel!

Lachend sterben, sterbend lachen

Ist ein herzzerreißend Spiel!

 

Haltlos

Moderne Zigeuner,

Wüste Gesellen,

Vagabunden des Lebens.

Die ringen

Und wandern

Und suchen –

Doch immer vergebens!

Einsame große Kinder

Mit halbem Wissen

Todtkrankem Herzen –

Und immer hinaus, immer weiter!

Nach außen keck,

Nach innen verjammert,

Den Rücken zerschlagen von der Hand,

An die sie vertrauend sich geklammert!

 

Verheirathet

1.

Links die zischelnden Komödianten,

Rechts von mir mein Bräutigam;

Hinter ihm die Anverwandten

Zucken sich die Achseln lahm.

 

Vor mir mild der greise Priester,

In mir keine Harmonie,

Auf den blonden lichten Locken

Grüne Myrthenironie.

 

2.

Ausgespannt die magern Gäule

Von dem morschen Thespiskarren;

Engagirt bin ich für's Leben,

Nimmer weiter wird gefahren.

 

Auf dem kleinen Stückchen Erde

Ist die Bude festgestellt –

Und der Kreis, der oft copirte,

Ist nun wirklich meine Welt.

 

3.

Eine lange graue Fläche,

Mitten drauf ein Schlößlein traut;

Weiß und voll im Winde schwanket

Rings umher das Haidekraut.

 

Bei des Schlößchens Erkerfenster

Steht ein Mann und jubelt laut;

Denn er hat jetzt in der Ferne

Sein geliebtes Weib erschaut.

 

Jauchzend springt er ihr entgegen,

Küßt sie heiß auf Mund und Hand,

Ordnet die zerstreuten Locken

Und das flatternde Gewand.

 

Und wie Kinder selig plaudernd