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Georg Ebers

Die Nilbraut

Historischer Roman

Georg Ebers

Die Nilbraut

Historischer Roman

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954189-93-9

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Inhaltsverzeichnis

Be­spre­chung des Ro­mans

Vor­wort.

Ers­tes Ka­pi­tel.

Zwei­tes Ka­pi­tel.

Drit­tes Ka­pi­tel.

Vier­tes Ka­pi­tel.

Fünf­tes Ka­pi­tel.

Sechs­tes Ka­pi­tel.

Sie­ben­tes Ka­pi­tel.

Ach­tes Ka­pi­tel.

Neun­tes Ka­pi­tel.

Zehn­tes Ka­pi­tel.

Elf­tes Ka­pi­tel.

Zwölf­tes Ka­pi­tel.

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel.

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel.

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel.

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel.

Sie­ben­zehn­tes Ka­pi­tel.

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel.

Neun­zehn­tes Ka­pi­tel.

Zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Ein­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Zwei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Drei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Vier­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Fün­f­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Sechs­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Sie­ben­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Acht­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Neun­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel.

Drei­ßigs­tes Ka­pi­tel.

Ein­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel.

Zwei­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel.

Drei­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel.

Vierund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel.

Fün­fund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel.

Sechs­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel.

Sie­ben­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel.

Achtund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel.

Neun­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel.

Vier­zigs­tes Ka­pi­tel.

Ein­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel.

Zwei­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel.

Drei­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel.

Vierund­vier­zigs­tes Ka­pi­tel.

Fün­fund­vier­zigs­tes Ka­pi­tel.

Sechs­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel.

Sie­ben­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel.

Achtund­vier­zigs­tes Ka­pi­tel.

Neun­und­vier­zigs­tes Ka­pi­tel.

Fünf­zigs­tes Ka­pi­tel.

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Herrn Carl Hall­ber­ger

­wid­met dies Buch am Ab­schluss ei­nes Vier­tel­jahr­hun­derts treu­er, nie ge­trüb­ter, im­mer fes­ter ge­knüpf­ter Freund­schaft

Ge­org Ebers.

Besprechung des Romans

ACHTUNG: Die­ser Ab­schnitt ver­rät wich­ti­ge Tei­le der Hand­lung. (Der Ver­le­ger)

Die Nil­braut war ein un­glück­li­ches Op­fer ägyp­ti­schen Aber­glau­bens, wel­ches in frü­he­rer Zeit, wenn der Nil zö­ger­te zu stei­gen und das Land zu über­schwem­men, in die Flut ge­stürzt wur­de. Sol­che Op­fe­rung kam auch noch vor zur Zeit, als das Hei­den­tum der Ägyp­ter längst christ­li­cher Ge­sit­tung ge­wi­chen war und die fa­na­ti­schen An­hän­ger des Pro­phe­ten sieg­reich in das alte Nil­land ein­ge­drun­gen wa­ren. We­nigs­tens in dem neu­en Ro­ma­ne von Ge­org Ebers, der die­sen Ti­tel führt (Stutt­gart und Leip­zig, Deut­sche Ver­lags­an­stalt), bil­det ein sol­ches Jung­frau­en­op­fer den Hö­he­punkt der Hand­lung: Wir wis­sen nicht, ob der Dich­ter an eine ge­schicht­li­che Tat­sa­che an­knüpft oder ob die­se Er­neue­rung al­ter Bräu­che in so spä­ter Zeit eine freie Er­fin­dung sei­ner Fan­ta­sie ist.

Der neue Ro­man von Ebers be­ginnt mit der Dar­stel­lung von Vor­gän­gen, wel­che die Teil­nah­me der Le­ser als­bald ge­fan­gen neh­men: Es ist das um so hö­her an­zu­schla­gen, als Vie­les, was uns da vor­ge­führt wird, am An­fan­ge sehr fremd­ar­tig ge­mahnt. Mit ei­nem ho­hen Be­am­ten, wel­cher den Ti­tel Mu­kau­ki­as führt, müs­sen wir uns erst all­mäh­lich be­freun­den, und die Glau­bens­strei­tig­kei­ten zwi­schen den mel­chi­ti­schen und ja­ko­bi­ti­schen Chris­ten, die sich ge­gen­sei­tig mit grim­mem Has­se ver­fol­gen, sind auch nicht da­nach an­ge­tan, uns son­der­lich zu in­ter­es­sie­ren. Sie bil­den zwar einen An­gel­punkt der Hand­lung; aber erst, wenn wir für die Men­schen, wel­che in die­se Kämp­fe ver­wi­ckelt sind, aus­rei­chen­de Teil­nah­me ge­won­nen ha­ben, über­win­den wir das Fremd­ar­ti­ge die­ser uns so fern­lie­gen­den dog­ma­ti­schen Strei­tig­kei­ten und fol­gen mit An­teil den Ge­schi­cken der Ein­zel­nen, die in die­se häss­li­chen Kämp­fe ei­nes be­schränk­ten Glau­bens­fa­na­tis­mus ver­strickt sind.

Die Hel­din des Ro­mans, Pau­la, ist eine Grie­chin, de­ren Va­ter, ein tap­fe­rer Strei­ter im Kamp­fe ge­gen die Mos­le­min, ver­schol­len ist und die bei ih­ren Ver­wand­ten in der Fa­mi­lie des Statt­hal­ters in Mem­phis lebt. Der Sohn des Hau­ses, Ori­on, von By­zanz zu­rück­ge­kehrt, soll ein rei­ches Mäd­chen in Mem­phis hei­ra­ten; sein Herz aber ge­hört der schö­nen Pau­la, die sich in­des an­fangs von dem Un­ge­treu­en ab­wen­det. Der Dieb­stahl ei­nes pracht­vol­len Sma­ragds, des­sen sich Ori­on schul­dig macht, den er aus ei­nem vom Va­ter ge­kauf­ten Tep­pich ent­wen­det und ei­ner frü­he­ren Ge­lieb­ten nach Kon­stan­ti­no­pel schickt, ent­frem­det ihm Pau­las Herz noch mehr; Ori­on ver­lei­tet die ihm be­stimm­te Braut Ka­tha­ri­na zu falscher Aus­sa­ge vor Ge­richt; Pau­la, wel­che Ori­on ver­der­ben konn­te, da sie Zeu­gin je­nes Dieb­stahls war, ver­schont ihn. Wie nun je­ner Sma­ragd mit ei­nem an­dern, wel­cher Pau­la ge­hört und den sie ver­äu­ßert, um einen Bo­ten zu be­zah­len, der ih­ren ver­schol­le­nen Va­ter auf­sucht, ver­wech­selt wird: Das hat einen ge­wis­sen mär­chen­haf­ten Reiz, und in der Tat liest sich der ers­te Band wie ein bun­tes ori­en­ta­li­sches Mär­chen. Auch spä­ter tau­chen Ge­stal­ten auf, die aus den Er­zäh­lun­gen ei­ner Sche­he­rezade ent­sprun­gen zu sein schei­nen: So der fa­na­ti­sche ägyp­ti­sche Ma­gier, wel­cher Pau­la um je­den Preis ver­der­ben will, und der schwar­ze Vi­ze­feld­herr des Ka­li­fen, Oba­dah, ein grim­mes Raub­tier. Pau­la und Ori­on ha­ben sich wie­der­ge­fun­den; aber da sie die Flucht mel­chi­ti­scher Non­nen be­güns­tig­ten, ver­fal­len sie dem Ge­richt der ara­bi­schen Macht­ha­ber und der christ­li­chen Geist­li­chen. Da zu­gleich die Seu­che Ägyp­ten ver­heert, der Nil nicht stei­gen will, so wird die zum Tode ver­ur­teil­te Pau­la dazu be­stimmt, das Op­fer des Strom­got­tes zu wer­den. Al­les ist schon zum Fes­te ge­rüs­tet, das Op­fer soll in die Flut ge­sto­ßen wer­den: Da er­scheint Ka­tha­ri­na, die an Pau­las Stel­le sich frei­wil­lig dem Tode weiht.

Die­ser Ro­man von Ge­org Ebers, der nur in der Mit­te et­was zu sehr ins Brei­te geht, wäh­rend der ers­te und letz­te Band in­ter­essant und span­nend sind, ist mit vie­lem Ge­schick ent­wor­fen und be­währt eine ori­gi­nel­le Er­fin­dungs­kraft; alle Fä­den sind gut ge­schürzt und glei­ten dem Dich­ter nir­gends aus der Hand. Dass sei­ne Fan­ta­sie da­bei nicht ins Blaue schweift, son­dern durch ge­schicht­li­che Stu­di­en wohl­ge­schult ist, gibt dem Gan­zen einen fes­ten Halt, und durch Klar­heit der Dar­stel­lung ver­mag uns der Ver­fas­ser in ei­ner Zeit zu ori­en­tie­ren, in wel­cher sich Ägyp­ten in einen bun­ten Völ­ker­markt ver­wan­delt hat­te und die Glau­bens­kämp­fe in­ner­halb der christ­li­chen Kir­che wie zwi­schen den Chris­ten und den Mos­lem mit ih­ren oft ver­wir­ren­den Stich­wör­tern durch ein­an­der wog­ten.

Der Dich­ter, des­sen an­dau­ern­des, schwe­res Lei­den die all­ge­meins­te Teil­nah­me er­weckt, hat in Richard Go­sche (»Ge­org Ebers«, Leip­zig, Schloemp) einen Bio­gra­fen ge­fun­den, der sei­nen Ver­diens­ten durch­aus ge­recht wird.

Die Gar­ten­lau­be, Heft 3, 1887

Vorwort.

»Die Nil­braut« ist kei­nes Vor­wor­tes be­dürf­tig.

Nur für die Fach­ge­nos­sen hab’ ich zu be­mer­ken, dass ich mich von der Au­to­ri­tät des treff­li­chen de Goe­je habe be­stim­men las­sen, an der ei­ge­nen Ver­mu­tung fest­zu­hal­ten, das Wort Mu­kau­kas sei nicht für den Na­men, son­dern für den Ti­tel des Man­nes zu hal­ten, den die ara­bi­schen Quel­len, de­ren ich mich zu be­die­nen hat­te, als den­je­ni­gen be­zeich­nen, wel­cher als Statt­hal­ter des by­zan­ti­ni­schen Kai­sers die ihm an­ver­trau­te Pro­vinz der mus­li­mi­schen Macht über­ant­wor­te­te. Ka­ra­ba­ceks dem Mu­kau­kas ge­wid­me­te Un­ter­su­chun­gen wa­ren mir lei­der nicht mehr zu be­nüt­zen ge­stat­tet.

Dass ich den al­ten Ho­rus Apol­lon (Hora­pol­lon) in das sie­ben­te Jahr­hun­dert ver­set­ze, wird mir je­der mit Recht ver­den­ken, der den Ver­fas­ser der Hie­ro­gly­phi­ca für den­sel­ben hält wie den ägyp­ti­schen Ge­lehr­ten glei­chen Na­mens, der nach Sui­das un­ter Theo­do­si­us leb­te und den schon Ste­pha­nus von By­zanz (Ende des fünf­ten Jahr­hun­derts) er­wähnt. Doch der erst­ge­nann­te Le­xi­ko­graph, Sui­das, zählt die Wer­ke des Gram­ma­ti­kers und Kom­men­ta­tors grie­chi­scher Dich­ter Hora­pol­lon aus, ohne die Hie­ro­gly­phi­ca, auf die es hier al­lein an­kommt, zu er­wäh­nen, und alle an­de­ren Al­ten, wel­che des Na­mens Hora­pol­lon ge­den­ken, las­sen, wie auch C. Lee­mans, der bes­te Ken­ner der Hie­ro­gly­phi­ca, zu­gibt, vol­le Frei­heit, zwei Hora­pol­lon an­zu­neh­men, von de­nen der zwei­te recht wohl erst im sie­ben­ten Jahr­hun­dert ge­lebt ha­ben kann, da zu sei­ner Zeit die ge­naue­re Kennt­nis der Hie­ro­gly­phen­schrift schon viel­fäl­ti­ger ver­lo­ren ge­gan­gen sein muss­te, als wir dies für das vier­te Jahr­hun­dert nach Chris­tus an­neh­men möch­ten, wenn wir be­den­ken, dass sich noch gut aus­ge­führ­te hie­ro­gly­phi­sche In­schrif­ten aus der Zeit des De­ci­us 250 n. Chr. er­hal­ten ha­ben. Der ägyp­ti­sche Kom­men­ta­tor grie­chi­scher Dich­ter hat schwer­lich ei­nes Über­set­zers be­durft, wäh­rend die Hie­ro­gly­phi­ca erst von Phil­ip­pus ins Grie­chi­sche über­tra­gen wor­den zu sein schei­nen. Un­se­re Kom­bi­na­ti­on, nach wel­cher der auf ägyp­tisch Ho­rus (Sohn der Isis) ge­nann­te Schrift­stel­ler der Isis­in­sel Phil­ae ent­stamm­te, auf wel­cher der heid­nisch-ägyp­ti­sche Kul­tus am längs­ten ge­übt ward und wo sich auch ei­ni­ge Kennt­nis der Hie­ro­gly­phen­schrift bis spät er­hal­ten ha­ben wird, trägt den wah­ren Ver­hält­nis­sen in der von uns ge­wähl­ten Epo­che Rech­nung.

Tut­zing am Starn­ber­ger See, den 1. Ok­to­ber 1886.

Ge­org Ebers.

Erstes Kapitel.

Die Hälf­te ei­nes Lu­strums war ver­gan­gen, seit­dem sich Ägyp­ten der jun­gen, mit un­er­hör­ter Kraft und Schnel­lig­keit auf­ge­wach­se­nen Macht der Ara­ber un­ter­wor­fen hat­te. Leich­ten Kau­fes war es ei­ner wohl ge­führ­ten klei­nen Schar mus­li­mi­scher Krie­ger in die Hän­de ge­fal­len, und die schö­ne Pro­vinz, wel­che noch vor kur­z­em eine Zier des by­zan­ti­ni­schen Kai­ser­rei­ches und die treues­te Pfle­ge­rin des Chris­ten­tums ge­we­sen, ge­horch­te jetzt dem Ka­li­fen Omar und muss­te es dul­den, den Halb­mond sich über­all ne­ben dem Kreu­ze er­he­ben zu se­hen.

Ein hei­ße­rer Som­mer hat­te das un­glück­li­che Land nur sel­ten ge­drückt, und der Nil, des­sen Wachs­tum man in der »Nacht des Trop­fens« am 17. Juni wie im­mer mit fest­li­chen Vor­be­rei­tun­gen er­war­tet, hat­te bis­her die Hoff­nung der Ägyp­ter be­tro­gen und war, statt zu stei­gen, klei­ner und klei­ner ge­wor­den. – In die­ser Zeit der Be­sorg­nis – am 10. Juli des Jah­res 643 – zog eine Ka­ra­wa­ne von Nor­den her in Mem­phis ein.

In der ent­völ­ker­ten, ver­fal­len­den Py­ra­mi­den­stadt, wel­che sich in Form ei­nes mäch­ti­gen Schilf­blat­tes nur in die Län­ge ent­wi­ckelt hat­te, da ih­rem Wachstun. in die Brei­te durch den Nil und das li­by­sche Ge­bir­ge Schran­ken ge­setzt wa­ren, zog schon die­se klei­ne Ka­ra­wa­ne die Bli­cke der Vor­über­ge­hen­den auf sich, wäh­rend es die Mem­phi­ten in frü­he­ren Jah­ren kaum für der Mühe wert ge­ach­tet hat­ten, den Kopf auf­zu­he­ben, wenn un­ab­seh­ba­re, mit Han­dels­gü­tern be­frach­te­te Wa­gen­rei­hen, wenn statt­li­che Züge von Och­sen­wa­gen, glän­zen­de kai­ser­li­che Rei­ter­ma­ni­peln oder end­lo­se Pro­zes­sio­nen die mehr als mei­len­lan­ge Haupt­stra­ße be­leb­ten.

Der Kauf­herr, wel­cher aus ei­nem Dro­me­dar von aus­ge­sucht ed­ler Zucht der Ka­ra­wa­ne vor­an­ritt, war ein ha­ge­rer, in wei­che Sei­de ge­klei­de­ter Mus­lim. Ein brei­ter Tur­ban be­deck­te den klei­nen Kopf die­ses Man­nes und warf ei­ni­gen Schat­ten auf sein zar­tes, ält­li­ches Ge­sicht.

Der Ägyp­ter, wel­cher ne­ben dem Kauf­herrn als Füh­rer auf ei­nem flin­ken Ese­lein da­hin­ritt, sah oft und gern in dies an sich nicht schö­ne Ant­litz mit den ein­ge­fal­le­nen Wan­gen, dem spär­li­chen Voll­bart und der großen Ad­ler­na­se; denn es glänz­ten aus dem­sel­ben zwei hel­le Au­gen von an­mu­ten­der Be­son­nen­heit und herz­li­cher Güte. Aber die­ser schmäch­ti­ge alte Herr, dem Schmerz und Krank­heit man­che Fur­che in die wohl­wol­len­den Züge ge­gra­ben, ver­stand auch zu be­feh­len und sei­nem Wil­len Gel­tung zu ver­schaf­fen, das sah man dem fei­nen, fest ge­schlos­se­nen Mun­de an, und dem Ei­fer, wo­mit die trot­zi­gen, bär­ti­gen, bis an die Zäh­ne be­waff­ne­ten Krie­ger­ge­stal­ten, wel­che ihm folg­ten, sei­nen Win­ken ge­horch­ten.

Sein ägyp­ti­scher Beglei­ter, der Vor­ste­her der Her­me­neu­ten oder Frem­den­füh­rer­zunft, ein mür­ri­scher, bräun­li­cher Mem­phit, zog, wenn er ein­mal sich den wil­den Dro­me­dar­rei­tern un­ver­se­hens nä­her­te, den Rücken ein, als sei er ei­nes Hie­bes oder Sto­ßes ge­wär­tig, wäh­rend er dem Kauf­herrn Ha­schim, dem Eig­ner der Ka­ra­wa­ne, furcht­los und mit der aus­gie­bi­gen Sprechlust sei­nes Stan­des Rede und Ant­wort gab.

»Wie gut Du hier in Mem­phis Be­scheid weißt!« sag­te der Ägyp­ter, nach­dem der alte Herr sei­nem Er­stau­nen über die trau­ri­ge Ver­än­de­rung und den Rück­gang der Stadt, Aus­druck ge­ge­ben.

»Vor drei­ßig Jah­ren«, ent­geg­ne­te der Kauf­mann, »hat mich mein Ge­schäft häu­fig hie­her ge­führt. Wie vie­le Häu­ser ste­hen jetzt leer und fal­len zu­sam­men, in de­nen es da­mals nur für schwe­res Geld Un­ter­kunft gab! Über­all Trüm­mer! Wer hat die­se schö­ne Kir­che so jäm­mer­lich ver­stüm­melt? Von den Mei­nen, ich weiß es von dem Feld­herrn Amr selbst, ist kein christ­li­ches Got­tes­haus an­ge­tas­tet wor­den.«

»Es war ja die Haupt­kir­che der Mel­chi­ten, der Kai­ser­knech­te«, rief der Füh­rer, als lie­ge schon dar­in die Er­klä­rung für das Ge­sche­he­ne; der Kauf­herr aber nahm das nicht an, son­dern frag­te: »Nun, und was liegt denn so Schlim­mes in ih­rer Leh­re?«

»Was?« ver­setz­te der Ägyp­ter, und sei­ne Au­gen be­gan­nen zor­nig zu fun­keln. »Was? Sie zer­stücken die gött­li­che Per­son des Hei­lands und le­gen ihr ver­schie­de­ne Na­tu­ren bei. Und dazu! Alle Grie­chen hier zu Lan­de ha­ben, be­vor die Dei­nen dem Gräu­el ein Ende mach­ten, uns, die Her­ren des Lan­des, ge­stützt auf die kai­ser­li­che Macht, wie Skla­ven ge­knech­tet. In ihre Kir­chen trie­ben sie uns mit Ge­walt, und was ägyp­ti­schen Blu­tes war, wie Re­bel­len und Aus­sät­zi­ge ward es be­han­delt. Ver­lacht und ver­ket­zert ha­ben sie uns we­gen un­sers Glau­bens an die ei­ne gött­li­che Na­tur un­sers Hei­lands.«

»Und dar­um«, fiel ihm der Kauf­herr ins Wort, »habt ihr, so­bald wir die Grie­chen ver­trie­ben, un­mil­der ge­gen sie und ihre Got­tes­häu­ser ge­han­delt als wir, die ihr ›Ungläu­bi­ge‹ schel­tet, ge­gen euch.«

»Mil­de ge­gen sie?« ent­geg­ne­te der Ägyp­ter höh­nisch und schau­te mit ei­nem bö­sen Blick auf das zer­stör­te Bau­werk. – »Sie ha­ben ge­ern­tet, was sie ge­sä­et, und wer jetzt in Ägyp­ten – ge­lobt sei der Hei­land! – nicht an eu­ren ei­ni­gen Gott glaubt, der be­kennt sich zu der ei­nen Na­tur un­sers Herrn Je­sus Chris­tus. Die Mel­chi­ten­rot­te, ihr habt sie ver­trie­ben, und an uns ist es dann ge­we­sen, Hand an die Häu­ser ih­res er­bärm­li­chen Hei­lands zu le­gen, den sie aus der Synode zu Chal­ce­don – ver­dammt soll sie sein! – sei­ner gött­li­chen Wür­de ent­klei­det.«

»Aber die Mel­chi­ten sind doch im­mer eure Glau­bens­ge­nos­sen, sind Chris­ten«, sag­te der Kauf­herr.

»Chris­ten?« wie­der­hol­te der Füh­rer und zuck­te ver­ächt­lich die Ach­seln. »Mö­gen sie sich selbst da­für hal­ten! Was mich und mit mir groß und klein in die­sem Lan­de an­geht, sind wir der Mei­nung, dass sie mit­nich­ten be­rech­tigt sind, sich uns­re Glau­bens­ge­nos­sen, sich Chris­ten zu nen­nen. Ver­flucht sind sie alle und sol­len sie sein samt ih­ren hun­dert, nein tau­send teuf­li­schen Ket­ze­rei­en, die un­sern Gott und Er­lö­ser zu ei­nem Din­ge ma­chen möch­ten wie das Göt­ter­bild dort an dem stei­ner­nen Pfos­ten. Oben ist’s eine Kuh, un­ten ein Mensch, und wel­cher ver­stän­di­ge Mann, frag’ ich, kann zu sol­chem Zwit­ter­balg be­ten? Wir Ja­ko­bi­ten, Mo­no­phy­si­ten oder wie man uns sonst nennt, ge­ben von der gött­li­chen Na­tur un­sers Herrn und Hei­lands kein Ti­tel­chen preis, und soll es nun ein­mal mit dem al­ten Glau­ben vor­bei sein, so will ich ein Mus­lim wer­den und mich zu eu­rem großen ei­ni­gen Gott be­keh­ren; denn be­vor ich mich zu der Ket­ze­rei der Mel­chi­ten be­ken­ne, lie­ber las­se ich mich mit Weib und Kind in Stücke zer­ha­cken. Wer weiß, wie’s noch kommt! Es bringt ja auch man­chen Vor­teil, der eure zu wer­den; denn ihr habt die Macht, und ihr mögt sie be­hal­ten! Von Frem­den wer­den wir nun ein­mal be­herrscht, und wer zahl­te nicht lie­ber die klei­ne­re Steu­er an den wei­sen und ge­sun­den Ka­li­fen in Me­di­na als die grö­ße­re an die mel­chi­ti­sche, brest­haf­te Kai­ser­brut in Kon­stan­ti­no­pel? Der Mu­kau­kas Ge­org ist ge­wiss kein schlech­ter Mann; aber wie er den Wi­der­stand ge­gen euch so schnell auf­gab, ist er der glei­chen Mei­nung ge­we­sen. Als recht­li­che, from­me Leu­te, uns­re Nach­barn, viel­leicht so­gar uns­re Stamm­ver­wand­ten, zieht er euch, ich weiß es von mei­nem Bru­der, den by­zan­ti­ni­schen Ket­zern, Men­schen­schin­dern und Blut­hun­den vor; und da­bei ist der Mu­kau­kas ein so gu­ter Christ wie nur ei­ner.«

Der Ara­ber hat­te dem Mem­phi­ten, den sein Füh­rer­amt zwang, sich selbst zu un­ter­bre­chen, auf­merk­sam und bis­wei­len mit sei­nem Lä­cheln zu­ge­hört. Jetzt ließ der Ägyp­ter die Ka­ra­wa­ne in eine Gas­se ein­bie­gen, wel­che zu der dem Stro­me gleich­lau­fen­den Stra­ße führ­te, in der sich ei­ni­ge von Gär­ten um­ge­be­ne Häu­ser statt­lich er­ho­ben.

So­bald Mensch und Tier auf dem bes­sern Pflas­ter wei­ter zo­gen, sag­te der Kauf­herr: »Ich habe den Va­ter des Man­nes, den Du da nann­test, recht wohl ge­kannt. Er war ein rei­cher und da­bei wohl­ge­sinn­ter Herr, und auch von sei­nem Soh­ne hör­t’ ich nur Gu­tes. Darf er im­mer noch den Ti­tel ›Statt­hal­ter‹ oder – wie sag­test Du gleich? – ei­nes Mu­kau­kas füh­ren?«

»Ge­wiss, Meis­ter!« ent­geg­ne­te der Her­me­neut. »Es gibt in Ägyp­ten kein äl­te­res Ge­schlecht als das sei­ne, und wenn der alte Men­as schon reich war, so ist es der Mu­kau­kas Ge­org noch mehr, durch Erb­schaft und das Hei­rats­gut sei­ner Gat­tin. Ei­nen ver­stän­di­ge­ren, ge­rech­teren Statt­hal­ter kön­nen wir uns nicht wün­schen! Auch den Un­ter­be­am­ten sieht er auf die Fin­ger, aber so schnell wie sonst wer­den die Ge­schäf­te doch nicht mehr er­le­digt; denn wenn er auch kaum äl­ter ist als ich, und ich ste­he am Ende der Fünf­zig, so kommt er doch aus dem Krank­sein nicht mehr her­aus, und schon seit Mo­na­ten hat ihn nie­mand mehr aus­fah­ren se­hen; selbst wenn euer Statt­hal­ter ihn se­hen will, kommt er von drü­ben her­über. Ein Jam­mer ist’s um den Mann, und wer hat ihm den statt­li­chen Leib zu Grun­de ge­rich­tet? Die Mel­chi­ten­hun­de sind es ge­we­sen! Frag’ nur am Nil, so lang er ist, nach dem Ur­he­ber ei­nes Un­glücks, und Du wirst im­mer die­sel­be Ant­wort be­kom­men. Wo der Mel­chit, der Grie­che hin­trat, da war’s aus mit dem Gras­wuchs!«

»Aber dem Mu­kau­kas, dem höchs­ten Be­am­ten des Kai­sers …« hob der Ara­ber an; doch der an­de­re un­ter­brach ihn und rief:

»Er, denkst Du, sei si­cher vor ih­nen ge­we­sen? An sei­ne ei­ge­ne Per­son ha­ben sie frei­lich nicht ge­tas­tet; aber es ist noch schlim­mer ge­kom­men; denn bei ei­nem Auf­stand der Mel­chi­ten ge­gen die Uns­ren – in Alex­an­dria war es, und der ver­stor­be­ne grie­chi­sche Pa­tri­arch Cy­rus hat­te die Hand mit im Spie­le – da sind ihm zwei Söh­ne, zwei schö­ne, blü­hen­de Män­ner, wie tol­le Hun­de er­schla­gen wor­den, und das hat ihm den Rücken ge­bro­chen.«

»Ar­mer Mann!« seufz­te der Ara­ber. »Und ist ihm kein an­de­res Kind ver­blie­ben?«

»Doch, Herr, doch! Ein Sohn und des äl­tes­ten Wit­we. Die ist frei­lich nach dem Tod ih­res Gat­ten ins Klos­ter ge­gan­gen, aber ihr Kind, die klei­ne Ma­ria, zehn Jah­re wird sie alt sein, hat sie bei den Gro­ß­el­tern ge­las­sen.«

»Das ist schön«, rief der Kauf­herr, »das wird Son­nen­schein in das Haus ge­bracht ha­ben.«

»Ge­wiss, Herr! Und es fehl­te da auch sonst – eben jetzt noch – ge­wiss nicht an Freu­de. Der ein­zi­ge über­le­ben­de Sohn, Ori­on heißt er, ist vor­ges­tern aus Kon­stan­ti­no­pel heim­ge­kehrt, wo er lan­ge ge­we­sen, und das hat ein Le­ben ge­ge­ben! Die hal­be Stadt war wie när­risch. Tau­sen­de sind ihm ent­ge­gen­ge­zo­gen, als wär’ es der Hei­land; Ehren­pfor­ten ha­ben sie ihm ge­baut, und selbst die Mei­nen – von Zu­rück­hal­ten war da kei­ne Rede. Alle woll­ten den Sohn und Er­ben des großen Mu­kau­kas se­hen, und die Wei­ber na­tür­lich al­len vor­an!«

»Das kommt so her­aus«, sag­te der Ara­ber, »als sei der Heim­ge­kehr­te sol­cher Ehre nicht wür­dig.«

»Wie man’s an­sieht«, ver­setz­te der Ägyp­ter und zuck­te die Ach­seln. »Er ist ein­mal der ein­zi­ge Sohn des ers­ten Man­nes im Lan­de.«

»Ver­spricht aber nicht, dem Al­ten ähn­lich zu wer­den?«

»Doch, doch!« rief der an­de­re. »Mein Bru­der, ein geist­li­cher Herr, der Vor­ste­her uns­rer großen Schu­le, war sein Leh­rer, und ein glei­cher Kopf wie Ori­on, sagt er, sei ihm nicht wie­der be­geg­net. Al­les flog ihm nur so an, und da­bei ist er flei­ßig ge­we­sen wie ar­mer Leu­te Kind. Ruhm und Ehre, meint Mar­cus, hät­ten wir, die El­tern und sei­ne Va­ter­stadt Mem­phis von ihm zu er­war­ten; aber ich, ich seh’ auch die Schat­ten, und ich sage Dir, die Wei­ber ver­dre­hen ihm den Kopf und rich­ten ihn end­lich zu Grun­de. – Schön ist er, statt­li­cher noch als der Alte in sei­nen Jah­ren, und das macht er sich zu nutz, und wo ihm et­was An­mu­ti­ges be­geg­net – und es stellt sich ihm über­all in den Weg –«

»Da greift der jun­ge Tau­ge­nichts zu«, lach­te der Mus­lim. »Wenn es wei­ter nichts ist, was Dich ängs­tigt, so freut mich’s für ihn. Er ist jung, und der­glei­chen gibt sich.«

»Nein, Herr; auch mein Bru­der, – er ist jetzt in Alex­an­dria und im­mer noch blind und när­risch ein­ge­nom­men für den frü­he­ren Schü­ler – auch er sieht dar­in eine ge­fähr­li­che Klip­pe. Wenn das sich nicht än­dert, so wird er wei­ter und wei­ter ab­wei­chen von den Ge­bo­ten des Herrn und Scha­den neh­men an sei­ner See­le, und die Ge­fah­ren um­ste­hen ihn über­all wie brül­len­de Lö­wen. Die edle Gabe der Schön­heit und des ge­win­nen­den We­sens, die führt ihn noch ins Ver­der­ben; und ich wün­sch’ es nicht, aber mir ahnt es …«

»Du siehst schwarz und ur­teilst hart«, er­wi­der­te der Alte. »Die Ju­gend …«

»Auch die Ju­gend«, ent­geg­ne­te der Füh­rer, »die christ­li­che we­nigs­tens, soll sich selbst be­herr­schen, und wenn ei­ner, so bin ich ge­neigt, dem schö­nen Bur­schen das Bes­te zu gön­nen, und dass ich’s nur ge­ste­he: wenn er mich grüßt, so ist mir’s gleich, als wär’ mir et­was Gu­tes be­geg­net, und so geht es noch tau­send an­de­ren Män­nern in Mem­phis, und den Wei­bern erst recht; doch trotz al­le­dem hat schon man­che vie­le bit­te­re Trä­nen um ihn ver­gos­sen. Aber, bei al­len Hei­li­gen, wenn man vom Wolf spricht, gleich … Sieh nur, da ist er! … Halt, hal­tet ein we­nig, ihr Leu­te! Es lohnt sich, Herr, einen Au­gen­blick zu ver­zie­hen!«

»Das statt­li­che Vier­ge­spann dort an der ho­hen Gar­ten­pfor­te ist seins?«

»Es sind die pan­no­ni­schen Ren­ner, die er mit­ge­bracht hat, schnell wie der Blitz und da­bei … Aber dort … Sieh! Ach, nun tre­ten sie hin­ter den Gar­ten­zaun zu­rück; aber Du, Du musst sie doch von Dei­nem ho­hen Dro­me­dar aus se­hen kön­nen. Das klei­ne Fräu­lein da bei ihm, das ist die Toch­ter der Wit­we Su­san­ne, der die­ser Gar­ten und der schö­ne Palast hin­ter den Bäu­men ge­hört.«

»Ein herr­lich Be­sitz­tum!« rief der Ara­ber.

»Das will ich mei­nen«, ent­geg­ne­te der Mem­phit; »der Gar­ten reicht bis an den Nil, und wie er ge­pflegt ist!«

»Hat hier nicht frü­her der Korn­händ­ler Phil­am­mon ge­wohnt?« frag­te der Kauf­herr, als stie­gen alte Erin­ne­run­gen in ihm auf.

»Frei­lich! Er war Su­san­nens Ge­mahl und muss ein Fünf­zi­ger ge­we­sen sein, als er um sie frei­te. Die Klei­ne ist ihre ein­zi­ge Toch­ter, die reichs­te Er­bin im gan­zen Gau, aber trotz ih­rer sech­zehn Jah­re nicht recht aus­ge­wach­sen, ei­nes al­ten Va­ters Kind, weißt Du, und doch hübsch und lus­tig, eine Lach­tau­be in Mäd­chen­ge­stalt, und so schnell und be­weg­lich! Ihre ei­ge­nen Leu­te ha­ben sie das ›Bach­stelz­chen‹ ge­tauft.«

»Gut, gut und tref­fend«, ver­setz­te der Kauf­herr ver­gnügt. »Klein ist sie, mehr Kind als Jung­frau, aber mir ge­fällt das zier­li­che, mun­tre Ge­schöpf. Der Sohn des Mu­kau­kas – wie hieß er?«

»Ori­on, Herr«, ent­geg­ne­te der an­de­re.

»Alle Wet­ter«, schmun­zel­te der Alte, »Du hast nicht ge­schmei­chelt, Mann! Ei­nem Jüng­ling wie die­sem ›Orion‹ be­geg­net man nicht alle Tage! Wel­cher Wuchs! Wie die brau­nen Lo­cken ihm ste­hen! Und auch das trifft zu: die­se Art ver­zieht zu­erst die ei­ge­ne Mut­ter, und die an­de­ren Frau­en fol­gen dann ih­rem Bei­spiel. Er hat auch ein of­fe­nes, klu­ges Ge­sicht, hin­ter dem et­was steckt. Hät­te er nur den pur­pur­nen Rock und den gol­de­nen Krims­krams in Kon­stan­ti­no­pel ge­las­sen! Der­glei­chen passt nicht mehr in die­se trau­ri­ge, ver­fal­len­de Stadt.«

Wäh­rend der letz­ten Wor­te trieb der Mem­phit sein Ese­lein wie­der zum Gang an, der Ara­ber hielt ihn in­des­sen zu­rück; denn ihn fes­sel­te, was sich hin­ter der Gar­ten­mau­er zu­trug.

Er sah dort, wie der schö­ne Ori­on ein wei­ßes Hünd­chen, einen Sei­den­spitz von be­son­de­rer Fein­heit, der au­gen­schein­lich ihm ge­hör­te, dem klei­nen Fräu­lein auf den Arm gab, sah, wie sie es küss­te, und ihm einen lan­gen Gras­halm um den Hals schlang, als woll­te sie ihm Maß da­mit neh­men. Dann wur­de der Alte ge­wahr, wie sie bei­de mut­wil­lig lach­ten, wie sie ein­an­der in die Au­gen blick­ten und end­lich Ab­schied nah­men. Da­bei hob sie sich auf den Ze­hen zu ei­nem sel­te­nen Strau­che em­por, an des­sen Spit­ze zwei köst­li­che pur­pur­ne Glo­cken blüh­ten, pflück­te sie rasch, reich­te sie ihm er­rö­tend, und wies die Hand, wo­mit er sie beim Auf­stre­ben zu den Blu­men un­ter­stützt hat­te, mit ei­nem fröh­li­chen Schla­ge von ih­rem Arme zu­rück, und die son­nigs­te Glücks­emp­fin­dung leuch­te­te dem Jüng­ling aus ih­rem fri­schen Ge­sicht­chen ent­ge­gen, wie er die Stel­le, wel­che ihre Fin­ger ge­trof­fen hat­te, küss­te und dann auch die Blu­men mit den Lip­pen be­rühr­te.

Der alte Herr schau­te dem al­len so teil­nahm­voll und hei­ter zu, als er­we­cke es die lieb­lichs­ten Erin­ne­run­gen in sei­nem Ge­mü­te, und sei­ne gu­ten Au­gen lach­ten, als Ori­on, nicht we­ni­ger schalk­haft und fröh­lich als sie, ihr ei­ni­ge Wor­te ins Ohr raun­te, und sie den lan­gen Gras­halm aus dem Gür­tel zog, ihm schnell und als gäl­te es, ihn zu stra­fen, da­mit über das Ge­sicht fuhr und dar­auf flüch­tig wie ein Reh über Ra­sen und Bee­te, ohne sei­ner wie­der­hol­ten Rufe: »Ka­tha­ri­na, al­ler­liebs­te, große Jung­frau Ka­tha­ri­na!« zu ach­ten, dem Palast ent­ge­gen floh.

Das war ein rei­zen­des klei­nes Aben­teu­er ge­we­sen, und der alte Ha­schim hielt es in sei­ner See­le fest und freu­te sich im­mer noch dar­an, als er mit den Sei­nen schon wie­der ein ziem­lich Stück We­ges zu­rück­ge­legt hat­te. Er war Ori­on, dem Sohn des Mu­kau­kas Ge­org, dank­bar für dies lieb­li­che Schau­spiel, und als er das Vier­ge­spann des­sel­ben in lang­sa­mem Tra­be sich der Ka­ra­wa­ne nä­hern hör­te, wand­te er sich nach ihm um und be­hielt es im Auge.

Aber nach­dem die vier Pan­no­nier, der mit man­cher­lei in Sil­ber ge­trie­be­nen Fi­gu­ren be­deck­te Wa­gen und sein Len­ker, die ein Gan­zes von sel­te­ner Schön­heit und bes­tem Ge­schmack bil­de­ten, lang­sam an ihm vor­bei ge­kom­men wa­ren, um dann wind­schnell auf der nun frei­en Stra­ße vor­wärts zu sau­sen und in dich­ten Staub­wol­ken zu ver­schwin­den, hat­te des Kauf­herrn Ant­litz den hei­tern Aus­druck ver­lo­ren, und es lag et­was tief Weh­mü­ti­ges in sei­ner Stim­me, als er ei­nem der jun­gen Ka­mel­trei­ber be­fahl, die Blu­men, wel­che hin­ter ih­nen im Stau­be la­gen, vom Wege auf­zu­le­sen und ihm zu brin­gen.

Er war Zeu­ge ge­we­sen, wie der schö­ne jun­ge Mann mit ei­nem Blick und ei­ner Be­we­gung, als zür­ne er sich selbst, die freund­li­che Gabe auf den hei­ßen Staub der Stra­ße ge­schleu­dert.

»Dein Bru­der hat Recht«, rief nun der Alte dem Mem­phi­ten zu. »Für die­sen jun­gen Mann sind die Frau­en eine ge­fähr­li­che Klip­pe, und er für sie, wie ich fürch­te. Die arme Klei­ne da drü­ben!«

»Das Bach­stelz­chen meinst Du?« frag­te der Füh­rer. »O, mit der könnt’ es doch leicht et­was Ernst­li­ches wer­den! Die lie­ben Müt­ter ma­chen das Ding schon fer­tig. Sie sit­zen bei­de im Gol­de, und wo Tau­ben sind, flie­gen Tau­ben zu. Gott­lob, die Son­ne steht schon über den Py­ra­mi­den! Lass Dei­ne Leu­te in der großen Her­ber­ge dort ein­keh­ren. Der Wirt ist ein red­li­cher Mann, und es fehlt bei ihm auch nicht an Schat­ten!«

»Was die Tie­re und Knech­te an­geht«, ver­setz­te der Kauf­herr, »so mö­gen sie hier ras­ten. Ich, der Ka­ra­wa­nen­füh­rer und ei­ni­ge Leu­te wol­len uns et­was stär­ken, und dann führst Du uns zu dem Statt­hal­ter; ich habe mit ihm zu re­den. Es ist nicht mehr früh …«

»Un­be­sorgt!« ent­geg­ne­te der Ägyp­ter. »Der Mu­kau­kas emp­fängt an so glü­hen­den Ta­gen am liebs­ten nach Son­nen­un­ter­gang. Wenn Du mit ihm zu tun hast, bist Du mit mir an den Rech­ten ge­kom­men. Lass ei­ni­ge Gold­stücke sprin­gen, und ich schaf­fe Dir noch heu­te durch den Haus­meis­ter Se­bek Ge­hör – er ist mein Vet­ter. Wäh­rend ihr hier ras­tet, rei­te ich in die Statt­hal­te­rei und bring’ Dir dann Nach­richt.«

Zweites Kapitel.

Die Her­ber­ge, in wel­che der Kauf­mann Ha­schim mit den Sei­nen ein­zog, lag, rings von Pal­men um­ge­ben, an ei­ner er­höh­ten Stel­le des We­ges. Vor der Zer­stö­rung der heid­nischen Al­ter­tü­mer im Nil­tal war sie ein Tem­pel Im­ho­teps, des ägyp­ti­schen Äs­ku­lap, des freund­li­chen Got­tes der Heil­kun­de, ge­we­sen, wel­cher auch in der To­ten­stadt sei­ne be­son­de­re Ver­eh­rungs­stät­te be­ses­sen. Die­se war halb zer­stört, halb vom Wüs­ten­san­de be­gra­ben wor­den, wäh­rend ein un­ter­neh­men­der Wirt den hüb­schen Im­ho­tep­tem­pel in der Stadt samt dem dazu ge­hö­ren­den hei­li­gen Hain für bil­li­ges Geld an­ge­kauft hat­te. Seit­dem war er von ei­ner Hand in die an­de­re ge­gan­gen, an die mas­siv ge­bau­ten Tem­pel­räu­me hat­te sich ein großes höl­zer­nes Haus für die Auf­nah­me von Rei­sen­den ge­schlos­sen, und in dem Pal­men­hain, wel­cher bis zu dem schlecht er­hal­te­nen Ufer­damm reich­te, er­ho­ben sich Stäl­le und sah man ein­ge­zäun­te Plät­ze für an­ge­trie­be­ne Her­den. So glich das Gan­ze ei­nem Vieh­markt, und in der Tat ka­men die Metz­ger und Ross­käm­me der Stadt gern hie­her, um ih­ren Be­darf zu be­frie­di­gen. Da­ge­gen zog der Pal­men­hain, ei­ner der we­ni­gen, die in der Nähe der Stadt ste­hen ge­blie­ben wa­ren, die Bür­ger von Mem­phis an, um »Lüft­chen zu rie­chen« und sich in sei­nem Schat­ten eine Güte zu tun. Hart am Stro­me hat­te der Wirt Ti­sche und Bän­ke auf­stel­len las­sen, und in dem klei­nen Ha­fen auf sei­nem Grund­stück gab es Boo­te zu mie­ten. Auch wer zu sei­nem Ver­gnü­gen von der Stadt aus Was­ser­fahr­ten mach­te, der leg­te hier gern an und nahm un­ter den Pal­men des Ne­sptah eine Er­fri­schung.

Die bei­den Häu­ser­rei­hen, wel­che die­sen Sam­mel­platz für ver­nünf­ti­ge und un­ver­nünf­ti­ge We­sen frü­her von der Stra­ße ge­trennt und sich nach dem Nil hin ne­ben ihm er­ho­ben hat­ten, wa­ren längst ein­ge­stürzt und von den Wir­ten der Erde gleich ge­macht wor­den. Jetzt sah man un­ter Lei­tung von ara­bi­schen Vög­ten ei­ni­ge hun­dert Ar­bei­ter be­schäf­tigt, eine ge­wal­ti­ge Rui­ne aus der Zeit der pto­le­mäi­schen Kö­ni­ge, die kaum zwei­hun­dert Schrit­te von dem Pal­men­hain ent­fernt lag, ab­zu­tra­gen und die großen, schön be­haue­nen Kalk- und Mar­mor­qua­dern, so­wie die zahl­rei­chen ho­hen Säu­len, wel­che das Dach des Zeu­stem­pels von Mem­phis ge­tra­gen hat­ten, trotz der bren­nen­den Hit­ze des Nach­mit­tags aus Och­sen­kar­ren zu la­den und sie dem Dam­me und von dort aus auf fla­chen Käh­nen dem öst­li­chen Nilufer zu­zu­füh­ren.

Dort er­rich­te­te Amr, der Feld­herr und Stell­ver­tre­ter des Ka­li­fen, sei­ne neue Re­si­denz. Die Tem­pel der al­ten Göt­ter wur­den da­bei als Stein­brü­che be­nützt, und es fan­den sich in ih­nen nicht nur sorg­sam be­haue­ne Werk­stücke vom fes­tes­ten Ge­stein, son­dern auch grie­chi­sche Säu­len je­der Ord­nung in Men­ge, die man jen­seits des Stro­mes nur wie­der aus­zu­stel­len hat­te; denn die Ara­ber ver­schmäh­ten kein Ma­te­ri­al, ja sie ver­wand­ten sorg­los beim Bau ih­rer Got­tes­häu­ser Qua­dern und Säu­len, auch wenn sie aus heid­nischen Tem­peln oder christ­li­chen Kir­chen ka­men.

In dem Her­ber­gen­tem­pel des Im­ho­tep wa­ren Wän­de und De­cken ur­sprüng­lich über und über mit Göt­ter­bil­dern und hie­ro­gly­phi­schen In­schrif­ten be­deckt ge­we­sen; aber der Rauch des Herd­feu­ers hat­te sie längst ge­schwärzt, glau­bens­eif­ri­ge Hän­de wa­ren nicht müde ge­wor­den, sie zu ver­stüm­meln, und über man­che hat­te man Kalk ge­wor­fen und ihn mit christ­li­chen Sym­bo­len oder sehr welt­li­chen Krit­ze­lei­en in grie­chi­scher oder der Volks­schrift der Ägyp­ter be­deckt.

In der frü­he­ren großen Tem­pel­hal­le nahm der Ara­ber mit den Sei­nen die Mahl­zeit ein, und alle ent­hiel­ten sich da­bei des Wei­nes, mit Aus­nah­me des Ka­ra­wa­nen­füh­rers, der kein Mus­lim war, son­dern zu der per­si­schen Sek­te der Mas­da­ki­ten ge­hör­te.

Nach­dem der alte Herr sich an ei­nem be­son­de­ren Tisch­chen ge­sät­tigt, rief er je­nen an und be­fahl ihm, den Bal­len mit dem Tep­pich si­cher, aber leicht ab­lös­bar auf die Sänf­te zwi­schen den bei­den großen Last­ka­me­len zu le­gen.

»Ist schon ge­sche­hen«, ver­setz­te der Per­ser, ein Pracht­mensch, groß und breit wie eine Ei­che, und mit ei­nem Kop­fe, den das blon­de Haupt­haar wie eine Lö­wen­mäh­ne um­wall­te, in­dem er sich den mäch­ti­gen Schnurr­bart wisch­te.

»De­sto bes­ser«, ent­geg­ne­te Ha­schim. »Komm mit mir ins Freie!«

Da­mit ging er dem Mas­da­ki­ten in den Pal­men­hain vor­an.

Das Ta­ges­ge­stirn war hin­ter den Py­ra­mi­den, der To­ten­stadt und der li­by­schen Berg­ket­te zur Rüs­te ge­gan­gen, und sein Wi­der­schein be­mal­te nun den öst­li­chen Him­mel und das nack­te Kalk­ge­bir­ge von Ba­by­lon jen­seits des Stro­mes mit Far­ben von un­be­schreib­lich wech­sel­vol­ler Schön­heit. Es war, als hät­ten alle Ro­sen­ar­ten, die der er­fah­rens­te Gärt­ner in Ar­si­noë oder Nau­kra­tis züch­te­te, von der gold­gel­ben an bis zu der pur­pur­nen und der mit tie­fem vio­lett­li­chem Schwarz­rot ge­sät­tig­ten, die Far­ben her­ge­ge­ben, um die Flä­chen, die Vor­sprün­ge und Schluch­ten des Ge­bir­ges ge­dan­ken­schnell mit zau­ber­haf­ten Tin­ten zu über­gie­ßen.

Dem al­ten Man­ne schwoll die Brust bei die­sen. An­blick, und in­dem er tief auf­at­me­te, leg­te er die zar­te Hand auf den Rie­sen­arm des Per­sers und sag­te: »Euer Meis­ter Mas­dak lehrt, es sei Got­tes Wil­le, dass der eine nicht mehr und nicht we­ni­ger sein ei­gen nen­ne als der an­de­re und dass es we­der Arme noch Rei­che gebe auf Er­den; denn je­der Be­sitz ge­hö­re al­len ge­mein­sam. Nun schau ein­mal mit mir hie­her! Wer dies nicht ge­se­hen, hat gar nichts ge­se­hen; es gibt nichts Schö­ne­res hie­nie­den, und wem ge­hört es? Dem ar­men, ein­fäl­ti­gen Sa­lech dort, den wir aus Gna­de halb nackt den Ka­me­len nachtra­ben las­sen, ist sie so gut zu ei­gen wie Dir und mir und dem Ka­li­fen. Sei­nen großen Wer­ken ge­gen­über hat Gott uns alle so ge­stellt, wie es euer Meis­ter be­gehrt. Wie viel Schö­nes ist doch im all­ge­mei­nen Be­sitz un­se­res Ge­schlechts! Sei­en wir dank­bar da­für, Rus­tem; denn wahr­lich, es ist nicht we­nig. – Das Ei­gen­tum, wel­ches der Mensch er­wirbt oder ver­liert, da­mit ist es frei­lich et­was ganz an­de­res. Auf der glei­chen Renn­bahn ste­hen wir alle, und was ihr be­gehrt, das for­dert nur, dem Schnel­le­ren Blei an die Füße hän­gen, da­mit kei­ner dem an­dern zu­vor­kommt, das wür­de … Aber wei­den wir jetzt lie­ber die Au­gen an der wun­der­vol­len Schön­heit da drü­ben! Sieh nur, was vor­hin wie die­se pur­pur­far­be­ne Glo­cken­blu­me er­schi­en, das wird jetzt zum Ru­bin, was wie Veil­chen schim­mer­te, zum dunklen Ame­thyst. Der gol­de­ne Rand dort an den Wol­ken, der fasst die Ju­we­len zu­sam­men, und das al­les ist mein, ist Dein, ist un­ser, so lan­ge sich Auge und Herz dar­an er­götzt und er­hebt.«

Da lach­te der Mas­da­kit mit ei­nem quell­fri­schen, wohl­tö­nen­den La­chen laut auf und rief: »Ja, Meis­ter, wer Dei­ne Au­gen hät­te! Es sieht frei­lich bunt ge­nug aus dort am Him­mel und an den Ber­gen, und so rote Far­ben hat’s da­heim sel­ten; doch was nützt uns der Zau­ber? Du siehst Ru­bi­nen und Ame­thys­te da oben, aber ich? – Die Ju­we­len in Dei­nem Tep­pich, die be­deu­ten was an­de­res als das lus­ti­ge Ge­fun­kel! Nichts für un­gut, Meis­ter, aber für den Bal­len dort gäb’ ich alle Son­nen­un­ter­gän­ge auf Er­den, und es soll­t’ mich nicht reu­en!« Da­bei lach­te er wie­der hell auf und fuhr fort: »Doch Du, Vä­ter­chen, Du wür­dest Dich hü­ten, den Han­del zu schlie­ßen! – Was uns Mas­da­ki­ten be­trifft, so ist die Zeit für uns noch nicht ge­kom­men!«

»Und wenn sie da wäre, und Du be­kämst den Tep­pich?«

»Dann ver­kauf­te ich ihn und leg­te den Er­lös zu mei­nem Er­spar­ten und gin­ge nach Hau­se und kauf­te mir Land, und nähm’ mir ein hüb­sches Weib und züch­te­te Ka­me­le und Ros­se.«

»Aber über­mor­gen kämen die Ar­men, die nichts zu­rück­ge­legt und kein gu­tes Ge­schäft mit dem Aben­d­ro­te ge­macht ha­ben, und je­der ver­lang­te ein Stück Dei­nes Lan­des, ein Ka­mel und ein Foh­len, Du be­kämest nie wie­der einen herr­li­chen Son­nen­un­ter­gang zu se­hen, und Dein hüb­sches Weib­chen wür­de mit Dir in die Welt zie­hen, um Dir zu hel­fen, mit an­de­ren zu tei­len. Las­sen wir’s nur beim al­ten, mein Rus­tem, und der Höchs­te be­wah­re Dir Dein bra­ves Herz, Du när­ri­scher Qu­er­kopf.«

Da beug­te sich der Rie­se auf den Arm sei­nes Herrn, und wäh­rend er ihn dank­bar küss­te, kehr­te der Frem­den­füh­rer mit lan­gem Ge­sich­te zu­rück; denn er hat­te zu viel ver­spro­chen. Der Mu­kau­kas Ge­org war – ein ganz un­er­hör­tes Er­eig­nis – ge­ra­de als er um Ge­hör für den Ara­ber bit­ten woll­te, in die Gon­del ge­tra­gen wor­den, um mit sei­nem Soh­ne und den Frau­en des Hau­ses eine Was­ser­fahrt zu un­ter­neh­men. – Die Heim­kehr Ori­ons, hat­te der Haus­meis­ter ge­sagt, habe den al­ten Herrn wie ver­jüngt. Ha­schim müs­se nun bis mor­gen war­ten, und er, der Füh­rer, rate ihm, in der Stadt, in der Her­ber­ge des So­stra­tus, wo es an nichts feh­le, zu über­nach­ten.

Aber der Kauf­herr zog es vor, hier zu blei­ben. Der Auf­schub be­küm­mer­te ihn we­nig, zu­mal er oh­ne­hin einen ägyp­ti­schen Arzt we­gen ei­nes al­ten Lei­dens um Rat fra­gen woll­te, und einen tüch­ti­ge­ren und ge­lehr­te­ren als den be­rühm­ten Phil­ip­pus, ver­si­cher­te der Her­me­neut, kön­ne er im gan­zen Lan­de nicht fin­den. Hier drau­ßen sei es ja schön, und von den Bän­ken am Ufer aus las­se sich der Ko­met be­ob­ach­ten, der sich seit ei­ni­gen Ta­gen zei­ge und ge­wiss schlim­me Zei­ten ver­kün­de. Die gan­ze Stadt sei wie ge­lähmt von Be­sorg­nis; das zei­ge sich recht deut­lich hier in der Wirt­schaft des Ne­sptah; denn sonst füll­ten sich, wenn die abend­li­che Küh­lung ein­tre­te, die Ti­sche und Bän­ke un­ter den Pal­men mit Was­ser­fah­rern und Spa­zier­gän­gern, aber jetzt, wer ge­traue sich in die­sen Angst­ta­gen an Ver­gnü­gen zu den­ken?

Da­mit be­stieg er wie­der­um den Esel, um den Arzt zu ru­fen, der alte Ha­schim aber be­gab sich am Arm des Mas­da­ki­ten zu den Bän­ken un­ter den Pal­men und schau­te von dort aus ge­dan­ken­voll zum Ster­nen­him­mel em­por, wäh­rend sein jun­ger Ge­fähr­te von der Hei­mat träum­te und sich dort auch ohne den kost­ba­ren Tep­pich und nur für sein Er­spar­tes Wei­de­land kau­fen, ein Haus bau­en und ein hüb­sches Weib­chen dar­in wal­ten sah. Ob es blond oder braun aus­fal­len wür­de? Blond wär’ ihm lie­ber ge­we­sen.

Aber hier brach sein Lust­schloss zu­sam­men; denn es nä­her­te sich et­was auf dem Nil, das sei­ne Auf­merk­sam­keit an­zog und ihn ver­an­lass­te, auch sei­nen Herrn dar­auf hin­zu­wei­sen.

Vor ih­nen lag der Strom wie ein brei­tes Band von schwar­zem Sil­ber­bro­kat. Der zu­neh­men­de Mond spie­gel­te sich in sei­ner kaum merk­lich be­weg­ten Flä­che, und wo sein Was­ser sich kräu­sel­te, ver­bräm­te er die nied­ri­gen Wel­len­häup­ter mit hell­f­lim­mern­dem Glan­ze. Fle­der­mäu­se schwan­gen sich durch die Nacht­luft von der To­ten­stadt her auf den Nil zu und wieg­ten sich über ihn hin wie vom Win­de be­weg­te leich­te Schat­ten. Nur we­ni­ge drei­e­cki­ge Se­gel schweb­ten wie hel­le Rie­sen­vö­gel über dem dunklen Was­ser, aber von Nor­den, von der Stadt her, nä­her­te sich auf dem Stro­me ein großer Kör­per mit glanz­voll und weit­hin schim­mern­den Lichtau­gen den Pal­men.

»Ein statt­li­ches Boot, ge­wiss das des Mu­kau­kas Ge­org!« sag­te der Kauf­herr, und lang­sam trieb es von der Mit­te des Flus­ses her ge­ra­de auf den Hain zu.

In­zwi­schen hat­te sich auch auf der Land­stra­ße hin­ter der Her­ber­ge Pfer­de­ge­trap­pel ver­neh­men las­sen. Ha­schim schau­te sich um und sah Fa­ckel­trä­ger, wel­che vor ei­nem Wa­gen her­lie­fen.

»Bis hie­her«, sag­te der Alte, »wird der Kran­ke fah­ren und dann, um die Nacht­luft auf dem Was­ser zu ver­mei­den, sich im Wa­gen nach Hau­se be­ge­ben. Selt­sam, da be­geg­ne ich heut’ zum zwei­ten­ma­le sei­nem viel be­spro­che­nen Soh­ne.«

Bald kam die Lust­fahrt­gon­del des Statt­hal­ters den Pal­men nä­her. Es war ein großes, schö­nes Fahr­zeug von Ze­dern­holz mit reich ver­gol­de­tem Zier­rat und dem Bil­de des Jo­han­nes, des Schutz­hei­li­gen der Fa­mi­lie, an der Spit­ze. Der Strah­len­kranz, wel­cher das Haupt die­ser Fi­gur um­gab, war mit Lam­pen be­setzt, und große La­ter­nen er­ho­ben sich ne­ben ihr und am Hin­ter­tei­le des Boo­tes. Dort ruh­te un­ter ei­nem Bal­da­chin der Mu­kau­kas Ge­org und ne­ben ihm sei­ne Gat­tin Ne­fo­ris. Ih­nen ge­gen­über saß ihr Sohn und eine Jung­frau von ho­hem Wuch­se, zu de­ren Fü­ßen ein Kind von zehn Jah­ren kau­er­te und das lieb­li­che Köpf­chen an sie ge­schmiegt hielt. Eine äl­te­re Grie­chin, die Er­zie­he­rin der Klei­nen, saß ne­ben ei­nem sehr großen Man­ne, dem Arz­te Phil­ip­pus, auf ei­nem Pols­ter, das der Bal­da­chin nicht mehr be­schirm­te. Hel­ler Lau­ten­klang be­glei­te­te das Boot, und der­je­ni­ge, wel­cher die Sai­ten kunst­fer­tig schlug, war der jüngst heim­ge­kehr­te Ori­on.

Dies al­les bot einen gar er­freu­li­chen An­blick: das schöns­te Bild ei­ner vor­neh­men, in Lie­be ver­ein­ten Fa­mi­lie. Aber wer war die Jung­frau an der Sei­te des jun­gen Ori­on? Dies­mal wand­te er ihr die gan­ze Auf­merk­sam­keit zu, und wenn er tiefer in die Sai­ten griff, such­te er ihre Au­gen, und es hat­te dann zu­wei­len das An­se­hen, als spie­le er für sie al­lein, und sol­che Aus­zeich­nung schi­en ihr in der Tat zu­zu­kom­men; denn als das Fahr­zeug in den klei­nen Ha­fen ein­fuhr und Ha­schim ihre Züge zu un­ter­schei­den ver­moch­te, war er über­rascht von ih­rer ed­len, echt grie­chi­schen Schön­heit.

Jetzt stie­gen ei­ni­ge reich­ge­klei­de­te Skla­ven, wel­che mit dem Ge­spann auf der Stra­ße ge­kom­men sein muss­ten, auf das Boot, um den kran­ken Herrn in den Wa­gen zu tra­gen, und es zeig­te sich nun, dass der Stuhl, wor­auf der Lei­den­de saß, mit Ar­men ver­se­hen war, wel­che ihn zu he­ben und fort­zu­be­we­gen ge­stat­te­ten. Ein großer Schwar­zer er­griff die­se an der hin­te­ren Sei­te, und wie ein an­de­rer sich an­schick­te, sie an der vor­de­ren zu er­fas­sen, dräng­te ihn Ori­on zu­rück, trat an sei­ne Stel­le, hob den Stuhl und mit ihm den Va­ter auf und trug ihn über die Lan­dungs­brücke, wel­che das Schiff mit dem Ufer ver­band, an Ha­schim vor­über dem Wa­gen zu. Hei­ter und ohne An­stren­gung ver­rich­te­te der jun­ge Mann die Ar­beit des Trä­gers, schau­te sich auch wohl lieb­reich nach dem Va­ter um, rief den an­de­ren Frau­en – nur sei­ne Mut­ter, wel­che den Lei­den­den sorg­lich mit Tü­chern um­hüllt hat­te, und der Arzt folg­ten dem Kran­ken – mun­ter zu, aus­zu­stei­gen und ihn hier zu er­war­ten, und schritt dann im Licht der Fa­ckeln, wel­che ihm vor­an­ge­tra­gen wur­den, wei­ter.

»Ar­mer Mann!« dach­te der Kauf­herr, in­dem er dem sie­chen Mu­kau­kas nach­schau­te. »Aber das Trau­rigs­te und Schwers­te ver­weht leicht wie Ne­bel im Win­de, wenn man einen Sohn be­sitzt, der einen so freund­lich da­hin­trägt.«

Er­klär­lich muss­te er nun fin­den, dass Ori­on da­mals die Blu­men von sich ge­wor­fen; ja, wie die Jung­frau, der das Kind zärt­lich am Arm hing, ans Land trat, sag­te er sich, dass es die klei­ne Toch­ter der rei­chen Wit­we Su­san­na al­ler­dings schwer ha­ben wer­de, ne­ben die­ser ho­hen, kö­nig­li­chen Er­schei­nung das Feld zu be­haup­ten. Welch eine Ge­stalt, welch fürst­li­che Hal­tung hat­te dies Mäd­chen, und wie wohl­lau­tend und lieb­reich klang es, als sie dem Kin­de die Na­men ei­ni­ger Stern­bil­der nann­te und es auf den Ko­me­ten hin­wies, der eben auf­ging.

Ha­schim saß im Dun­keln und konn­te un­ge­se­hen be­ob­ach­ten, was auf der Bank am Ufer, wel­che durch eine der La­ter­nen des Schif­fes be­leuch­tet wor­den war, wei­ter vor­ging, und er freu­te sich der un­er­war­te­ten Zer­streu­ung; denn was den Sohn des Mu­kau­kas an­ging, er­weck­te sei­ne Teil­nah­me und Neu­gier. Es lock­te ihn, sich ein Ur­teil über die­sen un­ge­wöhn­li­chen jun­gen Mann zu bil­den, und der An­blick des schö­nen Mäd­chens dort auf der Bank er­wärm­te sein al­tes Herz. Das Kind muss­te Ma­ria, die En­ke­lin des Statt­hal­ters sein.

Jetzt brach der Wa­gen auf, jetzt braus­te er auf der Stra­ße von dan­nen, und nach ei­ni­ger Zeit kehr­te Ori­on zu den War­ten­den zu­rück.

Ar­mes, rei­ches Töch­ter­chen der Wit­we Su­san­na. Wie so ganz an­ders ver­kehr­te er mit der schö­nen Jung­frau dort, als mit der Klei­nen. Sein Auge hing wie be­rauscht an ih­ren Zü­gen, mit­ten in der Rede stock­te er bis­wei­len, wäh­rend er zu ihr sprach, und das, was er sag­te, muss­te bald ernst und fes­selnd, bald wit­zig sein; denn nicht nur sie, son­dern auch die Er­zie­he­rin der Klei­nen hör­te ihm mit Span­nung zu, und wenn die schö­ne Jung­frau auf­lach­te, so klang es ganz be­son­ders wohl­tö­nend und rein. Es lag et­was so Ho­heit­vol­les in ih­rem We­sen, dass sol­che Äu­ße­rung un­be­fan­ge­ner Hei­ter­keit an ihr über­rasch­te und sich aus­nahm wie der Duft ei­ner präch­ti­gen Blu­me, von der man bis da­hin glaub­te, sie sei nur ge­schaf­fen, um dem Auge wohl­zu­tun und nicht auch den an­de­ren Sin­nen. Und die­je­ni­ge, an wel­che al­les ge­rich­tet war, was Ori­on sag­te, hör­te ihm nicht nur auf­merk­sam, son­dern in ei­ner Wei­se zu, wel­che den Kauf­herrn lehr­te, dass der Er­zäh­ler selbst ihr noch mehr ge­fiel, als was er so leb­haft mit­zu­tei­len wuss­te. Wenn dies Mäd­chen mit dem Statt­hal­ters­soh­ne eins ward, ja das gab ein Paar!

Nun kam die Wir­tin Taus, eine be­hä­bi­ge, tüch­ti­ge Ägyp­te­rin in mitt­le­ren Jah­ren, und trug selbst ihre be­rühm­ten Spritz­ku­chen, die sie eben ei­gen­hän­dig ge­ba­cken, Milch, Trau­ben und Obst auf, und da­bei glänz­ten ihre Au­gen vor Freu­de und ge­schmei­chel­tem Ehr­geiz; denn der Sohn des großen Mu­kau­kas, der Stolz der Stadt, der frü­her gar oft auf Was­ser­fahr­ten mit fröh­li­chen Ge­nos­sen, meist grie­chi­schen Of­fi­zie­ren, die nun alle, alle ge­fal­len oder aus dem Lan­de ver­trie­ben wa­ren, nicht nur um ih­rer Ku­chen wil­len bei ihr vor­ge­spro­chen hat­te, er­wies ihr nun die Ehre, sie so bald nach der Heim­kehr auf­zu­su­chen. Ihre ge­läu­fi­ge Zun­ge stand nicht still, wie sie ihm er­zähl­te, auch sie und ihr Mann sei­en ihm bis zur Ehren­pfor­te beim Me­ne­sto­re ent­ge­gen­ge­zo­gen, und mit ih­nen ihre Emau mit ih­rem Büb­chen. Sie sei näm­lich nun ver­hei­ra­tet, und die­sen ers­ten Klei­nen habe sie »Ori­on« ge­tauft.

Und als der jun­ge Mann dar­auf frag­te, ob die Emau noch im­mer ein so rei­zen­des Ge­schöpf sei und der Mut­ter so ähn­lich sehe wie frü­her, droh­te Frau Taus ihm mit dem Fin­ger und frag­te, in­dem sie auf die Jung­frau wies, ob der fröh­li­che Vo­gel, dem so man­che bei sei­nem Auf­bruch nach­ge­seufzt habe, sich end­lich in den Kä­fig be­ge­ben, und ob die schö­ne Dame dort viel­leicht …

Aber Ori­on schnitt ihr das Wort ab und sag­te, noch sei er sein ei­ge­ner Herr, aber er füh­le schon die Sch­lin­ge am Hal­se. Da wur­de das schö­ne Mäd­chen noch rö­ter als bei der ers­ten Fra­ge der Wir­tin; er aber über­wand schnell die ei­ge­ne Be­fan­gen­heit und ver­si­cher­te mun­ter, das Töch­ter­chen der bra­ven Taus sei eins der hüb­sche­s­ten Kin­der von Mem­phis ge­we­sen und nicht we­ni­ger eif­rig ge­fei­ert wor­den, als die Spritz­ku­chen ih­rer treff­li­chen Mut­ter. Frau Taus möge die jun­ge Frau von ihm grü­ßen.

Da ent­fern­te sich die Wir­tin ge­rührt und ge­schmei­chelt, er aber griff wie­der zur Lau­te, und wäh­rend die an­de­ren sich er­frisch­ten, folg­te er der Auf­for­de­rung der Jung­frau und sang das Lied des Al­kai­os, um wel­ches sie ihn bat, mit wohl­lau­ten­der, aber ge­dämpf­ter Stim­me zur Lau­te, die er meis­ter­lich schlug. Die Au­gen des Mäd­chens hin­gen an sei­nem Mun­de, und er schi­en wie­der­um nur für sie in die Sai­ten zu grei­fen. Als die Zeit zum Auf­bru­che kam und die Frau­en das Schiff be­stie­gen, ging er in die Her­ber­ge, um die Ze­che zu zah­len. Bald kam er al­lein zu­rück, und der Kauf­herr sah, wie er ein Tüch­lein, das die Jung­frau auf dem Ti­sche lie­gen ge­las­sen, auf­nahm und es schnell an die Lip­pen zog, wäh­rend er dem Boo­te zu­schritt.

Den präch­ti­gen ro­ten Blu­men war es heu­te mor­gen we­ni­ger freund­lich er­gan­gen. Dem Mäd­chen dort auf dem Was­ser ge­hör­te das Herz des jun­gen Man­nes. Sei­ne Schwes­ter konnt’ es nicht sein; aber wie hing es mit ihm zu­sam­men?

Der Kauf­herr soll­te es bald er­fah­ren; denn der Füh­rer kehr­te zu­rück und gab ihm Aus­kunft. – Es war Pau­la, die Toch­ter des Tho­mas, des weit be­rühm­ten grie­chi­schen Feld­herrn, der die Stadt Da­mas­kus so aus­dau­ernd und tap­fer ge­gen die Kriegs­macht des Is­lam ver­tei­digt hat­te. Sie war die Nich­te des Mu­kau­kas Ge­org; aber nur mä­ßig be­gü­tert, eine Ver­wand­te des Hau­ses, die man nach dem Ver­schwin­den ih­res Va­ters – denn auch sei­ne Lei­che hat­te man nicht ge­fun­den – in der Statt­hal­te­rei aus Gna­de und Barm­her­zig­keit auf­ge­nom­men: eine Mel­chi­tin. Der Her­me­neut war ihr schon des­we­gen we­nig ge­wo­gen, und wenn er auch ge­gen ihre Schön­heit nichts ein­zu­wen­den hat­te, so woll­te er doch wis­sen, dass sie stolz und hoch­fah­rend sei und kei­nes Men­schen Lie­be zu er­wer­ben ver­ste­he; nur das Kind, die klei­ne Ma­ria, hän­ge wohl an ihr. Ein öf­fent­li­ches Ge­heim­nis sei es, dass so­gar die Gat­tin ih­res Oheims, die bra­ve Ne­fo­ris, die stol­ze Nich­te nicht möge und sie nur dul­de dem kran­ken Mann zu ge­fal­len. Was hat­te die Mel­chi­tin auch zu Mem­phis in ei­nem gut ja­ko­bi­ti­schen Hau­se zu su­chen? Je­des Wort des Füh­rers at­me­te jene Ab­nei­gung, die von nied­rig ste­hen­den und ge­sinn­ten Men­schen so leicht den­je­ni­gen zu teil wird, wel­che die Güte der ei­ge­nen Wohl­tä­ter ge­nie­ßen.

Aber die schö­ne, ho­heit­vol­le Toch­ter ei­nes großen Man­nes hat­te das alte Herz des Kauf­herrn ge­won­nen, und sein Ur­teil blieb durch das des Mem­phi­ten ganz un­be­ein­flusst. Es soll­te auch bald Be­stä­ti­gung fin­den; denn der Arzt Phil­ip­pus, den der Füh­rer ge­ru­fen, ein täg­li­cher Be­su­cher der Statt­hal­te­rei, des­sen ge­die­ge­nes We­sen dem Ara­ber das größ­te Zu­trau­en ein­flö­ßte, nann­te Pau­la ein so herr­li­ches Ge­schöpf, wie es der Him­mel in sei­nen bes­ten Stun­den nur sel­ten schaf­fe. Doch der da oben schei­ne sein ei­ge­nes Meis­ter­werk ver­ges­sen zu ha­ben; denn seit Jah­ren sei ihr Da­sein grau­sam ge­trübt.

Dem al­ten Herrn konn­te der Arzt Lin­de­rung der Schmer­zen ver­spre­chen; über­haupt sag­ten bei­de ein­an­der so wohl zu, dass sie sich erst in spä­ter Nacht­stun­de als gute Freun­de trenn­ten.

Drittes Kapitel.

Das Boot des Mu­kau­kas glitt in­des­sen, von kräf­ti­gen Ru­der­schlä­gen ge­trie­ben, ru­hig dem Lau­fe des Stro­mes ent­ge­gen. Es ward dar­in bald ge­flüs­tert, bald ge­sun­gen. Die klei­ne Ma­ria war an der Brust Pau­las ent­schlum­mert, die grie­chi­sche Er­zie­he­rin blick­te bald nach dem Ko­me­ten, der sie be­ängs­tig­te, bald auf Ori­on, des­sen Schön­heit ihr al­tern­des Herz ent­zück­te, bald auf die Jung­frau, der sie nicht gönn­te, von die­sem Lieb­ling der Göt­ter so be­vor­zugt zu wer­den. Es war eine köst­li­che, war­me, stil­le Nacht, und das Mond­licht, wel­ches das Meer zwingt, flu­tend zu wach­sen, lässt auch die wo­gen­den Ge­füh­le in der Men­schen­brust stei­gen und schwel­len. Was Pau­la for­der­te, das sang Ori­on, als sei nichts ihm fremd, was auf der Lei­er ei­nes grie­chi­schen Dich­ters die nun hin­ab­ge­sun­ke­ne Welt je­mals ent­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­