image

Eine Novelle aus dem Powder-Mage-Universum

von

Brian McClellan

Ins Deutsche übersetzt von
Johannes Neubert

image

image

Die deutsche Ausgabe von

DIE GEISTER DES TRISTANMOORS – EINE NOVELLE AUS DEM POWDER-MAGE-UNIVERSUM

wird herausgegeben von Cross Cult, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.

Herausgeber: Andreas Mergenthaler, Übersetzung: Johannes Neubert; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Kerstin Feuersänger; Korrektorat: Peter Schild; Satz: Rowan Rüster; Cover-Illustration: René Aigner.

Titel der Originalausgabe:

GHOSTS OF THE TRISTAN BASIN copyright © Brian McClellan, 2015.

Published by Arrangement with Brian McClellan

German translation copyright © 2021, by Cross Cult.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

E-Book ISBN 978-3-96658-402-9 (Mai 2021)

WWW.CROSS-CULT.DE

image

INHALT

Die Geister des Tristanmoors

image

DIE GEISTER DES TRISTANMOORS

Acht Monate vor den Ereignissen aus Blutschwur

Taniel Zwei-Schuss schlich durch das trübe, brusthohe Wasser des Tristanmoors und hielt Ausschau nach den verräterischen Kräuselwellen der Boas und Sumpfdrachen. Er blieb im Schatten der großen Zypressen und hielt sein Gewehr, seinen Ausrüstungsbeutel und sein Pulverhorn über den Kopf. Die brummenden Insekten, Vogelrufe und das Platschen der Tiere, die ab und zu ins Wasser sprangen, wurden vom heftigen Klopfen seines eigenen Herzens begleitet, das in seinen Ohren trommelte wie eine Pauke.

Trotz seiner Bedenken, was die lokale Tierwelt anging – es war keine Seltenheit, dass Unachtsame unter Wasser gezogen wurden und nie wieder auftauchten –, hatte Taniel gerade dringendere Sorgen. Falls er seinen Palo-Führern Glauben schenken konnte, befanden sich achtzig Kez-Soldaten in seiner Nähe, von denen jeder mit den allerbesten Musketen bewaffnet war und die selber lokale Führer dabeihatten.

Einer von ihnen stand mit dem Rücken zum Wasser auf einer trockenen Anhöhe, keine zwanzig Schritt entfernt von Taniels Position.

Taniel stieß mit dem Zeh gegen eine hervorstehende Wurzel, und er spürte, wie ihm das Herz in die Hose rutschte, als er nach vorne trieb und sein Kinn gefährlich ins Wasser tauchte. Er widerstand dem Drang, laut nach Luft zu schnappen, und stieß sich stattdessen mit dem anderen Fuß ab, sodass sein Kopf und sein Gewehr über Wasser blieben. Seine Bewegung sorgte für eine kleine Welle am Fuß der nächsten Zypresse.

Der Kez-Soldat vor ihm gab kein Anzeichen dafür, dass er es bemerkt hätte.

Taniel blieb stehen und hielt die Luft an, bis die Kräuselwellen verebbten, dann schlich er weiter. Die Uferböschung stieg stark an, und zuerst tauchten Taniels nackte Schultern aus dem Wasser auf, dann seine Brust, dann der Gürtel seiner Wildlederhose. Er legte sein Gewehr und seine Ausrüstung am Ufer der Anhöhe ab und zückte sein Gürtelmesser.

Er brauchte drei lange Schritte, bis er den Kez-Soldaten erreichte, ihm eine Hand auf den Mund legte und ihm mit der anderen die Klinge seines Messers an die Kehle hielt.

»Ein Geräusch, und du bist tot«, flüsterte Taniel auf Kez. »Nicke, wenn du das verstanden hast.«

Der Soldat versteifte sich, als ihn das Messer berührte. Aus dieser Nähe konnte Taniel den Schweiß und die pilzartige Fäule seiner Haut riechen sowie den anhaltenden Gestank von Scheiße, der auf eine Ruhrerkrankung schließen ließ. Der Soldat war wahrscheinlich Mitte zwanzig – mindestens fünf Jahre älter als Taniel – und hatte lange, schwarze Koteletten und eine frische Narbe seitlich am Kinn. Er zitterte und nickte leicht.

»Gut«, sagte Taniel. »Ich bin Captain Taniel Zwei-Schuss, und ich bin gerade in einer ziemlich heftigen Pulvertrance. Ich könnte dich töten, aber das tue ich nur ungern, also lass uns einfach locker bleiben, alles klar?« Er nahm die Hand vom Mund des Soldaten. »Wie heißt du?«

»Gefreiter Jibble, Sir.«

Taniel nahm die Pulverladungen aus Jibbles Beutel und steckte sie ihm in die Jackentasche. Er tätschelte die Tasche, dann entwaffnete er ihn. Nachdem er seinen eigenen Beutel und sein Gewehr geholt hatte, kehrte er wieder zu dem Soldaten zurück.

Jibble war steif wie ein Brett. Ein leichtes Beben in der Stimme verriet seine Furcht. »Sie sind der Pulvermagier?«, fragte er flüsternd. »Derjenige, der die Privilegierte Slattern getötet hat?«

Slattern. Taniel hatte den Namen schon mal gehört – eine Privilegierte mittleren Ranges im Kez-Kabal. Taniel ignorierte die Frage und wartete stumm, wobei er die Augen auf den Sumpf gerichtet hielt.

Fast eine ganze Minute verging, bis eine kleine, schmale Gestalt zwischen den Zypressen weiter oben auf der Anhöhe hervortrat. Sie war ein Mitglied des Palo-Stammes, der Taniel und seiner Kompanie von Partisanen im Krieg gegen die Kez unterstützte. Obwohl sie wie eine Palo aussah mit ihrem hellroten Haar und der von aschfarbenen Sommersprossen übersäten Haut, war sie wie er eine Außenseiterin, und ihr angespanntes Verhältnis zu ihrem Stamm bedeutete, dass sie hier in Fatrasta zu seiner festen Begleiterin geworden war.

Taniel hielt sie wegen ihres schmächtigen Körperbaus für eine junge Teenagerin, aber in ihren grünen Augen lag ein cleverer Trotz, der ihn immer ein wenig beunruhigte. Außerdem hatte er gesehen, was sie mit der Machete ausrichten konnte, die sie an ihrem Oberschenkel trug.

Sie hatte ein kleines Stück Schilfrohr zwischen den Zähnen, und die Vorderseite ihrer Wildlederhose war blutdurchtränkt.

»Heute ist dein Glückstag, Jibble«, sagte Taniel zu dem Soldaten.

»Sir?«

Taniel zeigte mit dem Kinn auf das Mädchen. »Du bist an mich geraten statt an sie. Warum hat das so lange gedauert, Pole?«

Ka-poel grinste ihn auf diese Art an, die er so irritierend fand, und deutete auf das Blut an ihrer Hose.

»Die andere Wache?«, fragte Taniel.

Sie fuhr sich mit dem Daumen über den Hals und schaute dabei Jibble in die Augen. Der Soldat musste schlucken und schaute zwischen Taniel und Ka-poel hin und her, als wüsste er nicht, vor wem er am meisten Angst haben sollte. Ka-poel deutete auf Jibble und schaute Taniel mit hochgezogener Augenbraue an.

»Nein«, antwortete Taniel leise, »wir töten ihn nicht. Nicht, wenn er sich klug anstellt.«

Ka-poel zuckte mit den Schultern, so als sei es ihr egal.

»Ihr Lager?«, fragte Taniel.

Ka-poel zeigte in eine Richtung und hielt dann zehn Finger in die Luft. Hundert Meter im Osten, auf einer großen Anhöhe, die seine eigenen Leute von Zeit zu Zeit nutzten. An der Rückseite der Anhöhe war eine tiefe Rinne, und ihre Flanken waren geschützt von beinahe undurchdringlichen Zypressenhainen. Taniel hatte nicht vor, sich da durchzukämpfen.

»Also gut.« Taniel stieß Jibble sanft den Lauf seines Gewehrs in den Rücken. »Schön langsam und leise. Pole, sag den anderen, sie sollen sich bereithalten.«

Ka-poel schürzte die Lippen und stieß einen lauten, schrillen Pfiff aus, den sie am Ende trällerte wie ein Sumpfsperling. Sie wartete drei Sekunden, dann wiederholte sie das Signal, dann wartete sie noch mal acht Sekunden und wiederholte es ein drittes Mal. Die Antwort kam einen Moment später zurück. Ka-poel nickte Taniel zu, dass sie sich auf den Weg zum Kez-Lager machen sollten. Sie steckte ihre Hände in die Aufschläge ihrer Wildlederweste wie ein Gentleman bei einem Spaziergang im Stadtpark und ging neben ihm her.

Das Lager bestand aus einer Ansammlung von schlammverkrusteten Zelten und Schlafsäcken, die ohne erkennbare Ordnung auf der Anhöhe verteilt waren. Der Gestank von Krankheit lag über dem Lager, und sie kamen an einem halben Dutzend Männer vorbei, die mit den Köpfen zwischen den Knien über einer flachen Latrine kauerten und jämmerlich stöhnten. Taniel entdeckte drei Leichen, die unfeierlich zur Seite geworfen worden waren.

Sie waren bereits fast in der Mitte des Lagers angekommen, bevor sie jemand bemerkte. Ein Soldat, der neben dem größten Zelt auf einer Wurzel hockte, schaute von seiner Schnitzarbeit hoch und machte große Augen.

»Feind in Sicht!«, rief er auf Kez und rappelte sich auf. »Feind in Sicht!« Er holte eine Muskete hinter seinem improvisierten Sitz hervor und richtete sie auf Taniel.

Das Lager rührte sich, Männer und Frauen kamen mit gezückten Musketen und Degen aus ihren Zelten oder von ihren Wachposten. Alle riefen in der allgemeinen Panik durcheinander, während sie in alle Richtungen nach dem Feind suchten und erwarteten, dass jeden Moment eine Armee aus den Zypressen über sie herfiele.

Ein älterer Gentleman trat aus dem größten Zelt hervor. Sein Hemdkragen war aufgeknöpft und sein Gesicht blass, aber seine Haltung war tadellos, während er sich seine Jacke anzog und dabei die ganze Zeit eine Pistole in der Hand hielt. Die Abzeichen an seiner Jacke wiesen ihn als einen Major aus. Er erfasste die Situation mit einem Blick, dann beäugte er Ka-poels blutige Wildlederhose und musterte Taniel von oben nach unten. Er warf seine Pistole fort und machte einen großen Schritt weg vom nächsten Soldaten.

Er kannte die Geschichten. Er wusste genau, mit wem er es hier zu tun hatte. »Ordnung im Lager!«, bellte er.

Allmählich verebbte das Chaos, und Taniel sah sich den Läufen von mindestens fünfzig Musketen sowie dem unerschütterlichen Blick des Majors gegenüber.

»Was geht hier vor sich?«, forderte der Major.

Der Gefreite Jibble leckte sich über die Lippen. »Tut mir leid, Sir. Sie haben mich auf meinem Posten überwältigt.«

»Haben Sie geschlafen?«

»Nein, Sir! Er war so leise wie ein … nun, wie ein Geist, Sir.«

Ein Raunen ging durch die Soldaten, als er das Wort »Geist« aussprach. Der Kez-Major dachte einen Moment darüber nach, dann sprach er Taniel auf Adronisch an. »Wer sind Sie und was tun Sie in meinem Lager?«

»Ich«, sagte Taniel laut auf Kez, »bin Taniel Zwei-Schuss. Ich bin ein Captain der Geisterpartisanen von Tristan.« Ein Schlurfen und Knarren ging durch das Lager, als die Soldaten die Abzüge ihrer Waffen fester griffen und sichereren Stand suchten. »Nur falls sich das hier jemand fragt«, fuhr Taniel fort, »ich war es, der euren Privilegierten vor drei Tagen erschossen hat.«

»Wir wissen verdammt genau, wer Sie sind, Pulvermagier«, sagte der Major. »Ich bin Major Daxon je Buker, und das hier ist das 108. Regiment der Friedenstruppe Seiner Majestät. Sie töten meine Wachen und betreten mein Lager mit einer geladenen Waffe? Geben Sie mir einen guten Grund, warum ich meinen Männern nicht befehlen sollte, das Feuer zu eröffnen.«

»Ich gebe Ihnen sogar zwei«, sagte Taniel. »Erstens: Meine Männer haben diese Anhöhe umstellt. Zweitens: Ich könnte alles Pulver mit einem einzigen Gedanken entzünden und jeden Einzelnen Ihrer Männer töten oder verwunden, bevor sie den Abzug betätigen.«

»Und wieso haben Sie das dann noch nicht getan?«, fragte Buker.

»Weil ich Soldat bin, so wie Sie. Und kein Schlächter.«

»Sie sind ein Pulvermagier«, gab Major Buker voller Verachtung zurück. »Tun Sie nicht so, als seien Sie nur ein gewöhnlicher Soldat. Außerdem hätten meine Wachen mich inzwischen alarmiert, wenn wir umstellt wären.«

»Diese Wachen?«, fragte Taniel und gab Jibble einen Stoß in den Rücken.

Buker beäugte Taniel und Ka-poel für einen langen Moment, so als würde er seine Optionen abwägen. Die Musketen seiner Männer wankten bereits, aber in Bukers Augen lag ein eiserner Starrsinn, der Taniel ein wenig nervös machte. Um ehrlich zu sein, würde er es sehr schwer haben, das ganze Pulver gleichzeitig explodieren zu lassen. Dafür brauchte er eine Menge Konzentration, und es war sehr wahrscheinlich, dass ein Funken eine Kugel erreichte, bevor er die Explosion umlenken konnte.

Und Pulvermagier waren nicht immun gegen Kugeln, ganz gleich, wie sie angetrieben wurden.

Neben ihm formte Ka-poel eine Pistole mit den Fingern und tat so, als würde sie damit auf Buker schießen. »Das ist nicht hilfreich«, flüsterte er ihr zu.

Buker warf ihr einen angewiderten Blick zu. Kez-Adlige hatten gewöhnlich keine hohe Meinung von den örtlichen Wilden. In seiner Zeit bei den Palo hatte Taniel gelernt, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Er musste sich nicht ausmalen, wie lange Buker durchhalten würde, falls er allein mit Ka-poel im Sumpf zurückgelassen werden würde.

»Sie wissen doch sicherlich, warum wir hier sind?«, fragte Buker. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und streckte die Brust raus.

»Um dem Kez-Gouverneur meinen Kopf zu bringen, nehme ich an«, antwortete Taniel. Es war nicht das erste Regiment, das die Kez ins Tristanmoor geschickt hatten, um ihn und seine Partisanen ausfindig zu machen, und es würde nicht das letzte sein.

»Wir sind hier, um Sie zu jagen, und trotzdem würden Sie unsere Kapitulation annehmen?«

»Aber sicher. Krieg ist Krieg. Nichts für ungut und so.«

Taniel bewegte den Lauf seines Gewehrs ein wenig, sodass die Kugel unter Jibbles Arm hindurch fliegen und Buker in die Brust treffen würde, sollte er gezwungen sein, den Abzug zu betätigen. Falls die Sache hier schlecht ausging, würde er den Major mit sich nehmen.

Buker schien das nicht zu bemerken. Er schaute sich im Lager um; sein Blick blieb an den Männern hängen, die selbst bei einem Alarm nicht die Kraft hatten, sich von der Latrine wegzureißen. »Falls wir kapitulieren«, sagte Buker, »erwarte ich, dass meine Männer und ich als Kriegsgefangene behandelt und so bald wie möglich gegen Lösegeld freigelassen werden.«

»Einverstanden«, sagte Taniel.

Bukers Kinn entspannte sich. »In dem Fall kapitulieren wir offiziell. Männer, senkt die Waffen!«

Die Soldaten gaben hörbare Seufzer der Erleichterung von sich, während sie ihre Musketen und Degen fallen ließen.

»Major Bertreau«, rief Taniel in den Sumpf hinein. »Sie können den Kez jetzt die Waffen abnehmen.«

Dutzende Männer in Wildlederhosen traten mit Gewehren mit aufgepflanzten Bajonetten aus den Bäumen hervor und fingen an, die Kez zusammenzutreiben und ihre Waffen und ihre Versorgungsgüter zu bergen. Sie wurden begleitet von genauso vielen ihrer Palo-Verbündeten. Taniel schaute dabei zu, wie sie sich durch das Lager arbeiteten, und bemerkte, wie bedacht die Palo darauf waren, Ka-poel aus dem Weg zu gehen. Dann erlaubte er sich einen leisen Seufzer und senkte sein Gewehr.

Sergeant Mapel, ein kantiger Ochse von einem Mann mit sandfarbener Haut und einem Hals, der so dick war wie ein Baumstamm, war der Erste, der auf Taniel zuging. Mit einem breiten Grinsen sammelte er Bukers Degen und Pistole auf. »Gute Arbeit, Captain«, sagte er.

»Danke. Gehen Sie nachsichtig mit ihnen um. Ich habe keinen ihrer Palo-Führer gesehen. Ich schätze, sie wurden zurückgelassen, als die Ruhr bei ihnen ausgebrochen ist. Wäre ein erbärmlicher Kampf geworden, wenn sie es hätten darauf ankommen lassen.« Taniel warf einen Blick zu Ka-poel und schulterte seine Waffe. Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte auch keine feindlichen Palo entdeckt.

Mapel zuckte mit den Schultern. »Ich denke trotzdem, Sie hätten sie einfach einen nach dem anderen ausschalten sollen.«

Taniel hatte keine Sympathien für die Kez, aber sein Hass galt eher den Privilegierten und Adligen. Er musste nicht jeden bürgerlichen Soldaten töten, der ihm über den Weg lief. Anders als Mapel.

»Was sollen wir mit denen machen?« Mapel nickte in Richtung der gefangenen Kez.

Taniel schürzte die Lippen. »Stellen Sie ein Dutzend Palo-Wachen ab und schicken Sie sie nach Gladeside. Je eher wir sie aus den Füßen haben, desto besser.«

»Jawohl, Sir.«

»Wo ist die Frau Major?« Taniel schaute sich um, und ihm fiel auf, dass er Bertreau noch gar nicht gesehen hatte.

»Wurde zurück ins Lager gerufen.«

»Wieso?«

»Es gibt Neuigkeiten von der Außenwelt. Sieht so aus, als würden die Kez in unsere Richtung marschieren und irgendetwas Großes planen. Angeblich ist eine ganze Brigade auf der Moorstraße unterwegs.«

Taniel war bereits auf dem Weg zu einem Kanu, bevor Mapel seinen Satz beendet hatte.

Die Kez hatten im Landesinneren bis jetzt keine so große Streitmacht zusammengezogen. Wenn sie das jetzt taten, konnte das nichts Gutes bedeuten für die Geisterpartisanen von Tristan. »Pole!«, rief er über die Schulter. »Komm mit!«

image

Das Lager der Geisterpartisanen lag auf einer Anhöhe etwa eine Meile südöstlich vom Lager der Kez. Der Platz war nicht ganz so gut wie bei den Kez, aber das Lager war wesentlich besser organisiert. Es gab keine Feuer oder Latrinen, die ihre Anwesenheit verraten würden, und die Männer schliefen meistens weniger als ein Dutzend Schritte von ihren Kanus entfernt in Hängematten mit Moskitonetzen.

Das Lager war still, als Taniel und Ka-poel ihr Kanu an Land zogen. Eine der wenigen verbliebenen Wachen – ein gerade mal fünfzehnjähriger Junge namens Heln – tippte sich an seinen Dreispitz und nahm Taniels Ausrüstung und Gewehr entgegen. »Wie lief der Überfall, Captain?« Taniel nickte zur Antwort. Heln war von Anfang an mit dabei gewesen. Er war ein furchtbarer Schütze, hatte aber gute Augen und Ohren. Einer von Taniels liebsten Zeitvertreiben war es, Heln dabei zuzusehen, wie er versuchte, mit Ka-poel zu flirten.

»Ganz gut«, sagte Taniel. »Das einzige Opfer war ein Wachmann der Kez.« Sein Blick fiel auf ein Kanu im Matsch, das er nicht kannte. »Wem gehört das?«

Heln zeigte mit dem Kopf auf das einzige Zelt auf der Anhöhe, das Major Bertreau gehörte. Als er gerade den Mund öffnete, trat jemand aus dem Zelt heraus, zog eine Pelzmütze auf und ging auf Taniel zu.

Es war ein älterer Mann, dessen angegrauter Bart ihm bis zur Brustmitte reichte. Er trug dieselbe Grenzbewohnerkleidung wie Taniel, aber die Fransen seiner Wildlederkluft waren zum großen Teil abgetragen und die Knie und Ellenbogen mehrfach geflickt. Er hatte die vernarbte, wettergegerbte Haut von jemandem, der seit langer, langer Zeit in der Wildnis unterwegs war. Vielleicht ein Entdecker oder ein Fallensteller, auf jeden Fall würde beides erklären, wie er die Geisterpartisanen hatte finden können.

Als der Mann auf ihn zukam, streckte Taniel ihm die Hand entgegen. »Guten Tag«, sagte er in der Hoffnung, kurz darüber reden zu können, was so in der Welt da draußen vor sich ging.

Der Fremde schaute zu Taniel, dann zu Ka-poel, wo sein Blick lang genug verweilte, dass Taniel ihn fast zurechtweisen wollte. Dann ging