Inhalt



Axel Kruse

Kirkasant

 

Atlantis



Eine Veröffentlichung des
Atlantis-Verlages, Stolberg
Juni 2017

Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin

Titelbild: Lothar Bauer
Umschlaggestaltung: Timo Kümmel
Lektorat und Satz: André Piotrowski

ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-519-8
ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-520-4

Dieses Paperback/E-Book ist auch als Hardcover-Ausgabe direkt beim Verlag erhältlich

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Für meinen Sohn Justin

Geleitwort

Bei einem Referendum am 23. Juni 2016 stimmten die Wähler des Vereinigten Königreichs über den Austritt aus der Europäischen Union ab. Kaum jemand in Großbritannien rechnete ernsthaft mit einer Mehrheit der Brexit-Befürworter. Umso entsetzter war der Aufschrei, als die EU-Gegner siegten.

Ein ähnliches Szenario beschreibt Axel Kruse in seinem Roman. Er entführt den Leser auf den Planeten Kirkasant, um den sich das mächtige, aber korrupte terranische Reich und die derolianischen Kolonien streiten. Auch hier soll ein Referendum die Entscheidung bringen. Inmitten der Abstimmung landet Samuel Kors mit seinem heruntergekommenen Raumfrachter und gerät zwischen beide Fronten.

Die Geschichten mancher Autoren sind wie australische Landstraßen: geradlinig und so vorhersehbar wie eine Autofahrt über ebendiese. Kaum beginnt man zu lesen, ahnt man bereits, wohin die Reise geht, und vor dem Ende der Fahrt ist man längst ausgestiegen. Bei dieser Geschichte wird Ihnen das nicht passieren. Sie ist wie ein Autorennen über eine Serpentinenstraße, vollgepackt mit Handlung, überraschenden Wendungen und Details, die man erst nach dem zweiten Lesen entdeckt.

Bereits 2014 erhielt Axel Kruse den DSFP für seine Kurzgeschichte Seitwärts in die Zeit. Mit diesem Roman beweist er, dass er nicht nur die Kurzform brillant beherrscht. Im Stil der klassischen Abenteuerromane jagt er den Leser von einem Ort zum nächsten und beschreibt dabei die Welt Kirkasant und seine Bewohner so detailliert, dass man meinen könnte, man wäre live dabei.

Uwe Hermann, Wagenfeld, den 31.03.2017

Kapitel 1
Heimkehr

Kirkasant, ich war schon lange nicht mehr hier gewesen. Das hatte Gründe gehabt. Eigentlich gab es diese Gründe immer noch, aber hatte ich eine Wahl? Ich brauchte das Geld für den Frachtauftrag, um die Reparatur meines Schiffes bezahlen zu können. Ich benötigte einen Hafen, der über die Möglichkeit verfügte, die Reparatur durchführen zu können. – Da passte alles zusammen, bis auf das Gefühl tief in mir drinnen, dass es eigentlich nicht richtig für mich war, hier zu sein.

Es war heiß. Als ich die Luftschleuse öffnete, schlug mir diese wohlbekannte feuchtwarme Luft entgegen. Den Impuls, zurückzutreten und die Schleuse wieder zu schließen, unterdrückte ich.

Da, etwa einen Kilometer entfernt, konnte ich ein Bodenfahrzeug ausmachen, das sich mir näherte. Vermutlich der Agent, der sicherstellen wollte, dass ich die Ware auch ordnungsgemäß an Bord hatte. Es dauerte nicht lange, bis er die Lahme Ente erreicht hatte.

»Kapitän Samuel Kors, vermute ich?«, fragte der Mann bereits, während er dem Gleiter entstieg. Seine Geschäfte mussten gut gehen, wenn er sich so ein Gefährt leisten konnte. Üblicherweise bewegte man sich hier auf Kirkasant mit von Tieren gezogenen Karren vorwärts. Ab und an, in den größeren Städten, fand man Bodenfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Der Gleiter, auch wenn er ein recht altes Modell war, signalisierte Reichtum und Status. Zumindest auf mich machte er Eindruck. Ein Cabrio, sechs Sitze, kaum Macken an der strahlend weißen Lackierung.

Ich nickte. »Zu Ihren Diensten. Kapitän, Eigner und einziges Besatzungsmitglied des schnellen Frachters Lahme Ente«, sagte ich den von mir so geliebten Satz auf. »Möchten Sie hereinkommen?« Ich nahm wahr, dass er meine Kennung mit seinen Unterlagen verglich. Wahrscheinlich wurde ich dort nicht unter dem Namen meines Frachters, sondern unter seiner Kennung, XFLR6, geführt. Diese Kennung war in großen Lettern auf der Außenseite der Frachtluke angebracht. Groß genug für jeden, um sie schon von Weitem erkennen zu können, aber eigentlich unnötig, wurde sie doch von der KI bei Bedarf abgestrahlt, um uns zu verifizieren. – Nun, hier auf Kirkasant lief alles etwas anders, etwas gemächlicher.

Der Mann signalisierte seine Zustimmung und stieg aus seinem Gleiter aus. Er war in etwa mein Alter, Anfang vierzig schätzte ich ihn. Allerdings hatte bei ihm der Haarausfall bereits zugeschlagen. Abgesehen von einem kleinen Haarkranz um den Kopf herum, reflektierte seine Kopfhaut das Sonnenlicht fast wie ein Spiegel.

Ich klappte die Leiter herunter, sodass er die gut drei Meter Höhenunterschied zwischen dem Boden und der Schleuse überwinden konnte. Ich hätte auch die Laderampe herunterlassen und die große Ladeluke öffnen können, aber das hätte nur wieder Komplikationen beim späteren Schließen gegeben. Man musste sich das Leben ja nicht unnötig schwer machen, zumal es für den Agenten nicht allzu mühsam war, die Leitersprossen zu erklimmen.

»Willkommen an Bord«, begrüßte ich den Mann und streckte ihm meine Hand entgegen. Er ergriff sie freundlich und schüttelte sie ausgiebig.

»Juan Griba«, stellte er sich vor. »Agent der Handelskommission von Arcadia. – Sie haben weit draußen geparkt«, merkte er noch an.

»Ich wollte nicht zu nah an den Abfertigungsgebäuden runterkommen«, erklärte ich. »Die Feinabstimmung des Gravitationsantriebs lässt zu wünschen übrig. Ich muss da einige Reparaturen vornehmen lassen.«

»Die Ware?«, fasste er nach.

»Dort, im Frachtraum«, sagte ich und öffnete die Innentür der Schleuse, nachdem sich die Außentür geschlossen hatte. Ein hier eigentlich unnötiges Prozedere, aber ich hatte nur dieses eine Programm zugelassen. Viele Leute hielten mich für übervorsichtig, aber mir war es lieber, dass sich im Vakuum nicht durch einen Bedienungsfehler plötzlich beide Türen gleichzeitig öffneten. »Die Medikamente befinden sich in den weißen Behältern, die Maschinenteile in den grauen.«

Der Agent zählte die Behälter kurz durch und nickte dann. »Den Inhalt werde ich natürlich noch überprüfen lassen«, meinte er. »Sie haben recht wenig geladen, Kapitän. Ich hatte erwartet, dass Sie neben unserer Fracht noch weitere an Bord haben.«

Ich zuckte mit den Achseln. Was wusste er schon von meinen Nöten? Ich musste an Aufträgen nehmen, was ich bekommen konnte. Da noch großartig zu warten, bis sich der Frachtraum füllte, lohnte sich für mich nicht. So flog ich zwar für einen Hungerlohn, konnte aber dafür die Reparatur hier auf Kirkasant durchführen lassen. Der einzige Wermutstropfen war, dass ich nicht automatisch über eine Anschlussfracht verfügte. – Man konnte nicht alles haben.

»Ich lasse morgen früh einen Transporter kommen, der die Fracht umlädt«, sagte der Agent. »Kann ich noch etwas für Sie tun?«

»Wenn Sie mich mitnehmen würden zu den Raumhafengebäuden, ich …«

Er grinste mich an. »Die Taverne ist gut besucht und weit über unseren Planeten hinaus bekannt«, meinte er. »Ein Grund für viele, hier Zwischenstation zu machen, wenn sie die Wahl haben.«

Wir begaben uns nach draußen, die feuchtwarme Luft schlug mir wieder entgegen. Die Fahrt im Cabrio wusste ich hingegen zu schätzen, der Fahrtwind brachte mir die Kühlung, die ich brauchte, auch wenn ich sofort wieder schweißgebadet war, als ich aus dem Gleiter kletterte.

* * *

Juan Griba brauste davon und winkte mir noch zu. Er hatte mich direkt vor der Taverne abgesetzt, er hatte mein Begehren falsch oder zumindest nicht in der richtigen Reihenfolge interpretiert. Ich wendete mich zuerst nach rechts, den niedrigen Gebäuden zu, die sich an die Abfertigungshalle anschlossen. Weit musste ich nicht laufen, lediglich etwa hundert Meter. Dann stand ich vor Manuels Werkstatt. Ohne zu zögern, öffnete ich die etwas baufällige Tür und trat in die wohltuende Kühle der Halle hinein.

Manuel musste das Quietschen der Türangeln gehört haben, er kam aus seinem Verschlag heraus und starrte mich an. Plötzlich hellte sich sein Gesichtsausdruck auf. »Sam!«, rief er und breitete seine Arme aus. »Komm her, altes Haus.« Wir fielen uns in die Arme.

»Du warst lange nicht mehr hier«, sagte er, nachdem er mich losgelassen hatte und ich verzweifelt versuchte, wieder Luft zu bekommen. »Wie ist es dir ergangen?«

»Das Übliche, Manu, das Übliche«, entgegnete ich. »Nichts wirklich Aufregendes, glaub mir. Ich bin nach wie vor als Frachtkapitän unterwegs, da hat sich nichts geändert.«

»Keine Frau, Kinder?«, fasste er nach.

Ich schüttelte den Kopf. »Wie geht es Carla und den …« Ich überlegte, waren es drei oder vier Kinder gewesen?

Er deutete meine Miene richtig. »Carla geht es gut, sie wird sich freuen, dich wiederzusehen. Und Kinder haben wir mittlerweile sechs, da ist einiges passiert in den acht Jahren, in denen du dich nicht hast blicken lassen!«

»Das freut mich für dich«, sagte ich. »Manu, ich hab ein Problem, mein Schiff muss überholt werden, da sind so einige Macken, die mir das Leben verteufelt schwer machen. Kannst du …?«

»Kannst du zahlen?«, fragte er sofort zurück. »Ich meine, es wäre schön, wenn du … Du weißt, ich helfe meinen Freunden immer aus der Patsche, aber du hast von damals noch immer einen Deckel bei mir offen!«

»Sei unbesorgt, ich kann zahlen. Für den alten Deckel dürfte es auch reichen. Ich habe einen Frachtauftrag abgewickelt, der zwar nicht fürstlich, aber doch auskömmlich bepreist war.« Dass ich danach pleite sein würde, musste ich ihm ja im Moment noch nicht auf die Nase binden.

»Du kommst heute zum Abendessen zu uns«, entschied Manuel. »Oder hast du schon etwas anderes vor?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, würde mich freuen, Carla zu sehen. Ich will nur vorher einmal kurz in die Taverne, nachsehen, ob jemand da ist, den ich kenne.«

»Rosetta betreibt das Lokal immer noch, ansonsten dürfte zu dieser Zeit kaum jemand da sein. Mal abgesehen von den Fremdweltlern, die in letzter Zeit in Scharen hier einfallen. Alles Techniker. Die wollen den Raumhafen hier komplett ummodeln. Man munkelt davon, dass Terra sich viel von diesem Stützpunkt hier verspricht.«

»Terra?«, fasste ich nach. »Terra ist weit weg von hier, sehr weit.«

»Klar, aber wir stehen gut eine Woche vor dem Referendum. Die Bevölkerung ist für nächste Woche Sonntag aufgerufen zur Wahlurne zu gehen. Terra oder Derolia, das ist unsere Wahl. Wenn du mich fragst, dann wäre es besser, wir blieben unabhängig, aber mich fragt ja keiner. – Pass auf, wenn du in der Taverne bist, misch dich nicht in die Politik ein, das führt nur zu bösem Blut. – Kommst du so gegen fünf hier vorbei? Dann bin ich mit meiner Buchführung fertig und nehm dich mit zu uns, abgemacht?«

Ich nickte zustimmend.

* * *

Manuel hatte recht gehabt, in der Taverne war nicht viel los um diese Zeit. Gerade mal zwei Tische waren besetzt, ich ging direkt zur Theke. Rosetta war nicht da, lediglich ein mürrisch dreinblickender Angestellter schob Dienst. Ein Bier später beschloss ich einen kleinen Spaziergang durch den Raumhafen zu machen, die Abfertigung hinter mich zu bringen und dann wieder Manuel aufzusuchen, das musste dann mit der Uhrzeit einigermaßen hinhauen.

* * *

Der Raumhafen von Arcadia, der Hauptstadt Kirkasants. Das hörte sich hochtrabend an, war aber tatsächlich tiefste Provinz. Das war schon allein daran zu erkennen, dass es keine Ortungsanlagen, keinen Leitstrahl, einfach nichts gab, was den einfliegenden Schiffen half, den Raumhafen auch nur zu finden. Wusste man nicht, wo man hinwollte, so hatte man es schwer, sich zu orientieren. Nun, ich hatte gewusst, wo ich hinwollte.

Ganz im Gegensatz zur eigentlichen Bedeutungslosigkeit stand die riesige Abfertigungshalle. Hier hätte gut und gerne die Lahme Ente hineingepasst. Natürlich war die Halle nicht für die Aufnahme eines Raumschiffes gebaut worden. Die Gründerväter Arcadias hatten sich lediglich ein wenig verschätzt. Verschätzt mit der Bedeutung, die Kirkasant für den Sektor erlangen würde.

Nun, es war offensichtlich, dass neben meinem Schiff kein weiteres auf dem riesigen Landefeld zu sehen war. Dementsprechend leer war es auch im Inneren der Halle. Es gab nur einen Schalter, der den Eindruck erweckte, dass er besetzt sein könnte, wenn er es auch derzeit nicht war.

Allerdings hatte sich etwas seit meiner letzten Anwesenheit hier getan. Mehrere Abfertigungsanlagen waren installiert worden. Förderbänder für Gepäck, noch im Bauzustand begriffen, konnte ich ausmachen. Hier tat sich etwas, wenn auch wohl mit der für Kirkasant so typischen Gemütlichkeit.

Ich trat an den Schalter und hieb auf die Klingel, die auf der Thekenplatte stand. Der ertönende Gong hätte Tote aufwecken können. Tatsächlich bemühte sich ein Beamter aus einem Hinterzimmer zu mir; er hatte wohl Siesta gehalten.

»Ah, Sie müssen der Kapitän des Frachters sein, der vorhin gelandet ist«, empfing er mich.

Ich nickte. »Samuel Kors, Kapitän des schnellen Raumfrachters Lahme Ente«, entgegnete ich. »Ich wollte die Einreiseformalitäten hinter mich bringen.«

Der Mann grinste mich an. »Schon mal hier gewesen?«, fragte er dann.

»Das letzte Mal vor ungefähr acht Jahren«, sagte ich und deutete fragend zu den Förderbändern hinüber.

Seine gute Laune schien abrupt zu versiegen. »Das sind Baumaßnahmen, die Terra und Derolia vornehmen. Im Vorgriff auf das Referendum werden hier Abfertigungsanlagen errichtet. Wie es auch ausgehen mag, man rechnet mit einem regen Verkehr hier. Ich bin dann in absehbarer Zeit überflüssig.« Er schob mir ein Pad herüber. »Füllen Sie das bitte aus. – Wie steht es mit Impfungen? Irgendwelche ansteckenden Krankheiten an Bord?«

Ich sah ihn erstaunt an. Hier hatte sich tatsächlich etwas geändert. Solche Fragen waren damals nicht an der Tagesordnung gewesen.

»Nein. Ich meine, keine ansteckenden Krankheiten, überhaupt keine Krankheiten an Bord. Außer mir ist auch sonst niemand da, auch keine Tiere. An Impfschutz habe ich Universal, das letzte Mal vor ungefähr drei Jahren aufgefrischt.«

»Das reicht«, sagte er. »Wir müssen das neuerdings weitermelden. Da gibt es ein entsprechendes Abkommen mit den Terranern, das unsere Regierung geschlossen hat.« Er nahm das Pad wieder an sich. »Wenn das so weitergeht, werden wir wohl bald auch Zölle erheben.«

Das waren wirklich eklatante Veränderungen, die sich hier abzeichneten. Nachdenklich verließ ich die Abfertigungshalle und schlenderte zurück zu Manuels Werkstatt.

* * *

Es war zwar noch nicht ganz fünf Uhr, aber Manu warf die Arbeit hin und ging mit mir zum Hinterausgang. Dort, vor der Tür, stand ein Gleiter, kein neues Modell, aber hier hätte ich ein solches Gefährt nicht erwartet.

»Ist bei dir der Wohlstand ausgebrochen?«, erkundigte ich mich.

»So kann man es nennen. In letzter Zeit häufen sich die Aufträge der Terraner, da kann ich einiges verdienen.« Er klappte das Verdeck auf und kurze Zeit später schwebten wir in der Luft.

Arcadia war die größte Stadt auf Kirkasant, was allerdings nicht viel hieß. Bei meinem letzten Besuch hatte sie etwa hunderttausend Einwohner gehabt. Ich fragte Manuel nach der demografischen Entwicklung.

»Rund hundertfünfundvierzigtausend nach der letzten Zählung«, antwortete er. »In den letzten Jahren gab es einen steten Zustrom von Einwanderern, hauptsächlich aus dem Gebiet des Erdprotektorats hier auf Kirkasant. Nicht nur die Hauptstadt hat zugelegt. Der Planet hat einen Bevölkerungszuwachs von rund zehn Prozent erfahren. Die Schätzungen gehen derzeit von rund sechzig Millionen Einwohnern weltweit aus.«

»Nach wie vor Agrarstruktur, nehme ich an?«, fragte ich.

Er bejahte. »Mal abgesehen von wenigen Zentren der Industrialisierung haben wir nach wie vor hauptsächlich Agrarbetriebe und natürlich die Fischerei. Vornehmlich alles Selbstversorger.« Er bog mit dem Gleiter in eine Straße ab, die in einen Stadtteil führte, den ich von früher her nicht kannte. Ich sah fragend zu ihm hinüber.

»Wir sind umgezogen, wir wohnen jetzt im neuen Südviertel der Stadt. Neues Haus, schöner Garten, viel Platz für die Kinder.«

Ich sah ihn erstaunt an. Es schien ihm wirtschaftlich noch besser zu gehen, als ich vermutet hatte. Er bemerkte meinen Blick und fuhr sich verlegen über die schwarzen Bartstoppeln.

* * *

Carla erwartete uns bereits an der Eingangstür des U-förmigen Bungalows. Sie umarmte mich, auch wenn sie sich dazu auf die Zehenspitzen stellen und ich mich herunterbeugen musste. »Sam, schön, dich zu sehen. Nach all den Jahren.«

»Ich freue mich auch, Carla«, sagte ich. »Du hast dich überhaupt nicht verändert.«

»Alter Schmeichler!«, sie stieß mich weg. »Ich habe in der Zwischenzeit drei Kinder bekommen!«

»Jetzt steh nicht in der Tür rum und lass uns erst mal rein«, ließ sich Manuels Stimme vernehmen.

Carla trat zur Seite und Manuel drängelte sich vor. »Ich zeige dir das Haus«, sagte er und führte mich, ganz der stolze Hausbesitzer, vollständig herum. »Alles ebenerdig, der Wohnbereich öffnet sich zum Atrium, die Schlaf- und Kinderzimmer sind nach außen hin angelegt. – Carla, wir setzen uns raus, ja?« Er ging zum Kühlschrank, entnahm diesem mehrere Flaschen Bier und wies mir den Weg ins Atrium.

Carla hatte dort bereits den Kamin angezündet, nun kam sie mit diversen Schalen und Platten in den Händen und legte das Grillgut auf den Rost. Eine Schar von Kindern tischte zudem Salate auf und setzte sich dann zu uns.

Manuel stellte mir die Kinder vor. »Rosalie, Thomas und Birg kennst du ja noch«, er deutete auf die drei größeren Kinder, die sich allesamt in der Pubertät befanden. »Das sind Sabby, Druuf und der kleine Bursche da, das ist Sam.« Er deutete auf den jüngsten Spross seiner Familie.

»Sam?«, fragte ich irritiert.

»Uns sind die Namen ausgegangen. Da haben wir uns an alte Bekannte erinnert«, sagte er.

Carla lachte los. »Wir haben dich vermisst, Sam. Ganz ehrlich. Wir haben oft von dir gesprochen und dann hat es sich so ergeben, mit dem Namen meine ich.«

»Ich fühle mich geehrt«, sagte ich. »Auch wenn ich nicht da war, stehe ich zu der Patenschaft.«

»Wie ist es dir in den letzten Jahren ergangen, Sam?«, fragte Manuel.

Ich lehnte mich im Stuhl zurück, genoss das kalte Bier und begann zu erzählen. Von den Jahren im derolianischen Reich, von der Flucht an den Rim, weil die Derolianer mich des Schmuggels bezichtigten, von den Abenteuern am Rim, die ich gewaltig ausschmückte, verfolgten mich doch die sechs Augenpaare der Kinder ehrfürchtig.

Es wurde ein schöner Abend, es war fast so, wie in den alten Zeiten. Aber eben nur fast …

Manuel brachte mich dann mit seinem Gleiter zurück zu meinem Schiff. Als er mich abgesetzt hatte, beugte er sich noch einmal aus dem Fenster. »Sam«, sagte er, »wir haben ein Thema komplett ausgespart …«

»Dafür bin ich dir auch unendlich dankbar, Manu«, sagte ich schnell.

Er verstand, winkte mir zum Abschied zu und brauste davon. Morgen, nachdem die Ware entladen sein würde, würde er mit einigen Technikern kommen und über die Lahme Ente herfallen. Dann hatte ich frei. Er schätzte die benötigte Reparaturzeit auf rund zwei Wochen. Genug Zeit für mich, mich nach einem Frachtauftrag umzusehen.