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BoD Books on Demand GmbH
Norderstedt
Printed in Germany,
ISBN 9783753450193
Mit dem Besuch dieser Insel, der Insel der Sappho, fing eigentlich alles an, nämlich die Vorliebe für Griechenland und seine Kultur. Deswegen möchte ich es an den Anfang stellen.
Wir hatten bei Studiosus eine Reise gebucht zu den ägäischen Inseln Lesbos und Chios.
Unser deutscher Reiseleiter, die Griechen nannten ihn wegen seiner Haarpracht, die an den Jünger Petrus erinnerte, auf griechisch Petros.
Er sprach griechisch und kannte sich in der griechischen Geschichte und der Mythologie gut aus.
Ich traf ihn später noch einmal auf den Inseln Siphnos und auf Kreta.
Manche Inseln zogen mich magisch an, so wie später die Insel Ithaka – ich wollte doch einfach sehen und erleben, wo Odysseus zu Hause war.
Ein paar Jahre später drängte es mich zur Osterinsel, die mit ihrer Einsamkeit und ihren Figuren ein geheimnisvolles Flair verströmte.
Zurück zum Thema Griechenland: Die Reise gefiel mir gut, so dass ich auf der Volkshochschule einen zweijährigen Griechisch-Kurs buchte und die Insel Lesbos noch dreimal besuchte um sie gründlich zu erkunden.
Wer diese Insel besucht, kommt an einer der berühmtesten früheren Bewohnerinnen, der Dichterin Sappho nicht vorbei, die hier um das Jahr 600 v. Chr. lebte.
Ihre erhalten gebliebenen feinsinnigen und zarten Gedichte faszinierten mich so, dass ich mir alles besorgte, was ich über die Dichterin in Erfahrung bringen konnte. Allzu viel war es leider nicht, denn die frühen Christen erwiesen sich als sehr prüde Gesellen und konnten sich mit ihrer Art zu schreiben und zu fühlen offenbar nicht anfreunden. So fiel so manches ihrem strengen moralischen Regiment zum Opfer.
Zum Glück entging ihren Recherchen so einiges, das uns heute noch Freude bereiten kann.
Leider ist die Insel seit einiger Zeit in Verruf gekommen. Die Bewohner der Insel sind über die Massen der Asylanten, die von der Türkei über die geringe Meeresdistanz kommen, wenig erbaut.
Das schadet der Insel, denn es bedeutet Unruhe, Kriminalität, Unmengen von Abfall und das schlimmste ist: Die Touristen, die die Haupteinnahmequelle der Inselbewohner neben dem Olivenöl darstellen, bleiben aus.
Daher ist es zugleich ein Anliegen dieser aktualisierten und erweiterten Auflage, die Menschen zu bitten, wenn sie wieder reisen können, das Augenmerk erneut auf diese Insel zu richten, damit sie nicht gänzlich und unverschuldet aus dem Gedächtnis der Mitteleuropäer entgleitet.
Die erste Version dieses Buches, die schon seit langen nicht mehr lieferbar ist, ist vor einer Reihe von Jahren nach einigen Reisen und in einer Zeit geschrieben worden als die Insel noch ein lohnenswertes Ziel darstellte.
Bad Soden, im Februar 2021
Dieses Buch erheischt nicht den Anspruch, ein Reiseführer zu sein, aber es kann ein Reisebegleiter für den werden, der neben den geographischen, geschichtlichen und künstlerischen Hinweisen des normalen Baedekers den Blick auf Mythos, Sagenwelt, Poesie und griechische Göttergestalten richten möchte.
Bei Reisezielen ist es wie bei menschlichen Kontakten: Es gibt Stätten, die man am liebsten mit dem nächsten Bus oder Flugzeug wieder verlassen möchte. Im anderen Fall springt so etwas wie ein Funke über, ein Zündfunke der Sympathie. Ein Wohlbefinden, das man verstandesmäßig zwar zu artikulieren versucht, das aber anderen Bereichen der menschlichen Seele entstammt.
Lesbos ist einer dieser Orte, an dem man sich wohlfühlt und die im Besucher, der sich seinen Schönheiten und Reizen nicht nur oberflächlich öffnet, den innigen Wunsch wach werden lässt, möglichst bald wiederzukommen.
Dieses Buch ist einfach ein Bekenntnis zu einer liebenswerten Insel.
Möge es dem, der diesen Bereich der Ägäis bereits erfahren hat, noch einige Hinweise und Tipps geben und dem touristischen Novizen, der das erstemal seine Schritte auf diese Perle der Ostägäis setzt, möge es die Sinne für all das Einzigartige, Unverwechselbare und Anziehende öffnen, das Lesbos in so reichem Maß zu bieten hat.
Wolkenfetzen ziehen vorbei, durch die immer wieder die Sonne dringt. Ab und zu gewähren Lücken einen Blick auf das Meer und die Insel.
Die Maschine aus Athen, eine Boeing 737 der Olympic Airways, getauft auf den Namen des geflügelten Götterboten Hermes, befindet sich im Anflug auf Lesbos.
Welch ein beruhigendes Gefühl, in ein Flugzeug zu steigen, dessen Bug rechts und links die Schriftzeichen des hurtigen und listigen Olympiers trägt. Er, der Schutzpatron aller Kaufleute, Handelswege und heute auch der röhrenden Donnervögel samt Kabineninhalt, wird uns sicher ans Ziel geleiten.
Seine Flügelhelme und seine geflügelten Schuhe tragen noch immer, wartungsfrei über die Jahrtausende, die Botschaften der Götter zu ihresgleichen und zu ihren Geschöpfen, den Menschen.
Noch nie, weder in der Mythologie noch in den Zeiten des modernen Flugschreibers ist jemals etwas über einen Absturz des Hermes verlautbart worden.
So beschützt er noch immer diejenigen, die miteinander etwas auszutauschen haben, zum Leidwesen der Menschen auch diejenigen, die sich der einfachsten Form des Erwerbs anderer Güter bedienen, bei uns im Volksmund einfach Diebe genannt.
Der Kaufmann und der Taschendieb, zwei so gegensätzliche „Berufe”, sie sind doch nichts weiter als zwei Facetten einer Spezies von Mensch, die es auf das Geld in unseren Taschen abgesehen haben.
Die Maschine sinkt langsam tiefer. Der Besucher, der sich das erstemal der Insel nähert, ist erstaunt über das viele Grün, erwartet er doch in diesen südlichen Gefilden kahle, nackte Felsen, auf denen die winterlichen Regenfälle den letzten Rest des vormals so fruchtbaren Mutterbodens weggespült haben, den die Menschen schutzlos durch ungehemmte Abholzung den Naturgewalten preisgegeben haben. Sattes Grün erfreut das Herz des Ankommenden an diesem Spätnachmittag im Mai.
Unser Flugkapitän, einer der modernen Nachfahren des antiken Daidalos, hat die Flugroute von Norden gewählt und umgeht damit die höchste Erhebung im Süden der Insel, den Olymp, auf neugriechisch heute leicht verändert Olimbos genannt.
Auf unbekannte Art und Weise scheint im Inneren der Zöglinge des Daidalos noch immer das Schicksal des Ikaros seine Spuren hinterlassen zu haben, der dem Helios zu nahe kam und in der Nähe von Samos, etwas südlich von Lesbos ins Meer stürzte. Die Insel Ikaria wird für immer die Sage vom ersten Versuch der Menschheit, sich in die Lüfte zu erheben, mit ihrem Namen in die Zukunft tragen.
Der profane Homo technicus, in dem nur ansatzweise die Seele des alten Helenentums durchschimmert, hat den Respekt vor den Göttern verloren und sie aus ihren heiligen Stätten verdrängt. Das Sakrale wurde Schritt für Schritt säkularisiert.
Der ostägäische Olimbos beherbergt nunmehr Richtfunkantennen, Radarstationen und Einrichtungen der griechischen Armee.
Hier zeigt sich, wie ein Zerrbild die Einstellung unserer Zeit, die Ratio, deren Entwicklung dem Menschen die ersten Reifenspuren auf dem Mond, Bilder vom Neptun und das Mobiltelefon präsentierte. Sie, die Ratio, hat sich daran gemacht, den Mythos ins Exil zu befördern.
Obwohl ihr, der nüchternen Gedankenkühle, höchstens nur die Hälfte der Welt zustünde, maßt sie sich an, diese Erde mit dem Geflecht ihrer „Segnungen” zu überziehen, um irgendwann dem Menschen sein arkadisches oder goldenes Zeitalter zu bieten.
Inzwischen spricht es sich aber bis in die entlegensten Winkel der Erde herum: So ungezügelt und ungehemmt kann es nicht weitergehen. Gibt der Mensch nicht acht, droht ihm die Gefahr, vom Fortschritt der Technik verschlungen zu werden, so wie es dereinst in urgrauer Vorzeit Kronos mit seinen Kindern tat.
Die alten Götter sind nicht tot.
Ihre Zeit wird wiederkommen, Dann werden die Stahlgerippe auf den heiligen Bergen hinweggeweht werden und die Tempel der Olympier wieder in der strahlenden Bläue der Ägäis schimmern.
Die wachsamen Augen der Soldaten sind noch immer, trotz gemeinsamer Zugehörigkeit zum Atlantischen Verteidigungsbündnis, zum alten osmanischen Erzrivalen im Osten gerichtet, der nunmehr im einst griechischen Kleinasien, nur wenige Kilometer Wasserlinie entfernt, residiert.
So scheint denn der heilige Berg von allen guten Göttern verlassen, bis auf einen: Ares, den ungestümen, kriegerischen, ungeliebten Sohn von Zeus und Hera. Übrigens eines der wenigen gemeinsamen Kinder des olympischen Herrscherpaars. Zeus scheint auf seiner nimmermüden Ausschau nach den Schönen der Antike vom Strand Phöniziens bis zu den Inseln der Ägäis nur wenig Zeit für eine Tätigkeit gefunden zu haben, die man heute landläufig-burschikos als eheliche Pflichten bezeichnet.
Möge Ares seine zündenden Pfeile noch lange im Köcher halten, um nach Jahrhunderten einer bewegten und kriegerischen Vergangenheit eine Zeit der Ruhe und des Friedens in diesem Teil des griechischen Meers einkehren zu lassen.
Daidalos ist gelandet.
Der kleine Flughafen von Mytilini, des Hauptortes von Lesbos, hat nichts gemein mit der Sterilität der meisten Flughäfen dieser Welt.
Er hat mehr die urwüchsige Spätnachmittagsatmosphäre einer Platia, des zentralen Platzes griechischer Dörfer und Kleinstädte, um den sich die Kafenions, die traditionellen Zufluchtsstätten hellenischer Ehemänner scharen.
Ebenso abgewetzt wie die Bestuhlung unseres fliegenden Gefährts ist auch das Kofferförderband, nur ungefähr fünf Meter lang.
Das inzwischen neu erbaute Flughafengebäude hat nicht mehr diesen Charme.
Aber die Fremde ist nicht dazu da, Heimatliches in Form von Ordnung und Kultur wiederzufinden, sondern das Andersartige schätzen zu lernen.
Bärtige und braungebrannte Inselbewohner holen ihre Verwandten ab. Touristen werden begrüßt. Angestellte schreiten mit dem Statussymbol aller Wichtigen und Wichtig-Scheinen-Wollenden, dem kleinen Diplomatenköfferchen, durch die Wartenden.
Die Insel der Dichterin Sappho und des Philosophen Theophrast lädt ein, Mythos, antike Poesie und Vergangenheit mit dem Licht der Gegenwart zu verknüpfen.
Wie sämtliche Städte und Inseln im kleinasiatischen Küstenbereich hat auch Lesbos eine Geschichte voller Höhen und Tiefen, voller Farbenprächtigkeit, voller Eroberungen, Rückeroberungen und Eroberungen nach den Rückeroberungen.
Wie mit einem Brennglas hat sich die Historie auf diesen ägäischen Raum einfocussiert. Der Sage nach herrschte dereinst Makare, ein Sohn der Sonne, über die Insel. Seine fünf Töchter Mythimna, Mytilene, Issa, Antissa und Arosvi waren Namenspatinnen für die größten Städte der Insel. Mythimna, die älteste Tochter, ging die Ehe mit einem Königssohn aus Thessalien ein, dessen Namen die Insel noch heute trägt: Lesbos. Später scheint Lesbos eine Art Satrapeninsel von Troja gewesen zu sein. In geschichtlicher Zeit ist Pittakos als Tyrann und Herrscher in Mytilene bekannt. Das Wort Tyrann hatte damals noch nicht diesen despotisch-ungerechten Beigeschmack, sondern stand mehr für Alleinherrscher, der durchaus gerecht oder kunstfördernd sein konnte. Pittakos, dessen Stammbaum nicht ganz so nobel war, wie es der Spötterdichter Alkaios gern gehabt hätte, wurde im Laufe seiner Regierungszeit zu einem fähigen Staatsmann und wurde zu den sieben Weisen der griechischen Antike gezählt.