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Petra Ramsauer

Siegen heißt, den Tag überleben

Petra Ramsauer

Siegen heißt, den Tag überleben

Nahaufnahmen aus Syrien

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www.kremayr-scheriau.at

eISBN 978-3-218-01073-3

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

[ 1 ]Der alte Mann und die Miliz

Im tiefschwarzen Zeitalter

Syriens letzte Schätze

Assads Gewaltregime

Ein Jahrhundert Krise

Kriegserklärung an die Geschichte

Das zerstörte Idyll von Rosen und Orangenblüten

[ 2 ]Die Revolution der Kinder von Dara’a

Warum Jugendliche das »System« brechen

Im Folterkeller für ein Graffiti

Die ersten Proteste und die ersten Toten

Ein Land bricht auf

Wie ein Krieg entsteht

Assad, al-Nusra und der »Islamische Staat«

Und wer ist eigentlich die Opposition?

Wie Syrien in den Abgrund schlittert

[ 3 ]Im Reich des Präsidenten

Reiche Beute

Das »nützliche« Syrien und seine Verbündeten

Die Panik der Christen

Im Schatten der Brüder

Die müden Krieger

[ 4 ]Hunger als Waffe

Ein Ei für 25 Euro

Vom Aushungern einer Revolution

Kind sein im Ausnahmezustand

Alte Schmerzmittel gegen Krebs

Der Kampf um einen Hilfskonvoi

Hilfe als Faustpfand im Krieg

Kriegsgewinnler profitieren von Blockaden

[ 5 ]In der Hölle von Aleppo

Panik als Taktik

Kind sein im Kriegsgebiet

Aleppo, die geteilte Stadt

Black Box Bürgerkrieg

Der Kampf um Syriens Städte

Der Mini-Weltkrieg um Aleppo

[ 6 ]Wer ist eigentlich die Opposition?

Das Versagen der Freien Syrischen Armee

Brot und Siege

Als der Westen zu spät kam

Der »Islamische Staat«, Version zwei

Die nächste Revolution

Die Hoffnungsträger eines neuen Syrien

[ 7 ]Ein Krieg gegen die Menschlichkeit

In der Maschinerie des Grauens gefangen

600.000 Folter-Akten, 50.000 Fotos

Keine roten Linien

Die Verbrechen der Opposition: Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn

[ 8 ]Was von Syrien bleibt

Seelen im Kriegszustand

Was ist, wenn der IS nicht mehr ist?

Im Krieg ohne Grenzen

Der Alleingang der Kurden

An den Bruchstellen Syriens

Auf der Suche nach der Zukunft Syriens

Anmerkungen und Quellen

Vorwort

Bebend vor Zorn tritt Stephen O’Brien, der UN-Nothilfekoordinator, im Oktober 2016 vor den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. »Ich nehme Sie heute Nachmittag mit auf einen Abstecher in den Osten von Aleppo«, sagt er dort: »In ein tiefes Kellerloch, aneinandergedrängt mit Ihren Kindern und Großeltern. Der Gestank von Urin und Erbrochenem, Ergebnis unbändiger Angst, setzt sich in Ihrer Nase fest. Sie warten auf die bunkerbrechende Bombe, die Sie hier drin töten wird, in Ihrem letzten Unterschlupf, ähnlich dem Ihres Nachbarn, der gestern Nacht darin getötet wurde.« O’Brien schildert, wie Menschen mit bloßen Händen und voller Verzweiflung im Betonschutt nach ihren schreienden Kindern suchen: »Der giftige Staub raubt Ihnen den Atem. Der Geruch von Gas ist allgegenwärtig, jederzeit kann die Luft um Sie herum explodieren.« Diese Menschen, sagt er, »sind wie Sie und ich«.

Exakt darum sollte es immer gehen, wenn vom Syrien-Konflikt die Rede ist: um diese Menschen. Um Syriens Zivilbevölkerung, die jahrelang zwischen den Fronten aufgerieben wurde. Zerrieben. Eine halbe Million ist nach sechs Jahren Konflikt tot, über eine Million schwer verletzt, mehr als die Hälfte der Bevölkerung vertrieben. Führt man sich diese Zahlen vor Augen, die Realität der Überlebenden, wie sie Stephen O’Brien so nachdrücklich beschreibt, dann ist eigentlich alles klar: Die entscheidende Front in diesem Krieg verläuft zwischen den Konfliktparteien und der Zivilbevölkerung, die diesen Krieg weder gewollt hat noch mit irgendjemandem sympathisiert.

Oft heißt es, Syrien sei ein einziges Chaos geworden. Tatsächlich ist es schwierig, diesen Konflikt in all seinen komplizierten Details zu verstehen. Aber es lässt sich begreifen, wie viel Unheil er anrichtet. Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben: für jene, die wissen wollen, was diesen Krieg ausgelöst hat und warum er so schwer zu beenden ist. Es soll einen Überblick liefern, wo es angesichts täglich neuer Meldungen sehr schwer fällt, diesen zu behalten. Meine Berichte basieren zum Großteil auf meinen Recherchen in dem Bürgerkriegsland und in den Grenzregionen von 2012 bis 2016. Alle Zitate, die Sie hier finden, die nicht extra ausgewiesen sind, stammen aus diesen Recherchen, besonders aus Aleppo, wo ich während des Krieges mehrmals war. Informationen, die ich zusätzlich recherchiert habe, sind in Fußnoten am Ende des Buches ausgewiesen.

Wer während des Krieges nach Syrien fährt, kommt verändert zurück. Das sagen viele, die es wagten. Reporter, medizinisches Personal, humanitäre Helfer. Die Ereignisse dort führen einem vor Augen, zu welchen bestialischen Gräueltaten Menschen fähig sind. Aber sie zeigen auch, wie viel Widerstandsfähigkeit und Durchhaltevermögen in Menschen stecken kann. Das beweisen jene, die auch nach sechs Jahren Krieg weiterhin an eine demokratische Zukunft in dem Land glauben. »Siegen heißt, den Tag überleben«, sagte mir einer dieser Aktivisten im Herbst 2016, als Aleppo belagert und einem unvorstellbaren Bombenhagel ausgesetzt war.

Wien, im Dezember 2016

[ 1 ]Der alte Mann und die Miliz

Mit friedlichen Protesten gegen Präsident Baschar al-Assad wollten die Menschen »nur« Syrien verändern. Daraus wurde ein Bürgerkrieg, der die Welt veränderte. Das Regime kämpft mit brachialer Gewalt ums Überleben. Dies kostet nach sechs Jahren Krieg eine halbe Million Syrer das Leben. Die Hälfte der Bevölkerung flieht, eine Million bis Europa. Ein Dutzend Staaten mischt sich ein: darunter der Iran, Russland, die USA, die Türkei und Saudi-Arabien. Das ausufernde Chaos schafft den Nährboden für Extremismus. Teile der bewaffneten Opposition radikalisieren sich, jene, die für Demokratie auf die Straße gingen, landen zu Zehntausenden im Gefängnis. Im Vakuum des Krieges kann die massenmordende Terrorgruppe »Islamischer Staat« Fuß fassen. Unter ihren Opfern ist ein weltberühmter Archäologe. Und um diesen Krieg zu verstehen, ist der Versuch sinnvoll, mit der Geschichte Syriens anzufangen, die dort beginnt, wo dieser Archäologe stirbt.

Khaled As’ad erlebt nur noch den Anfang vom Untergang seiner Welt. Am 18. August 2015 wird der 81-jährige Archäologe von vier Kämpfern der Terrormiliz »Islamischer Staat« aus einem Kleinlastwagen auf den Vorplatz des Museums von Palmyra gezerrt. Es ist fast Mittag, Schotter und Asphalt glühen. Doch Passanten, die hier an den Marktständen Gemüse kaufen, frieren im Schock. Einer der maskierten Kämpfer nimmt ein Schwert, die anderen halten den hochbetagten Mann fest. Mit einem Schlag wird Khaled As’ad enthauptet. Seine Leiche hängen die Terroristen an Fußfesseln in einen ausgetrockneten Brunnen vor dem Museum. Den Kopf des weltberühmten Archäologen legen sie davor auf den Boden. Selbst seine Brille setzen sie ihm wieder auf. Um den Körper binden sie ein Schild: »Ich bin ein Verräter, ein Götzenanbeter, ich habe an Versammlungen von Götzenanbetern teilgenommen«, steht drauf zu lesen.1

Gemeint sind wissenschaftliche Konferenzen, die Khaled As’ad besucht hatte. Nicht nur sein Forschungsgegenstand, der Wissenschaftler selbst war Legende: Von 1963 bis 2003 war er Direktor der Ausgrabungen und des Museums von Palmyra, verfasste zwanzig Bücher über die antike Wüstenmetropole. »Ich bin im Schatten des Bel-Tempels von Palmyra geboren. Was hätte ich sonst in diesem Leben tun sollen?«, beschrieb der elffache Vater sein Leben, das trotz Großfamilie um die Tausende Jahre alten, einzigartig erhaltenen Ruinen kreiste.

Fünf Tage nach dem Tod des Archäologen sind die Relikte Geschichte. Die Fanatiker sprengen den Baalschamin-Tempel, dann den Triumphbogen und in den letzten Augusttagen den Bel-Tempel, das Prachtstück des UNESCO-Weltkulturerbes. Im ersten Jahrhundert nach Christus wurde dieser genial konstruierte Sakralbau errichtet. Von der Vorderseite betrachtet, glich er einem griechischen Tempel, auf der Längsseite fügte er sich in die lokale Tradition der Anbetungsstätten des Sonnengottes. Der Bau öffnete sich so gleichzeitig für die beiden dort praktizierten Religionen. Zwei Jahrtausende hielten dessen Säulen allem stand, was die Region des heutigen Syrien erschütterte. Erst der Bürgerkrieg ab 2011 markiert das eigentliche Ende der einzigartigen Epoche Palmyras. Die Dimension der Verwüstung, den dieser Konflikt einmal hinterlassen wird, lässt sich da erahnen. Vor allem aber die Brutalität, die ein Land, sein Erbe und dessen Volk zermalmt.

»Unser Körper ist das eigentliche Schlachtfeld.« Dieses Zitat einer misshandelten Syrerin, die im Exil in Jordanien behandelt wird, fasst die frontenübergreifende Wahrheit zusammen. Syriens kollektive Tragödie besteht aus Millionen individuellen Tragödien, wie jene der grauenhaften Exekution Khaled As’ads. Köpfe werden abgeschlagen, aus Hubschraubern wird Giftgas auf Städte geworfen, deren Einwohnern man die Fluchtwege versperrt. Eine Flut von Bildern in sozialen Medien dokumentiert fürchterliche Sequenzen: Sie zeigen einen schwerverletzten Zweijährigen nach der Detonation einer Brandbombe, mit Verbrennungen im Gesicht und am Oberkörper, der vor Schmerz bebt. Lehm wird ihm aufgetragen, weil Salben fehlen. Szenen in einem Not-Lazarett, wo Dutzende nach einem Chlorgas-Angriff nach Luft ringen. Solche unerträglichen Eindrücke lassen sich allerdings einfach ausblenden. Es reicht, die Augen zu schließen oder nicht mehr mitzuschreiben. Das tun viele. 2014 hören etwa die Vereinten Nationen auf, die Toten zu zählen. Zu diesem Zeitpunkt sind es 250.000. Die Zwischenbilanzen danach sind Schätzungen: mindestens 450.000 Opfer fordert der Krieg nach sechs Jahren, bis zu einer Million könnten es schlussendlich sein. Zu einem überwiegenden Teil ist an ihrem Tod die brachiale Kriegführung des syrischen Regimes und seiner Verbündeten schuld.2

Ab dem Herbst 2015 ist dies vor allem Russland, dessen brachiale Luftangriffe zur Unterstützung des syrischen Regimes laut Berichten der Experten der Vereinten Nationen alleine Tausende Tote fordern. Mit Füßen werden Menschenrechte und das Völkerrecht getreten, von allen Konfliktparteien. Versuche des UN-Sicherheitsrates, dem Morden, Bomben, Foltern, dem Aushungern ganzer Städte Einhalt zu gebieten, versanden. Nichts und niemand scheint die Spirale der Gewalt stoppen zu können – oder zu wollen. Im Gegenteil.

Als im Spätwinter 2011 die ersten Proteste gegen das Regime Baschar al-Assads beginnen, scheint in Syrien nach Tunesien, Ägypten und Libyen »nur« die nächste Erb-Autokratie Arabiens ins Wanken zu geraten. Doch Syriens Krise eskaliert rasant in einen brutalen militärischen Konflikt zwischen den Assad-treuen Sicherheitskräften und Rebellengruppen, die anfangs zum Großteil aus Deserteuren des Heeres bestehen.

Maßgeblich schuld an dieser Zuspitzung ist, dass beide Seiten von ausländischen »Partnern« hochgerüstet und radikalisiert werden. Das Regime erhält Schützenhilfe, die von Hardlinern aus dem Iran orchestriert wird: den al-Quds-Brigaden, der Auslandseinheit der paramilitärischen »Revolutionsgarden«. Samt ihrer schiitischen Zieh-Milizen wie der libanesischen Hisbollah greifen sie in Syrien ein. Als den »ersten internationalen schiitischen Dschihad der Geschichte« bezeichnet dies das deutsche Magazin »Der Spiegel«3. Demnach sind dreimal so viele ausländische Kämpfer aufseiten des Regimes im Einsatz wie aufseiten der Opposition. Diese wird wiederum vor allem von Saudi-Arabien, Kuwait, Katar und der Türkei unterstützt. Geldströme übersetzen sich in die Stärkung extremistischer Gruppen, die ideologisch ins Konzept der Gönner passen.

Ein Stellvertreterkrieg zwischen dem Iran und Saudi-Arabien prägt die ersten Kriegsjahre, der später von einem zweiten, jenem zwischen Russland und dem Westen, überlagert wird. Die Fronten im Land verhärten sich und der explosionsartige Zerfallsprozess Syriens löst Schockwellen aus, die weit über die Grenzen des Landes hinaus für Erschütterung sorgen. Schlussendlich erreicht die Krise Syriens auch die EU. Als 2015 über eine Million Flüchtlinge über das Mittelmeer Europa erreichen, führt dies zu massiven innenpolitischen Belastungsproben, vor allem in Deutschland und Österreich. Nach mehreren fürchterlichen Terroranschlägen, in Paris, Brüssel, Nizza und Ansbach, verübt von Anhängern des »Islamischen Staates«, lässt sich Syriens Krise beim besten Willen nicht mehr aus Europas Realität verdrängen. Mit dieser Terror-Gruppe wird greifbar, wie verheerend die Folgen sein können, wenn ein Konflikt quasi sich selbst überlassen wird, bilanziert John Allen, Befehlshaber im Kampf gegen den IS und einer der höchstdekorierten Generäle der US-Streitkräfte, im Oktober 2016. »Die Welt wird uns nicht verzeihen, wenn wir weiter nicht handeln.« Damit meint er aber nicht mehr den Krieg gegen die Terrormiliz, sondern den Kampf gegen das Regime Baschar al-Assads, aus seiner Sicht die eigentliche Wurzel aller verheerenden Folgen dieses Krieges.4

Im tiefschwarzen Zeitalter

Der ausufernde Bürgerkrieg bereitete den Boden für eine der gefährlichsten Extremistengruppen der Welt. 2014 entsteht die Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS), die in einem Blitzkrieg die Hälfte Syriens und bis zu einem Drittel des Irak erobert. Der Schock sitzt tief. Ein Horror-Staat wird gegründet, 35.000 freiwillige Kämpfer aus über hundert Staaten der Welt reisen ein. Darunter mindestens 7000 aus Europa. Sie orchestrieren eine globale Attentatswelle, mit Angriffen in Tunesien, Belgien, Frankreich, den USA, der Türkei und Deutschland.5

Acht Millionen Menschen sind in Extremisten-Hochburgen in Syrien und dem Irak quasi gefangen, werden mit archaischen Gesetzen gequält. Es ist eine psychopathische Verzerrung islamischer Glaubenstexte, die diese Terrorgruppe zu ihrem »Dogma« erhebt und ihre Anhänger zu bestialischen Morden verleitet. Dazu zählt das totalitär interpretierte »Bilderverbot«. Jede Kultur außer der islamischen sei eine Sünde, jedes Bild, jede Statue Blasphemie und müsse zerstört werden, so die Auffassung der IS-Fanatiker. Dass die Terrorgruppe gleichzeitig die Hehlerei mit antiken Wertgegenständen zu ihrer zweitwichtigsten Einnahmequelle macht, mindestens hundert Millionen Euro pro Jahr mit dem Verkauf von geplünderten Kunstschätzen erzielt, scheint sich mit ihrem Religionsverständnis nicht zu spießen.6

Bereits bei ihrem Feldzug im Irak hatte die Terrormiliz in den von ihr eroberten Gebieten Baudenkmäler gesprengt, Kunstschätze entweder kleingeschlagen oder geplündert. Es herrscht Alarmstimmung, als sich am 15. Mai 2015 Einheiten der Terrormiliz in Richtung Tadmur bewegen – so lautet der arabische Name Palmyras und auch die Bezeichnung für die moderne Stadt, in der 100.000 Menschen lebten. 200 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Damaskus gelegen, ist die Oasen-Stadt auch im 21. Jahrhundert ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und dank der reichen Erdgasvorkommen wird hier Energie für den Großraum der syrischen Metropole erzeugt.

In den Tagen vor der Eroberung versuchen die Verantwortlichen der antiken Stätten Palmyras zu retten, was zu retten sein könnte. Lastwagen werden mit Artefakten, Statuen, Mumien, die irgendwie transportabel sind, beladen und 90 Prozent der wichtigsten Pretiosen der antiken Stadt werden ins 200 Kilometer entfernte Damaskus gebracht. Khaled As’ad, Palmyras pensionierter Chefarchäologe, beaufsichtigt akribisch die Evakuierung. Er weigert sich mitzukommen, obwohl, wie seine Kinder später erzählen, er sich zu 100 Prozent sicher gewesen sei, getötet zu werden.

Die brachiale Gewalt der Terrormiliz entlädt sich anfangs vor allem gegen die Einwohner. »Schon am ersten Tag verhafteten sie wahllos vierzig Menschen. Die Terroristen zerrten ihre Opfer zu den Ruinen und töteten sie dort. Die gesamte Bevölkerung wurde gezwungen, zuzusehen«, berichtet ein 25-jähriger Bewohner der Stadt. Er bittet darum, anonym zu bleiben: »Sicher ist man vor denen nie«, sagt er, auch wenn es ihm wie vielen anderen gelingt, wenige Tage nach der Eroberung der Stadt zu fliehen. Aber nicht allen sei es gelungen, sich zu retten. Vor allem jene, die kein Geld hatten, um irgendwen zu bestechen, waren gezwungen, zu bleiben, ergänzt er erschüttert: »Die Terroristen haben Tausende ermordet. Jeden, an dem sie nur irgendetwas auszusetzen hatten, brachten sie um.«

Die Fanatiker ergötzen sich daran, ihren Sadismus vor der Kulisse des Weltkulturerbes zu inszenieren. Videos werden gedreht und dann als Propagandafilme auf den Medienkanälen der Terrormiliz zur Schau gestellt. Der mutmaßliche Boss der IS-Propaganda für Europa, der Österreicher Mohammed Mahmoud, wählt ebenfalls dieses Setting für einen seiner abscheulichen Filmauftritte. Vor laufender Kamera erschießt er einen Gefangenen und brüllt dann in die Kamera wilde Parolen, die Gleichgesinnte zu Terroranschlägen in Europa motivieren sollen.

Aufnahmen entstehen hier, die auch einen Eindruck davon vermitteln, wie schwierig es einmal sein wird, in allen syrischen und irakischen Gebieten, die jahrelang vom IS kontrolliert waren, nicht nur das Land, sondern auch die Seelen wieder aufzubauen. In Kindergärten der IS-Territorien müssen bereits Dreijährige an Puppen das Halsabschneiden trainieren. In den Schulen pauken sie das wahnwitzige Weltbild der Extremisten. Naturwissenschaften fehlen im Lehrplan – ebenso Musik oder Zeichnen. Wie weit die Terroristen gehen, um, wie sie es nennen, ihre neue Generation der »Löwen des Kalifats« zu erziehen, illustriert eines der grauenvollsten Videos, die in Palmyra gedreht wurden. Es zeigt, wie Anfang Juli 2015 im sehr gut erhaltenen römischen Amphitheater 25 Soldaten der Assad-Armee rituell hingerichtet werden. Ihre Henker sind Buben im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren.

Syriens letzte Schätze

Der Archäologe Khaled As’ad zählt zu den ersten, die in der Stadt verhaftet werden. Sofort wird er nach Raqqah, in die »Hauptstadt« des Terrorstaates, gebracht und dort verhört. Die IS-Kämpfer haben es auf die Kunstschätze abgesehen, wollen Informationen. Doch As’ad schweigt und wird nach Palmyra zurückgebracht. Dort wird er gemeinsam mit seinem Sohn Walid abermals festgenommen. »Sie folterten meinen Vater, um aus ihm herauszubekommen, wo der Goldschatz, den sie in Palmyra vermuteten, versteckt sei«, erzählt sein Sohn: »Meinen Vater töteten sie aus Rache, weil er standhaft schwieg.« »Er hätte es ihnen auch gar nicht sagen können«, ergänzt Andreas Schmidt-Colinet, einer der engsten wissenschaftlichen Kooperationspartner As’ads, verbittert: »Alles, was es an wertvollen Artefakten in Palmyra gab, vor allem Grabreliefs, war entweder teilweise weggebracht oder längst geplündert worden.« Und der eigentlichen Schatz, die Tempel, sei vor ihren Augen gewesen. »Und den haben sie zerstört.«

Der deutsche Universitätsprofessor für Archäologie kannte seinen syrischen Kollegen fast 40 Jahre. Bevor er in Deutschland, der Schweiz und lange in Österreich, an der Universität Wien, lehrte, verbrachte er Jahre in Syrien. Bis 2010 erforschte er gemeinsam mit As’ad die antike Wüstenmetropole, deren Blütezeit zwischen dem 1. Jahrhundert vor und dem 3. Jahrhundert nach Christi datiert wird. Doch noch immer hat die Wissenschaft nicht alle Rätsel um diese bemerkenswerte Handelsstadt zwischen dem römischen und dem persischen Reich gelöst. Als Schmidt-Colinet und As’ad bei den Ausgrabungen prunkvolle Residenzen freilegten, entpuppte sich Schicht für Schicht, wie bemerkenswert die Metropole war. Neben Seidenstoffen aus China traten dabei Spuren von Olivenöl aus Spanien, Datteln aus Ägypten, Keramik aus Carnuntum, Metalle aus dem heutigen Deutschland zutage. In der Stadt gab es Formulare für die Administration, die in mehreren Sprachen – Palmyrenisch, Griechisch und Latein – verfasst waren. Solche Details belegen den besonderen Charakter Palmyras als Brücke zwischen Kulturen und auch Religionen.7

Das goldene Zeitalter der antiken Wüstenstadt lässt erahnen, wie Syriens Idealzustand aussehen könnte: ein Ort, dessen Heterogenität nicht seine Schwachstelle, sondern seine eigentliche Stärke bildet. Zwischen dem Mittelmeer und den fruchtbaren Tälern Mesopotamiens gelegen, definiert sich die Region seit jeher nicht durch eine bestimmte Charakteristik, sondern eben durch diese Vielschichtigkeit. Das gilt auch 2000 Jahre später – oder könnte vielmehr gelten. Doch dieses einzigartige Mosaik an Religionen, Kulturen und Traditionen wird von den kriegführenden Parteien aufgebrochen. Die einzelnen Elemente werden in dem Machtkampf instrumentalisiert und gegeneinander aufgehetzt. Trotzdem kristallisiert sich der Stolz auf dieses Erbe als vielleicht letzter gemeinsamer Nenner aller Syrer und Syrerinnen heraus. Die Nachrufe, die nach Khaled As’ads Tod veröffentlicht wurden, deuten in diese Richtung: Anders als bei vielen anderen Tragödien wird sein Tod nicht von einer Partei »okkupiert«. Beide Seiten des Konfliktes verkündeten via Aussendungen fast gleichlautend ihre Betroffenheit.

Obwohl Khaled As’adbereits den späten 1950er-Jahren ein aktives Mitglied der Baath-Partei war, die später die Machtbasis der Assad-Herrschaft wurde, gehörte er in der Wahrnehmung der syrischen Oppositionssprecher nicht zum Regime. Und As’ad, der Patriarch einer in Palmyra tonangebenden sunnitischen Familie, gehörte genauso wenig zur Opposition, die im Vokabular der Assad-Getreuen lediglich als »Terroristen« subsummiert werden. Ein Mann wie er verkörperte vielmehr das real existierende Syrien vor Beginn des Bürgerkriegs – in all seinen Licht- und Schattenseiten. Khaled As’ad arrangierte sich mit dem »System«, arabisch »Nizam«: Nur so war seine Karriere denkbar. Und dazu musste auch er einiges an Bildern ausblenden. Er war damit in bester Gesellschaft.

Assads Gewaltregime

Noch im Jahr 2010 kamen acht Millionen Touristen nach Syrien. Sie besuchten die Souks, die Moscheen und natürlich Palmyra. Das »System« stach niemandem ins Auge. Dabei kam vermutlich ein beträchtlicher Teil der Besucher ganz in die Nähe einer Militäranlage, die nur fünf Kilometer von den prachtvollen Ruinen Palmyras entfernt lag. Auch dieses – im schlimmsten Sinne des Wortes – »historische« Gebäude hat die Terrormiliz IS zerstört: Es handelt sich um das Gefängnis Tadmur, benannt nach der »Neustadt«, ein Internierungslager für politische Gefangene. Zehntausende, die sich mit dem »System« nicht arrangieren konnten oder wollten, genauso wie jene, die ohne auch nur irgendwie anzuecken in Missgunst gerieten, wurden während der vergangenen Jahrzehnte hierher gebracht.

Anders als Syrien-Touristen dürften die Syrer selbst den Begriff »Palmyra« eher mit diesem Ort des Schreckens ihrer Gegenwart als mit dem Weltkulturerbe assoziiert haben. Überlebende berichten voller Entsetzen, dass hier die Foltermethoden des Regimes perfektioniert wurden. Bei Tadmur dürfte es sich um eines der schlimmsten solcher Lager handeln, die es weltweit in der jüngsten Geschichte gab.8 Nur Bruchstücke des Grauens sickerten bislang durch – sie reichen aus, um sich das Ausmaß der Gewalt vorzustellen. Am 27. Juni 1980 wurden an nur einem Tag mehr als tausend Gefangene umgebracht. Der Massenmord galt als »Racheakt« für einen Attentatsversuch auf den Bruder des damaligen Präsidenten Hafiz al-Assad. Der bewaffnete Flügel der syrischen Muslimbruderschaft wurde dafür verantwortlich gemacht. Da damals viele Häftlinge in Tadmur Mitglied dieser Gruppe waren oder im Verdacht standen, es zu sein, gingen ihre Gefängniswärter brutal auf sie los.

Mit oder ohne Anweisung von oben: Zu den Besonderheiten des Lagers gehörte es, dass hier jeder der Bewacher das »Recht« hatte, jederzeit und ohne ersichtlichen Grund zu töten. Grenzenloser Hass staute sich angesichts solcher Formen der Brutalität des Regimes von Assad senior auf. Dies führte mit zur Radikalisierung der syrischen Muslimbruderschaft, die ab 1979 einen Aufstand versuchte. 1982 wurde dieser mit brachialer Gewalt niedergeschlagen. Zehntausende Menschen starben, als eine Eliteeinheit der syrischen Armee in die Stadt Hama einrückte und mit der Widerstandshochburg auch die Bewegung – zumindest vorerst – in Syrien vernichtete.

Viele Parallelen zwischen den damaligen Vorfällen und der Reaktion des Assad-Sohns auf den Aufstand von 2011 sind zu beobachten. Hier kopiert der Erbe die Handschrift des Clan-Chefs. Doch es geht um viel mehr. Dieses nie aufgearbeitete »Trauma von Hama«, die Jahrzehnte brutaler Unterdrückung, wie sie am Beispiel des Tadmur-Gefängnisses festzumachen sind, führten erst dazu, dass der Bürgerkrieg so eskalieren konnte.

Der eigentliche Bruch, entlang dessen die Gräben in Syriens Gesellschaft sich ab 2011 explosionsartig auftaten, riss bereits auf, als sich Hafiz al-Assad 1970 an die Staatsspitze putschte. Um danach seine Macht zu konsolidieren, spielte er die Gruppen des Landes gezielt gegeneinander aus. Der Assad-Clan ist alawitisch und gehört somit zu einer religiösen Minderheit, die nur zirka zwölf Prozent der Bevölkerung stellt. Alawiten zählen machtpolitisch betrachtet zum schiitischen Islam. Der Iran war und ist auch einer der zentralen Verbündeten des Regimes. Spirituell betrachtet, gelten die Alawiten als eine Sekte des Islam, in deren Glaubenspraxis auch Elemente anderer Religionen einfließen. Bis 1970 wurden sie vor allem deshalb als »Randgruppe« von zentralen Positionen der Gesellschaft ausgeschlossen, nicht als »richtige« Muslime akzeptiert.

Drei Viertel der 21 Millionen Syrer sind sunnitische Muslime: Ihre Großfamilien dominierten Wirtschaft und Politik der Region, lange bevor Syrien in den Grenzen von 1946 ein unabhängiger Staat wurde. Zirka ein Zehntel der Bevölkerung sind Christen, etwa 700.000 sind Drusen, dazu kommt noch eine sehr kleine schiitische Minderheit. Würden hier die Untergruppen der Religionen – vor allem der Christen – dazugezählt, käme man auf fast zwanzig Glaubensbekenntnisse. Heterogen ist auch die ethnische Zusammensetzung. 80 Prozent sind Araber, etwa ein Fünftel sind Kurden, dazu lebt eine kleine Minderheit von Turkmenen und Assyrern in dem Land. All diese Daten sind allerdings nur mit Vorsicht zu deuten: Aktuelle und verlässliche Statistiken, basierend auf Volkszählungen, sind nicht verfügbar. Dies gilt vor allem für die kurdische Bevölkerung. Sie wurde bis Kriegsbeginn vom Regime Assad massiv unterdrückt, vielen wurde die Staatsbürgerschaft vorenthalten. Und es ist diese Gruppe, die als einzige den Konflikt ab 2011 als Anfang vom Ende des modernen Syrien sieht. Kurdische Milizen versuchen die Wirren des Krieges für die Etablierung eines informellen kurdischen Proto-Staates zu nutzen. Für den Aufbau einer autonomen Region, in dem ihre Existenz unbestritten ist.

Zusammengehalten wurde das Land schon lange vor Ausbruch des Konflikts mit eisernem Druck. Ab 1963 galt in Syrien nach dem Putsch des Führungskaders der Baath-Partei der Ausnahmezustand. Nach seiner Machtergreifung änderte Hafiz al-Assad dies nicht und auch nach seinem Tod ließ sein Sohn diese Notverordnungen in Kraft. Die Machtfülle »erbte« Baschar im Jahr 2000 vom Vater, samt dem Präsidentenamt und dem Repressionsapparat zum Machterhalt. Dieser stützt sich zentral auf vier Geheimdienste: der Luftwaffe, des Militärs, der Politischen Sicherheitsabteilung plus eine Stabsstelle. Einzementiert wird die Macht der Assads durch die allgegenwärtige Baath-Einheitspartei, die politische Heimat des Clans. In der Verfassung ist ihre Vormachtstellung verankert. Noch wichtiger als das Glaubensbekenntnis ist deshalb die Parteimitgliedschaft, um im Syrien der Assads zu reüssieren.

Als Baschar al-Assad die Macht übernimmt, kündigt er zwar politische Reformen an, doch wenig wird tatsächlich umgesetzt. Der junge Präsident lässt etwa das Gefängnis in Tadmur, Symbol der Repression durch seinen Vater, im Jahr 2001 schließen. 2011 wird es allerdings wieder eröffnet und Tausende Oppositionelle, die an Protesten gegen das Regime teilnehmen, werden hier interniert.

Schon vor den Unruhen kaschiert eine emsig polierte Fassade, dass der Generationswechsel an Syriens Staatsspitze wenig an dem weiterhin brutal agierenden Polizeistaat geändert hat. Ab 2006 sind britische Public-Relation-Fachleute im Auftrag des Präsidentenpaares am Werk. Die ehemalige Investmentbankerin Asma und der Augenarzt Dr. Baschar sollen als Garanten von Modernität und Stabilität vermarktet werden. So erscheint im Februar 2011 in der USA-Ausgabe der »Vogue« auf Betreiben der professionellen Schönzeichner noch ein Porträt der First Lady. »Rose in der Wüste« heißt es9 und inszeniert die Frau Assads als Top-Model. Solche Bilder verankern sich, vor allem weil sie als Kontrastprogramm zur zunehmend radikalisierten Opposition in Dauerschleife gespielt werden. Und selbst als Baschar al-Assads Armee im August 2013 einen Vorort von Damaskus mit Giftgas bombardiert, hat dies auf internationaler Ebene keine Konsequenzen. Dafür gibt es viele Gründe. In erster Linie ist es die Angst vor der Instabilität eines Syrien ohne Assad, der im politischen Überlebenskampf zwar auch auf Extremisten setzte und schwer zu berechnen war, aber sein Image hielt ihn sehr lange politisch – und physisch – am Leben.

Ein Jahrhundert Krise

Die Taktik, Syrien zu kontrollieren, indem Gruppen des Landes gegeneinander ausgespielt werden, erfand nicht der Assad-Clan. Frankreich, das ab 1923 Syrien als »Mandatsgebiet« regierte, schürte gezielt Ressentiments und rekrutierte bevorzugt neben Christen Alawiten für lokale Sicherheitskräfte. Die Besatzungsmacht hoffte, mit diesen Verbündeten den Widerstand der sunnitischen Großfamilien zu brechen. Diese sträubten sich mit aller Kraft gegen die von England und Frankreich oktroyierte Neuordnung nach dem Ende des Osmanischen Reiches.

Ende des 19. Jahrhunderts keimte arabischer Nationalismus auf. In der Levante fokussierte sich die Debatte auf die Frage: Gibt es eine syrische Nation, eine gemeinsame Identität? Oder ist der Begriff »Syrien« nicht eher ein geografisches Konzept, weniger das Rohmaterial eines künftigen territorialen Nationalstaates? Getragen wurde die Debatte von der sunnitischen Bildungselite, die auch eine der zentralen Fragen dieser Debatte heftig diskutierte: Ist so ein Staat mit den Grundsätzen des Islam vereinbar, der ja die Gläubigen als ein Volk begreift?10 Im Grunde wurden im vergangenen Jahrhundert solche Fragen offen gelassen bzw. mit der Macht des Faktischen beantwortet. Syrien in den Grenzen von 2011 konzipierten die Ex-Supermächte England und Frankreich am Reißbrett. Wohlmeinend könnte man vermuten, dass sie von der Hoffnung getragen waren, dass die Realität in das Konzept hineinwachsen würde.

Denn »Syrien« gab es eigentlich sehr wohl und dies nicht erst seit 1918. Der Name stand weniger für eine geschlossene politische Einheit denn für eine Region, die – wie an der Geschichte Palmyras zu sehen – immense Bedeutung für die Entstehung unserer Zivilisation hatte. Damaskus, genauso wie Aleppo, beanspruchen für sich den Rang als »älteste durchgehend besiedelte« Stadt der Welt. Die heutige Hauptstadt Syriens wird im Alten Testament 45 Mal erwähnt. 6000 Jahre alte Tontafeln – entdeckt im heutigen Irak – weisen auf Aleppo hin. Die Städte prosperierten im Lauf der Jahrtausende. Die Seidenstraße, die Asien mit Europa verbindet, war die pulsierende Lebensader der Region. In Kombination mit fruchtbarem Ackerland entstand ein solides Fundament für den Reichtum in der Region. Doch dies führte auch zu einem Balanceakt im Zusammenleben von nomadischen Bergvölkern und sesshaften Bauern. Das prägt die Region in Wahrheit bis heute.

Im Römischen Reich tauchte der Name erstmals auf und bezeichnete mit »syria« eine Provinz, die sich von der heutigen Südtürkei bis zur jordanischen Küstenstadt Aqaba am Roten Meer über Palästina und den heutigen Libanon erstreckte. Als »Al-Scham« wird die Region auf Arabisch bis heute bezeichnet. Wellenartig schwappten Großreiche und ihre Armeen über das Gebiet. Auf das Römische Reich folgte die Invasion der Perser, dann jene der Sassaniden. Eine prägnante und kulturell große Veränderung brachte das 7. Jahrhundert, als die muslimischen Heere, von ihrer neuen Machtbastion auf der arabischen Halbinsel ausgehend, auch Syrien eroberten. Arabisch löste nach einem Jahrtausend Griechisch als wichtigste Sprache ab, der Islam wurde rasch mehrheitlich als Religion angenommen. Die Region rückte wenige Jahrzehnte nach der »Arabisierung« ins Zentrum des expandierenden Kalifats. Unter der Dynastie der Umayyaden (661 bis 750 n. Chr.) wurde Damaskus die Metropole dieses mittlerweile gigantisch großen islamischen Staates. Hier und in Aleppo begann der Bau von zwei spektakulären Moscheen, die zwar erst im Lauf der folgenden Jahrhunderte fertiggestellt wurden, aber den Namen der Dynastie tragen.