Eine umfassende Einführung in die amerikanische Selbstverteidigung
von
Diplom-Sozialökonom
Stefan Wahle
6. DAN Ju-Jutsu
Lehrer für Ju-Jutsu
lizenzierter Fitnesstrainer
akkreditiert bei: www.trainerregister.de
Impressum
©2015 copyright by Stefan Wahle, Hamburg
1. Auflage 2015 Paperback
Autor: Stefan Wahle
E-Mail: info@sw-sportbuch.de
Internet: www.sw-sportbuch.de
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Verlag und Herstellung:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7386-6076-0
Offizielles Lehrbuch
des
American Ju-Jutsu Landesverband Hamburg von 1993
www.ju-jutsu-verband.de
www.facebook.com/American.Jujutsu
Die moderne Selbstverteidigungssportart Ju-Jutsu wurde in langjähriger Arbeit vom Deutschen Dan-Kollegium e.V. im Auftrage des Deutschen Judo-Bundes e.V. (DJB) entwickelt. Die erste Ausbildungs- und Prüfungsordnung wurde vom Deutschen Dantag 1968 beschlossen und trat am 22. April 1969 in Kraft.
Ju-Jutsu entstand ursprünglich aus einer Zusammenstellung von effektiven Techniken aus den Traditionssportarten Judo, Karate, Aikido und dem alten Jiu-Jitsu und wurde von der deutschen Polizei als Ausbildungsbestandteil übernommen.
1989/90 kam es dann aber zum Bruch innerhalb des DJB und es spalteten sich diverse Ju-Jutsu-Verbände ab, die das System unterschiedlich weiterentwickelten. Der größte und bekannteste Verband ist der Deutsche Ju-Jutsu Verband. 1993 gründete sich in Hamburg der gemeinnützige Sportverband "American Ju-Jutsu Landesverband Hamburg e.V.", in dem amerikanische Kampfkunst-/-sporteinflüsse zum Tragen kamen. Das lag unter anderem auch an der Mitgliedschaft in der in Amerika ansässigen "International Federation of Ju-Jutsuans".
Diese besonderen Ausprägungen gingen weg vom judolastigen Sport hin zum realistischen Straßenkampf ohne Schnörkel und Show-Techniken. Auch die polizeitypischen Abführtechniken sucht man dort vergebens, da diese für den normalen Bürger uninteressant sind. Man trennte sich von unnötigen Ballast und vertrat das Moto, dem jede Selbstverteidigung folgen sollte: "Keep it simple!".
Wir beginnen in Teil 1 dieses Buches mit der Vorstellung der im American Ju-Jutsu verwendeten Grundtechniken, beschäftigen uns im Teil 2 mit Hebeltechniken für die Fortgeschrittenen und zeigen dann in Teil 3 die praktische Anwendung der Grundtechniken in realistischen Kombinationen gegen einen umfangreichen Angriffskatalog. Der vierte und letzte Teil geht dann auf das Spezialthema Frauenselbstverteidigung ein.
Die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Verhältnismäßigkeit sind bitte stets zu beachten.
Ich wünsche viel Spaß und Erfolg beim Üben!
Wir beginnen in Teil 1 dieses Buches zunächst mit den Grundlagen in Form der verschiedenen Stellungen und der Bewegungslehre, gefolgt von den Verteidigungs- und Angriffstechniken. Hierzu gehören Blöcke, Schläge, Stöße, Tritte sowie sonstige Techniken.
In der Boxerstellung stehen die Füße diagonal versetzt, etwa schulterbreit und eine Schrittlänge auseinander. Die Zehen zeigen jeweils nach vorne. Der vordere Fuß wird mit der gesamten Fußsohle, der hintere nur mit dem Fußballen aufgesetzt. Das ermöglicht einen schnellen Angriff nach vorne, indem man sich mit dem hinteren Fuß abstoßen kann. Die Knie sind leicht gebeugt. Das Körpergewicht verteilt sich gleichmäßig auf beide Beine.
Die Arme sind mit geballten Fäusten zur Deckung des Oberkörpers angehoben. Der Rücken ist leicht gekrümmt, die Schultern angehoben und der Kopf eingezogen, um dem Gegner eine möglichst kleine Angriffsfläche zu bieten.
Die Boxerstellung ist eine sehr bewegliche und geschmeidige Stellung.
Bei der Aktionsstellung stehen die Füße einen großen Schritt diagonal auseinander, wobei die Zehen nach vorne gerichtet sind. Das vordere Bein ist im Knie 135° angewinkelt und trägt 60% des Körpergewichtes. Beide Fußsohlen liegen komplett auf.
Das hintere Bein ist gestreckt und trägt 40% des Gewichtes.
Der Oberkörper ist aufrecht und frontal zum Gegner gerichtet.
Diese Stellung ist auf der einen Seite sehr stabil und bietet eine optimale Kraftübertragung bei einigen Techniken, ist aber auf der anderen Seite auch sehr unbeweglich. Daher wird sie in der Regel nur für kurze Zeit eingenommen, um eine Abwehr oder einen Angriff vorzunehmen. Danach wird dann wieder in eine flexiblere Stellung gewechselt.
Bei der Verteidigungsstellung wird der vordere Fuß eine Schrittlänge nach vorne gestellt. Die Zehen zeigen nach vorne. Der hintere Fuß wird in einem 90°-Winkel ausgerichtet, wobei die Zehen nach außen zeigen. Die Fersen stehen nahezu auf einer Linie. Beide Knie sind leicht gebeugt, das hintere dabei ein wenig mehr. Das hintere Bein wird mit 70% und das vordere Bein mit 30% des Körpergewichtes belastet. Der Oberkörper ist aufgerichtet. Die Hände werden leicht zur Deckung vor dem Körper angehoben und sind dabei zwanglos geöffnet.
Da das vordere Bein nur leicht belastet wird, kann es schnell angehoben und für einen Fußtritt vorwärts verwendet werden, um einen Angreifer zu stoppen. Ebenso kann es mit einem Schienbeinblock zur Abwehr eines Fußangriffs dienen.
Die Füße stehen parallel etwas mehr als schulterbreit auseinander. Die Zehen sind zur Seite gerichtet. Die Knie sind leicht gebeugt. Das Körpergewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt.
Die Schmalseite des Körpers zeigt zum Gegner nach vorne, der Oberkörper ist aufgerichtet.
Die Hände werden leicht zur Deckung vor dem Körper angehoben und sind dabei zwanglos geöffnet.
Diese Stellung ist besonders zur Ausführung seitlicher Techniken geeignet (z.B. Ellenbogenstoß seitwärts, Fußstoß seitwärts).
Bei der Reiterstellung stehen die Füße mit nahezu doppelter Schulterbreite auseinander und die Zehen zeigen nach vorne. Die Knie sind stark gebeugt. Das Körpergewicht ist gleichmäßig auf beide Beine verteilt. Der Körperschwerpunkt wird tief abgesenkt.
Der Rücken ist gerade, der Hals gestreckt und der Blick nach vorne gerichtet.
Diese Stellung ist sehr unbeweglich. Sie wird zur Durchführung einiger Techniken benötigt und nur für diese eingenommen (siehe z.B. Bauchstreckhebel auf Seite →). Aufgrund der Eigengefährdung stehen wir einem Gegner in dieser Stellung niemals frontal gegenüber!
Wir stehen in der Verteidigungsstellung, linke Auslage. Beachten Sie die Bodenlinien auf den Fotos, um die Bewegung besser nachvollziehen zu können.
Der rechte, hintere Fuß gleitet auf dem Boden an den vorderen heran. Der Blick bleibt stets auf den Gegner nach vorne gerichtet. Die Hände sind zur Deckung angehoben. Die Kniebeugung ist beizubehalten.
Der vordere, linke Fuß wird einen Schritt nach vorne gesetzt. Nun befinden wir uns wieder in der ursprünglichen Verteidigungsstellung. Auch ein Gleiten rückwärts ist möglich, dann werden die Füße in umgekehrter Reihenfolge bewegt.
Beim Auslagewechsel dient der vordere Fuß als Drehpunkt. Der hintere Fuß wird eng am Boden in einer Halbkreisbewegung nach vorne geschwungen, in der Endposition zeigen die Zehen nach vorne. Der Drehpunktfuß wird mit Zehen zur Seite eingedreht. Ist der Auslagewechsel vollzogen, ist der Oberkörper zur anderen Seite gewendet, die Hände haben ihre Position vertauscht. (Bilder 14-15 von vorne; 16-17 von der Seite)
Ausgangsposition ist die Verteidigungsstellung. Das Körpergewicht wird auf das vordere Bein verlagert und der hintere Fuß angehoben.
Ohne die Auslage zu verändern wird der hintere Fuß unter Beibehaltung der Zehenstellung vor den vorderen Fuß gesetzt. Dann wird das Körpergewicht auf den nach vorne gesetzten Fuß belastet.
Der linke, entlastete Fuß wird einen Schritt nach vorne gesetzt. Die Fortbewegung durch Übersetzen kann nach vorne und hinten durchgeführt werden.
Körperabdrehen ist eine schnelle Ausweichbewegung des Oberkörpers bei einem frontalen Angriff. Die Fußstellung wird nur minimal verändert. Das macht eine schnellere Reaktion möglich und ist besonders geeignet bei Überraschungsangriffen.
Der Oberkörper wird aus der Angriffslinie gebracht, indem er nach hinten gelehnt und seitlich eingedreht wird. Der vordere Fuß wird leicht mitgedreht. Begleitet wird die Ausweichbewegung durch ein Handfegen mit der vorderen Hand.
Nicht ganz so effektiv, aber auch möglich, ist ein Körperabdrehen in die andere Richtung bei gleicher (Links-)Auslage.
Drehpunkt für die Schrittdrehung 90° ist immer der vordere Fuß. Die Bilder 24-25 zeigen die Schrittdrehung nach innen. Dabei wurde der hintere Fuß um 90° nach rechts-vorne versetzt.
Die Bilder 26-27 zeigen die Schrittdrehung nach außen. Dabei wurde der hintere Fuß um 90° nach linksrückwärtig versetzt.
Diese Schrittdrehung ermöglicht es dem Verteidiger, sich aus einem Angriff herauszudrehen.
Wir beginnen mit der Doppelschrittdrehung 90° in der frontalen Darstellung. Das Körpergewicht wird auf den vorderen, linken Fuß verlagert, um das hintere Bein vom Boden anheben zu können.
Der hintere Fuß wird dicht am Boden in einem Halbkreis nach vorne geschwungen und nahezu quer vor dem linken Fuß abgesetzt. Er dient nun als Drehpunkt und wird mit dem Körpergewicht belastet.
Nun wird der linke Fuß dicht am Boden in einem Viertelkreis nach rechts bewegt und abgesetzt.
Nun kommen wir zur Doppelschrittdrehung 180° in der seitlichen (bildlichen) Darstellung.
Das Körpergewicht wird auf das vordere, linke Bein verlagert, um das hintere, rechte Bein anheben zu können.
Der rechte Fuß wird in einem Halbkreis dicht am Boden nach vorne vor den linken Fuß nahezu quer abgesetzt, dann mit dem Körpergewicht belastet und folgend als Drehpunkt verwendet.
Das linke Bein wird in einem Halbkreis 180° rückwärtig herumgeschwungen und in die Verteidigungsstellung abgesetzt. Diese Doppelschrittdrehung wird verwendet, um die Angriffsenergie des Gegners aufzunehmen und weiterzuleiten.
Erfolgt der Angriff aus einer anderen Richtung als zunächst angenommen oder werden wir von mehreren Personen angegriffen, müssen wir uns eventuell in eine andere Richtung wenden. Ein „normales“ Umdrehen würde zu lange dauern und könnte uns aus dem Gleichgewicht bringen. Beachten Sie die Bodenlinien, um die Bewegungen besser nachvollziehen zu können.
Auf den Bildern 34 - 35 erfolgt eine Wendung nach rechts. Der linke, vordere Fuß verändert seine Stellung nicht und wird zunächst mit dem Körpergewicht belastet, um den rechten, hinteren Fuß in einem 90°-Winkel nach rechts abzusetzen. Dabei werden die Auslage und die Position der Hände gewechselt.
Müssen wir uns um 180° nach hinten wenden, werden beide Fersen als Drehpunkte verwendet und die Füße um 90° gedreht. Der Oberkörper dreht mit und die Auslage und Position der Hände wechseln. (Bilder 36-37)
Bei der Wendung nach links wird der hintere, rechte Fuß als Drehpunkt verwendet und das linke, vordere Bein um 90° nach links versetzt. Die Auslage und Position der Hände werden hier beibehalten. Der hintere Fuß dreht um 90° auf der Stelle mit. (Bilder 38 - 39)
Ausfallschritte dienen dem Ausweichen eines Angriffes.
Ausfallschritt nach vorne-links: Abstoßen mit dem Fußballen des rechten, hinteren Fußes, linken Fuß nach vorne links absetzen und den hinteren, rechten Fuß hinterher ziehen. (Bilder 40 - 41)
Ausfallschritt nach hinten-rechts: Abstoßen mit dem linken Fuß, rechten Fuß nach hinten-rechts absetzen und den vorderen, linken Fuß hinterher ziehen. (Bilder 42 - 43)
Ausfallschritt zur Seite rechts: Abstoßen mit dem rechten, hinteren Fuß, dann vorderen, linken Fuß belasten, abstoßen, das rechte, hintere Bein 90° nach rechts setzen, belasten und linken Fuß zur Seite nachziehen. (Bilder 44 - 45)
Ausfallschritt nach hinten-links mit Auslagewechsel: Mit linken Fuß abstoßen und diesen einen Schritt nach hinten-links absetzen, den rechten Fuß nachziehen.
(Bilder 46 - 47)
Wir stehen in der linken Boxerstellung mit erhobenen Fäusten als Dekkung. Wir holen mit beiden Armen nach rechts aus und schwingen diese nach links. Der rechte Arm verbleibt als Dekkung vor dem Körper, während der linke Arm mit der Unterarmaußenkante und nach oben gerichteter Faust an der linken Körperaußenseite einen imaginären Schlag blockt und dort „einrastet“.
Wir stehen in der linken Boxerstellung mit erhobenen Fäusten als Deckung. Wir vollziehen eine Schrittdrehung 90° nach außen, während wir mit dem linken Unterarm Schwung zum Blocken am linken Ohr holen. Der rechte Arm verbleibt als Deckung dicht am Körper, während der linke Arm mit der Unterarmaußenkante und nach oben gerichteter Faust nach innen vor unserem Körper einen imaginären Schlag blockt und dort „einrastet“.
Wir starten in der linken Boxerstellung und machen einen Ausfallschritt nach vorne-links in die linke Aktionsstellung. Gleichzeitig stoßen wir die rechte Faust zentral vor dem Körper senkrecht nach oben und drehen den Arm im letzten Moment dynamisch über dem Kopf ein.
Dabei befindet sich die rechte Faust mit dem Faustrücken nach unten vor und über dem Kopf in Mittelscheitelposition, während der rechte Unterarm schräg nach rechts abfällt.
Der Unterarm blockt so einen Schlag von oben, der am schrägen Arm und dann an der Körperaußenseite abgleitet.
Die linke Faust geht zur selben Zeit in einer „Gegenzugbewegung“ zur linken Hüfte mit dem Faustrücken nach unten.
außenkante