Mit einigem Recht kann man Freges grundlegenden Aufsatz von 1892 als Gründungsurkunde der neueren Sprachphilosophie verstehen: Als Ausarbeitung seines Aufsatzes »Funktion und Begriff« entwirft er in diesem Paper nicht mehr und nicht weniger als eine völlig neue, allgemeine Bedeutungslehre, die erhebliche Auswirkungen bis heute hat. Jeder an Semantik, Logik und Sprachphilosophie Interessierte sollte diesen Text kennen.
Der Band bietet den Originaltext sowie einen Kommentar, der den Argumentationsgang sowie den Fortgang der Diskussion rekonstruiert und die Rolle verdeutlicht, die dieser Text bis heute spielt.
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Ich brauche dies Wort im Sinne von Identität und verstehe »a = b« in dem Sinne von »a ist dasselbe wie b« oder »a und b fallen zusammen.«
Bei einem eigentlichen Eigennamen wie »Aristoteles« können freilich die Meinungen über den Sinn auseinander gehen. Man könnte z. B. als solchen annehmen: der Schüler Platos und Lehrer Alexanders des Großen. Wer dies thut, wird mit dem Satze »Aristoteles war aus Stagira gebürtig« einen andern Sinn verbinden als einer, der als Sinn dieses Namens annähme: der aus Stagira gebürtige Lehrer Alexanders des Großen. Solange nur die Bedeutung dieselbe bleibt, lassen sich diese Schwankungen des Sinnes ertragen, wiewohl auch sie in dem Lehrgebäude einer beweisenden Wissenschaft zu vermeiden sind und in einer vollkommenen Sprache nicht vorkommen dürften.
Wir können mit den Vorstellungen gleich die Anschauungen zusammennehmen, bei denen die Sinneseindrücke und Thätigkeiten selbst an die Stelle der Spuren treten, die sie in der Seele zurückgelassen haben. Der Unterschied ist für unsern Zweck unerheblich, zumal wohl immer neben den Empfindungen und Thätigkeiten Erinnerungen von solchen das Anschauungsbild vollenden helfen. Man kann unter Anschauung aber auch einen Gegenstand verstehen, sofern er sinnlich wahrnehmbar oder räumlich ist.
Darum ist es unzweckmäßig, mit dem Worte »Vorstellung« so Grundverschiedenes zu bezeichnen.
Ich verstehe unter Gedanken nicht das subjective Thun des Denkens, sondern dessen objectiven Inhalt, der fähig ist, gemeinsames Eigenthum von Vielen zu sein.
Es wäre wünschenswerth, für Zeichen, die nur einen Sinn haben sollen, einen besondern Ausdruck zu haben. Nennen wir solche etwa Bilder, so würden die Worte des Schauspielers auf der Bühne Bilder sein, ja der Schauspieler selber wäre ein Bild.
Ein Urtheil ist mir nicht das bloße Fassen eines Gedankens, sondern die Anerkennung seiner Wahrheit.
In »A log, daß er den B gesehen habe« bedeutet der Nebensatz einen Gedanken, von dem erstens gesagt wird, daß A ihn als wahr behauptete, und zweitens, daß A von seiner Falschheit überzeugt war.
Nach dem oben Bemerkten müßte einem solchen Ausdrucke eigentlich durch besondere Festsetzung immer eine Bedeutung gesichert werden, z. B. durch die Bestimmung, daß als seine Bedeutung die Zahl 0 zu gelten habe, wenn kein Gegenstand oder mehr als einer unter den Begriff fällt.
Es sind bei diesen Sätzen übrigens leicht verschiedene Auffassungen möglich. Den Sinn des Satzes »nachdem Schleswig-Holstein von Dänemark losgerissen war, entzweite sich Preußen und Oesterreich« können wir auch wiedergeben in der Form »nach Losreißung Schleswig-Holsteins von Dänemark entzweiten sich Preußen und Oesterreich«. Bei dieser Fassung ist es wohl hinreichend deutlich, daß als Theil dieses Sinnes nicht der Gedanke aufzufassen ist, daß Schleswig-Holstein einmal von Dänemark losgerissen ist, sondern daß dies die nothwendige Voraussetzung dafür ist, daß der Ausdruck »nach der Losreißung Schleswig-Holsteins von Dänemark« überhaupt eine Bedeutung habe. Es läßt sich freilich unser Satz auch so auffassen, daß damit gesagt sein soll, es sei einmal Schleswig-Holstein von Dänemark losgerissen worden. Dann haben wir einen Fall, der später zu betrachten sein wird. Versetzen wir uns, um den Unterschied klarer zu erkennen, in die Seele eines Chinesen, der bei seiner geringen Kenntniß europäischer Geschichte es für falsch hält, daß einmal Schleswig-Holstein von Dänemark losgerissen sei. Dieser wird unsern Satz, in der ersten Weise aufgefaßt, weder für wahr, noch für falsch halten, sondern ihm jede Bedeutung absprechen, weil dem Nebensatze eine solche fehlen würde. Dieser würde nur scheinbar eine Zeitbestimmung geben. Wenn er unsern Satz dagegen in der zweiten Weise auffaßt, wird er in ihm einen Gedanken ausgedrückt finden, den er für falsch hielte, neben einem Theile, der für ihn bedeutungslos wäre.
Zuweilen fehlt eine ausdrückliche sprachliche Andeutung und muß dem ganzen Zusammenhange entnommen werden.
Aehnliches haben wir bei »aber« [und] »doch«.
Man könnte den Gedanken unsers Satzes auch so ausdrücken:
»entweder ist jetzt die Sonne noch nicht aufgegangen, oder der Himmel ist stark bewölkt«,
woraus zu ersehen, wie diese Art der Satzverbindung aufzufassen ist.
Für die Frage, ob eine Behauptung eine Lüge, ein Eid ein Meineid sei, kann dies von Wichtigkeit werden.
Vgl. Götzinger (1839/1977), S. 259–262. Zu Götzinger als möglicher Quelle für Freges grammatische Terminologie vgl. Künne (2010b), S. 292, Anm. 219.
Vgl. Zorn (2016), v. a. Kap. 1 und 7.
Zur folgenden Rekonstruktion einschlägiger Gedanken in Monadologie im Kontext programmatischer Schriften von Leibniz vgl. auch Busche (2016) und Künne (2010b), S. 30, 166–179, 798 f. (mit weiterer Literatur).
Vgl. Tugendhat/Wolf (2001), Kap. 5.
5Vgl. Tugendhat (1976), S. 79 f.
Vgl. Kenny (2016), S. 108–110.
Vgl. Kant, Kritik der reinen Vernunft, Einleitung zur 2. Aufl. [B].
Ebd., B77 / A52.
Ebd., BVIII–IX.
Ebd., B80 / A55.
Kant, Logik, A17.
Vgl. Stenlund (2018).
Zum Hintergrund vgl. Westerkamp (2014), S. 39–54.
Vgl. Künne (2010b), S. 204–214.
Vgl. die Rekonstruktion bei Soames (2014), S. 3–59.
Vgl. Dummett (21981), S. 36 f.
Kreiser (2001), S. 277.
Vgl. Lorenz (2004a); Lorenz (2004c). Die hier verwendete Terminologie hat sich erst nach Frege entwickelt.
Vgl. Künne (2010b), S. 205–209.
Vgl. Sundholm (2001), S. 66, der sich auf Cantor (1932), S. 50 (Erstveröffentlichung: 1882) beruft.
Vgl. exemplarisch Kripke (2014), Vorlesung I.
Vgl. Beaney (1997), S. 152.
Vgl. dazu Kripke (2017b).
Vgl. Künne (2010b), S. 342–369.
Vgl. ebd., S. 322.
Vgl. ebd., S. 369.
Vgl. Gabriel (2018), S. 17.
Vgl. Dummett (21981), S. 157; Künne (2010b), S. 490–514.
Dieser Problematik widmet sich in kritischer Bezugnahme auf Frege Kripke (2014).
Zu Freges Verständnis von Wahrheit insgesamt als einer Konzeption, die sich auch ansonsten nicht weiter analysieren lässt, vgl. Künne (2010b), S. 391–423.
Vgl. Burge (2005), S. 90.
Allerdings übernimmt er zumindest gelegentlich die terminologischen Vorgaben der Grammatik seiner Zeit. Vgl. Nielsen (2008).
Vgl. Wissenschaftlicher Briefwechsel, XXXVI. Frege – Russell, Nr. 1: Russell an Frege, 16. 6. 1902, S. 211.
Russell (1971a); vgl. Hylton (2010).
Wittgenstein (1984), 6.13 und 4. Vgl. Reck (2002a).
Vgl. Wille (2016).
Vgl. Soames (2014), Kap. 1.
Vgl. Potter/Ricketts (2010). Außerordentlich wichtig waren die beiden Sammelbände, die Günter Patzig 1966 herausgab (s. FFB und LU).
Vgl. Burge (2005) und die Beiträge zu Bengtsson (2018).
Vgl. Quine (2011b), S. 61: »Lebewesen mit Herz« und »Lebewesen mit Nieren«.
Vgl. Kripke (1981); Kripke (2014).
Vgl. Mayer (1996), S. 167 f.
Vgl. dazu auch die einleitende Bemerkung der Herausgeber ebd., S. 1065.
Vgl. Leo/Steinbeis/Zorn (2017), S. 42 f.
Vgl. Hösle (2018), S. 151 mit Anm. 160.
Vgl. Engler (1995).
Als Kontrapunkt dazu vgl. Zorn (2018), S. 134.
Sie wird in den Beiträgen zu Bengtsson (2018) kontrovers diskutiert.
Zum Folgenden vgl. Kreiser (2001) und die biografischen und wirkungsgeschichtlichen Angaben in den Literaturhinweisen.
Wissenschaftlicher Briefwechsel, XXXVI. Frege – Russell, Nr. 2: Frege an Russell, 22. 6. 1902, S. 213.
Zit. nach E. H. Reck (2002b), S. 8.
Von G. Frege.
Die Gleichheit1 fordert das Nachdenken heraus durch Fragen, die sich daran knüpfen und nicht ganz leicht zu beantworten sind. Ist sie eine Beziehung? eine Beziehung zwischen Gegenständen? oder zwischen Namen oder Zeichen für Gegenstände? Das Letzte hatte ich in meiner Begriffsschrift angenommen. Die Gründe, die dafür zu sprechen scheinen, sind folgende: a = a und a = b sind offenbar Sätze von verschiedenem Erkenntniswerte: a = a gilt a priori und ist nach Kant analytisch zu nennen, während Sätze von der Form a = b oft sehr wertvolle Erweiterungen unserer Erkenntnis enthalten und a priori nicht immer zu begründen sind. Die Entdeckung, daß nicht jeden Morgen eine neue Sonne aufgeht, sondern immer dieselbe, ist wohl eine der folgenreichsten in der Astronomie gewesen. Noch jetzt ist die Wiedererkennung eines kleinen Planeten oder eines Kometen nicht immer etwas Selbst-[26]verständliches. Wenn wir nun in der Gleichheit eine Beziehung zwischen dem sehn wollten, was die Namen »a« und »b« bedeuten, so schiene a = b von a = a nicht verschieden sein zu können, falls nämlich a = b wahr ist. Es wäre hiermit eine Beziehung eines Dinges zu sich selbst ausgedrückt, und zwar eine solche, in der jedes Ding mit sich selbst, aber kein Ding mit einem andern steht. Was man mit a = b sagen will, scheint zu sein, daß die Zeichen oder Namen »a« und »b« dasselbe bedeuten, und dann wäre eben von jenen Zeichen die Rede; es würde eine Beziehung zwischen ihnen behauptet. Aber diese Beziehung bestände zwischen den Namen oder Zeichen nur, insofern sie etwas benennen oder bezeichnen. Sie wäre eine vermittelte durch die Verknüpfung jedes der beiden Zeichen mit demselben Bezeichneten. Diese aber ist willkürlich. Man kann Keinem verbieten, irgendeinen willkürlich hervorzubringenden Vorgang oder Gegenstand zum Zeichen für irgend etwas anzunehmen. Damit würde dann ein Satz a = b nicht mehr die Sache selbst sondern nur noch unsere Bezeichnungsweise betreffen; wir würden keine eigentliche Erkenntnis darin ausdrücken. Das wollen wir aber doch grade in vielen Fällen. Wenn sich das Zeichen »a« von dem Zeichen »b« nur als Gegenstand (hier durch die Gestalt) unterscheidet, nicht als Zeichen; das soll heißen: nicht in der Weise, wie es etwas bezeichnet: so würde der Erkenntnißwerth von a = a wesentlich gleich dem von a = b sein, falls a = b wahr ist. Eine Verschiedenheit kann nur dadurch zu Stande kommen, daß der Unterschied des Zeichens einem Unterschiede in der Art des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht. Es seien a, b, c die Geraden, welche die Ecken eines Dreiecks mit den Mitten der Gegenseiten verbinden. Der Schnittpunkt von a und b ist dann derselbe wie der Schnittpunkt von b und c. Wir haben also verschiedene Bezeichnungen für denselben Punkt, und diese Namen (»Schnittpunkt von a und b«, »Schnittpunkt von b und c«) deuten zugleich auf die Art des Gegebenseins, und daher ist in dem Satze eine wirkliche Erkenntnis enthalten.
Es liegt nun nahe, mit einem Zeichen (Namen, Wortverbindung, Schriftzeichen) außer dem Bezeichneten, was die 27] Bedeutung der Ausdrücke »der Schnittpunkt von a und b« und »der Schnittpunkt von b und c« dieselbe sein, aber nicht ihr Sinn. Es würde die Bedeutung von »Abendstern« und »Morgenstern« dieselbe sein, aber nicht der Sinn.
Bedeutung des Zeichens heißen möge, noch das verbunden zu denken, was ich den Sinn des Zeichens nennen möchte, worin die Art des Gegebenseins enthalten ist. Es würde danach in unserm Beispiele zwar die [Aus dem Zusammenhange geht hervor, daß ich hier unter »Zeichen« und »Namen« irgendeine Bezeichnung verstanden habe, die einen Eigennamen vertritt, deren Bedeutung also ein bestimmter Gegenstand ist (dies Wort im weitesten Umfange genommen), aber kein Begriff und keine Beziehung, auf die in einem anderen Aufsatze näher eingegangen werden soll. Die Bezeichnung eines einzelnen Gegenstandes kann auch aus mehreren Worten oder sonstigen Zeichen bestehn. Der Kürze wegen mag jede solche Bezeichnung Eigenname genannt werden.
Der Sinn eines Eigennamens wird von jedem erfaßt, der die Sprache oder das Ganze von Bezeichnungen hinreichend kennt, der er angehört2; damit ist die Bedeutung aber, falls sie vorhanden ist, doch immer nur einseitig beleuchtet. Zu einer allseitigen Erkenntniß der Bedeutung würde gehören, daß wir von jedem gegebenen Sinne sogleich angeben könnten, ob er zu ihr gehöre. Dahin gelangen wir nie.
Die regelmäßige Verknüpfung zwischen dem Zeichen, dessen Sinne und dessen Bedeutung ist der Art, daß dem Zeichen ein bestimmter Sinn und diesem wieder eine bestimmte Bedeutung entspricht, während zu einer Bedeutung (einem Gegenstande) nicht nur ein Zeichen zugehört. Derselbe Sinn hat in verschiedenen Sprachen, ja auch in derselben verschiedene Ausdrücke. Freilich kommen Ausnahmen von diesem regelmäßigen Verhalten vor. Gewiß sollte in einem vollkommenen Ganzen von Zeichen jedem Ausdrucke ein bestimmter Sinn entsprechen; aber die Volkssprachen [28] erfüllen diese Forderung vielfach nicht, und man muß zufrieden sein, wenn nur in demselben Zusammenhange dasselbe Wort immer denselben Sinn hat. Vielleicht kann man zugeben, daß ein grammatisch richtig gebildeter Ausdruck, der für einen Eigennamen steht, immer einen Sinn habe. Aber ob dem Sinne nun auch eine Bedeutung entspreche, ist damit nicht gesagt. Die Worte »der von der Erde am weitesten entfernte Himmelskörper« haben einen Sinn; ob sie aber auch eine Bedeutung haben, ist sehr zweifelhaft. Der Ausdruck »die am wenigsten convergente Reihe« hat einen Sinn; aber man beweist, daß er keine Bedeutung hat, da man zu jeder convergenten Reihe eine weniger convergente, aber immer noch convergente finden kann. Dadurch also, daß man einen Sinn auffaßt, hat man noch nicht mit Sicherheit eine Bedeutung.
Wenn man in der gewöhnlichen Weise Worte gebraucht, so ist das, wovon man sprechen will, deren