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Johann Kapferer

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Illustrationen: Johann Kapferer

Layout: Alexander Augustin

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
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Herstellung und Verlag:

Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783753431437

für Eva

Albert lebt seinen Traum

Albert war schon seit vielen, vielen Jahren Schulbusfahrer. Er liebte diesen Beruf, wie keinen zweiten auf der ganzen Welt. Wenn er am Morgen munter wurde, galten seine ersten Gedanken seinem zitronengelben Omnibus.

Albert konnte es kaum erwarten, endlich in die große Garage zu gehen, um Eberhard, so nannte er seinen zitronengelben Omnibus, sanft mit seinen Händen über die kugelrunden Scheinwerfer zu streicheln.

„Na, mein Lieber. Wie war deine Nacht? Ich hoffe, du hast dich gut ausgeruht und bist bereit für den neuen Tag. Es gibt heute wieder viel zu tun. Die Kinder warten schon sehnsüchtig auf uns“, sagte er dabei jedes Mal gut gelaunt.

Bevor Albert in den Bus stieg, ging er immer noch einmal um den Bus herum. Er überprüfte vor jeder Abfahrt gewissenhaft, ob auch wirklich alles in Ordnung war. Erst nachdem er ganz sicher war, dass alles passte, stieg er ein und ließ sich in den großen Fahrersitz fallen. Dann startete er den Motor.

Albert ging dabei sehr schonend mit dem Motor um. Gleich wie er selbst, war auch der zitronengelbe Omnibus inzwischen älter geworden. Da musste man schon ein bisschen sorgsam mit den Dingen umgehen. So manches dauerte jetzt eben ein klein wenig länger als früher, als die beiden noch jung waren.

Eberhard, der zitronengelbe Omnibus, dankte es dem Schulbusfahrer auf seine Weise, dass er so viel Sorgfalt und Pflege bekam. Auch wenn sein Motor an manchen Tagen stotterte und hin und wieder eine dicke Rauchwolke aus dem Auspuff blies. Er hatte seinen Freund Albert und die Kinder noch nie im Stich gelassen.

Für Albert war Schulbusfahren einfach das Schönste auf der ganzen Welt. Schon als kleiner Junge hatte er davon geträumt, einmal mit einem Schulbus zu fahren, wenn er erwachsen war. Seither waren viele Jahre vergangen.

Albert hatte seinen Traum längst wahr werden lassen. Er war wirklich ein Schulbusfahrer geworden. Jeden Morgen fuhr er die Kinder mit seinem zitronengelben Omnibus zur Schule und nach dem Unterricht wieder nach Hause.

Albert wurde dabei oft von den Kindern gefragt, wie lange er eigentlich schon Schulbusfahrer war. Doch auf diese Frage wusste er keine Antwort. Albert wusste nur, dass er nie in seinem Leben etwas anderes gemacht hatte und auch nie etwas anderes machen wollte, als eben ein Schulbusfahrer zu sein.

Albert zuckte dann immer mit seinen breiten Schultern und strich sich gleichzeitig mit den Fingern durch seinen dichten Schnurrbart, damit ja keines von den Kindern merkte, dass ihn diese Frage ein bisschen nervös gemacht hatte.

Pünktlich, sodass man seine Uhr danach stellen konnte, tuckerte Albert mit seinem zitronengelben Omnibus jeden Morgen kurz nach sieben Uhr gemächlich auf die große Schulbushaltestelle, direkt vor dem Hauptbahnhof zu. Wie an jedem anderen Morgen auch, wurden die beiden schon sehnsüchtig von einer riesigen Kinderschar erwartet.

Dabei war es ganz gleich, ob es regnete oder schon früh am Morgen die Sonne freundlich vom Himmel lachte. Albert und Eberhard waren stets brav zur Stelle und brachten die Kinder pünktlich und sicher in die Schule.

Die Kinder waren alle ganz vernarrt in ihren Schulbusfahrer mit seinem zitronengelben Omnibus. Das war kein Wunder, denn Albert war ein ganz besonderer Mensch. Selbst wenn es im Bus oft herging, wie in einem Bienenstock, und sich die Kinder in ihrem Übermut gegenseitig zu übertönen versuchten, Albert ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Gemächlich kurbelte er konzentriert an Eberhards großem Lenkrad und lächelte dabei verschmitzt wie ein kleiner Junge zufrieden vor sich hin.

Albert war ein hilfsbereiter, freundlicher Mann, der noch nie in seinem Leben Streit mit jemandem hatte. Er trug sein Herz wirklich am rechten Fleck und war stets für andere da, wenn Hilfe gebraucht wurde. Vor allem, wenn ihm zu Ohren kam, dass jemandem ein Unrecht oder gar ein Leid angetan wurde. Da war der Schulbusfahrer immer als Erster zur Stelle, um seine Hilfe anzubieten.

Das wussten aber nicht nur die Kinder, die mit ihm und Eberhard zur Schule fuhren, sondern auch deren Eltern und deren Großeltern, denn sie hatten etwas gemeinsam. Sie alle waren früher ebenfalls mit Albert und Eberhard, dem zitronengelben Omnibus, in die Schule gefahren.

Um Alberts graublaue Augen hatten sich im Laufe der Jahre unzählige kleine Lachfalten gebildet. Das verlieh dem Schulbusfahrer einen schelmischen Ausdruck. Dazu gesellte sich noch sein Markenzeichen, eine dunkelblaue Uniformmütze mit einem schwarzen Kunststoffschild, die er stets auf seinem kugelrunden Kopf trug. Die Mütze war Albert längst viel zu klein geworden, außerdem war sie an den Rändern schon stark abgewetzt und speckig. Doch wie so vieles in seinem arbeitsreichen Leben, war ihm auch die Mütze mit dem schwarzen Kunststoffschild so sehr an sein Herz gewachsen, dass er sich einfach nicht mehr von ihr trennen mochte.

„Das gute Stück hält sicher noch ein paar Jährchen durch. Außerdem, was soll ich denn mit einer neuen Mütze? Das ist bloß reine Geldverschwendung. Ich muss doch der Firma sparen helfen“, brummte er in seinen dichten, schwarzen Schnurrbart, wenn ihn jemand darauf ansprach.

Wenn Albert mit dem zitronengelben Omnibus auf die große Schulbushaltestelle, direkt vor dem Hauptbahnhof, zusteuerte, blendete er mit den großen Scheinwerfern kurz hintereinander zweimal auf.

Für die wartenden Kinder sah es jedes Mal aus, als ob ihnen Eberhard schon von weitem mit seinen beiden kugelrunden Lichtern freundlich zublinzeln würde und ihnen auf diese Weise einen guten Morgen wünschte. Die Kinder jauchzten laut vor Freude, wenn sie das sahen und winkten den beiden ganz aufgeregt entgegen.

Albert, der Schulbusfahrer, mit der viel zu kleinen Uniformmütze auf seinem Kopf, erwiderte den Gruß und winkte den Kindern, wie an jedem anderen Morgen auch, freundlich zurück.

Wenn er kurz darauf mit Eberhard in die Haltestelle einfuhr, war Albert immer ganz besonders konzentriert bei der Arbeit. Er musste ja schließlich darauf achtgeben, dass keinem Kind etwas geschah, denn an der Schulbushaltestelle herrschte an jedem Morgen dasselbe Gedränge. Die Kinder konnten es kaum erwarten, bis ihr zitronengelber Omnibus endlich stillstand und sie einsteigen durften.

Kurz bevor sich die vordere Tür langsam öffnete, gab Eberhard immer Geräusche von sich, die die Kinder zum Lachen brachten.

„Pffffft“, entwich zuerst einmal zischend Druckluft aus dem zitronengelben Omnibus, während sein Motor lustig vor sich hinknatterte.

„Pffffft, brummm, brummm, pffffft, brummm, brummm“, es hörte sich an, als ob Eberhard von vorne bis hinten von einem mächtigen Schluckauf durchgerüttelt würde.

Bevor Albert die vordere Tür öffnete, warf er immer noch einen letzten Blick in Eberhards großen Seitenspiegel, ob wohl ja alle Kinder sicher auf dem Gehsteig standen. Erst wenn er ganz sicher war, dass keinem Kind Gefahr drohte, drückte er mit seiner rechten Hand einen schwarzen Hebel nach vorne.