Da waren’s nur noch zwei
Schnick, schnack, tot
Mädchen versenken
Mädchen, Mädchen, tot bist du
Wer sich umdreht oder lacht ...
Ich sehe was, was du nicht siehst
Himmel oder Hölle?
Melanie macht mit ihrer besten Freundin Lizzy Urlaub in den Ardennen. Allerdings ist auch Dominique dabei, die ständig die Zweisamkeit der Freundinnen aufmischt. Dominiques Vater hat die einsame Hütte im Wald vor Kurzem erst gekauft – der perfekte Ort, um Alkohol zu trinken und Party zu machen. Doch in der unscheinbaren Hütte wurden vor einigen Jahren vier Mädchen beinahe ermordet. Und Melanie fragt sich, ob der Mörder vielleicht immer noch auf der Lauer liegt ...
Das spannende Sequel zum Thriller »Da waren’s nur noch zwei«
Mel Wallis de Vries, geboren 1973, ist in den Niederlanden DIE Autorin für Psychothriller im Jugendbuch. Ihre Titel finden sich regelmäßig auf den Bestsellerlisten wieder und werden von Jugendlichen wie Erwachsenen gerne gelesen, wie die verschiedenen Preise beweisen, mit denen die Bücher der Autorin ausgezeichnet wurden.
Eins, zwei, drei – vorbei!
Die Fortsetzung zu »Da waren’s nur noch zwei«
Übersetzung aus dem Niederländischen von Verena Kiefer
Deutsche Erstausgabe
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2019 by Mel Wallis des Vries, Uitgeverij de Fontein, Utrecht
Titel der niederländischen Originalausgabe: »Vervloekt«
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Covergestaltung: Cornelia Niere, München
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7517-1580-5
Sie finden uns im Internet unter www.one-verlag.de
Bitte beachten Sie auch www.luebbe.de
Ich bin gestorben, als ich sechzehn war.
An den Anfang dieser Nacht habe ich nur noch wenig Erinnerungen. Die Dunkelheit überall. Die Angst in Dominiques Augen, als wir uns aufmachten, um Lizzy zu suchen. Meine blutende Hand, als ich versuchte, zu entkommen. Und der Schatten am Fenster ...
Es war ein Mann.
Oder ein Junge.
Nein.
Es war etwas anderes.
Ein Monster.
Unsere Blicke kreuzten sich, und im Bruchteil einer Sekunde war es vorbei. Sogar jetzt, Jahre später, kann ich den Schmerz dieses Moments noch immer spüren. Der Schmerz war so heftig, dass er nicht zu ertragen war. Ich weiß noch, dass ich dachte: was für eine dumme Art zu sterben. Seltsam, was einem so alles durch den Kopf schießt, wenn das Leben plötzlich aufhört.
Ich würde alles dafür geben, wenn ich die Zeit bis zu jenem ersten Tag zurückdrehen könnte, als wir bei dem Haus ankamen. Merkwürdigerweise ist das auch der Tag, der mir am besten im Gedächtnis geblieben ist. Nicht, weil da jemand starb – das war erst später –, sondern weil es der Tag war, an dem wir noch in unser altes Leben zurückgekonnt hätten.
Aber wir haben die Gefahr nicht erkannt. Oder wir taten so als ob. Und doch waren die Vorzeichen überall.
Ich werde bei diesem ersten Tag anfangen. Als alle noch am Leben waren.
»Tadaa, willkommen in unserem Fünf-Sterne-Hotel!« Dominique drückt gegen die Haustür, die sich knarrend öffnet.
Wir starren in eine pechschwarze Diele. Muffig-dumpfe Luft schlägt uns entgegen, als stünden wir in der Tür zu einem Keller.
»Oha«, sagt Lizzy. »Das sieht wirklich ... supergemütlich aus.«
»Wartet mal, ich mache Licht«, murmelt Dominique. »Wo ist denn der Schalter? Ah, hier!«
Mit leisem Summen erwacht ein Kronleuchter an der Decke zum Leben. Im schwachen, gelblichen Licht taucht ein Monster im Flur auf, mit einem großen verformten Kopf und langen Tentakeln!
»Was ...«, stammele ich und weiche zurück. Aber dann wird das Licht heller, und der Kopf wird zu einem großen Hirschgeweih an der Wand.
Lizzy bricht fast zusammen vor Lachen. »Ich dachte, da steht wirklich einer. Und du auch, Melanie.«
»Äh, ja.« Ich fühle mich ertappt und muss auch lachen.
»Ihr habt doch wohl keine Angst vor Bambi?«, sagt Dominique mit einem halben Grinsen. Sie betritt die Diele und wirft ihren beigen Teddymantel über das Geweih. »Das ist unsere neue Garderobe, wirklich superpraktisch.«
Ein Stück Putz löst sich von der Wand, und der Hirsch verrutscht etwas.
»So geht er doch nur kaputt«, sage ich. »Häng deinen Mantel lieber an die Garderobe neben dem Eingang.«
Dominique ignoriert mich und geht zur nächstgelegenen Tür. »Was wird hier wohl sein? Ah, die ausgesprochen behagliche Bauernküche mit mittelalterlichen Akzenten.«
Lizzy und ich folgen ihr in die Küche. Mein Blick huscht durch den dämmrigen Raum. Blümchentapete, schmuddelig-weiße Schranktüren, ein Holztisch mit vier Stühlen. Über einem der Stühle hängt eine weiße Daunenjacke, als könnte jeden Moment jemand hereinkommen.
»Was für ein Gerümpel!« Lizzy schnuppert. »Das sieht ja aus wie im Museum. Und es riecht auch so.«
»Nur nicht meckern, Mädels, unser Aufenthalt ist immerhin gratis«, sagt Dominique und feixt. »Mein Vater meinte, das Haus hätte fünf Jahre zum Verkauf gestanden, bevor er es letzten Monat gekauft hat. Keiner wollte es haben.«
»Kann ich nachvollziehen«, sagt Lizzy und öffnet einen der Küchenschränke. »Igitt, hier liegt überall Mäusekot, das ist ja ekelhaft.«
»Wartet nur, bis meine Eltern die Bude aufgepeppt haben«, sagt Dominique. »Hier wird eine Kochinsel entstehen mit einem Küchentresen, einen Jacuzzi haben sie geplant und ein türkisches Dampfbad. Meine Eltern haben fast täglich einen Termin mit dem Bauunternehmer oder dem Innenarchitekten.« Gelangweilt zuckt sie mit den Schultern, als wäre das alles ein Klacks.
Ich beiße mir auf die Lippe. Ihr ist wohl nicht klar, wie besonders das ist. Meine Eltern streiten den ganzen Tag nur miteinander ...
»Wir machen es uns hier ein bisschen wohnlich.« Dominique zieht die karierten Vorhänge über der Anrichte zur Seite; graues Tageslicht fällt herein. Große Nadelbäume ragen hoch über das Haus bis in die dunklen Wolken. Die Bäume stehen so dicht, dass sie eine beklemmende Mauer um den Garten bilden, und dahinter sind weitere Bäume. Der Wind zerrt an den Zweigen und lässt irgendwo etwas klappern.
»Wirklich ganz schön gruselig, die Ardennen«, sagt Lizzy trocken. »Mach die Vorhänge wieder zu, Do.«
Dominique muss lachen. »Du müsstest mal deinen Blick sehen! Kommt, wir schauen uns weiter um.« Sie geht zur nächsten Tür. »Und das ist ... das Wohnzimmer!«
Wir folgen Dominique in ein dunkles Zimmer. Ringsum an den Wänden stehen leere Regale, die Bretter sind von einer dicken Staubschicht bedeckt. Mittig ist ein offener Kamin zu erkennen, und auf dem Boden liegt ein verblichener roter Teppich.
Das war bestimmt mal ein wunderschöner Raum, denke ich. Mit Menschen, die hier gelacht haben und nach einem langen Waldspaziergang in den Ledersesseln am Feuer gesessen haben. Es hat schon etwas Trauriges, hier jetzt all diese alten, verschlissenen Sachen zu betrachten.
»Wisst ihr, wem das Haus gehört hat?«, frage ich und drehe eine Runde durchs Zimmer. An den Wänden hängen sogar noch ein paar Bilder.
»Nö, mein Vater hat es über einen Makler gekauft«, sagt Dominique achselzuckend. »Aber der Einrichtung nach waren die Besitzer bestimmt uralt. Was für ein Krempel.«
»Iiih, da hängt ja schon wieder so ein totes Tier«, sagt Lizzy. Zitternd zeigt sie auf einen ausgestopften Wildschweinschädel über dem Kamin. »Die Bewohner waren jedenfalls ziemlich gruselig.«