Als E-Book beim Hummelburg Verlag erschienen 2021
Die Print-Ausgabe erscheint im Hummelburg Verlag,
Imprint der Ravensburger Verlag GmbH
© 2021 Hummelburg Verlag
Imprint der Ravensburger Verlag GmbH
Cover- und Innenillustration: Stefanie Reich
Covertypografie: Stefanie Reich
Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch
Hummelburg Verlag
Imprint der Ravensburger Verlag GmbH,
Postfach 2460, D-88194 Ravensburg
ISBN 978-3-7478-0049-2
www.hummelburg.de
Für meine liebe Stephie
1
Eine seltsame Begegnung
»Hi, äh, ich bin Toni. Von oben. Aus dem dritten Stock.«
Nervös trat Toni von einem Fuß auf den anderen. Der Mann, der die Tür geöffnet hatte, trug einen gestreiften Schlafanzug und hatte einen Kaffeebecher in der Hand.
Hinter ihm kam ein Kopf mit wuscheligen blonden Haaren hervor. Toni sah ein blaues Auge, das sie für einen Moment anstarrte. War das dieser Jonte? Mama hatte erzählt, dass der neue Nachbar einen Sohn habe, der genauso alt sei wie sie.
»Guten Morgen, Toni«, begrüßte Herr Dahl sie und rieb sich verschlafen über die Augen. »Schön, dass du vorbeischaust. Ich habe deine Eltern gestern kennengelernt, als wir unsere Kisten hochgetragen haben.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Es ist noch ziemlich früh. Brauchst du was?«
Toni schüttelte den Kopf und schielte auf ihre Fußspitzen. »Meine Mutter meinte, ich soll mal Hallo sagen und Jonte den Weg zur Schule zeigen. Er kommt doch auf dieselbe, auf die ich gehe.«
»Tolle Idee!« Herr Dahl drehte sich um. »Jonte, komm mal her.« Der blonde Kopf tauchte erneut auf, verschwand aber sofort wieder.
»He, das ist nicht sehr nett von dir«, murrte Herr Dahl.
Das fand Toni auch. Sie kam sich total blöd vor.
»Ich finde den Weg schon allein. Muss noch duschen«, rief Jonte von irgendwoher.
Sein Vater räusperte sich und drehte sich wieder zurück. »Tja, also, danke für das Angebot, aber du hast es ja gehört. Er braucht noch eine Weile. Vielleicht könnt ihr ein anderes Mal zusammen zur Schule gehen?«
Missmutig kräuselte Toni ihre Sommersprossennase. »Mhm.« Mehr brachte sie nicht heraus. Sie schob sich eine Strähne ihrer braunen Fransenhaare hinters Ohr, drehte sich um und sprang die Stufen ins Erdgeschoss runter.
Draußen wehte ihr frische Frühsommerluft entgegen. Es roch nach den Rosen, die Frau Reimann, die Vermieterin, im Garten gepflanzt hatte. Rosen waren Frau Reimanns Ein und Alles. Als Toni mal aus Versehen eine abgebrochen hatte, weil sie mit dem Fahrrad zu nah am Zaun entlanggefahren war, hatte Frau Reimann ein Riesentheater gemacht.
Schnell warf Toni noch einen letzten Blick zurück zum Haus und zu den Fenstern des ersten Stocks. Vielleicht hatte Jonte nur nicht Hallo gesagt, weil er noch seinen Schlafanzug anhatte? Mit irgendeinem peinlichen Babybärchenmuster oder so. Vielleicht war er aber auch einfach nur doof!
Toni trat unter dem neuen Torbogen hindurch, der als Rankenhilfe für die Kletterrosen diente, und beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Davon kriegte sie sonst nur schlechte Laune.
Gemütlich schlenderte Toni die Straße entlang. Sie mochte den Weg zur Schule. Er war nicht lang. Nur über ein paar Kreuzungen, am Einkaufszentrum, dem Baumarkt und der Tankstelle vorbei, wo ihr der Besitzer Peter ab und zu einen Schokoriegel schenkte. Dann konnte man schon die Steinfassade mit den schnörkeligen Fensterrahmen sehen.
Gerade war Toni am Einkaufszentrum vorbei, als etwas um die Ecke schoss und ihr den Weg versperrte. Um ein Haar wäre sie hingefallen, konnte sich aber gerade noch an einer Laterne abfangen.
»Hoppla!«, keuchte sie und starrte überrascht auf das Tier, das ihr bis zu den Knien reichte.
Es hatte einen Schweinerüssel und Schlappohren. An seinem Körper kräuselten sich dunkle Locken, die am Bauch von Schwarz zu Weiß wechselten. Es sah aus wie eine Mischung aus einem Ferkel und einem Schaf. Aus kugelrunden Augen blickte es zu ihr hoch. Sofort schlug Tonis Herz schneller.
»Du bist ja süß!«, quietschte sie.
Ob sie es streicheln durfte? Sie sah sich um. Weit und breit war kein Besitzer zu entdecken. Also beugte sie sich runter. Sie konnte einfach nicht anders. Vorsichtig nahm sie ein Löckchen zwischen die Finger. Es fühlte sich an wie dünne Drähte, die zusammengeflochten waren.
»Was machst du denn hier?«, fragte sie. Sanft fuhr sie über den Schweinerücken.
»Grunz.« Das Tierchen wackelte wie verrückt mit dem Schwanz und legte den Kopf schief.
Toni kicherte. »Gute Antwort. Nur verstehe ich dich leider nicht. Bist du vielleicht aus einem Labor ausgebüxt, in dem man Schweinen Fell wachsen lässt?« Nun strich sie über die Schlappohren und tippte schließlich an die Nase, die so weich war wie Vanillepudding und genauso roch. Am liebsten hätte Toni einen Kuss daraufgedrückt, sich mit dem Lockenschwein auf eine Bank gesetzt und es stundenlang nur gestreichelt. Doch dummerweise ging das nicht.
»Was mache ich denn jetzt mit dir?«, fragte sie. »Die Schule geht gleich los. Da kann ich dich nicht mitnehmen.«
Das Tierchen blinzelte sie an. Schlagartig hörte das Schwanzgewackel auf.
»Wenn du magst, kannst du auf mich warten. Dann treffen wir uns nachher wieder hier«, schlug Toni vor. Noch einmal streichelte sie über den borstigen Rücken und überlegte, ob sie die erste Stunde einfach schwänzen sollte, um noch ein bisschen hierzubleiben. Aber dann fiel ihr ein, dass sie heute einen Test schrieben. Außerdem würden Mama und Papa ihr die Hölle heißmachen, wenn sie davon erfuhren. Seufzend richtete sich Toni wieder auf und setzte sich in Bewegung. Das Schweinchen folgte ihr mit leichten Trippelschritten.
»Hey, begleitest du mich etwa noch ein Stück? Das ist aber lieb.« Toni grinste.
»Grunz!«
Gemeinsam ließen sie den Baumarkt und die Tankstelle hinter sich. Dann wurde Toni langsamer und zeigte nach vorn. »Schau, da ist die Schule. Siehst du die großen Steine auf dem Hof?«
»Quiek!«
»Darunter ist eine kleine Höhle. Mein Lieblingsversteck.« Sie legte einen Finger an die Lippen. »Aber pst, das ist ein Geheimnis, von dem nur meine allerbesten Freunde wissen.«
Das Schwein quiekte erneut, als hätte es jedes Wort verstanden. Noch einmal tätschelte Toni ihm über die Schlappohren. »Jetzt müssen wir aber wirklich Tschüss sagen.«
Offenbar war das Schweinchen anderer Meinung, denn es wackelte mit dem Kopf und schmiegte sich an Tonis Unterschenkel.
»Hm.« Da half wohl nur ein Ablenkungsmanöver. Kurzerhand zog Toni den Rucksack von der Schulter und holte ihr Pausenbrot heraus. »Hier, Sesambrötchen mit Erdnussbutter und Marmelade. Für dich.«
Lächelnd sah sie zu, wie das Tier sich über ihr Essen hermachte. Das Schmatzen klang so lustig, dass Toni es fast verpasste, sich rechtzeitig davonzuschleichen. Doch der Schulgong riss sie aus ihrer Verzückung. Schweren Herzens wandte sie sich ab und rannte über den Hof. Vor dem Eingang drehte sie sich noch einmal um. Der Gehweg war leer, das Schweinchen verschwunden. Wohin es wohl gegangen war? Seufzend betrat Toni das Gebäude und versuchte, sich auf den Vokabeltest zu konzentrieren, der gleich auf sie wartete.
2
Flips, das Wollschwein
Die Klassenlehrerin, Frau Tulla, hatte bereits Zettel auf den Tischen verteilt. Kaum saß Toni auf ihrem Platz, da eilte noch jemand durch die Tür.
Toni zog die Augenbrauen hoch. Den hatte sie heute doch schon mal gesehen. Zumindest seine blonden Haare und eins der blauen Augen. Es war Jonte! Ihr neuer Nachbar. Unschlüssig blieb er stehen. Sein grünes T-Shirt und die dunkle Jeans gaben keinen Hinweis auf eine Vorliebe für Babybärchenmuster.
»Ah, euer neuer Mitschüler. Herzlich willkommen«, begrüßte Frau Tulla ihn. »Du kannst dich dort hinten hinsetzen. Da ist ein freier Platz.«
Jonte nickte und schlurfte die Tischformation entlang. Er kam an Toni vorbei, sah sie aber nicht an. Stumm setzte er sich auf den Stuhl zwei Reihen weiter.
»Der ist ja süß«, säuselte Tonis Freundin Lina neben ihr. Sie starrte ihn an und zupfte an ihrer Brille herum, die sie immer ein bisschen wie eine Eule aussehen ließ.
Toni schnaubte. Süß war das Lockenschwein gerade eben gewesen. Diesen Jonte fand sie doof. Oberdoof!
»Stellst du dich kurz vor?«, bat Frau Tulla ihn.
»Ich bin Jonte Dahl. Neu in der Stadt. Neu auf der Schule. Hi!«, sagte er und schwieg. Frau Tulla wartete noch einen Augenblick, nickte dann und forderte alle auf, die Blätter umzudrehen und auszufüllen.
Der Test brachte Toni ganz schön ins Schwitzen und ließ sie für eine Weile alles andere vergessen.
In der nächsten Stunde sah sie aber immer wieder aus dem Fenster und fragte sich, wo das Schweinchen steckte. Jonte blieb die meiste Zeit über stumm wie ein Fisch. Er wirkte völlig desinteressiert an allem und jedem. Dadurch ließ die Neugierde der Mitschüler an ihm schnell nach. Eigentlich wollte Toni in der großen Pause auf den Schulhof gehen, um nach dem Schwein zu schauen, doch ihre Freundin Aiko brauchte dringend Hilfe bei den Biohausaufgaben. Herr Nagel würde sie später abfragen und Aiko hatte nichts als leere Seiten in ihrem Heft. In ihrer großen Familie war immer so viel los, dass sie manchmal nicht zu den Hausaufgaben kam und Toni ihr dann aus der Patsche helfen musste. Also verzogen sich die beiden in die Bibliothek.
Zu Beginn der Biostunde versammelten sich Toni und ihre Mitschüler wie immer um das Terrarium von Mimba. Die Kornnatter gehörte ihrem Lehrer, Herrn Nagel, und war vorübergehend im Bioraum eingezogen, damit die ganze Klasse ihre Häutung beobachten konnte. Zunächst hatten sich alle gefreut. Doch Mimba entpuppte sich als maßlose Enttäuschung. Sie schlief fast immer, und jetzt, kurz bevor sie ihre alte Haut abstreifte, wollte sie nicht mal was fressen. Selbst ein Aquarium mit Fischen wäre da spannender gewesen, fanden die meisten von Tonis Mitschülern. Doch Herr Nagel nahm gerade leider keine Wasserwirbeltiere durch, sondern Reptilien und Insekten. Gelangweilt stand die Klasse da, während der Biolehrer erklärte, dass Mimba momentan nichts sehen konnte, weil ihre Augen von einer Flüssigkeit getrübt waren, die nach der Häutung wieder verschwand. Alle waren froh, als sie mit der müden, appetitlosen, blinden Schlange fertig waren und sich wieder auf ihre Plätze setzen konnten. Herr Nagel öffnete seinen Laptop und projizierte das Bild einer Fliege an die Wand.
Toni spähte nach draußen. Von hier hatte man einen noch besseren Blick auf den Schulhof als aus ihrem Klassenzimmer. Und tatsächlich entdeckte sie ein dunkel gelocktes Hinterteil mit einem kurzen Schwänzchen im Gebüsch auf der anderen Seite.
»Lockenschwein?«, stieß sie hervor und wäre am liebsten aufgesprungen und rausgerannt.
Ihre Klassenkameraden fingen an zu kichern und Herr Nagel schüttelte den Kopf. Er tippte auf das Bild an der Wand. »Interessante Antwort auf meine Frage nach den Essgewohnheiten von Stubenfliegen, Toni. Die futtern definitiv keine Schweine, sondern ernähren sich vegetarisch von Flüssigkeiten und zuckerhaltigen Stoffen. Schweine hingegen sind Allesfresser. Sie schnappen sich auch mal eine Fliege. Aber was meinst du überhaupt mit Lockenschwein? So etwas gibt es nicht.«
»Äh, also …« Toni rutschte nervös auf ihrem Stuhl herum. »Ich dachte an ein Schwein mit Locken. Das ein bisschen aussieht wie ein Schaf.«
»Ach, ein Wollschwein.« Herr Nagel nickte. »Soweit ich weiß, gehören sie zur Mangalitza-Schweinerasse und sind vom Aussterben bedroht. Aber nun konzentriert euch bitte wieder auf die Gemeine Stubenfliege.«
Toni seufzte und suchte mit den Augen erneut das Gebüsch im Hof ab. Ein Wollschwein war das da draußen also. Wo es wohl herkam?
Nach dem Unterricht verschwanden alle schnellstens vom Schulgelände. Toni hingegen steuerte auf die Stelle zu, an der sie das Schwein im Biounterricht gesehen hatte. Doch nirgends war auch nur das kleinste Löckchen zu entdecken. Enttäuscht machte sie sich auf den Heimweg. Ihr Magen knurrte, weil sie wegen des Ablenkungsmanövers heute Morgen auf ihr Pausenbrot hatte verzichten müssen. Deshalb kramte sie in ihrem Rucksack herum. Eine Notration war dort immer zu finden. Und tatsächlich zog sie gleich darauf eine kleine Tüte Erdnussflips heraus. Sie öffnete sie mit einem Plopp und ein paar Flips flogen heraus. Kaum waren sie auf dem Boden gelandet, da stupste Toni etwas am Bein.
»Hey, Wolli. Da bist du ja wieder«, sagte sie. Ein Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus. Es hatte also doch auf sie gewartet. »Holst du mich etwa von der Schule ab?«
Das Tierchen grunzte und inhalierte dann die heruntergefallenen Flips wie ein Turbostaubsauger. Als kein Krümelchen mehr übrig war, stellte es sich auf die Hinterfüße und machte Männchen. Mit dem Oberkörper in der Luft und den Vorderfüßen an Tonis Bauch steckte es den Rüssel so weit in die Tüte, dass er ganz darin verschwand.
Toni lachte. »Vielleicht sollte ich dich besser Flips nennen. Was denkst du, Wolli?«
Ein raschelndes Grunzen kam aus der Tüte, was Toni als Ja, gern oder zumindest als Wenn du willst, meinetwegen deutete.
Nachdem alles leer geputzt war und Flips wieder auf allen vieren stand, setzten sich die beiden in Bewegung. Toni konnte gar nicht mehr aufhören zu grinsen. Ungefähr so musste es sein, wenn man einen Hund hatte, mit dem man die Straße entlangspazierte. Wieso waren in ihrem Haus bloß keine Tiere erlaubt? Das war so ungerecht! Sie beschloss, die Zeit mit Flips auszukosten und trotz knurrendem Magen einen Zwischenstopp beim Spielplatz einzulegen.
Dort zog sie die Turnschuhe und Socken aus und setzte sich hinter das Klettergerüst. Der Sand kitzelte unter ihren Füßen und Toni fragte sich, ob auch Flips das spürte oder ob seine Zehen eher wie Schuhe waren, unter denen sich fast alles gleich anfühlte.
»Schade, dass ich dich nicht verstehe«, sagte sie und kraulte ihm das linke Ohr. »Sonst könnten wir uns morgen wieder hier verabreden und über meine Menschen- und deine Wollschweinwelt reden. Ich wüsste echt gerne, was du so machst und wo du herkommst.«
Flips, der sich neben ihr im Sand gewälzt hatte, schnorchelte genüsslich. Toni lehnte sich zurück und gemeinsam beobachteten sie die Schwäne, die sich ganz in der Nähe am Teich um ein altes Brot stritten.
Irgendwann zog Toni wieder ihre Schuhe an und stand auf. Es war bereits halb sechs und sie musste nach Hause. Müde blinzelte Flips zu ihr hoch und kam auch auf die Beine.
Er stupste mit seinem Rüssel an ihre Finger, was sich anfühlte wie samtweiche Zuckerwatte. Toni lächelte. Dieses Mal ein bisschen traurig. »Ich muss heim und du wahrscheinlich auch.«
»Grunz!« Flips wackelte mit dem Kopf.
Was, wenn er gar kein Zuhause hat?, dachte Toni, und dann kam ihr noch ein weiterer Gedanke. Er wurde größer und größer und ließ sich nicht mehr verdrängen: Konnte sie Flips nicht einfach mitnehmen?
»Okay, du kommst mit zu mir«, sagte sie kurzerhand und schob sämtliche Bedenken beiseite. Sie würde ihn einfach an Mama und Papa vorbeischmuggeln und sich später überlegen, wie sie ihnen das neue Haustier vorstellte. Nur Frau Reimann durfte ihn nicht entdecken. Mit der Vermieterin war nicht zu spaßen. Sie hatte einen riesigen Knall. Die Frau mit den roten Haaren, die immer zu einem strengen Dutt geknotet waren, hasste Tiere. Kein einziges duldete sie in ihrem Haus. Dabei wünschte sich Toni so sehr einen kleinen kuscheligen Freund. Einen wie Flips.
Zu Hause angekommen, spähte sie vorsichtig durch die Rosen am Tor. Weit und breit keine Frau Reimann. Die Luft war rein.
»Wir müssen schnell sein und leise, damit dich niemand sieht«, wisperte sie. Wie auf Kommando flitzte Flips los und huschte mit ihr in den Hausflur.
3
Ein Schwein im Schrank
»Rüssel rein!«, befahl Toni und drückte Flips ein bisschen tiefer in ihren Kleiderschrank. Schon spähte ihr Vater durch die Tür ins Kinderzimmer.
»Hallo, da bist du ja. Hast du dich noch mit deinen Freunden rumgetrieben?« Toni nickte, auch wenn das nur halb stimmte. Schützend stellte sie sich vor den Schrank. Flips sollte bloß nicht auf die Idee kommen, noch mal rauszuschauen.
Papa war zum Glück gerade in der Küche beschäftigt gewesen, als sie die Wohnungstür aufgeschlossen hatte. So konnte sie Flips unbemerkt in ihr Zimmer schmuggeln und in den Kleiderschrank lotsen.
»Mama müsste gleich von der Arbeit kommen. Dann machen wir uns auf den Weg«, sagte ihr Vater. Heute war Kinotag. Jeden Freitag gingen Tonis Eltern zusammen ins Kino und vorher noch zum Italiener. »Hast du Hunger? Ich habe Lasagne für dich gemacht.«
Hinter Toni grunzte es gedämpft. Ihr Vater runzelte die Stirn. Hektisch fasste sich Toni an den Bauch. »Ja, ich hab riesigen Kohldampf. Mein Magen knurrt schon.«
»Das hört man. Na, dann komm in die Küche.« Papa lächelte und winkte sie zu sich. Zum Glück ging er schon voraus. Keine Sekunde zu früh, denn schon stieß Flips die Schranktür auf und quiekte empört.
»Pst. Willst du, dass wir auffliegen?« Toni horchte in den Flur, wo Mama gerade ankam und sich mit Papa unterhielt. Offenbar hatten sie das Quieken nicht gehört. Erleichtert wischte Toni sich eine Schweißperle von der Stirn. »Hör zu, ich gehe jetzt raus zu meinen Eltern. Du bleibst so lange hier. Ich mach auch ganz schnell, ja?«
Flips stupste sie an, als wäre er einverstanden, und legte sich dann in ihre Kuschelecke, die voller Decken und Kissen war. Mit einem flattrigen Gefühl im Bauch ging Toni in den Flur und schloss die Tür hinter sich. Flips konnte wahrscheinlich keine Klinke hinunterdrücken und somit auch nicht rauskommen. Allerdings konnte er Lärm machen. Hoffentlich blieb er ruhig!
»Hallo, Mama«, sagte sie, als sie zu ihren Eltern in die Küche kam.
»Hey, Maus.« Ihre Mutter drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Du siehst etwas blass aus.«
»Sie hat Hunger«, erklärte Papa und holte die Lasagne aus dem Ofen.
Während ihre Eltern einen Espresso tranken, steckte Toni sich lustlos eine Gabel mit Gemüse in den Mund. Obwohl sie so großen Hunger gehabt hatte, bekam sie nun kaum einen Bissen runter. Immer wieder spitzte sie die Ohren und horchte auf seltsame Geräusche. Als es plötzlich rumste, rutschte ihr fast das Herz in die Hose. Hatte Flips irgendetwas in ihrem Zimmer umgeworfen?
»Was war das?«, wunderte sich Papa.