Friedrich Hebbel: Agnes Bernauer. Ein deutsches Trauerspiel in fünf Aufzügen
Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.
Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.
Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:
Vasily Perov, Ertrunkene, 1867
ISBN 978-3-8430-8747-6
Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:
ISBN 978-3-8430-9910-3 (Broschiert)
ISBN 978-3-8430-9911-0 (Gebunden)
Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.
Erstdruck: Wien (K. Ueberreuter) 1855. Uraufführung am 25.3.1852 in München.
Der Text dieser Ausgabe folgt:
Friedrich Hebbel: Werke. Herausgegeben von Gerhard Fricke, Werner Keller und Karl Pörnbacher, Band 1–5, München: Hanser, 1963.
Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.
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Ernst, regierender Herzog zu München-Baiern.
Albrecht, sein Sohn.
Hans von Preising, sein Kanzler.
Marschall von Pappenheim,
Ignaz von Seyboltstorf,
Wolfram von Pienzenau,
Otto von Bern, Ritter auf der Seite des Herzogs Ernst.
Graf Törring,
Nothhafft von Wernberg,
Rolf von Frauenhoven, Ritter auf der Seite des Herzogs Albrecht.
Hans von Läubelfing, ein Ritter in Ingolstadt.
Emeran Nusperger zu Kalmperg, Richter zu Straubing.
Caspar Bernauer, Bader und Chirurgus zu Augsburg.
Agnes, seine Tochter.
Theobald, sein Geselle.
Knippeldollinger, sein Gevatter.
Hermann Nördlinger, Bürgermeister zu Augsburg.
Barbara,
Martha, Bürgermädchen.
Stachus, ein Diener.
Der Kastellan auf Vohburg und Straubing.
Ein Herold des Reichs.
Ein Legat der Kirche.
Volk, Ritter und Reisige in großen Massen.
Die Handlung ereignet sich zwischen 1420 und 1430.[680]
Augsburg.
Baderstube.
THEOBALD allein, einen Blumenstrauß in der Hand. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Er hält den Blumenstrauß empor. Zertret ich dich? Um die schönen Rosen wärs schade, die sind unschuldig! Oder überreich ich dich? Nein, gewiß nicht, und das hätt ich ihm gleich gesagt, dem Herrn Ungetreu, der zu glauben scheint, daß ich keine Augen habe, und kein Herz, und kein Blut, wenn – Ja, das wars ja! Ich wollte sie prüfen! Da kommt sie! Mit dem Morgensüppchen des Vaters! O, wie das schmecken muß! Wenn die für mich einmal kochte, ich – Verbirgt den Strauß.
AGNES tritt ein mit einer Suppe. Guten Morgen, Theobald!
THEOBALD. Danke schön, Jungfer, danke schön! Wohl geschlafen?
AGNES. So sollt ich Euch fragen! Ihr werdet oft herausgeklopft, wenn sie gerauft haben, und ein Pflaster brauchen.
THEOBALD. Das bemerkt Ihr? Für sich. Ich geb ihr den Strauß und bestelle alles! Wenn sie dann ein Gesicht macht und pfui sagt und mich anfährt: dazu gibst du dich her –
AGNES. Was verbergt Ihr denn hinter dem Rücken?
THEOBALD zeigt den Strauß. Ja so, das hätt ich bald vergessen!
AGNES. Ah, der ist schön! Gebt ihn mal her! Sie riecht. Wenn wir doch auch einen Garten hätten! Wessen Namensfest ist denn heute? Sie will ihn zurückgeben.
THEOBALD. Behüte, er gehört Euch!
AGNES. Mir? O, da dank ich! Aber da gehts mit Eurem alten Ohm wohl bald zu Ende?
THEOBALD. Mit meinem Ohm?
AGNES. Nun ja, weil er seine Blumen zu verschenken anfängt, das pflegt ein Gärtner nicht zu tun, und gekauft habt Ihr sie doch gewiß nicht?[681]
THEOBALD. Er ist nicht von mir!
AGNES. Nicht von Euch? Von wem denn?
THEOBALD. Ratet!
AGNES. Von – – Nein, Barbara kanns nicht sein, die sieht mich nicht mehr an, ich weiß zwar nicht, warum.
THEOBALD. Es ist keine Sie!
AGNES. Keine Sie? Und Ihr seids auch nicht? Sie legt den Strauß auf den Tisch.
THEOBALD. Gott Lob, ihr fällt sonst niemand ein!
AGNES. Aber, da muß ich Euch doch fragen – –
THEOBALD. Scheltet nur! Ich wollts bloß wissen!
AGNES. Was?
THEOBALD. Ob Ihr vielleicht in der Kirche nach ihm geblinzelt, oder ihm wohl gar bei einem Tanze die Hand gedrückt hättet!
AGNES. Wem denn?
THEOBALD. Es ist schon gut, wenn Ihr nicht von selbst auf ihn kommt! Er nimmt den Strauß. Ha, unserer alten Getrud will ich ihn jetzt verehren, die soll ihn an die platte Brust stecken, wenn sie auf den Markt humpelt, und sich mit einem Knicks bedanken, wenn sie sich an dem Hause vorbei schiebt! Er springt. Ich könnte jetzt – –
Er singt.
Wenn zwei sich die Hände geben – –
Jungfer, es ist ein schönes Lied!
Singt wieder.
Und wer ein guter Geselle ist,
Der wird wohl auch ein Meister!
Oder ist das nicht wahr?
AGNES. Ihr seid zu früh lustig! Spät am Abend ist besser, als früh am Morgen.
THEOBALD. Und doch singen die Vögel, wenn sie erwachen, und nicht, wenn sie einschlafen. Er faßt ihre Hand.
AGNES zieht sie zurück. Was wollt Ihr?
THEOBALD. Bloß nachsehen, ob – Ihr habt sie mir einmal gelassen!
AGNES. Als Ihr mir eine Ader öffnen solltet!
THEOBALD. Nun freilich! Er nimmt die Hand wieder. Ließ mein Schnepper keine Spur? Ich machte es ungeschickt!
AGNES. Zittert Ihr immer so dabei, wie damals?
THEOBALD. O nein! mir ward nur so wunderlich, als ich Euch[682] weh tun sollte. Aber wie rot Euer Blut ist! Für sich. Aus meinen Lippen hätt ich gern den Verband gemacht, wenn der Vater nicht dabei gestanden wäre![683]
KNIPPELDOLLINGER ruft ins Fenster. Guten Morgen, Patchen!
AGNES. Guten Morgen, Herr Gevatter!
THEOBALD. Ist der alte Geck auch schon da?
KNIPPELDOLLINGER. Ich habe von Euch geträumt!
AGNES. Danke der Ehre.
THEOBALD. Von deinem Begräbnis hättst träumen sollen! Das hätt sich besser geschickt.
KNIPPELDOLLINGER. Kirschen gab ich Euch, von den großen, fremden, die ich an der Mauer aufziehe!
AGNES. Sind die schon so weit?
KNIPPELDOLLINGER. O ja, es kommt heut abend ein Korb voll davon aufs Tanzhaus!
THEOBALD. Da werden sie gut bezahlt!
KNIPPELDOLLINGER. Und während Ihr sie verzehrtet, führte ich Euch spazieren!
THEOBALD laut. Auf den Kirchhof, ja wohl, ich war mit dabei!
KNIPPELDOLLINGER. Spaßvogel, ist Er auch da?
THEOBALD. Ihr tratet auf einen Totenkopf, und der schnappte nach Euch, es war der von Eurer letzten Frau!
AGNES. Pfui!
KNIPPELDOLLINGER. Nicht doch, nicht doch, Patchen, ein Bader muß spaßig sein, man will doch was hören, wenn man sich den Bart oder das Haar scheren läßt. Der Theobald taugt zum Geschäft! Nur in die Ohren muß er niemanden schneiden, wie neulich mir! Nun, geh ich heute leer aus, bekomm ich das Patschchen nicht?
AGNES. Ich habe wieder die Blattern!
KNIPPELDOLLINGER. Halt mir das nicht immer vor! Nun, ich werde dich nachher noch sehen, denn die Muhme wird dich zum Turnier abholen, ich habe für Plätze gesorgt. Das wollt ich dir eigentlich sagen!
AGNES. Danke! Zwar weiß ich nicht –[683]
KNIPPELDOLLINGER. Ei, es kommt nicht alle Tage. Ritter, Grafen und Barone sind schon hier in Augsburg selten, nun gar ein Herzog von Baiern – der Tausend, da wird niemand, als der Scharfrichter mit seinen Freiknechten fehlen, der freilich gute Gründe hat, nicht unter ehrlichen Christenmenschen zu erscheinen![684]
THEOBALD. Da humpelt er hin auf seinen drei Beinen. Ihr steht doch in seinem Testament? Nun, recht hat er, es wird lustig zugehen, ich freu mich auch! Es wird etwas durchs Fenster geworfen. Was ist denn das? Es klirrt ja!
AGNES. Schlüssel!
BARBARA tritt in die Tür. Darf ich sie wieder holen?
AGNES. Barbara!
BARBARA. Agnes?
AGNES. Du kamst lange nicht!
BARBARA nimmt die Schlüssel auf. Und jetzt hab ich hier etwas zu tun! Siehst du?
AGNES. Wir waren immer so gut miteinander: was hast du jetzt gegen mich?
BARBARA. O, das bin ich nicht allein!
AGNES. Heilige Mutter Gottes, was sagst du da?
BARBARA. Du siehst deine Gespielinnen wohl gar nicht mehr an, daß du nicht weißt, wie sie dich ansehen?
AGNES. Es ist wahr, ich erhalte meinen Gruß nicht immer so freundlich zurück, wie ich ihn biete!
BARBARA. Glaubs!
AGNES. Aber bei Gott, wenn mir das mit einer begegnete, so dacht ich: Sie hat schlecht geträumt oder sie ist von der Mutter gescholten oder sie hat ihren Ring verloren –
BARBARA. Dabei kamst du denn freilich gut weg.
AGNES. Was tu ich denn? Sags!
BARBARA. Tun! Was tun! Wenns schon so weit gekommen wäre, so würde man leicht mit dir fertig!
AGNES. Barbara![684]
BARBARA. Sag doch einmal, warum – – Sie zeigt auf Theobald. Nun, da steht ja gleich wieder einer und gafft! Zu Theobald. Nicht wahr, ich bin gar nicht da! Zu Agnes. Gehst du heute? Zum Turnier, mein ich! Ja? Nun, da will ichs allen ansagen, damit sie zu Hause bleiben, ich zuerst!
AGNES. Das ist zu arg, das muß mein Vater wissen.
BARBARA. Bewahre! Niemand redt dir was Übles nach!
AGNES. Und doch flieht man mich? Doch will man mich ausstoßen?
BARBARA. Agnes, sieh mich mal an!
AGNES. Nun?
BARBARA. Wie wär dir wohl zumute, wenn – laß uns hinauf gehen in deine Kammer!
THEOBALD. Ich will nicht im Wege sein, wenn gebeichtet werden soll! Ab.
BARBARA. Ja, wie wär dir zumute, wenn du, wie sag ich, nun, wenn du einen gern hättest, und der hätte nur Augen für mich?
AGNES. Wie soll ich das wissen!
BARBARA. So will ichs dir sagen! Du würdest – – Doch ich will mich nicht lächerlich machen, du weißt es selbst recht gut! Und meinst du, daß es anderen besser geht? Bemerkt den Strauß. Woher kommt der?
AGNES. Das weiß ich nicht!
BARBARA. Nicht? Kommen so viele? Wenn er von meinem Wolfram käme, ich – – Und es ist gern möglich, gerade die Blumen stehen in seinem Garten! Gestern den ganzen Tag sah ich nach seinem Vetter, zwang mich, dem gleichgültigen Menschen verliebte Blicke zuzuwerfen und dachte, er würde rasen. Abends, als wir zu Hause gingen, strich er den Burschen selbst gegen mich heraus, es war ihm recht gewesen, ich hatte ihm einen Gefallen damit getan!
AGNES. Arme!
BARBARA. Daran bist du schuld, niemand schuld, als du! Als er dich noch nicht kannte, hing er an mir, wie eine Klette. In den Bärenzwinger wär er für mich hinabgestiegen und hätte meinen Handschuh heraufgeholt. Und nun – pfui!
AGNES. Du schiltst mich, und ich weiß nicht einmal, wovon du sprichst![685]
BARBARA nimmt den Strauß. Ich will schon dahinter kommen, ich nehm ihn mit!
AGNES. Mir gleich!
BARBARA. Allen machst du abspenstig, was ihnen gehört! Ich würde mich schämen!
AGNES. Kannst du sagen, daß ich auch nur einen ansehe?
BARBARA. Das ists vielleicht eben! Nonne und doch keine! Heilige, aber noch nicht im Himmel! Die muß man Gott abjagen! Da muß man alles daran setzen! Ei, sei, wie wir, guck auf, sprich, und es wird sich geben!
AGNES. Tät ichs, so würdest du wieder schmälen!
BARBARA. So geh ins Kloster, wirf den Schleier über, den niemand heben darf! Ich dich um Vergebung bitten? In Ewigkeit nicht!
AGNES. Wer verlangts denn?
BARBARA. Mein Beichtvater! Glaubst du, ich kam von selbst? Aber nein, lieber auf Erbsen knieen! Hält den Strauß in die Höhe. Den werd ich ihm jetzt schenken! Kennt er ihn nicht, so schick ich dir einen doppelt so schönen! Ab.
AGNES. Sie tut mir leid! Aber kann ichs ändern?[686]
THEOBALD tritt wieder ein. Die hat die arme Gertrud ja beraubt!
AGNES. Sie scheint den Verstand verloren zu haben!
THEOBALD. Das mögt ich doch nicht sagen!
AGNES. So hätte sie recht?
THEOBALD. Ich glaube fast! Jungfer, ich könnt Euch alle Morgen – –
CASPAR BERNAUER tritt mit einem Buch ein, das in ein rotes Tuch gewickelt ist; zu Agnes. Ja, ja, ja! Wenn ich nur nicht mit soll! Nun geh hinauf und lege dein Kettlein ab. Sie blasen schon am Fronhof.
AGNES. Nein Vater, ich bleibe zu Hause!
CASPAR BERNAUER. Wie? Was? Warum wartest du hier denn auf mich? Zu Theobald. An den Destillierkolben! Das Feuer wird zu schüren sein![686]
THEOBALD geht ab.
CASPAR BERNAUER. Nun?
AGNES. Vater, all die Augen – es ist mir, als ob mich gerade so viel Bienen stächen! Und Er weiß ja, sie sehen alle nach mir!
THEOBALD tritt wieder ein.
CASPAR BERNAUER. Sieh du sie wieder an! Nun, wenn du lieber deinen Rosenkranz abbetest, meinetwegen! Sieht sich um, zu Theobald. Noch keine Salben abgerührt? Hat der Hahn heut morgen nicht gekräht?
THEOBALD geht ans Geschäft.
AGNES. Barbara war hier, alle hassen mich, ich verderb ihnen den Tag, wenn ich komme.
CASPAR BERNAUER. Und darum willst du ausbleiben? Nichts da! Dann dürfte der beste Ritter ja auch nicht kommen, denn der verdirbt den übrigen ja auch den Tag. Und der nächstbeste ebensowenig, und wer noch, bis auf den letzten, der nur zum Umpurzeln da ist! Torheit und kein Ende! Hinauf! Zu Theobald. Und du hole die Flasche mit dem Wundwasser herunter!
Beide ab.[687]
CASPAR BERNAUER. Die Suppe ist kalt geworden! Ich nehms für genossen! Legt das Buch auf den Tisch. Bischöfliche Gnaden haben recht, wenig bring ich heraus und gerade die Hauptsachen nicht, die vom Hippokrates, denn die sind griechisch. Ich muß es so zurücktragen.
KNIPPELDOLLINGER tritt herein. Guten Morgen, Gevatter! Ah! Das ist wohl ein Buch? Ja?
CASPAR BERNAUER. Und das ist wohl ein funkelnagelneues Wams?
KNIPPELDOLLINGER. Nun, wenn alte Leute nichts mehr machen ließen, würde mancher Schneider hungern! Sieht ins Buch. Herrje, wie kraus und bunt! Und das versteht Ihr, wie der Bischof?
THEOBALD tritt mit der Flasche ein und macht sich wieder zu tun.[687]
CASPAR BERNAUER. Ihr müßt immer fragen!
KNIPPELDOLLINGER. Wie alt das wohl ist?
CASPAR BERNAUER. Seit der Kreuzigung unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi sind jetzt verflossen eintausendvierhundertsechsundzwanzig Jahre, aber der Autor dieses Buches, das ist zu sagen der Urheber, nämlich der Mann, der es gemacht hat, war schon über vierhundert Jahre tot, bevor der Herr auf Erden im Fleisch unter uns erschien.
KNIPPELDOLLINGER. Macht an die zweitausend Jahre! Sollte mans glauben, daß es Leute gibt, die solche Bücher so lange aufheben? Es ist doch kein Gold! Denkt nur an all die Feuersbrünste und Überschwemmungen, an Pestilenz und Seuchen! Sieh, sieh!
CASPAR BERNAUER. Es gab immer gelehrte Männer!
KNIPPELDOLLINGER. Freilich, freilich! Was gabs nicht! Wenn man das so erwägt, Gevatter, und gehörig bedenkt – Ja, ja! Nicht wahr? Sagt selbst!
CASPAR BERNAUER. Ich weiß nicht, was Ihr meint!
KNIPPELDOLLINGER. Ho, ho! Besser, als ich! Damit kommt Ihr mir nicht durch. Nun, wie Ihr wollt! Wo bleibt denn mein Patchen? Die Muhme wird schon warten!
CASPAR BERNAUER. Ja, die hatte Grillen! Zu Theobald. Spring einmal zu ihr hinauf! Bring gleich das Besteck mit! Wir werdens brauchen.
THEOBALD ab.
KNIPPELDOLLINGER. Ihr geht nicht auch? Wir könnten zusammenrücken!
CASPAR BERNAUER. Mich kümmern bei einem Turnier nur die Beulen und Wunden, und die krieg ich hier schon zu sehen, denn man trägt mir die Krüppel her!
KNIPPELDOLLINGER. Aber der Herzog, der Herzog von Baiern –
CASPAR BERNAUER. Mich lüstet nicht nach seiner Bekanntschaft, und ich will ihm wünschen, daß er auch die meinige nicht suchen muß, denn dazu führt nur ein Rippenbruch! Heut abend ist das was anders.
KNIPPELDOLLINGER. Denkt Euch, hinter der alten Klostermauer, wo mein Vetter wohnt, hat man letzte Nacht einen Toten gefunden![688]
CASPAR BERNAUER. Da ist viel zu wundern! Kommen jemals Reichsknechte nach Augsburg, ohne daß es etwas gibt?
KNIPPELDOLLINGER. Wohl! Aber dieser ist so entstellt, daß man ihn gar nicht mehr erkennen kann!
CASPAR BERNAUER. So soll man drei Tropfen seines Blutes nehmen und sie um Mitternacht, mit einem gewissen Liquor vermischt, auf eine glühende Eibenkohle träufeln. Dann wird der Verstorbene im Dampf erscheinen, wie er leibte und lebte, aber in durchsichtiger Gestalt, gleich einer Wasserblase, mit einem dunkelroten Punkt in der Mitte, der das Herz vorstellt.
KNIPPELDOLLINGER. Ei! Ei! Habt Ihr den Liquor?
CASPAR BERNAUER. Wenn Ihr ihn hättet, so ließet Ihrs durch den Ratsweibel ausrufen![689]
Agnes kommt im Putz. Theobald folgt.
KNIPPELDOLLINGER. Sieh da! Faßt ihre Hand. Nun bekomm ich sie doch?
CASPAR BERNAUER zu Agnes. Soll ich dir jetzt mit dem Korkstöpsel ein neues Gesicht machen, wie zum Schönbartlaufen, da du das alte nicht gern mehr herumträgst?
AGNES. Kommt, Gevatter!
KNIPPELDOLLINGER führt sie ab, in der Tür. Wißt Ihr, daß der Syndikus sich wieder verheiratet? Er ist zehn Jahr älter, wie ich!
CASPAR BERNAUER. Ihr irrt, nur fünf! Viel Vergnügen! Wenig Rippenstöße!
KNIPPELDOLLINGER mit Agnes ab.
Zu Theobald.