New Adult Romance
ROCKFORD LEGENDS: SETH
Kate Lynn Mason
© 2020 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH
8712 Niklasdorf, Austria
Covergestaltung: © Sturmmöwen
Titelabbildung: © KDdesignphoto
Lektorat & Korrektorat: Romance Edition
ISBN-Taschenbuch: 978-3-903278-15-8
ISBN-EPUB: 978-3-903278-16-5
www.romance-edition.com
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
16. KAPITEL
17. KAPITEL
18. KAPITEL
19. KAPITEL
20. KAPITEL
21. KAPITEL
22. KAPITEL
23. KAPITEL
24. KAPITEL
25. KAPITEL
26. KAPITEL
27. KAPITEL
28. KAPITEL
EPILOG
DIE AUTORIN
Seth
»Los, Cameron, zeig uns, was du draufhast«, donnert Coach Baras Bass durch die Halle der Rockford Eisarena.
»Gib Gas, Buck«, feuert mich Ace, mein Teamkollege und Flügelstürmer der Rockford Legends, fast zeitgleich an.
Das Trainingsspiel verlief bisher optimal für unser Team, doch kurz vor Spielschluss habe ich durch eine Unachtsamkeit die schwarze Scheibe an der gegnerischen blauen Linie verloren. Allerdings denke ich nicht ans Aufgeben. Ich mobilisiere noch einmal alle meine Kräfte und jage dem Puck hinterher. Mit voller Wucht krache ich in Nash, schenke dem Verteidiger nichts. Erbittert ringen wir um das Hartgummi.
Es gelingt mir, Nash auszutricksen. Mit der Scheibe am Schläger fege ich über das Spielfeld und stelle fest, dass sich Ace inzwischen freigespielt hat. Jetzt oder nie! Ich stoße einen kehligen Schrei aus und hämmere den Puck mit einem harten Schlag in seine Richtung.
Aus dem rechten Bullykreis nimmt er Maß und überrascht unseren Goalie mit einem präzisen Handgelenkschuss.
Treffer.
Versenkt.
Ein langer schriller Pfiff aus Coach Baras Pfeife mischt sich in unser Triumphgebrüll und beendet das Spiel.
Wie immer verliert Bara nach dem Training nicht viele Worte, sondern verharrt mit verschränkten Armen am Spielrand und nickt uns bedächtig zu. Mit seiner imposanten Erscheinung und den knapp zwei Metern macht er eine beeindruckende Figur.
Was er zum Training zu sagen hat, werden wir morgen bei der Teambesprechung erfahren. Am freundlichen Funkeln seiner dunklen Augen erkenne ich jedoch, dass er zufrieden mit unserer Leistung ist.
Ace und ich schlagen unsere Handschuhe gegeneinander. »Gut gemacht, Mann«, kommentiere ich unser Zusammenspiel, während wir gemeinsam über die zerfurchte Eisfläche in Richtung der Bande gleiten. »Du hast unseren Jack eben ziemlich alt aussehen lassen.«
»Der Gute wird es verkraften«, gibt er grinsend zurück.
Ace gehört inzwischen zu meinem engeren Freundeskreis. Hätte mir vor ein paar Monaten jemand gesagt, dass wir in unserer knappen Freizeit miteinander abhängen würden, hätte ich denjenigen für komplett bescheuert erklärt.
Remy, Captain unseres Teams und wie ich Mittelstürmer, kommt mit Nash im Schlepptau von der Seite angesaust. Kleine Eissplitter spritzen auf, als sie vor uns scharf abbremsen. »Cameron, du Mistkäfer.« Nash keucht und versetzt mir einen Stoß zwischen die Schulterblätter. »Das nächste Mal kannst du deine Knochen einzeln vom Eis aufsammeln.«
»Ich zittere bereits vor Furcht, Kincade«, gebe ich zurück und kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen.
Remy tippt mich mit der Kelle seines Schlägers an. »Schluss mit dem Herumschäkern, Mädels«, befiehlt er und sieht anschließend Ace und mich an. »Seid ihr mit von der Partie? Wir wollen bei West noch ein bisschen auf der Playstation zocken.«
»Klar.« Ace nickt. »India hat heute ihren Mädelsabend, also habe ich freien Ausgang.«
Remy nimmt seinen Helm ab und verzieht spöttisch die Lippen. »Von wegen. Du hältst es einfach keine Sekunde ohne deine Süße aus, habe ich recht?«, spielt er darauf an, dass es Ace und India seit einigen Monaten nurmehr im Doppelpack gibt.
»Nur kein Neid«, erwidert Ace mit einem lässigen Grinsen. Das Blitzen in seinen Augen verrät, wie stolz er ist, India an seiner Seite zu haben. »Nur weil ihr es nicht auf die Reihe kriegt, euch ein tolles Mädel zu schnappen, müsst ihr nicht stänkern.«
»Arsch. Reib uns nur unter die Nase, was für ein Glück du hattest.« Remy lacht gelassen, dabei hätte er mit seiner Vergangenheit in Sachen Liebe allen Grund dazu, verbittert zu sein. »Was ist mit dir, Buck?«, wendet er sich anschließend an mich.
»Nope«, erwidere ich. »Nicht heute.«
»Du lässt uns im Stich?«, hakt Nash nach und zieht sich ebenfalls den Helm vom Kopf.
»So sieht’s aus.«
»Komm schon, du schuldest mir eine Revanche beim Football, Mann. Lass mir wenigstens ein Erfolgserlebnis heute.« Nash strubbelt sich durchs verschwitzte Haar.
»Sorry, Leute.« Im Augenblick will ich nur eins: Mir im Supermarkt eine Pizza organisieren, mich zu Hause auf die Couch werfen und durch die Fernsehkanäle zappen, bevor ich mich wieder der Paukerei widme. Ich bin erledigt. Nicht das heutige Training hat mich geschafft, obwohl uns der Coach wie üblich mal wieder nichts geschenkt hat, sondern diese elenden Zahlen und Formeln. In den vergangenen Tagen habe ich bis tief in die Nacht hinein gebüffelt. »Wir holen das nach«, versichere ich ihm.
»Hast was Besseres vor, stimmt’s?«, zieht mich Remy auf, ein vergnügtes Funkeln in seinen türkisblauen Augen. »Ein Date?«
»Richtig. Buck hat ja schon länger keine mehr flachgelegt«, witzelt Nash. »Da wird der Notstand ausgebrochen sein.« Seit er sich nach seinem Fauxpas wieder mit Ace vertragen und die Trennung von Paige verdaut hat, hat er wieder zu seiner Unbefangenheit zurückgefunden.
»Steck deine Nase nicht in Angelegenheiten, die dich nichts angehen, Kincade«, gebe ich gelassen zurück.
Nash hat mit seiner Äußerung allerdings ins Schwarze getroffen. Insgeheim muss ich mir eingestehen, dass ich nichts dagegen hätte, mal wieder mit einem Mädchen auszugehen. Das einzige weibliche Wesen, mit dem ich mich in den letzten Monaten getroffen habe, war India. Obwohl sie mit ihrem exotischen Aussehen ein echter Hingucker ist und eine supersüße Art hat, ist unsere Beziehung immer rein freundschaftlicher Natur gewesen. Ace würde mich vermutlich vierteilen, wenn ich mich an seine Freundin ranmachen würde. Zu Recht. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz unter Freunden, sich niemals mit der Frau eines anderen einzulassen.
»Wir trinken ein Bier für dich mit«, lässt Remy mit einem Blick über die Schulter zu mir verlauten, während er mit Nash zur Umkleide weiterstapft.
»Oder auch zwei«, ergänzt Nash breit grinsend.
Ich zeige den beiden den Mittelfinger. »Bleibt anständig«, rufe ich ihnen hinterher. »Und tut nichts, was ich nicht auch tun würde!«
»Was ist los?«, will Ace mit hochgezogener Braue von mir wissen. »Keinen Bock mit uns abzuhängen?«
Ich will gerade zu einer Antwort ansetzen, als sich jemand von hinten an uns hängt. »Echt, Leute, diese Bromance zwischen euch kotzt mich so langsam an. Verdammt, ihr zwei habt mir heute den Arsch aufgerissen.« Es ist unser Goalie Jack Gareri, den alle nur The Brick nennen, da er wie eine undurchdringliche Mauer vor dem Tor steht. Normalerweise. Ich schätze, Ace und ich haben ihn eben mal wieder ganz schön ins Schwitzen gebracht.
Jack spielte für die Washington Capitols, bevor er vor ein paar Monaten von den Legends eingekauft wurde, als unser alter Torwart Sawyer beschlossen hatte, das Team zu verlassen. Inzwischen hat er sich bestens eingelebt.
»Immer wieder gern.« Ich versetze ihm einen spielerischen Boxhieb auf den Oberarm.
Er boxt mich zurück und grinst breit. »Arschloch.«
»Bromance. Echt jetzt, Gareri?« Ace rollt mit den Augen. »Spricht da etwa der blanke Neid aus dir?«
Die zwei witzeln kurz, bevor Jack um die Ecke in die Kabine verschwindet.
»Also, was ist los? Warum kommst du nicht mit?«, hakt Ace erneut nach.
»Hab am Montag zwei Prüfungen anstehen«, erkläre ich leise, sodass nur er mich hören kann. Er und India sind die einzigen, denen ich anvertraut habe, dass ich meinen Collegeabschluss nachhole. India studiert am hiesigen Madison Bay College und hat mir bei den Medienrechtsachen geholfen, woraufhin ich die Prüfung im Kurs mit Bravour bestanden habe. Ich will jedoch nicht, dass die Tatsache, dass ich nebenbei studiere, die Runde macht.
»Dann mal viel Glück, Mann.« Ace streckt mir eine Faust zum Check entgegen. »Du rockst das schon.«
Nachdem ich ausgiebig geduscht und mich in frische Klamotten geworfen habe, verlasse ich die Arena und schiebe mich hinter das Steuer meines schwarzen Pick-ups. Das alte Gefährt begleitet mich schon seit Jahren, ist ein zuverlässiger Gefährte und praktisch dazu.
Als ich den Wagen vom Parkplatz manövriere, stelle ich fest, dass die Reifen leicht über den Asphalt rutschen. Es ist kalt, die Straßen sind mit einer glitzernden Schicht Raureif überzogen. Die Temperatur muss um den Gefrierpunkt liegen. Typisch April auf Rhode Island. Ich bin froh, wenn der Winter hinter uns liegt und es endlich wieder wärmer wird, denn ich bin kein Fan von kalten Ohren und klammen Fingern. Ich vermisse die milderen Temperaturen Georgias. Das ist dann allerdings auch das Einzige, was mir aus meiner Heimat fehlt.
Ich schiebe die Gedanken von mir und fädele mich in den Verkehr auf der mehrspurigen Straße ein.
Im Giant Eagle angekommen, steuere ich sofort die Tiefkühlregale an. Ich hasse es, einzukaufen, und beschränke mich deswegen auf das Nötigste. Es dauert nicht lange, bis ich mich mit einer Salami-Familienpizza und einem Sixpack Coors eingedeckt habe und mich zu den Kassen aufmache.
Ich reihe mich in die Schlange der Wartenden ein und gehe in Gedanken noch einmal die Punkte für meinen bevorstehenden Geschichtstest durch.
»Entschuldigung, junger Mann?«
Ich drehe mich zu der weiblichen Stimme um. Sie gehört zu einer Frau um die vierzig mit Lockenwicklern im Haar. Echt jetzt?
»Sie können weitergehen«, regt sie an und deutet an mir vorbei zur Kassiererin.
Ich folge ihrer Handbewegung und bemerke, dass vor mir an der Kasse lediglich eine einzige Kundin steht.
Eine ziemlich heiße Kundin, wohlbemerkt.
Am Rande bekomme ich mit, wie die langen Fingernägel der Kassiererin ein ungeduldiges Stakkato auf dem Tisch klackern, während sie darauf wartet, dass die Kundin vor mir zahlt. »Miss?«
»Äh, ja, Moment bitte«, stammelt die hübsche Fremde und kramt in ihrer viel zu riesigen Ledertasche herum, die sie über der Schulter trägt.
»Fünfzehn Dollar und zweiundzwanzig Cent.« Die Stimme der Kassiererin klingt ungehalten.
»Ich hab’s gleich.« Die Brauen zusammengezogen, wühlt sie weiter, und ich lasse meinen Blick über ihre bis zur Taille reichenden, sanft gewellten und wie von der Sonne geküssten hellblonden Haare schweifen. Haare, in die ich spontan meine Finger vergraben möchte. »Ach, so ein Mist, wo habe ich denn …«
In meinem Rücken stößt die Frau mit den Lockenwicklern einen langgezogenen Seufzer aus. Irgendwo im Laden fängt ein Kleinkind an zu weinen.
»Oh nein, ich fürchte, ich habe meinen Geldbeutel vergessen!« In einer Geste der Ratlosigkeit fährt sich die Blondine durch ihre Haare, und mein Blick landet auf ihrer Kehrseite, die in einer engen Dreiviertel-Jeans steckt. Ein Prachtexemplar von Hintern. Ein kurviger Hintern zum Anfassen. Alles an ihr ist kurvig und heiß.
»Dann werden Sie die Sachen wohl oder übel hierlassen müssen, Schätzchen.« Die Kassiererin lässt einen Kaugummi knallen. »Der Nächste bitte.«
Die Blondine wirkt verzweifelt. Sie dreht sich um und ihr Blick trifft meinen. Ihre Augen sind grau, von langen, dunklen Wimpern umrahmt und verzaubern mich auf Anhieb. Über ihrer Stupsnase tanzt gefühlt eine Million an Sommersprossen, aber was mich am meisten fasziniert sind ihre vollen, zum Küssen einladenden Lippen, die sich nicht nur auf meinem Mund gut machen würden … Holy shit! Was für ein Mädchen.
»Ich übernehme das«, höre ich mich sagen. Mein Verstand und mein Reaktionsvermögen arbeiten nicht im Takt, denn anstatt mich in Bewegung zu setzen, stehe ich da und starre die schöne Fremde an, deren Augen gerade riesengroß werden.
»Wie? Fünfzehn Dollar … Nein, das geht unmöglich …«
»Klar geht das.« Ich schenke ihr etwas, das hoffentlich wie ein lässiges Grinsen wirkt, und lege meine Einkäufe auf das Förderband. »Addieren Sie meine Sachen bitte dazu«, fordere ich die Kassiererin auf, die kaugummikauend und mit hochgezogener Braue unser Gespräch verfolgt, und fische in der Gesäßtasche meiner Jeans nach dem Portemonnaie. Ehe das Mädchen ein weiteres Mal protestieren kann, habe ich die Rechnung beglichen und meinen Kram in meiner Sporttasche verstaut. Dabei bin ich mir ihrer Nähe mehr als bewusst. Sie sieht nicht nur verdammt gut aus, sie riecht auch so. Nach frischer Wäsche und Shampoo, das mich an eine Orangenplantage erinnert.
»Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll«, stößt sie ein wenig atemlos aus und stopft ihre Einkäufe, zwei Flaschen Wein, ein paar Dosen Coke sowie zwei Tüten Chips, hastig in die geräumige Ledertasche. Dann schiebt sie sich ihr langes Haar über die Schultern zurück und lächelt mich verhalten an. Allein ihr Lächeln war es wert, für ihre Dinge bezahlt zu haben.
»Party?«, will ich mit einem Wink auf die Weinflaschen wissen, während wir gemeinsam den Ausgang des Ladens anstreben.
»Wie?« Sie hebt den Blick. »Ach das … nein. Ja.« Sie wirkt ein bisschen verwirrt, als sie sich eine blonde Strähne hinter das Ohr steckt. Unvermittelt bleibt sie stehen und streckt mir ihre Hand entgegen. Ein Hauch ihres Dufts schwebt durch die Luft und ich erkenne weitere Nuancen davon. Orange, gemischt mit Vanille und wilden Blüten. »Allison Malpasse. Und danke nochmals, dass du mir aus der Patsche geholfen hast. Wie dumm von mir, meinen Geldbeutel zu vergessen.« Sie erscheint auf unglaublich süße Weise verlegen.
»Ach, das kann doch jedem mal passieren. Habe ich gern gemacht.« Ich tue das Ganze mit einer lässigen Handbewegung ab und hoffe, ihr damit etwas von der Verlegenheit zu nehmen. »Ich bin übrigens Seth.«
»Ich weiß«, entfährt es ihr und sie entzieht sich meinem Griff.
Amüsiert hebe ich eine Braue.
»Ich meine, jeder hier in Rockford weiß doch, wer du bist«, fügt sie rasch an und lacht leise. »NHL-Star Seth Buck Cameron, defensiv orientierter Angriffsspieler der Legends.«
»Wow.« Ich bin beeindruckt. »Du kennst dich mit Eishockey aus?«
Sie nickt. »Seit ich denken kann. Dieser Sport fasziniert mich. Ich verpasse kein Match und kann es kaum erwarten, bis die Play-offs wieder losgehen. Abgesehen davon bin ich selbst gern auf dem Eis unterwegs.«
»Du spielst ebenfalls?«, frage ich überrascht. Ein verdammt heißes, süßes Mädchen, das eine Ahnung von Eishockey hat. Das klingt wie ein Sechser im Lotto.
»Nein. Aber ich fahre leidenschaftlich gern Schlittschuh.« Sie lächelt. Diesmal ist es ein ehrliches, aufrichtiges Lächeln, das ebenso süß ist, wie das schüchterne davor. Ihr ganzes Auftreten wirkt kein bisschen, als würde sie darauf abzielen, bei mir zu punkten oder mich zu beeindrucken. Was vermutlich der Grund ist, warum sie genau das tut. Alles an ihr wirkt natürlich. Und das gefällt mir verdammt gut.
»Hör zu …«, ich unterbreche mich, da wir einer alten Dame ausweichen, die sich mit ihrem Einkaufswagen an uns vorbeischiebt. »Was hältst du davon, wenn ich dich nach Hause begleite und deine Tasche für dich trage?« Die Aussicht, noch etwas Zeit mit diesem Mädchen zu verbringen, scheint mir plötzlich sehr viel verlockender, als mit Fertigpizza und Bier in meiner Wohnung zu sitzen und für den nächsten Test zu pauken.
An der Georgia State hatte ich ein Sportmanagement-Studium begonnen, das ich nun im Fernstudium so rasch wie möglich abschließen möchte. Die Finanzkurs-Prüfung ist wenigen Tagen, wobei das Fach Finanzwissenschaften nicht gerade zu meinen Lieblingsfächern zählt. Im Grunde kann ich mir keine Ablenkung leisten, aber ein Abend ohne Lernen wird mich nicht gleich aus der Bahn werfen.
»Nett von dir, aber es geht schon.« Sie schließt ihre zarten Finger um den Schultergurt und macht eine Kopfbewegung zur Tür hin. »Ich muss dann auch mal los. Gibst du mir noch rasch deine Bankverbindung, damit ich dir das Geld überweisen kann?«
»Vergiss das Geld. Genieße deine Party, und vielleicht sieht man sich ja mal wieder.« Lässig zwinkere ich ihr zu und wende mich ab, damit sie nicht die Enttäuschung aus meinem Gesicht lesen kann.
Es kommt nicht oft vor, dass mich ein Mädchen abserviert, aber in diesem Fall schmerzt es mich ein bisschen. Ally scheint ein süßer Fang zu sein.
Kurz vor dem Ausgang überkommt mich der Impuls, noch mal stehenzubleiben und mich umzudrehen. Ich muss sie noch einmal ansehen.
Sie steht noch immer da, wo ich sie vor wenigen Sekunden verlassen habe, und als sich unsere Blicke treffen, sieht sie rasch auf ihr Handy, das sie inzwischen aus der Tasche geholt hat.
Ach, scheiß drauf.
Entschlossenen Schrittes gehe ich noch mal auf sie zu. »Allison …«, beginne ich.
»Ally«, unterbricht sie mich.
»Ally.« Mein Blick fällt auf ihre Lippen, die sich zu einem kleinen Lächeln verziehen, als gefiele es ihr, wie ich ihren Namen ausspreche. »Lass uns einen Kaffee trinken gehen«, schlage ich ohne Umschweife vor.
»Du fällst wohl gern mit der Tür ins Haus«, erwidert Ally und nun erreicht ihr Lächeln für eine Millisekunde ihre wunderschönen Augen, und ich entdecke eine winzige Lücke zwischen den Vorderzähnen.
In einer entschuldigenden Geste hebe ich grinsend meine Schultern. Ich sehe keinen Grund, mich zu verstellen. Ich bin niemand, der sich aus falscher Bescheidenheit zurückhält, sondern spreche gern aus, was ich denke. »Sag einfach ja. Ich lade dich ins Rockford Barista ein.«
Ich bemerke ein kurzes Zögern, doch dann: »Keine Zeit«, erklärt sie und presst kurz die Lippen zusammen. Warum habe ich das Gefühl, dass sie gerade eine Mauer hochfährt?
»Ein anderes Mal?«, frage ich. Nun habe ich mich bereits für sie zum Affen gemacht. Auf ein weiteres Mal kommt es nicht an.
Sie schüttelt den Kopf, und kurz ist mir, als sähe ich Bedauern in ihren Augen aufblitzen. Sie scheint gut darin zu sein, ihre Emotionen zu verbergen, denn in der nächsten Sekunde ist sie einfach wieder das freundliche Mädchen von nebenan. Sie wirft ihr Handy in die Tasche und umfasst mit beiden Händen die Riemen. »Ein Autogramm hätte ich aber gern.«
Ich starre sie eine kleine Ewigkeit lang an, um aus ihr schlau zu werden, aber keine Chance. Sie steht einfach lächelnd und freundlich da, ohne auch nur im Geringsten auf meine Anmache zu reagieren. Ich schlage ihr ein Date vor und sie will ein Autogramm. Nun ja, ich schätze, es gibt für alles ein erstes Mal. »Okay, ein Autogramm«, hole ich mich selbst aus der Starre und gebe mir Mühe, nicht allzu belämmert zu erscheinen. »Kein Problem.« Etwas perplex von der Situation ziehe ich mein Portemonnaie hervor, in dem ich bereits einige unterschriebene Karten mit mir trage. »Soll ich deinen Namen drauf schreiben?«
Sie nickt. »Für Ally. Mit Ypsilon bitte.«
Bevor ich ihr die Karte in die Hand drücke, kritzele ich noch meine Handynummer auf die Rückseite. Warum ich das nach ihrer Abfuhr mache, kann ich nicht genau erklären, ich verzichte aber darauf, lange darüber nachzudenken. »Falls du es dir anders überlegen solltest, Ally mit Ypsilon«, sage ich mit einem Zwinkern und reiche ihr die Karte.
»Danke.« Unsere Finger berühren sich flüchtig, und als hätte auch sie dieses Kribbeln gespürt, zieht sie ihre Hand rasch zurück. »Äh, Seth?« Sie räuspert sich.
Ich wusste es.
Sie will mit mir ausgehen.
Ich kann mir ein kleines triumphierendes Grinsen nicht verkneifen. »Ally?«
»Könnte ich vielleicht noch ein Autogramm für meine Freundin bekommen?«, fragt sie wie die Unschuld vom Lande.
Okay, liebes Universum. Ich hab’s kapiert. Sie ist nicht interessiert.
Ich werde darüber hinwegkommen.
Mit Sicherheit.
Irgendwann.
Selbstverständlich händige ich Ally eine weitere Karte aus, diesmal signiert für ihre Freundin.
»Gemma mit G bitte.«
»Mit G«, wiederhole ich, ohne eine Miene zu verziehen.
Unsere Blicke treffen sich und wir brechen in Gelächter aus. Ich mag den Klang ihres Lachens.
Sie hält beide Karten in der Hand und sieht mich an. In ihren grauen Augen flackert erneut so etwas wie leises Bedauern auf. Aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. »Danke. Nicht nur für die Karten. Du weißt schon.«
»Hey, vergiss es. Habe ich gern gemacht. Vielleicht sieht man sich ja mal im Stadion.« Dieses Mal warte ich nicht auf ihre Antwort, sondern wende mich endgültig ab.
Ally
»Bin zu Hause!« Mit der Ferse kicke ich die Tür hinter mir zu und wuchte meine schwere Ledertasche auf den geblümten Ohrensessel, der Gemma und mir in unserer Wohngemeinschaft als Garderobe dient. Einen flüchtigen Moment bedauere ich, dass ich Seth nicht gestattet habe, mich nach Hause zu begleiten. Dann fällt mein Blick auf die herumliegenden leeren Getränkeflaschen, den schmuddeligen Läufer und die Farbe, die von der Wand abblättert, und ich schiebe den Gedanken an den sexy Mittelstürmer in die hinterste Ecke meines Bewusstseins. Es hätte ohnehin zu nichts geführt. Die Enttäuschungen, die ich bisher erlebt habe, reichen für ein ganzes Leben. Und darüber hinaus. Noch mehr brauche ich weiß Gott nicht.
»Gem?«, rufe ich nach meiner Freundin und Mitbewohnerin, wie ich es immer tue, wenn ich nach Hause komme. Zwar hängt am Kühlschrank in der Küche ihr Schichtplan, doch ich vergesse regelmäßig, darauf zu schauen.
Ich öffne den Reißverschluss meiner Tasche, hole die zwei Weinflaschen heraus und bringe sie in die Küche, wo ich gleich die erste von beiden entkorke, damit der Wein atmen kann. Gott, ich brauche dringend einen Schluck. Mein Arbeitstag in der Redaktion war mal wieder beschissen. Declan, mein Boss, hat mich herumgescheucht und keine Gelegenheit ausgelassen, mich zu schikanieren, und ich weiß genau, warum er das tut.
Verfluchtes Arschloch.
Er ist nicht unattraktiv und auf seine ganz eigene Art auch sexy, doch mit seinem gönnerhaften, überheblichen Gehabe geht er mir unsäglich auf die Nerven. Ich konnte noch nie ausstehen, wenn sich Männer so benehmen, als seien sie Gottes Geschenk an die Weiblichkeit und die Frauen dazu da, ihnen zu dienen.
Nun kann ich mir doch nicht verkneifen, mir sofort ein Glas zu genehmigen, aber das habe ich nach dem heutigen Tag auch dringend nötig. Der Wein schmeckt sauer, er braucht definitiv noch Luft, aber immerhin breitet sich eine angenehm wohlige Wärme in mir aus und ich spüre deutlich, wie ich mich entspanne.
Da ich von Gemma kein Lebenszeichen erhalte, nehme ich an, dass sie nicht zuhause ist. Dennoch durchkämme ich anschließend unsere überschaubare Wohnung, drei Zimmer, Miniküche und Bad, doch von meiner Freundin ist weit und breit keine Spur. Offensichtlich ist sie ausgegangen. Schade, ich habe darauf gebrannt, ihr von der Begegnung mit Seth zu berichten.
Ein wenig enttäuscht suche ich mein Zimmer auf, das aus etwa acht Quadratmetern besteht. Es beherbergt ein herrlich breites Bett mit einer Unmenge an bunten Kissen, meinen Rückzugsort, wenn die Welt da draußen mal wieder unerträglich ist. Einen Einbauschrank, in den gerade mal meine Klamotten und Schuhe passen, sowie einen weißen, unspektakulären Schreibtisch von dem Möbelhaus mit dem schwedischen Namen. Momentan steht dort mein Laptop. Ein Laptop voller Geschichten, die niemals jemand lesen wird.
Ich schlüpfe aus meinem Shirt und meiner Jeans, hinein in eine bequeme Leggins, und hole mir im Flur aus der Ledertasche die beiden Autogramme. Mit den Bildern und einem weiteren Glas Wein mache ich es mir schließlich auf der Couch im Wohnzimmer gemütlich.
Ich kann noch immer kaum fassen, dass ich vorhin wirklich und leibhaftig NHL Stürmerstar Seth Cameron über den Weg gelaufen bin. Ihn live vor mir zu sehen, hat mich regelrecht umgehauen. Seit einiger Zeit schon verfolge ich seine Karriere, genauer gesagt, seit er vor zwei Jahren von den Legends, dem Eishockeyteam meiner Heimatstadt, ausgewählt wurde. Ich weiß, dass er früher kurz an der Georgia State spielte und danach eine Weile bei den Winterhawks mitmischte, wo er für die Jim Piggott Memorial Trophy, die Auszeichnung des besten Rookies der Saison in der Western Hockey League, nominiert wurde. Sein Poster hängt über meinem Bett, und ich kenne sein Gesicht inzwischen fast so gut wie mein eigenes.
Dennoch starre ich nun auf das Autogrammfoto in meiner Hand und fahre mit der Spitze meines Zeigefingers die klaren, wie in Granit gemeißelten Konturen seiner Züge nach. Gott, er ist unglaublich schön. Winzige Bartstoppel zieren sein Kinn und die Wangenpartie, und in den rauchblauen Augen tanzt ein verschmitztes Grinsen. Ich weiß, dass in seiner linken Wange ein sexy Grübchen auftaucht, wenn er lächelt. Sein schokoladenbraunes Haar ist leicht zerzaust, als hätte gerade eine Frau ihre Finger darin gehabt. Mit seinem sündhaft guten Aussehen und dem durchtrainierten Körper ist er die heimliche Sehnsucht eines jeden Mädchens. Kein Wunder, dass sämtliche weibliche Fans davon träumen, sich von Seth Cameron flachlegen zu lassen.
Der Wein schmeckt bitter auf meiner Zunge.
»Du bist spät dran«, stellt mein Boss Declan fest, als ich am nächsten Morgen um viertel nach acht durchgefroren und mit feuchten Haaren ins Büro schneie. In lässiger Pose zurückgelehnt wippt er in seinem Sessel, die Beine überkreuzt und die schicken, schwarzen Lederschuhe auf dem Tisch platziert. Er spielt mit der schweren Goldkette, die üblicherweise auf seiner behaarten Brust baumelt, und der Blick aus seinen dunklen Augen ist vorwurfsvoll.
»Sorry. Der Bus…«
»… hatte Verspätung. Schon klar«, fällt er mir uncharmant ins Wort. Der spöttische Unterton ist kaum zu überhören.
Ich verzichte darauf, Declan aufzuklären, dass der Bus heute Früh tatsächlich spät dran war. Die Verkehrsverhältnisse waren heute Morgen chaotisch. Es schüttet wie aus Eimern, dazu befindet sich die Temperatur knapp unter dem Gefrierpunkt und der Regen hat die Straßen in spiegelglatte Flächen verwandelt. Allein der Weg zur Bushaltestelle dauerte doppelt so lange wie sonst.
»Wie oft habe ich dir schon angeboten, dich abzuholen? Bequemer, als in meinem BMW zur Arbeit chauffiert zu werden, geht es nun wirklich nicht.«
Oh, ich kann mir sehr gut vorstellen, welche Art von bequem Declan im Sinn hat. Innerlich mit den Augen rollend werfe ich meine Tasche auf den Tisch und schäle mich aus meinem Parka, den ich über die Stuhllehne hänge. »Sorry, Boss. Kommt nicht wieder vor.«
Ich fahre meinen Laptop hoch und ignoriere Declans Knurren. Dabei ist mir bewusst, wie er mich taxiert und seinen Blick genüsslich über meine Oberweite gleiten lässt. Nicht zum ersten Mal. Wäre dies hier nicht der erste Job mit halbwegs anständiger Bezahlung seit langem, hätte ich schon längst die Segel gestrichen. Aber als Schulabbrecherin ohne Abschluss habe ich wahrlich nicht die große Auswahl. Außerdem liebe ich es, zu schreiben, auch wenn es meist nur kleine, belanglose Artikel sind, die ich für Declans Lokalkolumne verfassen darf. Zuweilen kann Declan sogar einigermaßen erträglich sein. In der letzten Zeit jedoch scheine ich ihm nichts mehr recht machen zu können. Wäre Declan mit seinen knapp dreißig Jahren nicht zu jung dafür, würde ich annehmen, dass er mitten in einer Midlife-Krise steckt.
Kaum habe ich es mir an meinem kleinen Tisch bequem gemacht, knallt er mir einen Ordner vor die Nase. »Häng dich ans Telefon und finde raus, wer in der nächsten Samstagsausgabe eine Werbeanzeige schalten möchte, Kleines. Aber vorher holst du mir noch einen Kaffee, schwarz, ohne Zucker.«
Als wüsste ich nicht ganz genau, wie Declan McCoy seinen Kaffee bevorzugt. »Klar, Boss.« Ich bemühe mich, nicht allzu genervt zu klingen, und erhebe mich wieder von meinem Sessel. Er hätte sich sicherlich keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn er mir das mit dem Kaffee gesagt hätte, bevor ich mich niedergelassen hatte.
»Und lass dieses alberne Boss-Getue, Kleines. Ich bin Declan. Punkt.«
»Geht klar, Bo … ich meine, Declan.« Hin und wieder reitet mich ein kleines Teufelchen, und dann kann ich es nicht lassen, gegen Declan zu sticheln. In mich hineinfeixend steuere ich die kleine Teeküche an, die schräg über den Flur liegt und sämtliche Abteilungen der Zeitung bedient.
Anne, die rechte Hand des Chefredakteurs, steht vor dem Kaffeeautomaten und hantiert mit einer Tüte Kaffeebohnen. »Na, wie läuft’s in der Lokalredaktion?«, begrüßt sie mich mit einem freundlichen Zwinkern.
Ich erwidere ihr Lächeln und zucke mit den Schultern.
Sie schüttelt ihren glänzenden, haselnussbraunen Bob. »Dec ist wieder in Bestform, was?« Es ist nicht nötig, dass ich darauf näher eingehe, denn mein Boss ist im Haus dafür bekannt, jedem Rock nachzusteigen. »Keine Ahnung, warum Rob den Mann nicht längst gefeuert hat«, ergänzt Anne mit einem mitleidigen Blick zu mir. Sie angelt einen Becher vom Regal und stellt ihn in die Maschine, damit der Kaffee hineinlaufen kann. »Declans Reportagen sind leider viel zu gut.«
»Er wühlt eben gern im Schmutz anderer Leute«, gebe ich zu bedenken und organisiere mir ebenfalls einen von den roten Keramikbechern mit der gedruckten Aufschrift Rockford Daily Gazette.
»Und die Leser stürzen sich darauf. Da hast du’s.« Anne nickt mir zu und nimmt sich ihren vollen Becher. »Der Kerl versteht sein Geschäft. Sonst wäre er schon längst von der Bildfläche verschwunden.«
Ich schiebe meine Tasse in die Maschine und betätige die notwendigen Knöpfe. »Ich schätze, du hast recht.« Zischend läuft das tiefbraune Gebräu in den Becher. Ich muss zugeben, Declan gräbt tatsächlich immer tief. So tief, dass er nahezu jedes Mal einen verdammten Skandal ans Licht bringt. Ich erinnere mich noch gut an seinen Artikel über Rockford Legends-Stürmer Ace Tremaine sowie das dazugehörige Foto, das es damals in sämtliche Boulevardblätter des Landes geschafft hatte. Zu jener Zeit hatte ich noch nicht für Declan gearbeitet, worüber ich im Nachhinein froh bin. Ich hätte ungern zu diesem Artikel beigetragen, dafür bin ich ein viel zu großer Legends-Fan.
Anne und ich verabschieden uns voneinander und ich gehe zurück in mein Büro, wo ich Declan den gewünschten Kaffee aushändige. Anschließend mache ich mich an die Arbeit. Ich hasse es, rumzutelefonieren, um den Leuten Werbeanzeigen aufzuschwatzen, doch ich sehe ein, dass es ein notwendiges Übel ist. Werbeanzeigen bringen gutes Geld, und wer könnte das nicht gebrauchen?
Als Declan zum Lunch verschwindet, nutze ich die Gelegenheit, um Gemma anzurufen, von der ich seit gestern Mittag nichts mehr gehört habe. Nicht, dass ich mir ernsthaft Sorgen machen würde. Gemma verschwindet ab und an zu ihrem On-Off-Freund Jordan, der am anderen Ende der Stadt lebt und einen Escort-Service betreibt. Die beiden verbindet eine Art Hassliebe. Gemma betont ständig, dass sie von Jordan loskommen will, doch sobald er vor der Tür steht, fällt sie ihm erst wieder um den Hals. Manche Dinge muss man nicht verstehen.
Gemma meldet sich nach dem ersten Klingeln. »Hey Ally-Cat, guten Morgen. Du bist schon wach?« Sie gähnt herzhaft.
Gemma ist die Einzige, der ich dieses alberne Ally-Cat verzeihe. Sie kennt mich, kennt alle meine Seiten und auch das Dunkle in mir, und sie liebt mich dennoch. »Es ist kurz nach acht. Ich befinde mich, im Gegensatz zu dir, brav bei der Arbeit. Und du? Bei dir alles klar?«
»Aber sowas von. Ich gestehe, dass ich mich noch zwischen den zerwühlten Laken rekle.« Gemma arbeitet im Rockford Barista, einem süßen, kleinen Coffeeshop an der Ecke Main und East Market Drive, und muss nicht vor elf Uhr vormittags dort antreten. Sie schnurrt wie ein Kätzchen. »Jordan hat mich gerade … «
»Oh bitte«, stoppe ich sie, denn Gemma liebt es, mich zu quälen, indem sie mir die Begegnungen mit Jordan bis ins allerkleinste Detail erzählt. »Verschon mich, okay? Es ist noch zu früh am Morgen, um mich mit den Zungenfertigkeiten deines Beaus zu befassen.«
Gemma kichert. »Spielverderberin. Was gibt’s bei dir Neues?«
»Ich habe Seth Cameron getroffen.«
»Wen?«, fragt sie nach und gähnt erneut. Offensichtlich hat sie in der vergangenen Nacht wenig Schlaf abbekommen.
Ich verdränge das anrollende Kopfkino und verdrehe die Augen. »Seth – Buck – Cameron, NHL-Spieler und Mittelstürmer bei den Legends. Klingelt da was?«
»Oh. Ich meine, wow, echt?« Gemmas Begeisterung hält sich in Grenzen, denn, anders als ich, kann sie mit Eishockey nicht viel anfangen.
Ich lache. »Himmel, Gem. Du erinnerst dich an den Kerl auf dem riesigen Poster, das über meinem Bett hängt? Den großen, breitschultrigen in der blau-weißen Eishockey-Montur?«
»Der Mann ist kaum zu übersehen«, meint sie trocken.
»Genau jenen meine ich.« Ich lehne mich zurück und überschlage die Beine. »Wir sind uns gestern im Giant Eagle über den Weg gelaufen. Ich hatte …«, ich unterbreche mich und räuspere mich, denn eigentlich müsste ich meiner Freundin nichts vormachen, sie weiß genau, dass ich chronisch knapp bei Kasse bin. Dennoch greife ich auf die kleine Notlüge zurück. »Ich hatte meinen Geldbeutel vergessen und Seth hat den Einkauf für mich übernommen.«
»Wow. Extrem gutaussehend und dazu ein echter Gentleman. Solche Typen gibt’s doch nur im Märchen.«
»Es kommt noch besser, Gem. Er hat mich um ein Date gebeten.«
»Oh mein Gott«, kreischt sie ins Telefon. »Du meinst, der Mann ist noch zu haben? Er ist Single?«
»Keine Ahnung.« Von seinem Privatleben ist so gut wie nichts bekannt. Die Boulevardzeitungen bemühen sich seit Jahren vergeblich, eine Story über ihn zu bekommen. Gedankenverloren greife ich nach einem Stift und lasse ihn durch meine Finger gleiten. »Vielleicht datet er ja mehrere Frauen gleichzeitig.«
»Das glaubst du doch selbst nicht. Bei dem straffen Zeitplan, den die Spieler haben …« Sie stößt einen sehnsüchtigen Seufzer aus. »Du Glückspilz! Da lässt man dich mal eine Nacht allein und schon angelst du dir einen heißen Hockeyspieler.«
»Ich hab ihm einen Korb gegeben.«
»Du hast was? Moment mal, ich hab dich nicht verstanden. Du hast …«
»Ich habe nein gesagt«, präzisiere ich und setze mich aufrecht hin.
»Bist du bescheuert?« Es knistert, dann höre ich etwas zu Boden fallen. Gemma ist scheinbar aus dem Bett gestiegen. »Er findet dich offensichtlich heiß und du … Ich meine, wie kannst du ein Date mit einem NHL-Star ausschlagen?« Sie klingt fassungslos. »Vielleicht wäre ein heißer Flirt genau das gewesen, was du mal wieder gebraucht hättest! Ally-Cat, wir sollten uns mal dringend über deinen mentalen Gesundheitszustand unterhalten.«
»Ich weiß doch, wie das gelaufen wäre. Wir hätten uns getroffen, er hätte herausgefunden, wie ich wirklich ticke, und während ich dabei gewesen wäre, mich rettungslos in ihn zu verlieben, hätte er mich schon längst wie eine heiße Kartoffel fallengelassen. Falls er nicht überhaupt nur auf Sex aus gewesen wäre. Ich meine … Hallo? Der Kerl kann jede haben. Und wer bin ich schon?«
»Komm schon, Schatz. So übel bist du nun wirklich nicht.«
»Stimmt. Ich bin nur das, was man landläufig unter verkorkst versteht.«
»Quatsch.« Sie schnauft und zögert kurz. »Wenn du nur endlich mal über diese Therapie nachdenken würdest …«
»Lassen wir das.« Ich ärgere mich, dass ich Gemma überhaupt von der Begegnung erzählt habe, denn inzwischen fühle ich mich ziemlich mies.
Gemma und ich verstehen uns gut. Sie ist wie die Schwester, die ich leider nie hatte. Dass sie allerdings ständig von einer Therapie faselt, nervt gewaltig. Okay, ich trinke das eine oder andere Gläschen. Aber das tun andere auch. Brauche ich deshalb gleich einen Therapeuten?
»Verschon mich bitte mit Ratschlägen in diese Richtung«, sage ich nun. »Ja, vielleicht hätte ich mich auf dieses Date einlassen sollen. Oder ich habe das Richtige getan und mir weitere Demütigungen erspart. Wie auch immer, jetzt ist die Sache sowieso gelaufen. Immerhin habe ich uns signierte Autogrammkarten von Seth Cameron organisiert. Ich hoffe, du freust dich, auch wenn du mit Eishockey nicht viel anfangen kannst.«
»Ach Schatz, natürlich.« Gemmas Stimme wird sanft. »Ich werde sie in Ehren halten. Hör zu, Jordan kommt gerade aus dem Bad, wir sprechen später weiter, okay?«
»Ich muss auch Schluss machen. Bis dann, Gem.« Nachdenklich stecke ich das Handy zurück in meine Tasche. Ich lehne mich vor, stütze den Kopf auf die Hände und stelle mir vor, wie es gewesen wäre, wenn …
»Wie weit bist du mit den Telefonaten, Kleines?«
Ich reiße die Augen auf und entdecke Declan neben mir. Sein penetrantes Aftershave steigt mir in die Nase. Wie lange steht er schon hier? Hat er etwas von meinem Gespräch mit Gemma mitbekommen? Ich hoffe nicht, denn ich trenne Berufliches und Privates strikt. Außerdem steckt Declan seine Nase ohnehin allzu oft in Angelegenheiten, die ihn nichts angehen. »Bis auf Luigi’s Pizza habe ich alle auf der Liste erreicht. Wir haben ein paar neue Aufträge.« Ich übergebe ihm das Papier, auf dem ich mir die Namen und die entsprechenden Projekte notiert habe.
Stirnrunzelnd überfliegt er mein Gekritzel und brummelt etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. Anschließend richtet er seinen messerscharfen Blick auf mich. »Du kennst Seth Cameron?«
Verdammt! Declan muss mitgehört haben, wie ich mit Gemma über Seth gesprochen habe. Na super. Betont lässig zucke ich mit einer Schulter. »Kennen ist wirklich zu viel gesagt. Ich bin ihm flüchtig begegnet«, erkläre ich so lässig, wie es mir möglich ist. Meine Wangen werden heiß.
Declans schmale Lippen verziehen sich zu einem Halbgrinsen. »Na, das ist doch was, mit dem wir arbeiten können. Ich möchte, dass du dich an seine Fersen heftest.«
»Dass ich was tue?« Jetzt ist es an mir, meine Stirn in Falten zu ziehen. An seine Fersen heften? Ich bin kein verdammtes Eishockey-Schnüffel-Bunny.
Declan schiebt seinen in einer dunklen Stoffhose steckenden Hintern auf meinen Tisch. Unwillkürlich rolle ich mit meinem Stuhl ein paar Zentimeter zurück, um ihm nicht so nah zu sein. »Du bist doch ein kluges Mädchen, Kleines. Häng dich an den Mann ran, verdreh ihm den Kopf und kitzele ein paar pikante Dinge aus seiner Vergangenheit aus ihm heraus. Wir hatten schon länger keinen Sportlerskandal mehr, und der gute Cameron hält seine Vergangenheit derart unter Verschluss, dass mein Journalistennäschen eine gute Story wittert.«
»Declan, ich kenne den Mann nicht mal richtig«, versuche ich, mich aus der Affäre zu ziehen. Die Vorstellung, mich mit meinem Schwarm zu treffen, um ihn auszuhorchen, gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht.
»Unsinn, Kleines. Du bist perfekt für diese Mission.« Declan zwinkert mir zu und lässt seinen Blick provozierend über meine Oberweite wandern. »Offiziell wirst du Seth für eine Reportage einen Tag lang begleiten. Am besten rufst du so schnell wie möglich bei seinem Management an, um das Ding klarzumachen.«
»Ich weiß nicht.« Die ganze Sache besitzt einen schalen Beigeschmack.
»Zier dich nicht. Dir winken eine Beförderung und mehr Kohle, wenn du dich da anständig reinkniest.« Declan nickt mir ermunternd zu.
Ich unterdrücke ein resigniertes Seufzen. Mehr Kohle kann ich weiß Gott gebrauchen. Die kleine Wohnung, die Gemma und ich uns teilen, liegt mitten in Downtown Rockford und ist nicht ganz billig. Mein jetziges Gehalt ist nicht mehr als ein großzügiges Taschengeld, insofern ist die Aussicht auf mehr Lohn äußerst verlockend. »Okay, ich mach’s.« Ich knicke ein. Außerdem muss ich mir eingestehen, dass ich Seth wirklich gern wiedersehen möchte, auch wenn es nur auf beruflicher Basis sei. Sollte sein Manager einwilligen, würde ich sogar einen Tag lang an seiner Seite verbringen. Bei der Vorstellung klopft mein Puls ein wenig schneller.
Declan gleitet in einer fließenden Bewegung vom Tisch und drückt mir die Schulter. »Gute Entscheidung, Kleines. Ich bin sicher, du wirst rasch Ergebnisse liefern.« Er leckt sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Ich bin gespannt, welche pikanten Geheimnisse du dem guten Mann entlocken wirst«, fügt er grinsend und mit einem unzweifelhaften Unterton in der Stimme an.
Tja, das kann er sich abschminken. Ich habe gewiss nicht vor, Seth zu verführen, um an Informationen zu gelangen. Ich bin nicht so naiv, zu glauben, ich könnte mit diesem Mann in die Kiste steigen, ohne mein Herz an ihn zu verlieren. Dafür gefällt mir Seth Cameron viel zu gut.
Ally
Als ich an diesem Abend nach Hause komme, steht Gemma in der Küche und kocht. Es duftet nach Kräutern, Thymian oder Majoran, nach gekochten Tomaten und überbackenem Käse.
»Hey-ho, Ally-Cat«, ruft sie aus der Küche. »Ich habe für uns Abendessen gemacht!«
»Wäre mir nie aufgefallen«, rufe ich schmunzelnd und höchst erfreut zurück, denn etwas Ablenkung in Form eines leckeren Essens kann ich gut gebrauchen.
Ich habe es noch nicht über mich gebracht, Seths Management zu kontaktieren, habe das Telefongespräch aber gleich für morgen Früh auf meine To-Do-Liste gesetzt. Verdammt. Der Gedanke daran beschert mir noch immer einen Knoten im Magen. So sehr ich mir auch wünsche, Seth wiederzusehen, so sehr missfällt mir diese Mission. Ich hasse den Gedanken, dem Mittelstürmer der Legends etwas vorspielen zu müssen.
An Ort und Stelle lasse ich meine Tasche fallen, schlüpfe aus meinen Ankle-Boots und folge dem herrlichen Duft. »Gem! Wie kommt es, dass du uns heute Abend mit so einem leckeren Essen verwöhnst?« Gem kocht gern und gut, doch meist ist sie viel zu beschäftigt, um sich an den Herd zu stellen.
Gemma streift sich eine ihrer Korkenzieherlocken, die sie ihrer afroamerikanischen Mom verdankt, aus der Stirn, bevor sie sich dicke Ofenhandschuhe überzieht. Ihre hübschen braunen Augen blitzen auf. »Du und ich, wir zwei Süßen haben heute Abend noch etwas vor, und dafür sollten wir eine gute Grundlage im Magen haben.«
»Ach Gem, das ist süß von dir, aber ich bin ziemlich platt. Ehrlich gesagt, habe ich mich schon aufs Couchsurfen gefreut. Irgendeine Serie auf Netflix schauen und auf meinem Schoß eine Chipsschüssel.« Auf Strümpfen tapse ich über den Fliesenboden zum Kühlschrank und öffne diesen, um mir eine angebrochene Flasche Wein zu organisieren.
»Keine Widerrede.« Gemma bückt sich und hantiert mit der Backofentür. »Du wirst es mir danken, glaub mir.«
Mir schwant nichts Gutes. Wenn meine Freundin etwas ausheckt, endet das meist im Chaos. Ich liebe Gemma wirklich sehr, aber ihre spontanen Einfälle sind mitunter mit Vorsicht zu genießen. Einmal hatte sie von einem Kunden im Rockford Barista überraschend zwei Karten geschenkt bekommen und schleppte mich kurzerhand zu einem Auftritt der Chippendales. Das war okay gewesen. Ein anderes Mal hatte sie die Idee gehabt, nachts in einem privaten Pool splitterfasernackt schwimmen zu gehen. Dass wir von den Cops überrascht und anschließend aufs Revier gebracht wurden, veranlasste sie lediglich zu einem Lachflash. Und ihre Entscheidung, bei einem Kostümfest als Zwillings-Waschbären aufzutauchen, treibt mir jetzt noch die Schamesröte in die Wangen. Na ja, eigentlich war es schon ein Spaß gewesen. Bis auf die Tatsache, dass mir jemand aus Versehen auf den Schwanz trat, was mir ein riesiges Loch am Kostüm an einer äußerst pikanten Stelle bescherte, das ich allerdings erst beim Verlassen des Festes bemerkte.
»Verrätst du es mir?«, versuche ich, etwas aus ihr herauszukitzeln, und gieße mir ein Glas Wein ein.
»Nope.« Mit einem breiten Grinsen holt sie eine dampfende Auflaufform aus dem Ofen und verfrachtet das Essen auf die Kücheninsel auf eine vorbereitete Unterlage. »Bist du so lieb und organisierst mal eben Teller und Besteck?«
Augenrollend nehme ich einen Schluck, aber dann tue ich, worum sie mich bittet, und decke die kleine Frühstückstheke, die praktischerweise an die Kochinsel anschließt. »Stell dir vor, Declan will, dass ich mich an Seths Fersen hefte.«
»Wie bitte?« Gemma kramt in einer Schublade.
»Ich soll einen Tag mit ihm verbringen für eine, wie er es nennt«, ich zeichne imaginäre Gänsefüßchen in die Luft, »Reportage. In Wirklichkeit ist Dec mal wieder auf der Suche nach schmutziger Wäsche, die er in seiner Kolumne waschen kann.«
»Na, das ist doch geradezu perfekt.« Mit einem zufriedenen Grinsen, als sei sie die Katze, die gerade vom Milchtopf genascht hat, verteilt Gemma das Essen auf die Teller. »Jetzt essen wir erst mal und dann wirfst du dich in schicke Klamotten.«
»Du sprichst in Rätseln.« Ich nehme meinen Wein mit, schiebe meinen Hintern auf einen der stylischen Hochstühle und frage mich, was meine Freundin nun wieder geplant hat. »Dann mal Cheers.« Mein Glas an die Lippen hebend, deute ich auf die Flasche. »Entschuldige, magst du auch?«,
»Nein. Ich bleibe bei meinem Wasser. Und du solltest auch einen Gang zurückschalten. Wie gesagt, wir haben noch was vor.«
Als ich mir erneut nachschenke, ignoriere ich den missbilligenden Blick, den sie mir zuteilwerden lässt. Aber hey, mein Tag war beschissen und ich muss dringend abschalten.
Eine Weile später stehen wir, mit guter Unterlage in den Bäuchen, aufgebrezelt in sexy Klamotten, High Heels und frischem Make-up vor der Eingangstür des Hell’s Kitchen, der angesagtesten Sportbar Rockfords.
»Das ist jetzt nicht dein Ernst, Gem.« Stirnrunzelnd blicke ich an der Fassade des gemauerten Gebäudes mit dem blinkenden Neonschild über der Eingangstür hoch. »Was zum Teufel wollen wir in einer Sportbar?«
Über Gemmas Gesicht huscht ein verschmitztes Grinsen. »Du stehst auf ihn. Er wollte ein Date. Muss ich noch mehr dazu sagen …?«
»Was?« Natürlich weiß ich sofort, von wem sie spricht. Fröstelnd schlinge ich beide Arme um mich, denn es ist verdammt kalt hier draußen und die dünne Jacke, die ich über mein ärmelloses Top geworfen habe, bietet kaum Schutz vor dem frischen Wind.
Ich liebe Rockford, ehrlich. Ich mag das Ostküstenstädtchen mit seinen typischen Backsteinbauten und bunten Fensterläden, ich mag die Lebendigkeit und das Flair, das die Collegestudenten hier reinbringen, und dass der Strand nur wenige Bushaltestellen entfernt ist. Doch ich hasse die Kälte und das unbeständige Wetter und kann es kaum erwarten, bis endlich der Frühling da ist.
»Die Legends werden nicht da sein, Gem«, erkläre ich meiner Freundin zähneklappernd. »Hast du vergessen? Es ist NHL-Saison.«
»Überprüfen wir doch einfach deine Theorie.« Mit einem breiten Grinsen stößt sie die Tür zur Sportbar auf und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihr mit einem leisen Fluch auf den Lippen zu folgen.
Musik weht uns entgegen, das Wummern von Bässen, Gesprächsfetzen und Gelächter. Es herrscht volles Haus in der am südlichen Ende der Main Street gelegenen Sportbar, die für ihre legendären und nicht selten ausschweifenden Partys berühmt-berüchtigt ist. Natürlich kenne ich den Laden, ich weiß, dass er den Legends quasi als zweites Zuhause dient, doch bisher habe ich dem Pub noch keinen Besuch abgestattet. Collegegirls gehen hier bevorzugt ein und aus, sowie die üblichen Eishockey-Bunnys.
Mit einem triumphierenden Aufblitzen in den Augen stößt mich Gemma mit dem Ellenbogen an. »Na? Hatte ich recht oder hatte ich recht?«
Ich folge ihrem Blick hinüber an die lange Theke zu einer Gruppe Mädchen in limonengrünen Hoodies, die sie als Rockford College Babes outen. Sie belagern ein paar große, gut gebaute Kerle, die auf den ersten Blick als Hockeyspieler erkennbar sind.
»Schon gut«, murmle ich. »Sie hängen hier ab, zumindest heute Abend.«
»Sagte ich doch.«
»Oh, ich hasse es, wenn du recht hast.«
Gemma knufft mich in die Seite. »Und doch liebst du mich.«
Ich ziehe eine Grimasse. »Manchmal. Manchmal bist du allerdings schwer zu ertragen.«
Sie lacht und zieht mich durch die Menge.
Zumindest friere ich nun nicht mehr, denn hier drin ist es warm, um nicht zu sagen, heiß. Durch den Raum schweben jede Menge Pheromone, die Stimmung ist ausgelassen und locker. An den Wänden hängen einige Flatscreens, auf denen irgendwelche Spiele laufen, und weiter hinten entdecke ich sogar einen Billardtisch. Ein paar Mädchen tanzen auf der freien Fläche zwischen Tisch und Theke. Diese Sportbar gefällt mir tatsächlich gut, vielleicht hätte ich doch schon mal früher meine Nase hereinstecken sollen.
Wir erreichen die Theke und signalisieren der Barkeeperin, dass wir etwas bestellen wollen. Sie kommt sofort auf uns zu. Wie aufmerksam.
»Hey Leute, was darf’s sein?« Sie lächelt uns an und zieht dabei eine kunstvoll gemalte Braue in die Höhe.
Gemma ordert für sich ein Glas Weißwein, ich entscheide mich für einen Whiskey on the Rocks.
»Kommt sofort.« Die riesigen Kreolen der jungen Frau wippen, als sie uns freundlich zunickt. Sie dreht sich um und organisiert zwei Gläser aus dem Regal hinter sich. »Ihr seid das erste Mal im Hell’s?« Sie geht in die Hocke und taucht kurz darauf wieder mit einer eisgekühlten Weinflasche auf. »Ich glaube, ich habe euch bisher noch nie hier gesehen.«