Inhalt

  1. Cover
  2. Sofia und die Hirschgrund-Morde – Die Serie
  3. Über diese Folge
  4. Über die Autorin
  5. Titel
  6. Impressum
  7. Kapitel 1
  8. Kapitel 2
  9. Kapitel 3
  10. Kapitel 4
  11. Kapitel 5
  12. Kapitel 6
  13. Kapitel 7
  14. Kapitel 8
  15. Kapitel 9
  16. Kapitel 10
  17. Kapitel 11
  18. Kapitel 12
  19. Kapitel 13
  20. Kapitel 14
  21. Kapitel 15
  22. Kapitel 16
  23. Kapitel 17
  24. Kapitel 18
  25. Kapitel 19
  26. Leseprobe

Sofia und die Hirschgrund-Morde –
Die Serie

Blaues Wasser, klare Luft, in der Ferne bei schönem Wetter die Alpen – das ist der Hirschgrund, ein idyllischer See mitten in Bayern. Nebenan der gleichnamige Campingplatz. Doch die Idylle trügt – denn diese Saison wird mörderisch.

Kaum ist die neue Besitzerin Sofia auf dem Platz angekommen, stolpert sie über den ersten Toten. Sofia ist entsetzt! Und dann neugierig. Bald schon entdeckt sie ihr Talent fürs Ermitteln und fängt an, in der bayerischen Idylle so einiges umzukrempeln …

Über diese Folge

Sofia hat ja schon viel erlebt auf ihrem Campingplatz, aber das ist wirklich ungeheuerlich: Eines Nachts wird sie beim Gassigehen mit ihren Hunden angegriffen – von einem Gast! Dieser fordert fünfzigtausend Euro von ihr, ansonsten würde die Polizei alles erfahren! Sofia kann sich nicht erklären, wovon der Mann spricht. Gemeinsam mit ihrem geliebten Hauptkommissar Jonas macht sie sich auf die Suche nach dem Erpresser. Sein Zelt und Auto sind noch am Platz, aber er selbst ist wie vom Erdboden verschluckt. Doch schon am nächsten Tag taucht er plötzlich wieder auf: mit gebrochenem Genick auf dem Seeweg! War er wirklich hinter Sofia her? Und was haben die neuen Dauercamper mit all dem zu tun?

Über die Autorin

Susanne Hanika, geboren 1969 in Regensburg, lebt noch heute mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in ihrer Heimatstadt. Nach dem Studium der Biologie und Chemie promovierte sie in Verhaltensphysiologie und arbeitete als Wissenschaftlerin im Zoologischen Institut der Universität Regensburg. Die Autorin ist selbst begeisterte Camperin und hat bereits zahlreiche Regiokrimis veröffentlicht.

SUSANNE HANIKA

Der Tod liegt
unterm Sonnenschirm

Bayernkrimi

Kapitel 1

Die Abendsonne glitzerte malerisch auf dem spiegelglatten See und färbte alles um mich herum in einen orangefarbenen Ton. Träge lehnte ich mich auf der Bank zurück und streckte meine Beine weit von mir. Ein langer, heißer Sommertag näherte sich seinem Ende, und ich hatte auf meiner abendlichen Hundegassirunde ein kleines Päuschen eingelegt. Von der Bank aus waren es drei Schritte zum See, und direkt auf der anderen Uferseite lag sehr idyllisch mein Campingplatz – umgeben von hohen Pappeln, der riesigen Birke und den akkurat geschnittenen Hainbuchenhecken.

Von hier aus sah das unglaublich malerisch aus. Die Bäume. Die weißen Wohnwägen mit ihren Vorzelten. Die Badebucht mit dem langen Steg und direkt daneben das alte Bootshaus meiner Nonna. Es war in den letzten Monaten komplett überholt worden, und meine flippigste Dauercamperin Evelyn hatte ein Café daraus gemacht. Die nagelneue Terrasse war zu dieser Stunde verwaist, genau wie der Badestrand. Ich stellte mir vor, wie es gerade in meinem Klohäuschen zuging. Das Geschrei kleiner Kinder, die keine Lust hatten, sich den Sand aus den Ohren waschen zu lassen, die nicht geföhnt werden wollten und vor allen Dingen eins hatten: ganz viel Hunger. Ich seufzte zufrieden. Wenn keine Schulferien waren, kamen nur Eltern mit ganz kleinen Kindern. Das war zwar besonders abends sehr laut, aber auch ungemein süß, wenn die Zwerge mit den lustigen Bademäntelchen – die Kapuzen halb über die Köpfe gezogen – über den Platz getragen wurden. Entweder sie schliefen schon halb oder brüllten so laut, dass die Gesichter karmesinrot leuchteten.

Aber hier hörte man nichts davon. Vor mir lag Clärchen, meine Maremanno-Hündin. Auf dem Rücken liegend, den Kopf so verdreht, als wäre sie soeben verstorben, wartete sie darauf, dass sich endlich jemand erbarmte und ihr den Bauch streichelte. Selbst dafür war ich zu faul. Es war so wunderschön, hier zu sitzen, nachdem die Hitze des Tages einer perfekten Temperatur gewichen war.

Wie still und friedlich. Nicht einmal der Gröning, der bei jeder Wetterlage bereit war, sich in die Fluten zu stürzen, stand im Wasser.

»Was ist denn dort drüben?«, fragte ich Clärchen, und hinter mir sagte die Stimme vom Gröning: »Ich seh nix.«

Ich quietschte ein bisschen und atmete zur Beruhigung einmal tief durch. Offenbar kam der Gröning von seinem abendlichen Spaziergang zurück.

»Unser Ruderboot«, beantwortete ich meine rhetorische Frage selbst.

Der Hetzenegger hatte die Ruder geholt und half gerade seiner Frau Vroni ins Boot. Ob das gut ging? Ich hatte nicht mitbekommen, dass die beiden jemals einen Ausflug mit Nonnas altem Ruderboot gemacht hatten. Sie saßen am liebsten bei Kaffee und Kuchen vor ihrem Wohnwagen. Und seit Evelyn das Café eröffnet hatte, nun meistens im Bootshaus. Nur wenn ihre Enkelkinder vorbeikamen, gingen sie auch ein Stückchen den Seeweg entlang.

»Die rudern zu uns«, erläuterte ich, weil ich schon ahnte, dass der Gröning wieder mal nix sah.

»Ich seh nix«, bestätigte der Gröning meine Einschätzung und schaute ziemlich schlecht gelaunt durch sein Fernglas. »Heute ist alles so trübe.«

Die Luft war klar und rein, und man konnte fantastisch sehen. Zum Beispiel, wie das Ruderboot schwankte, als sich die Vroni hinsetzte. Sie krallte sich an die Reling und wirkte, als würde sie am liebsten wieder aussteigen. Das einzig Trübe heute waren die Augen vom Gröning.

»Waren Sie in letzter Zeit beim Augenarzt?«, schrie ich ihn an. Der Gröning war nämlich zusätzlich auch noch schwerhörig.

»Das ist der graue Star«, sagte er schlecht gelaunt.

»Aber das kann man doch operieren«, wusste ich.

Der Gröning drehte sich einfach um und ging den Weg weiter. Ob er meine Worte gehört hatte? Wenn er etwas nicht hören wollte, war er nämlich besonders schwerhörig.

»Sofia!«, schrie mir die Vroni entgegen. Clärchen sprang am Ufer hin und her und beteiligte sich mit aufgeregtem Gebell an der Unterhaltung.

Um Himmels willen! War etwas auf dem Campingplatz passiert? Das konnte durchaus sein, bei dem Glück, das ich immer hatte. Hin und wieder fand ich Leichen, und mein Freund Jonas beschwerte sich gerne bei mir darüber, dass das Absicht war, um ihm besonders viel Arbeit zu bescheren. Er war nämlich Kriminalhauptkommissar. Ohne die Leichen auf meinem Campingplatz hätte ich ihn wahrscheinlich nie kennengelernt und mich deshalb auch nicht in ihn verlieben können. Ich hatte Jonas eigentlich Besserung gelobt, aber vielleicht hatte Vroni jetzt die nächste Leiche gefunden, nicht wissend, was ich wem versprochen hatte.

Mit einem Rums fuhr der Hetzenegger ans Ufer, und Vroni fiel fast ins Wasser.

»Kannst du nicht aufpassen!«, beschwerte sie sich.

»Ich seh mit dem Rücken nicht. Du solltest aufpassen und mir sagen, wann das Ufer da ist!«, erinnerte der Hetzenegger sie.

Die Vroni war ziemlich aufgeregt, sie hatte knallrote Bäckchen, und ihre blondierte Dauerwelle sah aus, als hätte sie in die Steckdose gefasst. Oh nein!

Clärchen schmiss sich mit Karacho vor Vroni, die ins Wanken geriet und bestimmt rückwärts in den See geplumpst wäre, wenn ich sie nicht schnell bei der Hand gepackt hätte.

»Neue Gäste«, keuchte sie.

Ich sah sie verständnislos an. Hin und wieder übernahm Vroni meinen Platz in der Rezeption. Normalerweise zu Zeiten, in denen nicht so viel los war, wie gerade jetzt, Montagabend. Aber auch neue Gäste waren kein Drama! Das kam manchmal vor bei einem Campingplatz!

»Neue. Dauercamper!«, brachte Vroni abgehackt hervor. »Das kann doch nicht sein, oder?«

Ich schüttelte erst brav den Kopf, dann nickte ich aber. »Doch, doch. Das hat schon seine Richtigkeit.«

»Neue Dauercamper?«, wiederholte die Vroni entgeistert. »Aber … bist du dir sicher … also, ich meine nur, wir haben doch überhaupt keinen Platz!«

Begeistert wälzte sich Clärchen in den Kiefernnadeln. Sie bezog grundsätzlich jede Gefühlsäußerung auf sich. Und Aufregung liebte sie!

»Also, ich dachte, man kann den Platz dreiundzwanzig zu einem Dauercamper…«

»Dreiundzwanzig!«, stieß Vroni entgeistert hervor.

»Der ist ja unserem Platz gegenüber«, rügte mich der Hetzenegger. »Wenn da jemand steht, sehen wir die drei Birken nicht mehr!«

»Okay«, sagte ich, weil ich bis jetzt nicht gewusst hatte, dass die Birken einen derart hohen Stellenwert für das Glück der Hetzeneggers besaßen. »Dann natürlich nicht. Aber vielleicht Platz … fünfundzwanzig?«

»Fünfundzwanzig!«, stieß Vroni noch entgeisterter hervor, als hätte ich gerade angekündigt, ein Hochhaus zu errichten.

»Da haben wir aber ganz viel Schatten«, meinte der Hetzenegger schlecht gelaunt.

»Der ist doch von euch aus im Norden«, wandte ich unbedacht ein.

»Eher Westen«, sagte Hetzenegger grantig. »Da geht die Sonne unter. Die letzten Sonnenstrahlen kommen immer von dieser Seite! Das genießen wir richtig!«

»Nordnordwest«, verbesserte ich ein wenig kleinlich, während ich zum Ruderboot ging.

»Kennst du die Leute überhaupt«, flüsterte Vroni, als würden sie direkt hinter uns stehen.

»Noch nicht«, gab ich zu. »Aber er hat gestern angerufen, und ich hatte den Eindruck, dass er sehr nett ist.«

»Haben die ein polizeiliches Führungszeugnis?«, fragte Vroni streng, während ich ins Boot stieg.

Ich verdrehte die Augen. Hatte meine Nonna, die frühere Campingplatzbesitzerin, von irgendeinem der Dauercamper ein polizeiliches Führungszeugnis verlangt? Das wollte ich bezweifeln!

»Ich meine ja nur, nicht, dass wir uns irgendein Gschwerl auf den Platz holen«, merkte die Vroni an. »Weil, die Frau ist schon ein bisserl komisch.«

Das Pärchen, das uns auf meinem Campingplatz erwartete, sah überhaupt nicht nach Gschwerl aus. Die Frau mochte um die dreißig sein, trug eine rosa Caprihose und ein rosa Poloshirt mit dunkelblauem Kragen und dunkelblauer Aufschrift Yachtclub de Cannes, das ihre sehr schlanke Figur betonte. Obwohl sie gerade aus dem Auto ausgestiegen war, sah alles aus wie frisch gebügelt. Ihre blonden Haare glänzten in der Sonne, und sie war ein bisschen zu aufwendig, fast maskenhaft geschminkt.

Ich wusste aus dem Telefonat, dass der Mann älter war, so um die fünfzig. Trotzdem sah er wie ein Junge aus. Wie ein zu groß gewordener, dicker Junge. Obwohl er schon ein paar graue Haare hatte, wirkte er, als hätte er die abgelegten Kleidungsstücke seines Vaters angezogen. Und dessen Lesebrille aufgesetzt, mit der er überhaupt nichts zu sehen schien, so wie er mit seinen kleinen Augen in die Sonne blinzelte.

Die beiden hatten einen riesigen nagelneuen Wohnwagen, der in der Sonne glitzerte. Evelyn hatte schon ein angeregtes Gespräch mit den beiden angefangen, und auch der Schmidkunz und mein geerbter, uralter Riesenhund Milo standen mit dabei. Der Schmidkunz redete nie viel, und auch jetzt sah er aus, als wäre er komplett woanders. Wie übrigens auch Milo, der wirkte auch meistens sehr geistesabwesend und wollte sich hauptsächlich nicht anstrengen. Als Milo mich sah, wedelte er sachte mit dem Schwanz, was praktisch einem Gefühlsausbruch gleichkam.

»Robert«, sagte der Mann, als hätte er keinen Familiennamen, und reichte mir die Hand. Er war so groß, dass ich meinen Kopf ins Genick legen musste, um ihm in die Augen sehen zu können. »Und meine Ehefrau Clarissa.« Das mit der Ehefrau schien ihm unglaublich wichtig zu sein, denn er strahlte richtiggehend. »Freut mich sehr, dass wir kommen dürfen!«

»Ich dachte, ihr wolltet erst einmal den Platz ansehen«, erinnerte ich ihn an unser Telefonat und warf einen Blick auf den überlangen Wohnwagen. Platz fünfundzwanzig war auf jeden Fall zu klein für das Teil.

Ich fühlte mich ein bisschen überrumpelt. Mein »Kommen Sie doch einfach mal vorbei« war eigentlich keine feste Zusage gewesen, sondern nur so ein »Mal sehen, ob es Ihnen überhaupt gefällt«.

»Der ist ja ziemlich groß«, stellte ich fest.

Robert strahlte. »Wir wollten nicht auf jede Annehmlichkeit verzichten. Es soll ja auch Spaß machen. Und vielleicht kommen ja auch noch irgendwann Kinder …« Wieder strahlte er wie eine Tausend-Watt-Lampe und sah seine Clarissa sehr verliebt an. Was bei jemandem, der wie ein kleiner Junge aussah, etwas komisch wirkte.

»Wir haben auch eine Bewerbungsmappe mitgebracht«, sagte Robert.

Er sah von einem zum anderen, als erwartete er eine begeisterte Reaktion, aber meine Dauercamper starrten ihn nur an – und auch ich war sprachlos.

Was für eine Bewerbungsmappe?

»Wir wollen uns nämlich gerne in die Gemeinschaft einbringen«, machte Clarissa weiter. Es klang, als hätte sie sich für das Gespräch vorbereitet und nun ihren Part vorgetragen. Ihre Stimme klang piepsig.

»Schön«, nickte ich etwas ratlos.

»Wenn es Gemeinschaftsaktionen gibt. Müllsammeln. Häuschengrundreinigung und so Dinge. Da machen wir gerne mit!«, piepste sie in die Runde.

Das Starren unserer »Gemeinschaft« wurde noch etwas starrer, wenn das überhaupt möglich war. Denn bei uns sah »In die Gemeinschaft einbringen« so aus, dass wir im Café abhingen und Törtchen von der Meierbeck aßen.

»Jetzt seht euch doch erst einmal um«, schlug ich vor. Bevor wir gemeinsam Müll einsammelten, konnte es ja sein, dass es den beiden hier überhaupt nicht gefiel. Trotzdem überreichte mir Robert feierlich eine blaue Mappe. Als ich sie aufschlug, sah ich, dass es eine sehr ordentliche Bewerbungsmappe für einen Dauercampingplatz war. Clarissa und Robert Meindl stand groß da, und darunter war ein Bild von den beiden im Hochzeitsgewand vor einer malerischen Kapelle. Sie sah aus, als wäre sie in einen explodierenden Tüllsturm geraten, und er, als hätte er seinen vierzig Jahre alten Kommunionsanzug aus dem Schrank gekramt.

»Dann wollen wir mal schauen, wo wir euch fürs Erste unterbringen«, sagte der Hetzenegger, als hätte er hier etwas zu sagen. »Platz fünfundzwanzig und dreiundzwanzig sind auf jeden Fall zu klein.« Das schien ihn sehr zufrieden zu machen.

»Macht ihr schon lange Camping?«, fragte Vroni misstrauisch.

»Nein. Wir haben noch nie gecampt«, verriet uns Robert. »Aber wir haben uns überlegt, dass wir irgendetwas brauchen, um den Kopf freizubekommen. Natur ist so wichtig, das ist ein Gefühl wie Freiheit. Sich einfach mal durchpusten lassen.«

Alle nickten. Das Gefühl von Freiheit kannten wir hier alle! Das gab Pluspunkte für die beiden.

»Wenn das Wetter schön ist, sind wir alle da«, verriet die Vroni. »Manchmal fahren wir auch nach Hause, aber da ist es uns inzwischen zu einsam. Hier hat man immer jemanden – und es ist trotzdem still. Die Sofia macht das richtig gut. Man kann wirklich nur jedem empfehlen, Dauercamper zu werden.«

Ich sah sie erstaunt an. Gerade hatte sie noch so gewirkt, als wollte sie den beiden das Campen ausreden.

»Camper sind einfach herzlicher als andere Leute. Weil sie die himmlische Ruhe genießen wollen«, verriet Vroni den beiden, vielleicht, um einer potenziellen Lärmbelästigung durch die zwei vorzubeugen.

»Eine Stadtwohnung ist einfach nicht vergleichbar mit dieser Naturnähe, die wir hier haben«, bestätigte die Schmidkunz.

»Wir könnten ja auch nach Spanien fahren. Aber wer will das schon?«

»Die absolute Stille. Wenn ich am Abend im Bett liege, dann ist da einfach gar kein Geräusch«, machte die Vroni weiter.

Alle lauschten in die Stille, in der man nur eine Amsel sehr melodisch flöten hörte. Im selben Moment wurde der Vogelgesang durch das bollernde Geräusch eines näher kommenden Fahrzeugs unterbrochen. Ich drehte mich um. Hinter dem langen Gespann von Robert und Clarissa hielt ein schwarzer 5er-BMW mit dem Kennzeichen BM.

»Wenn man seine Ruhe haben will, dann ist die Ecke hinten bei Evelyns Wohnmobil sehr schön«, schlug Vroni noch sehr eigennützig vor.

Evelyn widersprach nicht, wahrscheinlich war es ihr ganz recht, wenn hier jemand campte, der keine Kinder hatte. Sie hatte die letzten Monate bei mir im Haus geschlafen, aber seit drei Wochen war sie wieder in ihr Wohnmobil gezogen. Wir hatten uns ziemlich gefetzt, weil sie mein Handy geklaut und dann sülzige Nachrichten an meinen Freund Jonas geschrieben hatte. Beinahe hätte sie ihn damit dazu gebracht, mir einen Heiratsantrag zu machen!

»Ich zeige euch das mal alles!«, erbot sich der Hetzenegger, der anscheinend bereit war, alles zu tun, damit sich keiner vor seine Birken stellte. Oder in die Sonne.

Ich machte mich mitsamt der Bewerbungsmappe auf den Weg zur Rezeption.

Aus dem schwarzen BMW stieg ein Mann aus. Er war unglaublich groß und dick, sein Gesicht war schwammig und großporig, als würde er zu viel trinken oder Drogen einwerfen, und sein Nacken bestand aus zwei dicken, speckigen Wülsten, über die sich ein Schnitt wie von einem Rasiermesser zog. Seine Hose und sein Muskelshirt waren schwarz und seine Arme so stark tätowiert, dass man seine natürliche Hautfarbe nicht sah. Deswegen wirkte es, als hätte er kein Muskelshirt, sondern ein Langarmshirt an. Sein Alter war schlecht zu schätzen. Zwischen dreißig oder vierzig vielleicht. Er hatte auf jeden Fall nur Augen für mich, und ich hatte das Gefühl, dass ich ihn eigentlich nicht auf dem Campingplatz haben wollte. Und keinerlei Gesprächsbedarf hatte!

»Hammse noch einen Platz frei«, nuschelte er, während er mich mit seinen kohlschwarzen Augen ansah. Milo neben mir versteifte sich und begann zu knurren. Das machte er sonst nie! Ich tätschelte ihm beruhigend den großen Kopf, und während ich noch »Ja, kommen Sie mit« sagte, hatte ich das Gefühl, dass ich lieber »Nein, alles besetzt« hätte antworten sollen. Mein Blick fiel auf Clarissa, die den Mann anstarrte und knallrot wurde.