Louise Aston: Wilde Rosen / Freischärler-Reminiscenzen / Meine Emancipation

 

 

Louise Aston

Wilde Rosen

Freischärler-Reminiscenzen

Meine Emancipation

Gedichte und Autobiographisches

 

 

 

Louise Aston: Wilde Rosen / Freischärler-Reminiscenzen / Meine Emancipation. Gedichte und Autobiographisches

 

Neuausgabe mit einer Biographie der Autorin.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

ISBN 978-3-8430-8515-1

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-7940-2 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-7941-9 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Wilde Rosen

Erstdruck: Berlin (W. Moeser und Kühn) 1846.

Freischärler-Reminiscenzen

Erstdruck: Buchausgabe: Leipzig (Emil Ottocar Weller) [1849, vordatiert auf] 1850.

Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung

Erstdruck: Brüssel (C. G. Vogler) 1846.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Louise Aston: Wilde Rosen. Zwölf Gedichte, Berlin: Verlag von W. Moeser und Kühn, 1846.

Louise Aston: Freischärler-Reminiscenzen. Zwölf Gedichte, Leipzig: Verlag von E. O. Weller, 1850.

Louise Aston: Meine Emancipation, Verweisung und Rechtfertigung, Brüssel 1846.

 

Die Paginierung obiger Ausgaben wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

Wilde Rosen

Zwölf Gedichte

1. Wilde Rosen

Ich begrüße euch, ihr Rosen,

In der Freiheit wilder Pracht,

Eingewiegt von Sturmestosen,

Großgesäugt vom Thau der Nacht!

Nicht im traulichen Gehege,

In des Gartens Mutterschoß,

Ohne eines Gärtners Pflege

Wird das Kind der Berge groß.[3]

 

Wolken, die sich niedersenken,

Wolken voll Gewitterglut,

Müssen seine Kelche tränken,

Tränken mit lebend'ger Flut.

Drüberhin im Abendrothe

Träumerisch die Höh'n erglüh'n,

Und der Blitz, der irre Bote,

Grüßt es im Vorüberflieh'n.

 

Einen Kranz von wilden Rosen

Wand das Schicksal mir in's Haar,

Mir, der Fremden, Heimathlosen,

In den Stürmen der Gefahr.

Wilde Rosen: – die Gedanken,

Voll von Lebens-Uebermuth,

Wuchernd auf in üpp'gen Ranken,

Prangend in Gewitterglut![4]

 

Doch zu früh ins wilde Leben

Trieb mich eine finstre Macht;

Meiner Jugend Bilder schweben

Einsam durch den Traum der Nacht!

Und von Mißgeschick zerschmettert

Klagt in Trauer mein Gemüth:

Meine Rosen sind entblättert,

Ihre Farbenpracht verglüht!

 

Einsam, wie dem Geisterzuge

Blinde Seher einst gelauscht;

Lausch' ich dem Gedankenfluge,

Der im Sturm vorüberrauscht –

Meines Lebens irre Geister,

Haltet ein auf mein Geheiß!

Euch beschwört der Zaubermeister,

Bannt euch in der Dichtung Kreis![5]

 

Und aus schönen, glüh'nden Nächten,

Und aus Träumen frei und kühn,

Will ich wilde Rosen flechten,

Die in ihrem Thau erblüh'n!

Flechten mir der Dichtung Rosen

In der Freiheit wilder Pracht,

Eingewiegt von Liebeskosen,

Großgesäugt vom Thau der Nacht![6]

 

2. Ein heil'ges Fest

O dieser Tag der höchsten Feier,

Der mir das Herz im Busen bricht;

Der höhnend durch der Zukunft Schleier

Mir zeigt des Schmerzes Angesicht!

Ein Schmerz, der nicht in leichtem Beben,

In flüchtigem Vorüberschweben,

Die schwarze Trauerfahne trägt; –

Nein, der ein ganzes, reiches Leben

Mit schonungsloser Hand zerschlägt![7]

 

Nicht ahnt's der Kranz in meinen Locken,

Daß ich dem Tode angetraut;

Nicht ahnen es die Kirchenglocken,

Zu läuten einer Grabesbraut! –

Umsonst mit euern milden Tönen

Wollt ihr dem Leben mich versöhnen;

Mich lockt kein festlich heit'rer Klang!

Nur meinen Schmerz kann er verhöhnen;

Nur feiern meinen Untergang!

 

Verkauft ein ganzes reiches Leben,

Das seines Werths sich kaum bewußt,

Mit Träumen, die das Herz durchbeben,

In wilder ahnungsvoller Lust!

Ein glühend Schwelgen, süßes Bangen,

Ein fiebrisch zitterndes Verlangen,

Das um das Glück gebiet'risch fleht,

Bis von dem kalten Tod umfangen

Das Leben und der Traum verweht![8]

 

Du Herr der Welt, du Lebenswürger,

O falsches, gleißendes Metall!

Verlockst du selbst des Himmels Bürger,

Den stolzen Geist, zum Sündenfall?

Die sich nach ew'gen Himmeln sehnen,

Die kühn sich unvergänglich wähnen,

Verkaufen dir ein ew'ges Sein.

Der Priester segnet Schmerz und Thränen,

Er segnet selbst den Meineid ein!

 

Erlöscht, ihr Kerzen am Altare!

Erlöscht, wie meiner Seele Licht!

Das Brautbett wird zur Todtenbahre,

Um die man Grabeskränze flicht.

Es tritt auf allen meinen Wegen

Verzweiflung spottend mir entgegen,

Mit irrem Blick, mit wildem Haar;

Verzweiflung sprach den Hochzeitsegen,

Sprach ihren Fluch am Traualtar![9]

 

Fluch diesem Tage höchster Feier,

Der mir das Herz im Busen bricht!

Der höhnend durch der Zukunft Schleier

Mir zeigt des Schmerzes Angesicht!

Ein Schmerz, der nicht in leichtem Beben,

In flüchtigem Vorüberschweben

Die schwarze Trauerfahne trägt; –

Nein, der ein ganzes, reiches Leben

Mit schonungsloser Hand zerschlägt![10]

 

3. Flucht

Soll ich nicht brechen die engen Schranken?

Kurz ist der Jugend blühende Lust!

Länger ertrag' ich den Sturm der Gedanken,

Trage den Kampf nicht der sehnenden Brust!

Wild wie Bäche von Felsen schäumen,

Jauchzend hernieder in's schöne Thal:

Sehnt sich mein Geist aus den engen Räumen

Hin zu der Freiheit belebendem Strahl![11]

 

Muthig, mein Renner mit flatternden Mähnen!

Muthig hinein in die weite Welt!

Rasch, wie des Geistes geflügeltes Sehnen;

Wie das Gewölk am Himmelszelt!

Fliehen der Landschaft Bilder vorüber,

Dörfer und Wälder, Hügel und Thal:

Tob' ich aus des Gedankens Fieber;

Flieht mich der eigenen Seele Qual!

 

Mögen die Funken durchs Dunkel stieben;

Einsamer Hufschlag verhallen in Nacht!

So zerstob mein Hoffen, mein Lieben;

Sinkende Sterne in wilder Pracht.

Gähnende Schlünde zur Rechten, zur Linken;

Tanzende Lichter, dem Abgrund entsandt!

Mögen die Geister der Tiefe winken:

Meiner Seele sind sie verwandt![12]

 

Wettergewölk mag die Felsen umthürmen,

Blitze zucken von Höh' zu Höh'!

Frei ausathmet nur in Stürmen

Meine Brust ihr lastendes Weh!

Wenn der Donner mächtig die Felsen rüttelt;

Wenn die Gipfel geißelt des Sturms Gebraus:

Flüchtet der Dämon, der mich schüttelt,

Zu den Brüdern in's All hinaus.

 

Muthig, mein Renner mit flatternden Mähnen!

Bote des Sturms in geflügeltem Lauf!

Trocknet der Himmel die Wolkenthränen;

Steigen die ewigen Sterne auf!

Weh'! wenn die finstern Schleier schwinden,

Richt' ich die Blicke himmelwärts;

Winkt nur aus endlos tiefen Gründen

Mir mein unendlicher, tiefer Schmerz.[13]

 

4. Weihe

Ja, ihr les't in meinen Blicken

Keine Sternenschrift der Seligkeit!

Denn dies Aug' hat das Entzücken

Schon verlernt seit langer, langer Zeit.

Mahnend spricht es nur von Opfertod,

Von bewegtem Schicksalspiele,

Von dem Schiffbruch glühender Gefühle,

Von des Daseins ganzer voller Noth![14]

Doch in dem verzweiflungsvollsten Ringen

Bin ich klar mir und bewußt.

Keine fremde Macht darf mich bezwingen,

Selbst im Schmerz ist frei die Brust! –

Eine Priest'rinn steh' ich am Altare,

Und mein Liebstes opf'r ich hin,

Thränenlos an seiner Todtenbahre;

Thränenlos in stolzem Sinn.

Hab' ich selber doch heraufbeschworen

Auf mein Haupt der Wetter Wuth!

Habe mir zum Freier auserkoren

Den Verderber mit der wilden Glut!

Ihn, des Sturmes feurigen Genossen:

Den Gedanken mit den Blitzgeschossen!

So beschwor der Heiden Priesterin,

Schmachtend nach des Himmels sel'gem Sitze,

Auf ihr Haupt in todesmuth'gem Sinn

Nieder die verderbenschwangern Blitze:

Um, vermählt in Sturmeswettern,

Aufzusteigen zu den ew'gen Göttern![15]

 

5. Kerker-Phantasie

Es liegt vor mir das Wort des Herrn,

Die Bibel, aufgeschlagen;

Daraus gemahnt mich, bleich und fern,

Der Geist von alten Tagen.

Du hast Erlösung prophezeit!

Erlösung bringst du nicht –

Und die verheiß'ne Seligkeit

Ist nur ein Traumgesicht![16]

 

Mich starrt es an, das Wort des Herrn,

Das nie mir Trost gewährte.

Mir strahlte nie der gold'ne Stern,

Der Bethlehem verklärte.

Mich mahnt's unheimlich, graunerfüllt,

Und bringt den Tod mir nah',

Das schmerzentstellte Götterbild,

Das Kreuz auf Golgatha!

 

Der Kreuzestod, die Grabesnacht,

Die finstern Bilder alle;

Die Angst, die bang und betend wacht,

Vor neuem Sündenfalle;

Die Buße, die sich selbst kasteit,

Des Himmels Strafgericht!

O, meines Kerkers Einsamkeit

Begrüßt kein rettend Licht![17]

 

Das Kreuz – ich fühle seine Last,

Wie ein dämonisch Walten –

Von seiner Macht bin ich erfaßt,

Unrettbar festgehalten.

Es bindet mich für Ewigkeit

Der Weihe heil'ger Spruch,

Und namenlosem Schmerz geweiht

Hat mich dies Himmelsbuch!

 

»Er sei Dein Herr