Aus dem Englischen von Alexandra Ernst
Mit Illustrationen von Chloe Bristol
Für Jan, John, Dave und Mary
ERSTER TEIL: DIE GEFAHREN DES STURMS
KAPITEL 1: DER EINGANG STECKT UNTER STEINEN
KAPITEL 2: VOLLER ELAN NACH HAUSE
KAPITEL 3: EINE GABE SUCHT IHRESGLEICHEN
KAPITEL 4: WOHIN DIE SEELE SENDEN?
KAPITEL 5: EINE RÜGE FÜHLT SICH UNGERECHT AN
KAPITEL 6: EIGENE WEGE HEIMLICH GEHEN
KAPITEL 7: ES SENKT SICH ERSCHROCKENE STILLE ÜBER DEN SAAL
KAPITEL 8: DIE STILLE NACH DEM STURM
KAPITEL 9: EIN GANG IN DER NACHT
ZWEITER TEIL: DAS BEBEN DEHNT SICH AUS
KAPITEL 10: KEIN FREUND IN DEM ÜBLICHEN SINNE
KAPITEL 11: «ES WAR MIR WIRKLICH EIN VERGNÜGEN.»
KAPITEL 12: IN NORBRIDGES SCHRANK IST EINIGES VERSTECKT
KAPITEL 13: EINE WUNDERBARE MISSION
KAPITEL 14: EIN BESUCH BEI DER KINDLICH ALTEN DAME
KAPITEL 15: EIN BESENSTIEL IST EIN GEFÄHRLICHES DING
KAPITEL 16: DIE VERWIRRUNG GEHT IN DIE NÄCHSTE RUNDE
KAPITEL 17: ICH HABE EVENTUELL ETWAS HERAUSGEFUNDEN!
KAPITEL 18: UND GLEICH DARAUF STANDEN ALLE VOR GRACELLAS TÜR
DRITTER TEIL: DIE GEHEIMEN GEDANKEN DES RILEY GRANGER
KAPITEL 19: DIE BROSCHÜRE NIMMT GESTALT AN
KAPITEL 20: FERN UND NAH IN AUSBLICKEN – DIE CAMERA OBSCURA IN AKTION
KAPITEL 21: EIN FEUER LÖST EINE HEFTIGE DISKUSSION AUS
KAPITEL 22: RILEY GRANGERS ANSICHT BARG EINEN KONFLIKT ZWISCHEN FREUNDEN
KAPITEL 23: GEDICHTE, DOCH AUCH GEDANKEN
KAPITEL 24: DIE WORTE AN DER WAND REIMEN SICH … NICHT NUR!
KAPITEL 25: EINE BELIEBIGE ANSAMMLUNG VON WÖRTERN
VIERTER TEIL: MIT GLAUBEN UND WÜNSCHEN DER DUNKELHEIT ENTGEGEN
KAPITEL 26: FREDDY ENTDECKT DAS TUCH – UND ELIZABETH WEICHT VOM WEG AB
KAPITEL 27: EIN ZUFÄLLIGES TREFFEN BEI DER ALTEN MINE
KAPITEL 28: WIE DER PERMAFROST ERNEUT FÜR ANGST UND SCHRECKEN SORGT
KAPITEL 29: VON DEN ÄNGSTEN EINER NACHT
KAPITEL 30: WER KOMMT ZUM ABENDESSEN?
KAPITEL 31: DIE PARTY IST EIN VOLLER ERFOLG
KAPITEL 32: EIN ALTER BRIEF – EIN DÜSTERES GEHEIMNIS
KAPITEL 33: DIE NACHT EILT DEM ENDE ENTGEGEN
KAPITEL 34: EIN WUNSCH VOLL EBENSOLCHER MACHT
DANKSAGUNG
Leseprobe
KAPITEL 1
KAPITEL 2
«In Bruno Gestens erstem Roman Der Bruchstück-Betrug zitiert eine der Figuren aus erfundenen Büchern, ein sinnloses und gleichzeitig großartiges Unterfangen.»
Aus: Ewiges Marbella von Pierre Menard
An einem eiskalten Samstagnachmittag Mitte März fuhr Elizabeth Somers allein durch die Winterlandschaft, als sie ein blutrotes Tuch entdeckte, das neben der Loipe an den Ast einer Erle gebunden war. Sie hatte gerade umkehren wollen, zum einen, weil ihr Großvater Norbridge sie gebeten hatte, nicht länger als zwei Stunden wegzubleiben, zum anderen, weil sich der Himmel mit Wolken verdunkelt hatte und außerdem noch eine Menge Hausaufgaben auf sie warteten. Aber gerade als sie die Spitzen der Stöcke in den Schnee grub, um ihre Langlaufskier zu wenden, hatte das Stück Stoff ihre Aufmerksamkeit erregt. Es war ein rotes Taschentuch, das schlaff an dem Ast hing, der einzige Farbklecks in dem ansonsten schier endlosen Weiß, durch das sich die Loipe zog.
Elizabeth hielt an und betrachtete das Tuch. Es war ausgefranst und hing anscheinend schon eine ganze Weile da. Sie zupfte mit ihren behandschuhten Fingern daran, aber der Knoten war fest. Der Atem stand ihr in kleinen Wölkchen vor dem Gesicht, und der Schweiß auf ihrer Stirn wurde kalt, als ihr klar wurde, dass sie auf diesem Pfad noch nie so weit gefahren war. Sie drehte sich um und betrachtete das verschneite Tal, in dem sie sich befand. Nirgends waren Häuser zu sehen, nur winterkahle Tannen und Erlen und – weit im Osten – hohe Berge unter einem ergrauenden Himmel. Alles war still.
Wer bindet hier draußen, mitten im Nirgendwo, ein Tuch an einen Baum?, wunderte sich Elizabeth.
Noch einmal blickte sie sich um, dann musterte sie den Boden vor ihren Skispitzen. In dem Pulverschnee prangten Fußabdrücke, die von dem Baum auf einen Geländeanstieg zuführten, der etwa hundert Meter nördlich hinter der Biegung eines vereisten Bachs lag.
Das Gefühl überkam Elizabeth, diese mittlerweile vertraute Intuition – bei der ihr Magen absackte und es in ihrem Kopf zu surren begann –, dass hier in der Umgebung mehr verborgen lag, als man auf den ersten Blick sehen konnte: eine Überraschung, die auf sie wartete, vielleicht sogar eine Person.
«Hallo?», rief sie und schaute zu dem Hügel. «Ist hier jemand?»
Sie bekam keine Antwort. Nur der Wind seufzte in den Baumkronen, ehe es wieder ganz still wurde.
«Ich habe keine Angst», flüsterte Elizabeth.
Sie zog sich die Mütze tiefer über die Ohren, während sie noch einmal rechts und links die Loipe entlangschaute. Dann löste sie die Bindung ihrer Skischuhe, trat aus den Skiern und folgte den Fußspuren.
Direkt hinter dem gefrorenen Bach führten die Spuren einen gewaltigen verschneiten Erdwall hoch, dessen obere Kante bis zu den Kronen der ringsum stehenden Erlenbäume aufragte. Als Elizabeth ein paar Schritte weiter hinaufstieg, gelangte sie zum Rand eines baumlosen Kreises, der so riesig war, dass die Eisbahn des Hotels Winterhaus gut und gerne zehnmal hineingepasst hätte. Schneebemützte Felsblöcke bedeckten den Kreis. Was vor ihr lag, sah aus wie ein großer Teich, den man mit Felsgestein aufgefüllt hatte, eingefasst von einer wallartigen Böschung, auf der sie jetzt stand.
Was ist das bloß?, fragte sich Elizabeth.
Die Fußspuren zogen sich bis zu einer kleinen Lichtung inmitten der Felsbrocken hinunter, und Elizabeth folgte ihnen. Als sie den Boden der Senke erreichte, fiel ihr ein schiefer Pfosten auf, an dessen Spitze ein verbeultes Schild aus beige lackiertem Metall hing. Vor den schneebedeckten Steinen fiel es kaum auf. Es sah aus, als gehöre es zu der Landschaft. Elizabeth rieb sich den Schnee von der Brille und betrachtete das Schild. Die orangefarbenen Buchstaben waren so verblasst, dass man sie kaum noch lesen konnte.
GEFAHR! DIE RIPPLINGTON MINENGESELLSCHAFT ERKLÄRT DIESE MINE, DEN «SILBERWEG», FÜR GESCHLOSSEN! DIE MINE WURDE VERSIEGELT UND IST NICHT MEHR ZUGÄNGLICH! ZUR SICHERHEIT ALLER HABEN WIR DEN EINGANG AUFGESCHÜTTET, ABER WIR KÖNNEN KEINE HAFTUNG FÜR PERSONEN ÜBERNEHMEN, DIE VON DIESEM PUNKT AUS WEITERGEHEN! KEHREN SIE UM! ES IST NICHT SICHER HIER!
Elizabeth spürte ein Flattern in ihrer Brust. Sie wusste, dass sich die unzähligen Gänge des Silberwegs, der vor über einem Jahrhundert aufgegeben worden war, von hier aus in alle Richtungen erstreckten und unter dem Winterhaus ein wahres Labyrinth aus Tunneln bildeten. In einem dieser Gänge hatte Elizabeth vor fast drei Monaten Norbridges Schwester Gracella überwältigt, die Zauberin, die versucht hatte, Macht über sie zu erlangen. Sie wusste auch, dass Gracella zwar besiegt war, dass ihr Körper aber immer noch in jenem düsteren Tunnel unter der Erde lag. Durch eine dunkle Magie war ihr irdischer Leib nicht nur zu Stein erstarrt, er ließ sich auch keinen Zentimeter bewegen, und Norbridge hatte sie vorsorglich dort, wo sie lag, in Beton einschließen lassen und die Türen im Winterhaus, die zu den unterirdischen Gängen führten, versiegelt. Elizabeth wurde klar, dass der einzige Zugang zum Silberweg die kreisrunde Öffnung war, über der sie stand und die mit tonnenschwerem Felsgestein gefüllt war. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, als sie das verbeulte Warnschild noch einmal las.
Elizabeth wollte gerade umkehren, als sie unter ihren Füßen ein kaum merkliches Rumpeln wahrzunehmen glaubte. Es war wie ein weit entfernter Donner, und ein Teil von ihr war sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt etwas gespürt hatte. Sie stand da und wartete ab, ob sich das Rumpeln wiederholen würde, aber alles blieb still.
Der Wind frischte auf, und als sich Elizabeth erneut abwenden wollte, war ihr, als ob ein schwacher blutroter Schimmer durch den Schnee in der Mitte der Felsbrocken dringen würde. Schnell schüttelte sie den Kopf und legte die Hand auf ihre Brust, wo unter ihrer Jacke der blausilberne Anhänger mit dem Wort «Glaube» darauf lag.
«Ich habe keine Angst», sagte sie.
Wieder kam eine Windböe, diesmal stärker als die erste. Elizabeth blickte noch einmal auf das Schild. Der Wind fegte nun über den kreisrunden, versiegelten Minenschacht, und Elizabeth drehte sich um und kraxelte die Böschung hinauf bis zum oberen Rand. Als sie sich ein letztes Mal zu der baumlosen Ebene umblickte, meinte sie wieder, im Zentrum einen trüben rötlichen Schimmer aufsteigen zu sehen. Aber das ist doch unmöglich, dachte sie. Gleichzeitig drohte die Angst, die in ihr aufstieg, sich zu einer regelrechten Panik auszuwachsen, sodass sie nun so schnell sie konnte zum Weg zurückrannte, wobei sie aufpassen musste, um nicht im Schnee auszurutschen und hinzufallen. Als sie ihre Skier erreichte, fühlte sie wieder, wie die Erde rumpelte. Sie erstarrte und lauschte. Der Himmel wurde immer dunkler.
Donner, dachte sie, als sie in die Bindungen ihrer Skier stieg, wunderte sich aber, dass sie den Blitz übersehen hatte. Das ist bestimmt Donner.
Das rote Taschentuch flatterte vor ihr am Baum, als wieder eine Böe über die Schneelandschaft fegte. Elizabeth zog an dem Tuch und brach dabei den dürren Ast ab. Dann knäulte sie das Stück Stoff zusammen und warf es in einen Schneehaufen. Sie stapfte zurück zur Loipe und schob sich mit den Skistöcken so kraftvoll an, wie sie konnte. Mit eiligen Schritten machte sie sich auf den Rückweg zum Winterhaus. Und die ganze Zeit versuchte sie, eine Angst zu verdrängen, die sich beharrlich in ihren Geist bohrte: Was, wenn Gracella doch nicht tot ist?
Wieder rumpelte die Erde.
Elizabeth hatte nur einen Gedanken, während sie sich so schnell wie möglich von der Mine und dem roten Taschentuch entfernte: Sie musste Norbridge von ihrer Entdeckung erzählen. Sie fürchtete sich – sowohl vor dem, was sie gesehen, als auch vor dem, was sie gefühlt hatte. Seit den Weihnachtsferien wohnte sie nun im Winterhaus, und alles war wunderschön: Morgens freute sie sich auf ihre neue Schule, abends las sie, trank heiße Schokolade oder besuchte Freunde. Sie verbrachte viele Stunden allein in der riesigen Bibliothek des Hotels, und an den Wochenenden ging sie Skifahren, Schlittschuhlaufen oder machte Spaziergänge um den gefrorenen Lake Luna. Und doch verspürte sie immer noch diese merkwürdige Verlockung, die ihr Gracella eingeimpft hatte, die sie aber nicht näher erklären konnte. Dieses Gefühl war beunruhigend.
Das alles ging ihr durch den Kopf, als eine Viertelstunde später wieder das Gefühl über sie kam. Sie blieb stehen. Sie war schnell gefahren, und es hatte angefangen zu schneien. Vor ihr gabelte sich die Loipe, und obwohl sie genau wusste, welcher Weg zum Winterhaus zurückführte, hatte sie das untrügliche Gefühl, dass sich auf dem Weg, den sie kreuzen musste, jemand näherte. Sie war diesen Weg selbst schon ein paarmal gefahren; er führte nach Süden, in das fünf Meilen entfernte Havenworth, wo ihre Schule war. Sie lauschte und wartete ab, ob jemand auftauchen würde. Und dann kam hinter einer Biegung, keine hundert Meter weit weg, eine Gestalt in einer silberfarbenen Jacke und einer roten Mütze in Sicht, die rasch auf Skiern in ihre Richtung glitt.
«Elizabeth!», rief der Skifahrer genau in dem Augenblick, in dem sie ihn erkannte. «Hallo!»
«Hyrum!», antwortete sie, und all ihre Angst und Sorge der letzten halben Stunde verflogen. Denn dies war Hyrum Crowley, der Referendar von Elizabeths Schule, den sie kannte, seit sie vor zehn Wochen an die Havenworth Akademie gekommen war – gleichzeitig mit Hyrum. Er unterrichtete sie nur zweimal pro Woche – in Englisch, dienstags und donnerstags, denn immerhin war er ja noch nicht mit seiner Ausbildung fertig –, aber Elizabeth hatte auch so schon den Eindruck, dass aus ihm ein ganz ausgezeichneter Lehrer werden würde. Dass er einundzwanzig Jahre alt war, seinen Abschluss an der renommierten Bruma Universität ganz in der Nähe gemacht hatte, sein schwarzes Haar stets gut gekämmt trug und fast genauso viele Bücher gelesen hatte wie Elizabeth (einschließlich ihres aktuellen Lieblingstitels, Der Gesang der Nachtigall) bestärkte sie nur in ihrer Einschätzung. Er war außerdem ziemlich nett, gerade alt genug, um erwachsen zu sein, aber noch nicht so alt, dass er das Gespür dafür verloren hatte, wie es ist, jung zu sein, zum Beispiel zwölfdreiviertel, so wie Elizabeth.
«Wow», rief Hyrum im Näherkommen. «Wie es aussieht, sind heute alle coolen Leute zum Skifahren unterwegs.»
Elizabeth lachte. «Kommen Sie aus der Stadt?», fragte sie, als Hyrum vor ihr anhielt. Er atmete schwer. Der Schneefall war dichter geworden und es ging jetzt beständig ein schneidender Wind. Elizabeth war Hyrum schon mindestens ein halbes Dutzend Mal auf den Loipen rund um das Winterhaus begegnet, und sie wusste, wie sehr er das Skifahren liebte.
«Richtig», antwortete er. Seine Augen strahlten. «Und es ist wirklich schön, dich hier draußen zu treffen.» Er schaute die Loipe entlang in die Richtung, aus der sie kam. «Bist du auf dem Heimweg?» Sie nickte, aber bevor sie etwas sagen konnte, kam er ihr zuvor. «Ich wette, du beeilst dich mit dem Nachhausekommen, weil du die Bio-Hausaufgaben von Mr. Karminsky noch nicht gemacht hast.»
Wieder lachte Elizabeth. «Das kriege ich noch hin.» Sie schob ihre Brille hoch.
«Ich treffe mich im Winterhaus mit dem Schulleiter», sagte Hyrum. Elizabeth erinnerte sich, dass Norbridge ihr gesagt hatte, er habe Professor Egil P. Fowles, den Rektor der Havenworth Akademie, zum Abendessen eingeladen. Mr. Fowles, ein netter, wenn auch sehr korrekter Mann, der seinen Tag durch regelmäßige Blicke auf seine Armbanduhr akkurat einteilte, war ein weiterer Grund, warum Elizabeth ihre neue Schule so gern mochte. Anders als auf der Schule in der kleinen Stadt Drere, wo sie seit ihrem vierten Lebensjahr bis zum letzten Weihnachtsfest bei ihrer Tante Purdy und ihrem Onkel Burlap gelebt hatte, machten alle Lehrer der Havenworth Akademie den Eindruck, als würden sie nicht nur ihre Arbeit mögen, sondern auch die Schüler. Und das war Elizabeths Meinung nach Egil P. Fowles zu verdanken, der in dieser Hinsicht mit gutem Beispiel voranging.
«Bleiben Sie auch zum Abendessen?», fragte Elizabeth und gab sich keine Mühe, ihre Hoffnung zu verhehlen, dass er Ja sagen würde.
«Eins habe ich in der kurzen Zeit, die ich bislang hier verbracht habe, gelernt», gab Hyrum gespielt feierlich zurück. «Wenn Mr. Norbridge Falls zum Abendessen einlädt, lehnt man nicht ab.» Er schaute zum Himmel hoch. «Aber wir sollten uns beim Fahren unterhalten, finde ich. Ich glaube nicht, dass sich die Sonne heute noch einmal blicken lässt.»
Die Loipe verschwand allmählich unter einer Schicht Neuschnee, und der Himmel wurde immer dunkler. Spätestens nach einer halben Stunde war Elizabeth heilfroh, dass sie Hyrum getroffen hatte. Sie fuhren nebeneinander her und unterhielten sich über die Schule, das Winterhaus, die gepflegten Loipen und über ein Thema, das sie beide liebten: Bücher. Über eine Sache allerdings bewahrte Elizabeth Stillschweigen, nämlich darüber, was sie entdeckt hatte, bevor sie sich begegnet waren: die geheimnisvolle, verlassene Mine und das rote Taschentuch am Baum. Sie erschauderte und bekam es bei dem Gedanken an diese stille und einsame Stelle in dem trichterförmigen Mineneingang regelrecht mit der Angst zu tun.
«Hast du kürzlich mal wieder etwas von meinem Großvater gelesen?», fragte Hyrum, nachdem Elizabeth ein paar Bücher erwähnt hatte, die sie in den letzten Wochen durchgeschmökert hatte.
Eine der vielen interessanten Seiten von Hyrum Crowley war sein Großvater, Damien Crowley, der nicht nur vor Jahren in der Nähe von Winterhaus gelebt hatte, sondern auch Autor von unheimlichen und makabren Geschichten war, die Elizabeth liebte. Sie hatte noch nicht alle seine Bücher gelesen – soviel sie wusste, hatte er insgesamt neunundneunzig Romane geschrieben –, aber das würde sie irgendwann schaffen.
«Ich bin gerade mit Jeder Regenbogen hat einen schwarzen Rand fertig geworden», sagte Elizabeth, als das Hotel Winterhaus golden schimmernd und bekrönt von zahlreichen Wimpeln mit einem großen «W» auf dem Dach aus der verschneiten Landschaft vor ihnen auftauchte.
«Das hat mir richtig gut gefallen», sagte Hyrum. «Der Leprechaun, der in Wahrheit ein Vampir ist! Wow, ich habe echt keine Ahnung, wie mein Großvater auf all diese Geschichten gekommen ist.»
«Als Nächstes will ich Dunkelheit am Ende des Tunnels lesen.»
«Viel Glück beim Einschlafen danach!»
«Ich glaube, mein Lieblingsbuch von ihm ist bislang Colin Dredmares Kammer der Verzweiflung», sagte Elizabeth.
«Der absolute Gruselfaktor!», sagte Hyrum. «Ich mag am liebsten Malcolm Ghastford und das Geheimnis des wachsenden Kerkers.»
Ein Ereignis, das Elizabeth seit über einem Jahr nicht mehr aus dem Kopf ging, war der seltsame Fund in Gracellas altem Zimmer im Winterhaus. Sie hatte sich einmal heimlich hineingeschlichen – das Betreten des Zimmers war streng verboten, obwohl es nichts Besonderes und abgesehen von ein paar Möbelstücken auch leer war. Aber in der Schublade der Kommode hatte sie ein Buch von Damien Crowley mit dem Titel Die geheime Unterweisung der Anna Lux gefunden, das sie nur einmal kurz aufgeschlagen und dann liegen gelassen hatte. Sie hatte es nie erwähnt, niemandem gegenüber. Gelegentlich war sie in Versuchung gewesen, noch einmal in Gracellas Zimmer zu gehen, um sich das Buch genauer anzuschauen, besonders weil nicht einmal Leona Springer, die Bibliothekarin des Hotels und Elizabeths gute Freundin, irgendwo eine weitere Ausgabe des Titels hatte auftreiben können, trotz ihrer vielen Kontakte zu anderen Bibliotheken. Aber Elizabeth wusste, dass sie Gracellas Zimmer nie mehr betreten durfte. Die Neugier hatte sie einmal übermannt, und sie hatte Norbridge nie gebeichtet, was sie getan hatte. Sie schwor sich, dass es bei diesem einen Mal bleiben würde.
Elizabeth überlegte, ob sie Hyrum nach dem Buch über Anna Lux fragen sollte. Aber noch während sie die letzten Bäume hinter sich ließen und in die weite Ebene vor dem Winterhaus glitten, kam er ihr zuvor und sagte: «Professor Fowles hat kürzlich erwähnt, dass du wahrscheinlich eines Tages Winterhaus leiten wirst, weil du Norbridges nächste Verwandte bist. Stimmt das?»
Die Frage schreckte Elizabeth auf, obwohl schon andere sie gestellt hatten. Aber sie war sich noch nicht schlüssig, wie sie selbst dazu stand. Sie liebte Winterhaus von ganzem Herzen und hielt sich für den glücklichsten Menschen auf der ganzen Welt, weil sie hier wohnen durfte. Aber der Gedanke, von Norbridge das Zepter zu übernehmen, verantwortlich zu sein für das ganze Hotel und jeden darin – das war zu viel für sie. Sie war zwölf Jahre alt, und es reichte ihr voll und ganz, hin und wieder in der Bibliothek auszuhelfen und pünktlich ihre Hausaufgaben abzuliefern.
«Ich weiß nicht», sagte Elizabeth, «wahrscheinlich schon …» Sie fühlte sich wie früher in Drere, wenn ihre Tante Purdy sie wegen einer fehlenden Socke oder einer anderen Kleinigkeit verhörte, mit der Elizabeth rein gar nichts zu tun gehabt hatte. Hyrums Frage hinterließ ein ängstliches und unsicheres Gefühl. Das Zischen der Skier im Schnee kam ihr plötzlich lauter vor, während sie überlegte, was sie sagen sollte.
«Wir sind fast da!», sagte Hyrum, und Elizabeth war froh, dass er die unbehagliche Stille durchbrochen hatte. In der Tat näherten sie sich rasch dem großen Hotelgebäude. Durch den wirbelnden Schnee sah Elizabeth, wie auf der gepflasterten runden Auffahrt vor der Lobby ein Auto anhielt und Personen ausstiegen.
«Sind das nicht diese Puzzle-Leute?», fragte Hyrum, der die Szene ebenfalls beobachtete.
Und richtig: Elizabeth sah, wie Mr. Wellington und Mr. Rajput, zwei Gentlemen, die seit fast zwei Jahren bei jedem Aufenthalt im Winterhaus an einem riesigen Puzzle mit fünfunddreißigtausend Teilen arbeiteten, ihren Ehefrauen aus dem Auto halfen. Dann gingen alle vier auf das Hotel zu. Sie wollte ihnen zurufen und sie begrüßen, aber sie war immer noch zu weit weg, und der Schnee schluckte alle Geräusche.
«Ich dachte, sie würden erst nächste Woche eintreffen», sagte Elizabeth.
Hyrum machte eine Kopfbewegung zum Hotel. «Gehen wir Hallo sagen.»
Elizabeth stieß sich auf den Skiern vorwärts. Während sich die Entfernung zum Winterhaus stetig verringerte, überlegte sie, warum ihr das frühe Eintreffen von Mr. Wellington und Mr. Rajput so komisch vorkam. Das Bild des rot gefärbten Schnees über dem Mineneingang zuckte ihr durch den Sinn. Doch dann erreichten sie und Hyrum die Auffahrt vor dem Grandhotel, und sie verscheuchte alle trüben Gedanken.
Die Lobby des Hotels Winterhaus war so riesig und so elegant, dass Elizabeth jedes Mal beim Hereinkommen beeindruckt war, obwohl sie mittlerweile täglich mehrmals hier durchging. Die Kandelaber, die glänzend polierten Holzpaneele, der dicke weiche Teppich mit dem Rautenmuster, die Gemälde und Elchköpfe an den Wänden, die sanfte Musik des Streichquartetts aus den Lautsprechern und das Aroma von Feuerholz, gemischt mit dem zuckersüßen Duft des weltberühmten Winterhaus-Konfekts, der «Flurschen». All das verzauberte Elizabeth immer wieder aufs Neue.
«Es gibt keinen besseren Ort auf der Welt», sagte Hyrum, während er die Mütze abnahm und seine feuchten Haare schüttelte. Er und Elizabeth hatten die Skier neben der Eingangstür stehen lassen und waren in die Lobby gegangen. Hyrum blickte zu der hohen Decke empor und lächelte. «Du hast echt Glück, dass du hier wohnen darfst.»
Elizabeth wollte ihm gerade beipflichten, als Sampson, ein Page, der kaum älter war als Hyrum, sie lautstark begrüßte. «Die weltberühmte Langläuferin Elizabeth Somers ist zurückgekehrt!», rief er von seinem Pagentisch aus und zeigte mit einem breiten Grinsen seine Hasenzähne.
«Hallo Sampson», sagte Elizabeth. Sampson war in ihren Augen nicht nur einer der besten, sondern auch der freundlichste Page im Winterhaus.
«Und Ihnen ein herzliches Willkommen, Mr. Hyrum Crowley», sagte Sampson. «Schön, Sie zu sehen. Ich bin froh, dass Sie und Elizabeth es noch vor dem Sturm ins Hotel geschafft haben.»
«Hey, Sampson», sagte Hyrum und deutete mit dem Daumen über seine Schulter. «Da draußen schneit es schon tüchtig. Ist Mr. Fowles bereits eingetroffen?»
Sampson spähte durch das Glas der Eingangstüren. «Wir erwarten ihn jeden Moment.»
«Es wird auch mit jeder Minute kälter», setzte Elizabeth hinzu, doch ihr Blick wurde schon von einer Ecke der Lobby angezogen, wo auf einem langen Tisch das riesige Puzzle lag, dem der große, kahlköpfige Mr. Wellington und der kleine, rundliche Mr. Rajput in den vergangenen Monaten unendlich viele Stunden ihrer Zeit gewidmet hatten. Die beiden Männer kehrten mit ihren Ehefrauen drei- oder viermal im Jahr jeweils für zwei Wochen im Hotel ein und verbrachten dann die meiste Zeit damit, nach passenden Puzzleteilchen zu suchen. Das letzte Mal waren sie an Weihnachten da gewesen und hatten große Fortschritte an dem Motiv gemacht, das einen Tempel im Himalaja darstellte, wo Nestor Falls, der Gründer von Winterhaus, einmal gelebt hatte. Mittlerweile konnten sie es kaum noch abwarten, das Puzzle endlich fertigzustellen. Elizabeth half ihnen, sooft sie konnte – zum einen, weil sie Puzzles liebte, zum anderen, weil sie die geradezu unheimliche Gabe besaß, in Windeseile die passenden Puzzleteile zu finden. Mr. Wellington und Mr. Rajput waren immer dankbar, wenn sie sich zu ihnen gesellte.
Zu Elizabeths Überraschung standen die beiden Männer jetzt neben dem Tisch (ohne ihre Frauen, die sie nirgends entdecken konnte) und betrachteten das unfertige Puzzle, als ob sie bereits seit Stunden darüber brüten würden. Dabei hatten Elizabeth und Hyrum sie doch eben erst das Hotel betreten sehen. Es kam ihr merkwürdig vor, dass Mr. Wellington und Mr. Rajput sich sofort nach ihrer Ankunft an die Arbeit machten, ohne überhaupt ihre Zimmer aufgesucht zu haben.
«Ich wusste gar nicht, dass sie heute kommen wollten», sagte Elizabeth zu Sampson und deutete auf den Puzzletisch.
Er beugte sich zu ihr. «Es kam auch für uns unerwartet», sagte er mit gesenkter Stimme. «Mr. Wellington war ganz aufgeregt, wieder hier zu sein. Er hat Mr. Rajput angetrieben, er solle sich beeilen, damit sie mit dem Puzzle weitermachen können, und dann sind sie geradewegs zum Tisch gegangen, als ob sie es gar nicht abwarten könnten.»
Hyrum drehte sich zu Elizabeth um und warf ihr einen Blick zu, der besagen sollte: Wie seltsam! Doch dann zuckte er mit den Achseln und bedeutete Elizabeth mit einer Kopfbewegung, ihn zu den beiden Männern zu begleiten. «Wollen wir sie begrüßen?»
Sie schlenderten zum Puzzletisch, aber Mr. Wellington und Mr. Rajput schienen sie gar nicht zu bemerken, so sehr waren sie in die Puzzlestücke vertieft, die vor ihnen lagen.
«Hallo Mr. Wellington», sagte Elizabeth. «Hallo Mr. Rajput.»
Die Köpfe der beiden Männer ruckten hoch. Sie wirkten nicht nur überrascht, Elizabeth zu sehen, sondern auch leicht verdattert, wie jemand, der einer Person begegnet und weiß, dass er diese Person kennt, sie aber nicht einordnen kann.
Nach einer kleinen Weile kehrte der typische leutselige Ausdruck auf Mr. Wellingtons Gesicht zurück. «Ach ja!», sagte er überschwänglich. «Die liebe Elizabeth! Wie schön, dich zu sehen!» Er trat zu ihr und schüttelte ihr die Hand. Dann wandte er sich Hyrum zu. «Und unser junger Lehrer! Freut mich, freut mich, Sir!» Er drehte sich zu Mr. Rajput um, der zögernd vortrat. «Nun machen Sie schon, Mr. Rajput, kommen Sie und begrüßen Sie unsere Freunde!»
Der kleinere Mann hatte seine übliche freudlose Miene aufgelegt, als ob er gerade eine übergroße Enttäuschung erlebt hätte und jeden an seinem Gefühlsleben teilhaben lassen wollte. Er streckte Elizabeth die Hand hin. «Wir sind immer hocherfreut, wenn unser Wunderkind sich zu uns gesellt», sagte er. Sein Blick unter den schweren Lidern wandte sich Hyrum zu. «Auch wenn ich vermute, dass sie bereits den Nachmittag mit jugendlichen Vergnügungen verplant hat und sich nicht in der Lage sieht, hier bei uns zu verweilen, während wir auf unserem mühseligen – sehr mühseligen! – Weg voranschreiten, um dieses …»
«Mr. Rajput!», fiel ihm Mr. Wellington ins Wort und deutete auf Hyrum, um seinen Puzzlepartner aufzufordern, auch ihm die Hand zu geben. «Hören Sie doch auf zu murren!» Er lächelte Elizabeth zu. «Wir freuen uns, wieder hier zu sein, und wir konnten es gar nicht erwarten, unsere Arbeit an dem Puzzle aufzunehmen.»
«Das sehe ich», sagte Elizabeth und betrachtete das Puzzle auf dem Tisch. Die beiden würden noch einen oder zwei weitere Besuche hier im Hotel benötigen, um es zu vollenden, schätzte sie. Obwohl sie den Männern gerne half, wenn sie hier im Winterhaus waren, vermied sie es, in ihrer Abwesenheit auch nur ein einziges Puzzleteil anzurühren, aus Respekt Mr. Wellington und Mr. Rajput gegenüber. Es war deren Projekt. Wenn die beiden nicht da waren, stand sogar ein Schild auf dem Tisch – Mr. Rajput und Mr. Wellington, die seit Monaten an diesem Puzzle arbeiten, halten sich derzeit nicht im Hotel auf. Bitte lassen Sie das Puzzle unberührt! Vielen Dank. Mr. R und Mr. W –, das jede Ambition von Außenstehenden im Keim erstickte. So merkwürdig es Elizabeth auch vorkam, kein einziger Gast schien jemals Anstalten zu machen, die Bitte zu ignorieren oder auch nur infrage zu stellen. Viele Leute bewunderten das Puzzle, aber noch nie hatte sie gesehen, dass jemand versuchte, selbst ein Teil einzupassen.
«Nun, Sie beide verschwenden wirklich keine Zeit», sagte Hyrum.
Mr. Wellington wandte sich mit strahlenden Augen zu Mr. Rajput um. «Wir sind entschlossen, bis Ostern fertig zu werden», sagte er. «Wir hatten ursprünglich vor, erst nächsten Mittwoch herzukommen, doch dann haben Mr. Rajput und ich nach eingehender Beratung beschlossen, unseren Zeitrahmen zu erweitern, um den Fertigstellungstermin halten zu können.» Er beugte sich vertraulich vor und sagte munter: «Wenn wir jeden Tag vor dem Frühstück anfangen und bis spät abends dranbleiben, dann bin ich zuversichtlich, dass wir es innerhalb der nächsten zwei Wochen schaffen können! Wir haben keine Zeit zu verlieren, was, Mr. Rajput?»
Mr. Rajput zuckte müde die Schultern und ging zum Puzzle zurück. «Ich bin nicht derjenige, der meine Zeit mit einem Schwätzchen vergeudet», sagte er düster.
Elizabeth, die das Puzzle betrachtet und sich – nicht zum ersten Mal – darüber gewundert hatte, dass diese riesige Kiste und die vielen tausend Puzzleteile überhaupt existierten, spürte ein vertrautes Ziehen in ihrem Inneren.
«Hey!», sagte sie fröhlich und deutete auf ein Teil neben Mr. Rajputs Hand. «Ich glaube, ich weiß, wo das hingehört.»
Mr. Wellington schaute Hyrum an und machte ein Gesicht wie jemand, der gerade einen Zwanzig-Dollar-Schein auf dem Teppich gefunden hat. «Sie ist schon erstaunlich, ohne Frage», sagte er. «Wir wissen ja, was jetzt kommt.»
«Eins muss man der jungen Dame lassen», setzte Mr. Rajput hinzu. «Sie hat eine ganz außerordentliche Begabung für das Puzzeln.»
Das Teil, das Elizabeth entdeckt hatte, war ganz und gar blau – ein Stück des aus tausenden Teilen bestehenden Himmels –, aber etwas an seiner Form oder an der Art, wie es auf dem Tisch lag, erweckte das Gefühl in ihr. Sie nahm es, ging zu einer Gruppe von zusammengefügten Teilen am oberen Rand des Bildes und setzte es ein. Es passte perfekt.
«Genau dahin!», sagte sie triumphierend. Sie hatte keine Ahnung, wieso sie das konnte. Sie wusste nur, dass sie oft diese Intuition hatte, wenn sie den beiden Männern half. Sie spürte förmlich, dass ein bestimmtes Teil an eine bestimmte Stelle gehörte. Aber diesmal, als alle drei Männer sie bewundernd betrachteten, empfand sie eine ungewöhnliche Befriedigung darüber, dass sie ein passendes Teil gefunden hatte, eine Freude, wie sie sie vorher noch nie verspürt hatte.
«Wow!», sagte Hyrum. «Das ist wirklich eine Begabung.»
«Nein, eine Gabe», sagte Mr. Wellington. «Sie hat eine Gabe.»
«Und in einer Stunde hat sie eine Verabredung mit Mr. Falls», sagte jemand.
Elizabeth drehte sich um und sah Jackson hinter sich stehen, den ersten Pagen und Norbridges rechte Hand. Er sah wie immer tadellos und adrett aus in seiner roten Livree und mit der roten Kappe auf dem Kopf, den Messingknöpfen und dem Namensschild – ebenfalls aus Messing –, beides blitzblank poliert. Jackson war der erfahrenste und fähigste Angestellte des Hotels, und er genoss Norbridges und Elizabeths vollkommenes Vertrauen.
«Hallo Jackson», sagte sie, und Hyrum begrüßte ihn auch. Die beiden Männer am Tisch traten vor und schüttelten Jackson die Hand.
«Mr. Wellington, Mr. Rajput», sagte Jackson erfreut. «Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise.» Er schaute sich um. «Sind Ihre Gattinnen mit eingetroffen?»
Mr. Wellington deutete die Treppe hinauf. «Sie sind schon nach oben gegangen.»
Jackson lächelte herzlich. «Wir sind überglücklich, Sie wieder als unsere Gäste begrüßen zu dürfen.» Er wandte sich an Hyrum. «Und Sie ebenfalls, junger Herr. Schön, Sie zu sehen. Ihr Schuldirektor, Mr. Fowles, wird sicher gleich da sein. Zum Abendessen gibt es Forelle und Süßkartoffeln, und dann wird Miss Sunny Chen ein Violinkonzert im Saal der Künste geben, um acht Uhr. Sie spielt die Vinteuil Sonata. Ich bin sicher, das wird Ihnen gefallen.» Er nickte Elizabeth zu. «Und wie Miss Somers ja weiß, gibt es morgen eine Aufführung des Theaterstücks Isfaheen, die schwimmende Stadt, gefolgt von einem Vortrag über die Kunst der Verstellung der Stimme von dem berühmten Bauchredner Isaac Igbinedion. Sie sollten sich nichts davon entgehen lassen.»
«Der Aufenthalt im Winterhaus ist immer ein Vergnügen, Jackson», sagte Hyrum. «Aber wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne der Bibliothek einen Besuch abstatten. Es gibt da ein paar Bücher, die ich für den Unterricht nächste Woche brauche.»
«Gerne», sagte Jackson. «Das Abendessen wird um halb sieben serviert.»
Hyrum salutierte und lächelte den anderen zu. «Bis nachher», sagte er und wandte sich ab.
Eine unbehagliche Stille senkte sich über Elizabeth und die drei Männer, als sie Hyrum hinterhersahen. Elizabeth hatte den Verdacht, dass Mr. Wellington und Mr. Rajput es nicht erwarten konnten, sich wieder dem Puzzle zu widmen.
Jackson räusperte sich. «Gentlemen», sagte er gütig, «da Sie bereits mit Miss Somers’ Hilfe ein Puzzleteil gefunden haben, könnten Sie sich vielleicht überreden lassen, auf Ihre Zimmer zu gehen und sich vor dem Abendessen etwas auszuruhen. Das Puzzle wird auch später noch auf sie warten.»
Mr. Rajput schaute Mr. Wellington schulterzuckend an. «Möglicherweise sollten wir seinen Rat beherzigen. Denn da unsere junge Helferin nicht bleiben kann, sind unsere Aussichten, heute Nachmittag noch Fortschritte zu machen, äußerst gering. Wir sind beide aus der Übung.» Er rieb sich die Stirn. «Und ich bin müde.»
Mr. Wellingtons Blick huschte eilig über die Puzzleteile, die verstreut auf dem Tisch lagen. Dann strich er sich über das Kinn und lächelte Jackson an, woraufhin er tief Luft holte.
«Sie haben recht, Jackson», sagte er. «Eine kurze Unterbrechung wird wohl nichts schaden. Nun denn, auf in unsere Zimmer!» Er winkte Mr. Rajput, ihm zu folgen, und die beiden Männer gingen in Richtung Fahrstuhl. «Auf dass wir unseren Aufenthalt im Winterhaus genießen, wie immer.» Er drückte den Knopf und wandte sich noch einmal zu Jackson und Elizabeth. «Bis heute Abend.»
Mr. Rajput wedelte lustlos mit der Hand, als sich die Fahrstuhltür öffnete. «Wir sehen uns beim Abendessen, vorausgesetzt, uns stößt bis dahin kein Ungemach zu.»
«Sir!», protestierte Mr. Wellington, als er mit seinem Freund in den Fahrstuhl trat. «Natürlich sehen wir sie beim Abendessen. Und dann machen wir uns gleich wieder an die Arbeit an …»
Die Tür schloss sich. Elizabeth starrte sie an, als ob die beiden Männer ihre Meinung ändern und wieder zurückkommen würden. Dann blickte sie zu Jackson, der ebenfalls die Fahrstuhltür nicht aus den Augen ließ.
«Die beiden sind ja ganz wild darauf, das Puzzle fertigzukriegen», sagte sie.
«Das Reisen kann manche Leute ziemlich durcheinanderbringen», sagte Jackson mit hochgezogenen Augenbrauen.
Er schaute sich in der Lobby um. An einem Samstagnachmittag vor drei Monaten, in der geschäftigen Vorweihnachtszeit, wäre hier einiges los gewesen: Leute, die in alle Richtungen eilen – Angestellte bei den Vorbereitungen für die Festessen und Konzerte und Gäste auf dem Weg hinaus zum Schlittschuhlaufen oder hinein für eine Tasse heiße Schokolade im Wintersaal. Dann wirkte Winterhaus wie ein Bahnhof im Berufsverkehr. Aber jetzt, an einem dunklen Tag Mitte März, zwei Wochen vor Ostern, war das Hotel nur zur Hälfte ausgebucht, und die Abende verbrachte man im hoteleigenen Kino oder bei stillen Konzerten. Elizabeth liebte die Weihnachtszeit im Winterhaus, aber sie merkte, dass sie jetzt, da sie hier im Hotel wohnte, auch die ruhigeren Zeiten schätzte.
«Du sagtest, dass Norbridge mich sehen will?»
«Um vier Uhr im Observatorium.»
Das Observatorium befand sich im dreizehnten Stock, ganz oben, wo Norbridge ein kostbares Teleskop auf einem überdachten und von Fenstern eingefassten Balkon aufbewahrte, sodass es möglich war, die Welt rings um Winterhaus bei Tag und die Sterne und Planeten in der Nacht zu beobachten. Dort befand sich auch ein Büro, in dem er die wichtigsten Angelegenheiten des Hotels regelte.
«Ich glaube», sagte Jackson, «es geht um Elana.»
Elizabeth erschauerte. Elana. Es war in der Silvesternacht gewesen, in den düsteren Tunneln unter dem Winterhaus, dass Elana Vesper – oder besser gesagt Elana Powter, wie Elizabeth jetzt wusste – ein tragisches Schicksal ereilt hatte. Elana war von ihren Eltern, die mit Gracella unter einer Decke steckten, gezwungen worden, gegen Elizabeth zu intrigieren, um Gracella wieder zu ihrer alten Stärke zu verhelfen. Dazu wollte sich Gracella Elizabeths neu gewonnener Macht bedienen, doch Elizabeth entschloss sich dazu, diese Macht für sich zu behalten, und besiegte die böse Zauberin. Aber in der Schlacht in den verschlungenen Minengängen unter dem Hotel hatte Gracella in einem letzten, verzweifelten Versuch, sich selbst zu retten, Elanas Körper ihre Lebensjahre entzogen, mit dem Ergebnis, dass die zwölfjährige Elana nun eine schwache und runzelige alte Frau von neunzig Jahren war. Eine entsetzliche, erschreckende Tragödie, umso mehr, als sich herausstellte, dass Elana ein unschuldiges Bauernopfer ihrer eigenen hinterhältigen Familie war. Nach den dramatischen Ereignissen in der Silvesternacht waren Elanas Eltern und ihr Bruder verschwunden und hatten Elana allein zurückgelassen.
Elizabeth fühlte sich elend bei dem Gedanken an Elanas Unglück. Sie fand, dass das andere Mädchen viel schlimmer bestraft worden war, als sie es für die wenigen Hilfestellungen, die sie ihren Eltern bei ihrem üblen Plan geleistet hatte, verdiente. Wenn es irgendetwas gab, das ihr helfen konnte, wollte Elizabeth es ausfindig machen. Sie wusste, dass Norbridge genauso dachte. Im Augenblick wohnte Elana in einem Zimmer im vierten Stock, das sie nie verließ. Sie befand sich in einem Zustand permanenter Trauer und Verwirrung, und es war schwer zu sagen, ob sie überhaupt verstand, wo sie war oder was mit ihr geschehen war. Manchmal fragte sich Elizabeth, ob Elanas Geist sich durch die Ereignisse dauerhaft umnachtet hatte. So traurig es auch war, möglicherweise gab es keine Hoffnung mehr für sie.
«Ist etwas mit ihr geschehen?», fragte Elizabeth.
«Ich glaube, sie möchte mit dir und Norbridge reden», sagte Jackson. «Soweit ich das mitbekommen habe, geht es ihr besser. Hoffen wir, dass sie über den Berg ist.»
Diese Nachricht kam überraschend für Elizabeth und sie freute sich sehr darüber. «Das klingt ja großartig!» Sie schaute zu der Uhr auf dem Pagentisch. «Ich werde pünktlich um vier oben sein.»
«Wunderbar», sagte Jackson. Er nickte und wandte sich dem Tisch zu, wo Sampson ein paar Unterlagen durchblätterte. Dann ging er auf ihn zu. «Machen Sie keinen Buckel, Sir!», rief er. «Das ist schlecht für den Rücken und schlecht für die Wirbelsäule. Aufrecht stehen! Aufrecht!»
Elizabeth wollte sich schon der Treppe zuwenden, als ihr Blick wie von selbst noch einmal zu dem Puzzle wanderte und sie den unwiderstehlichen Drang verspürte, weitere passende Teile zu finden. Sie betrachtete den Tempel auf dem Motiv und das Wort, das in einer ihr unbekannten Sprache über den Türen eingemeißelt war. Mr. Wellington hatte ihr einmal erzählt, es bedeute «Glaube», und jedes Mal, wenn Elizabeth daran dachte, überkam sie ein tröstliches Gefühl. Mit einem Finger fuhr sie über die Buchstaben, als würde sie ein Blatt Papier glätten, und legte dann den Finger auf ihren Pullover, auf die Stelle, unter der sich der Anhänger mit demselben Wort darauf befand.
Ein Schauer überlief sie, ganz ähnlich wie das Gefühl, aber merkwürdig kalt und scharf. Ohne nachzudenken, nahm sie ein Puzzleteil in die Hand – wieder ein Stück des blauen Himmels – und starrte es an. Nach einem prüfenden Blick über die Schulter, ob nicht etwa Jackson, Sampson oder sonst jemand herübersah, steckte sie das Puzzleteil in ihre Tasche, holte tief Luft und ging dann zur Treppe, hinaus aus der Lobby.
Sie hatte gerade eins der fünfunddreißigtausend Teile von Mr. Wellingtons und Mr. Rajputs Puzzle gestohlen.
Elizabeths Zimmer mit der Nummer 301 befand sich im dritten Stock und war so hell und freundlich, wie das Zimmer bei ihrer Tante und ihrem Onkel in dem schäbigen Haus in Drere düster und trüb gewesen war. Man muss sich vorstellen, in einem Hotel zu leben, wo für alles gesorgt und alles erledigt wird, aber mit all den Dingen, die einem lieb und teuer sind: die eigenen Bücher auf einem großen Regal aus Eichenholz, die eigenen Kleider in einem Kirschbaumschrank, die eigenen Poster an den Wänden – Huskies vor einem Schlitten, der junge Artus, der Excalibur aus dem Stein zieht, das Cover von Der Herr der Diebe, das Schnabeltier aus dem dritten Cattle-Battle Film Die Rückkehr der Heifers – und Ketten mit Glitzerkram, kleinen Fähnchen und Lichtern kreuz und quer über der Decke. So sah es in Elizabeths Zimmer aus. Sie liebte es. Und manchmal konnte sie kaum glauben, dass all das ihr gehörte. Am liebsten saß sie auf dem Sofa, schaltete die Tiffany-Lampe ein und las stundenlang. Wenn die Vorhänge offen waren und den Blick freigaben auf den Winterhimmel, den Lake Luna und die Berge dahinter, umso besser. Aber eine dunkle Nacht mit einem Halbmond war auch nicht zu verachten. Ihr zweiter Lieblingsort, gleich nach dem gemütlichen Lesesofa, war der kleine Schreibtisch neben dem Bett, an dem sie ihre Hausaufgaben erledigte, Bilder malte oder eine der Listen vervollständigte, die sie in ihrem Notizbuch anlegte. Erst kürzlich waren einige neue hinzugekommen: «Gründe, warum die Havenworth Akademie besser ist als die Mittelschule in Drere», «Die besten Vorträge im Winterhaus in diesem Jahr», «Lieder, die ich auf der Gitarre spielen werde, wenn ich Gitarrespielen gelernt habe», «Tattoos, die ich mir nie machen lassen würde, selbst wenn ich jemals auf die Idee kommen sollte, ein Tattoo zu tragen». Es fiel ihr leicht, sich an diesem Schreibtisch zu konzentrieren, ganz anders als in ihrem Zimmer in Drere, wo sie ihre Mathehausaufgaben hatte machen müssen, während nebenan der Fernseher ihrer Tante plärrte (Car Crash Chaos oder Wir lachen über die anderen! gehörten zu ihren Lieblingssendungen) oder sie sich die endlosen Klagen ihres Onkels über seinen Job anhören musste. Das Leben im Zimmer 301 des Hotels Winterhaus war ein wahr gewordener Traum.
Aber als sie an diesem Nachmittag die Tür hinter sich abschloss und ihre Skikleidung auszog, fanden ihre Gedanken keine Ruhe. Sie musste ständig an den unheimlichen Mineneingang denken, an das merkwürdige Verhalten der Männer am Puzzletisch, an Elanas Zustand. Vor allem aber beschäftigte sie die Frage, warum sie ein Puzzleteil gestohlen hatte. Sie holte das kleine hölzerne Plättchen aus ihrer Tasche, legte es auf den Schreibtisch und betrachtete es: ganz und gar blau, die Ränder geschwungen und präzise ausgesägt, wie all die anderen Teile des Puzzles. Völlig normal. Was nicht normal gewesen war, war die Tatsache, wie schwer es ihr gefallen war, die Lobby zu verlassen, als sich das Teil in ihrer Tasche befand. Elizabeth vermutete, dass es an dem schlechten Gewissen lag, das an ihr nagte, aber sie hatte auch den seltsamen Eindruck gehabt, dass sie gegen eine Art Widerstand ankämpfen musste, als ob ein unsichtbares Band sie wieder zum Tisch ziehen würde.
Ich bringe es bald zurück, dachte sie und schob die Frage, was sie überhaupt dazu bewogen hatte, es mitzunehmen, beiseite. Sie legte das Holzplättchen in die oberste Schublade ihres Schreibtischs, duschte schnell und setzte sich dann hin, um das zu tun, was sie an den Samstagnachmittagen am liebsten tat: sich in ihren neuen Laptop einzuloggen, den Norbridge für sie gekauft hatte und den zu benutzen sie sich selbst nur dreimal in der Woche für eine halbe Stunde gestattete, um mit ihrem besten Freund Freddy Knox E-Mails auszutauschen.
Elizabeth mochte die Arbeit in der Bibliothek, wo sie Leona mindestens drei Nachmittage in der Woche und meistens auch an den Wochenenden half; bereitwillig führte sie samstagvormittags interessierten Gästen eine Stunde lang die Camera obscura im dreizehnten Stock vor, die Freddy repariert hatte. Sie hatte ihm versprochen, sich darum zu kümmern. Sie mochte auch ihre Schule und hatte sich sogar mit ein paar Kindern angefreundet. Aber worauf sie sich am allermeisten freute, war, einmal in der Woche eine Nachricht von Freddy zu bekommen, mit dem sie in den zwei vorangegangenen Weihnachtsferien etliche Abenteuer erlebt hatte und der in fünf Tagen zusammen mit seinen Eltern im Winterhaus eintreffen würde, um hier die Osterfeiertage zu verbringen.
Freddy war ein Jahr älter als Elizabeth. Seine ungeheuer wohlhabenden Eltern hatten allerdings viel mehr Interesse an den Dingen, die sie kauften, und an den Orten, zu denen sie reisten, sodass Freddy für sie immer erst an zweiter oder dritter Stelle kam. Vier Jahre lang hatten sie ihn ausgerechnet in der Zeit, in der die meisten Familien versuchten, zusammen zu sein, allein im Winterhaus gelassen. Freddy machte das nichts aus, denn er liebte das Hotel genauso, wie Elizabeth es tat. Was Elizabeth besonders an Freddy mochte, war der Umstand, dass er trotz des Reichtums seiner Eltern nicht hochnäsig und arrogant war, sondern im Gegenteil sehr nett und außerdem unglaublich intelligent. Er war ein erstklassiger Erfinder, der nicht nur die Camera obscura wieder zum Laufen gebracht, sondern auch im Jahr zuvor das «WalnussWunderWarm» erfunden hatte, ein brennbares Scheit aus gepressten Walnussschalen. Elizabeth fand, dass sie und Freddy sich in vielerlei Hinsicht ähnelten – hauptsächlich, weil sie beide von Natur aus neugierig und ganz verrückt waren nach allem, was mit Anagrammen, Codes, Rätseln und allerlei Wortspielen zu tun hatte. Sie waren schon im ersten Jahr im Winterhaus beste Freunde geworden.
Als sie ihren Laptop einschaltete, schaute sie zum Fenster, an dem die Vorhänge zurückgezogen waren. Im Schein der Lampen vor dem Hotel schwebte der Schnee durch das nachmittägliche Zwielicht wie Gischt von der Brandung einer Atlantikküste. Die Flocken waren überall, sausten in dichten Wolken durch den dunkler werdenden Himmel. Der Wind drückte gegen die Fensterscheibe, und Elizabeth zog ihren Pullover enger über die Schultern und wandte sich ihrem Computer zu, um Freddys E-Mail zu lesen:
Ihr obenauf stellend! Ähm, ich meine natürlich: Hallo beste Freundin! (Nur für den Fall, dass du das Anagramm nicht selbst lösen konntest …) Ich hoffe, deine Woche war besser als meine. Am Montag habe ich meine Brille zerbrochen. Am Dienstag sollte mich mein Dad eigentlich zu einem Hockeyspiel mitnehmen, aber dann sagte er, er könnte nicht mitkommen, also musste ich stattdessen mit unserem Chauffeur gehen. Aber das war lustig. Jacques ist ein echt netter Kerl, und wir haben jede Menge Popcorn gegessen, und ich habe drei Eiscreme-Sandwiches gefuttert. Aber die Albatrosse haben im Penaltyschießen verloren, was nicht so gut war. Und am Mittwoch habe ich eine Erkältung bekommen. Wenigstens war gestern ein guter Tag; wir haben unsere Halbjahresnoten bekommen, und ich habe überall eine 1. Manche Dinge ändern sich nie. Sollte ein Scherz sein! (Na ja, eigentlich stimmt es ja, zumindest in dieser Beziehung. Was macht denn bei dir die Schule?)
Und wie läuft es im Winterhaus? Klappt alles mit der Camera obscura? Hast du mittlerweile sechstausend von den Büchern der Bibliothek gelesen oder erst fünftausend? Geht es Norbridge gut? Und Leona? Und allen anderen? Ich bin immer noch ziemlich neidisch, dass du da wohnen darfst, aber ich freue mich auch für dich. Vielleicht kannst du Norbridge fragen, ob ich auch bei euch einziehen darf. (Wink mit dem Zaunpfahl: Oh bitte, ja, ja. Machst du das? Bitte?!?)