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© 2021 Fabian Donsbach

Satz, Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7557-6394-9

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Sonntag, 29. Januar 2012, Melbourne, Australien. Zwei der besten und erfolgreichsten Tennisspieler aller Zeiten betreten den Center-Court der Australian Open. Djokovic gegen Nadal. Die Nr. 1 der Welt gegen die Nr. 2. Es sollte ein Match werden, das in die Geschichte eingeht. Zwei Wochen Kampf in extremer Hitze stecken den beiden bereits in den Knochen. Äußerlich wirken sie topfit.

Stunden später, während der Siegerehrung wird man den beiden Stühle bringen, weil das Stehen schwerfällt…

Showtime:

Satz 1 an Rafa, Satz 2 und 3 an Novak, Satz 4 an Rafa. Es geht hin und her, um jeden Punkt wird bis zum Letzten gekämpft, die Energie auf dem Platz reißt jeden der knapp 15.000 Zuschauer mit. 5. Satz, 4:4, »Crunch time«. Bereits über 5 Stunden Kampf. Das Stöhnen beim Schlag hört sich eher wie ein Schrei an. Die Dramatik, das Match: Weltklasse. Nach einem Ballwechsel von 31 Schlägen fällt Novak vor Erschöpfung zu Boden. Wenig später sieht er in den Himmel, betet. Emotionen pur. Der Blick in die Gesichter der Beiden zeigt absolute körperliche Erschöpfung. Aber die Augen verraten etwas anderes: brutaler Siegeswille.

Um 1.37 Uhr am Montagmorgen, nach 5 Stunden 53 Minuten sinkt Novak Djokovic erneut zu Boden. Mit einem Vorhand-Winner verwandelt er den Championship Point. Sieg. Er zerreißt sein T-Shirt und schreit mit letzter Kraft all seine Erleichterung heraus.

Für Beide sollte es lange nicht das letzte Finale sein, sondern erst der Anfang von einigen Jahren absoluter Dominanz der »Big 3« (zusammen mit Roger Federer), im Tennissport. An diesem Abend in Melbourne hat die Welt vor allem eins gesehen:

körperliche und mentale Höchstleistung!

Aber wie kommt es, dass manche Sportler diese unglaubliche Leistung bringen können? Was genau macht den Unterschied zwischen »sehr gut« und »absoluter Weltspitze«?

Wie viel macht »der Kopf« aus? »90 – 95 %«, sagt Craig O´Shannessy, Analyst der ATP und einige Jahre im Coaching-Team von Djokovic.

Novak selbst sagt: »Your mind is what makes everything else work.« Sein Ex-Trainer Boris Becker hat mal gesagt, dass »ein Tennismatch im Kopf entschieden wird«.

Und auch Toni Nadal sagt, dass ihm bei der Ausbildung von Rafa, die Persönlichkeit wichtiger war, als technische Aspekte. What???

Ein interessanter Trend ist der: Je besser der Sportler selbst ist, desto höher empfindet er die Wichtigkeit von »mentalen Aspekten«. Wenn also die Besten der Besten, Spieler oder Trainer, »den Kopf« als das Wichtigste überhaupt sehen, dann muss ja etwas dran sein. Aber was genau ist »der Kopf«? Das sehen wir uns in diesem Buch genau an…

Novak Djokovic: »Meiner Meinung nach musst du genauso viel Zeit, wenn nicht mehr Zeit investieren, um an dir selbst zu arbeiten. An deinem Charakter, an Stärken und Schwächen.«

Kapitel 1:

Einleitung

Rafael Nadal: »Was Champions von Beinahe-Champions unterscheidet, ist die mentale Stärke.«

Die Persönlichkeit

Ganz oben stehen, der Beste sein, die Menschen lieben dich, jubeln dir zu. Es gibt wohl kaum einen Jungen, der nicht mal davon geträumt hat. Ob Tennis-, Fußballprofi oder irgendwas anderes. Kinder halt. Okay, realistisch gesehen, die allermeisten versuchen es erst gar nicht wirklich. Aber selbst bei denjenigen, die es versuchen. Die kommen in einen Kader, eine Auswahl, trainieren in einer Akademie, einem Sportinternat, werden bezuschusst, gefördert und und und. Aber die Realität ist:

Die allermeisten schaffen es nicht! Nicht nur, dass sie es nicht an die Weltspitze schaffen, sondern überhaupt in einen Bereich, in dem man Geld verdient.

Sehen wir uns doch mal einen Förderkader an mit 14, 15, 16 Jahren. Egal ob im Tennis oder die Jungs aus dem Nachwuchs-Leistungszentrum im Fußball. Die sind alle richtig gut! Warum schaffen die Einen den Sprung in den Profisport und die Anderen nicht? Weil man das »Gesamtpaket« braucht, wie die Talentscouts es nennen. Grob zwischen 16 und 20 Jahren sind Sportler in der »Transition«. Also auf dem Sprung vom Jugend- in den Profisport. Und hier zeigt sich, wer nur ein »Talent« war, das es nicht geschafft hat und wer das Gesamtpaket hat, mit allen Qualitäten, die man ganz oben braucht!

Stellen wir uns mal vor wir wollen auf den Gipfel des Mount Everest steigen (höchster Berg der Welt). Wenn wir eine Chance haben wollen das zu schaffen, dann sollten wir uns im Bergsteigen genau auskennen. Klettern können, optimale Ausrüstung haben, Sauerstoffgeräte, sollten einen Plan haben, unsere Route vorher wissen, körperlich und mental topfit sein. Auf jede Kleinigkeit kommt es an! Wenn wir dann aber zwei Tage vor dem Gipfel merken: »Oh, wir haben gar kein Essen mehr. Falsch kalkuliert«. Dann haben wir ein Problem. Dann schaffen wir es nicht! Dann haben wir vieles vielleicht richtig gut gemacht. Aber einen entscheidenden Baustein im Gesamtpaket haben wir nicht bedacht.

Ob jetzt Gipfelbesteigung, Profisportler oder etwas ganz anderes. Klar ist doch:

Merksatz Nr.1: Wenn ich Großes leisten will und der Beste sein will, der ich sein kann, dann muss ich das Gesamtpaket kennen. Jeden Baustein, der wichtig ist!

Sonst wird es schwer am Ziel anzukommen…

Michael Jordan, Basketball-Legende: »Physically it´s a littlebit easier but the mental part is the hardest part. And that´s the part that seperates the good players from the great players.«

Wie sieht denn das Gesamtpaket aus? Das können wir uns vorstellen, wie ein Puzzle mit 100 Teilen. Jedes Teil eine Fähigkeit, alles muss zusammenpassen. Alle Schläge in technischer Perfektion, Schnelligkeit, Kraft, Konzentration, Ballgefühl, Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und vieles mehr. Bei Top-Sportlern passen die Puzzleteile zusammen. Wenn Teile fehlen, dann erkennt man das Bild vielleicht trotzdem noch, aber es ist halt nicht komplett. Und genauso ist es bei Sportlern: Sie sind gut aber nicht komplett und deshalb nutzen sie nicht ihr volles Potenzial!

Aber warum werden denn manche Bereiche mehr trainiert als andere?

Es gibt Fähigkeiten, also Puzzleteile, die sind offensichtlich. Schlagbewegungen zum Beispiel. »Federer Vorhand« kann man bei YouTube eingeben und bekommt tolle Analysen. Genauso Fitnessvideos. Natürlich ist das wichtig, aber nicht alles. Der andere Teil ist nicht so offensichtlich. Denn was »im Kopf« passiert, das ist nicht auf den ersten Blick klar. Und genau deshalb wird es kaum trainiert.

Wenn in der Schlagbewegung etwas nicht ganz passt, dann wird eine Videoanalyse gemacht und die Bewegung optimiert. Wenn aber im Turnier das Selbstvertrauen gefehlt hat oder der Spieler ausgerastet ist, einen Schläger zerlegt hat oder sonst ein Kopf-Problem hatte, dann heißt es oft: »Das muss er noch lernen.« Oder »Da muss er noch reifer werden.« Aber wie? Meistens fehlt halt das richtige Handwerkszeug für diesen Bereich.

Novak Djokovic: »Ich hatte schon immer einen sehr ganzheitlichen Ansatz für mein Leben und meine Karriere.«

»Du brauchst Selbstvertrauen, musst immer an dich glauben«, »niemals aufgeben«, »hart an dir arbeiten«, »musst lernen mit Niederlagen umzugehen«, »ruhig bleiben und Nerven bewahren«. Gut gemeinte Ratschläge, ganz klar. Damit liegt man immer richtig, aber kann das jemand umsetzen? Gerade bei Jugendlichen in der »Transition« vom Jugend-zum Profisportler, sind es häufig die mentalen Faktoren, die darüber entscheiden, ob es der Sportler ganz nach oben schafft oder nicht.

Deshalb habe ich mich vor einigen Jahren entschlossen, das gesamte Thema »Leistung« komplett aufzuarbeiten, über den Tellerrand des Sports hinaus. In der Recherchearbeit habe ich mich mit Fragen beschäftigt, wie der Mensch lernt, Bewegungen lernt, habe neuste Erkenntnisse der Hirnforschung, Genetik und Psychologie einfließen lassen. Habe den Weg vom Kind bis an die Weltspitze der Top-Sportler aus vielen verschiedenen Bereichen analysiert. Mit Forschern, Professoren, Psychologen, Mentaltrainern, Weltklasse-Sportlern, Elite Soldaten und einem Kriegsveteranen gesprochen. Mein Ziel dabei war klar. Ich wollte komplexes Wissen sammeln, strukturieren und so vereinfacht wiedergeben, dass selbst der 14-jährige Sportler von nebenan, dieses nutzen kann, um das Beste aus sich herauszuholen.

Es gibt viele Biografien von Sportlern, die ihren Weg an die Spitze beschreiben. Jeder hatte ein etwas anderes Umfeld, andere Voraussetzungen und andere Trainingsmethoden. Jede einzelne dieser Geschichten ist inspirierend aber nicht unbedingt übertragbar, weil halt die Umstände unterschiedlich sind. Aber wenn man sich mit diesen Top-Sportlern beschäftigt, dann wird schnell klar, dass sie trotz vieler Unterschiede, auch viele Gemeinsamkeiten haben. Und genau diese Gemeinsamkeiten, das sind die Qualitäten, die man haben muss, um an die Spitze zu kommen.

Michael Phelps, Schwimmer mit den meisten (Gold-) Medaillen bei den Olympischen Spielen: »I had proven to myself that I could set a goal and through willpower and being mentally tough, not only meet that goal but beat it.«

Zwei 15-Jährige, beide gleich gut, einer schafft den Sprung ins Profigeschäft, der andere nicht? Warum? Ist es doch das Talent?

Zwei 18-Jährige, der eine »lebt seinen Traum«, der andere ist irgendwann »ausgebrannt« wegen der ganzen Belastung und hört mit dem Sport komplett? Warum?

Einer der bekanntesten Top-Trainer ist Günther Bresnik, er sagt: »Tennis auf professionellem Niveau ist die freieste Marktwirtschaft, die man sich vorstellen kann. Einer kommt weiter, einer ist raus. Purer Darwinismus. Faszinierend. Und die beste Lebensschule, die ich mir vorstellen kann.« Wenn er von Lebensschule spricht, dann heißt das also, dass es bei der »sportlichen Ausbildung« um viel mehr geht als das Tennisspielen zu lernen. Und genau das ist der entscheidende Punkt. Es geht um: Persönlichkeitsentwicklung! Denn der Sport formt den Charakter.

Es gibt wissenschaftliche Studien zu extrem erfolgreichen Menschen. Selfmade-Millionäre und Milliardäre. Interessant ist, dass die Meisten von Ihnen in der Jugend Leistungssportler waren. Wahrscheinlich haben diese erfolgreichen Menschen auch durch den Sport Qualitäten gelernt, die sie im Berufsleben super nutzen konnten. Sich Ziele setzen, langfristig hart für diese Ziele zu arbeiten, auch wenn es mal unangenehm wird, sich durchsetzen, fair natürlich, Konzentration, mit Niederlagen umgehen können, alles ein Teil der Persönlichkeit. Und genau das macht diese Menschen erfolgreich.

Man kann zur Persönlichkeitsentwicklung also festhalten:

Merksatz Nr. 2: Man braucht verschiedene Persönlichkeitsmerkmale, um maximale Leistung im Sport zu bringen!

Merksatz Nr. 3: Genau diese Merkmale, diese Charaktereigenschaften sind meist auch bei anderen »High Performern« zu finden, egal in welchem Bereich sie erfolgreich sind!

Und genau das ist der Grund, warum der Leistungssport für Kinder und Jugendliche so wertvoll ist. In einer Zeit, in der viele junge Menschen stundenlang jeden Tag vor dem Fernseher, Smartphone oder Spielkonsolen sitzen, erarbeiten sich Leistungssportler körperliche Fähigkeiten, aber vor allem auch geistige. Sie formen Ihre Persönlichkeit!

Jugendtrainer von Christiano Ronaldo: »Er war talentiert (…). Aber was mich mehr beeindruckt hat, war seine Entschlossenheit. Seine Charakterstärke schimmerte durch. Er war beherzt – mental war er unverwüstlich.«

Mentale Stärke macht den Unterschied!

Was bedeutet eigentlich »mentale Stärke«? Für viele bedeutet es, dass jemand bei 5:5 im Tiebreak gut spielt. Also Leistung abrufen in engen, wichtigen Spielsituationen. Das ist sicherlich ein wichtiger Teil, aber seien wir mal ehrlich. In diesen Tiebreak kommt man doch gar nicht, wenn der Gegner 3 Klassen besser Tennis spielt. Es geht also um mehr: spielerische und körperliche Qualitäten.

Und genau da, im täglichen Training, wird der Unterschied gemacht. Denn die mentale Stärke ist mehr als »gute Nerven« in wichtigen Spielsituationen. Sie ist ein Teil der Persönlichkeit. Sehen wir uns doch die Besten der Besten mal an. Alle hatten ihren eigenen Weg, ihre eigene Geschichte, Trainingsweisen, die sie an die Spitze ihrer Sportart gebracht hat. Ob Federer, Nadal, Djokovic, Michael Jordan, Kobe Bryant, Christiano Ronaldo, Lionel Messi, Usain Bolt, Tiger Woods oder Michael Phelps, jeder ist auf seine Weise individuell. Aber es fällt auf, dass es Persönlichkeitsmerkmale gibt, die alle gemeinsam haben. Ist das Zufall? Natürlich nicht.

Bestimmte Charakterzüge sorgen dafür, dass diese Sportler extrem gut in ihrem Sport geworden sind, besser als alle anderen jemals zuvor!

Michael Phelps: »How do you channel peak performance into championship performance? You have to be mentally tough, that´s how. How do you get to be mentally tough? You have to train your mind just like you train your body.«

Persönlichkeitsmerkmale trainieren? Mentaltraining? Zu einem (Sport-)Psychologen gehen, bei dem man sich auf eine Liege legt, von seinem Leben, Problemen und Gefühlen erzählt? Völlig uncool! Dann schon eher Motivationsvideos auf Social Media. Fassen wir mal zusammen:

Die allermeisten ambitionierten Sportler wissen wie wichtig mentale Stärke ist, wissen aber nicht, welche Qualitäten genau dazu gehören und schon gar nicht, wie sie diese trainieren können. Wenn man sich die Entwicklung der Top-Sportler genau ansieht, fällt auf, dass die entscheidenden Qualitäten alle trainiert wurden. Manche von Ihnen haben gezielt mentales Training gemacht, andere unbewusst. Die Meisten hatten Trainer, die extrem hohe Ansprüche hatten, in absolut jedem Bereich. Dadurch wird automatisch der Charakter geformt. Andere haben diese Eigenschaften von den Eltern übernommen. Egal wie oder von wem:

Merksatz Nr.4: Es gibt Qualitäten, die muss jeder Sportler haben, um ganz nach oben zu kommen. Egal in welcher Sportart. Man muss sie kennen, trainieren und perfektionieren.

Erfolg

Bevor wir dann tiefer in das Thema Erfolg und Leistung einsteigen, vielleicht noch ein paar wichtige Worte vorweg. Erfolgreich sein! Wer will das nicht? Aber was ist Erfolg? Das kann jeder für sich selbst festlegen. Der Eine will in die Fußball-Bundesliga, der Andere im Tennis in die Top 100, der nächste einmal bei einem Grand Slam teilnehmen oder bei Olympia, Weltmeisterschaften. Manch einer will der Beste der Welt sein. Für Andere ist das Halbfinale der Kreismeisterschaften ein voller Erfolg. Für manche ist Erfolg gleich Geld. Andere suchen eigentlich die Anerkennung von Anderen während wieder andere sich selbst verwirklichen wollen. Klar ist also:

Die Ansprüche, die Ziele und auch die Motivation dahinter ist für jeden Menschen anders. Und das ist auch gut so, denn jeder Mensch hat ja auch etwas andere Voraussetzungen. Wo sind Stärken? Wo Schwächen? Wie ist das Trainingsumfeld? Wie ist die Unterstützung der Familie?

Egal wie die Situation nun ist, im Leistungssport geht es darum, das Maximale aus seinem Potenzial zu machen! Wenn das, was man erreicht, mit den eigenen Erwartungen zusammenpasst, dann ist der Sportler erfolgreich. Wir sehen also:

Merksatz Nr.5: Jeder entscheidet selbst, was für ihn Erfolg bedeutet!

Was auch immer es für dich bedeutet, klar ist: Erfolgreich sein ist gut! Denn: Wissenschaftliche Studien belegen, dass »Erfolg« in direktem Zusammenhang steht mit Lebensqualität. Natürlich gibt es Ausnahmen aber:

Merksatz Nr.6: Erfolgreiche Menschen sind im Durchschnitt glücklicher, gesünder und haben auch eine höhere Lebenserwartung.

Da lohnt es sich doch, einmal über Erfolg und den Weg dahin nachzudenken! Gerade bei Leistungssportlern geht es dabei oft um: Leistung! Gewinnen! Der Beste sein! Sie wollen nicht durchschnittlich sein, sie wollen mehr!

»Warum willst du denn immer mehr? Kannst du nicht mal zufrieden sein?« heißt es dann vielleicht. Menschen, die so etwas sagen, sind meistens selbst nicht besonders erfolgreich. Häufig sind es diejenigen, die wenig Selbstvertrauen haben. Sie glauben nicht, dass für sie große Leistungen möglich sind und haben deshalb entschieden: »Das will und brauche ich nicht«. Aber jeder Mensch ist anders. »Mehr« zu wollen ist ok! Die eigenen Grenzen verschieben, der Drang besser zu werden. Wer im Sport nach oben will, der braucht genau diese Einstellung!

Novak Djokovic: »I want the same thing that I´ve wanted since I was 7 years old. I want to be No. 1.«

Und noch etwas: »Mehr wollen« heißt nicht, dass man gerade unglücklich ist, nur weil man das gesteckte Ziel noch nicht erreicht hat. Man kann sehr glücklich und dankbar sein und trotzdem täglich stundenlang hart für seine Vision arbeiten.

Wie erfolgreiche Menschen denken!

Erfolgreich sein. Wenn das also das Ziel ist, dann macht es doch Sinn einmal zu schauen: Was haben die »Erfolgreichen« denn für Gemeinsamkeiten. Egal ob im Sport oder in anderen Bereichen: Welche Eigenschaften machen diese Leute aus? Dazu gibt es verschiedene wissenschaftliche Studien. Egal ob Sportler, Musiker oder Unternehmer. Erfolgreiche Menschen kann man nicht kategorisieren nach Geschlecht, Herkunft, Ethnie, Alter. Nur nach persönlichen Eigenschaften, ihrer Art zu denken. Manche sagen auch: Mindset.

Anders denken, anders handeln? Viele dieser »Super-High-Performer« denken und machen genau das Gegenteil von dem, was die meisten anderen Menschen tun. Sie haben eine andere »Lebenseinstellung«, Charakterzüge. Aus dem Grund sagen viele Top-Sportler: Erfolg beginnt im Kopf! Und wenn der Kopf richtig eingestellt ist, dann ist Erfolg kein Glücksfall, sondern vor-programmiert, eine logische Konsequenz!

Sehen wir uns mal an, was die Wissenschaft im Allgemeinen sagt. Was können wir von den Top-Performern lernen? Was sind das für Charakterzüge, die erfolgreich machen?

Merksatz Nr.7: Erfolgreiche Menschen denken anders als die meisten anderen Menschen.

Anders denken? In der Wissenschaft spricht man davon, dass Menschen durchschnittlich 60-70 Tausend Gedanken pro Tag haben, die meisten davon unbewusst. 90 % dieser Gedanken sind die gleichen wie am Tag davor. Einfach, weil wir Menschen Gewohnheiten und Routinen brauchen. Gedanken führen zu Emotionen und zu Handlungen. Das bildet unsere Persönlichkeit! Und wenn erfolgreiche Menschen »anders denken«, dann wirkt sich das natürlich auf jeden Tag und das ganze Leben aus.

Interessante Typen diese Erfolgreichen. Die Charaktereigenschaften zeigen also schon mal, in welche Richtung es geht. Natürlich ist diese Charakterisierung noch ziemlich allgemein gehalten. In den folgenden Kapiteln werden wir uns das Ganze genauer und in Bezug auf Sportler ansehen.

 

Ziel des Buchs

Novak Djokovic: »Gerade in einer Individual-Sportart ist es wichtig, auf alles vorbereitet zu sein.«

Was soll das Ziel sein von diesem Buch? Machen wir es mit einem einfachen Beispiel klar: Ein Anfänger im Tennis will einen Aufschlag lernen. Das ist sein Ziel. Was braucht er dazu?

Eine Bewegungsvorstellung, damit er weiß, was er tun soll. Diese Aufschlagbewegung muss dann viel trainiert und immer wieder nachgebessert (reflektiert) werden. Dadurch wird sie dann besser und besser. Die Aufschlagbewegung ist ja schon relativ komplex, zumindest wenn man sie in Perfektion können will. In diesem Buch geht es nicht um technische Aspekte, sondern um die Grundlagen von Leistung! Was muss jemand wissen, damit er das Maximale aus seinen Möglichkeiten machen kann?

Und dabei gibt es sehr viel gefährliches Halbwissen. Wir haben bereits darüber gesprochen, dass es offensichtliche Aspekte im Tennis gibt: Hat der Spieler eine »saubere Vorhand«? Das kann man schnell sehen. Aber gerade die wichtigen Qualitäten, die ein Spieler braucht und die man nicht direkt sieht, auf die konzentrieren wir uns: Wie viel Selbstvertrauen hat der Spieler? Wie groß ist seine Willensstärke? Wie gut kann er sich konzentrieren? Es geht um die Persönlichkeit und um mentale Stärke!

Und damit Spieler diese Stärke aufbauen können, müssen sie als Erstes verstehen, worauf es ankommt:

Bevor jemand anfängt Vollgas zu geben, sollte er vielleicht verschiedene Sachen verstanden haben. Er sollte einen groben Plan im Kopf haben. Und dabei möchte ich mit diesem Buch helfen. Verstehen, worauf es im Spitzensport ankommt. Verstehen, wie das große Ganze, das Puzzle an Qualitäten aussieht. Verstehen, was Tennisspieler brauchen, um ganz nach oben zu kommen!

Denn wer den Weg nicht kennt, der kommt wahrscheinlich niemals an. Und je mehr ein Spieler weiß, desto besser kann er sich selbst coachen. Das sieht man bei allen Top-Sportlern: Ein riesiges Verständnis für das, was sie tun. Sie sind dadurch ihre eigenen Mentaltrainer! Einen großen Schritt in diese Richtung, das ist dieses Buch!

 

Wie entsteht Leistung?

Novak Djokovic: »Wenn ich als Spieler Höchstleistung bringen will, dann kann ich keine Kompromisse eingehen.«

Der Eisberg

Das ist ein Eisberg:

Es gibt einen kleineren Teil, den man oberhalb der Wasseroberfläche sieht. Der deutlich größere Teil ist unter Wasser. Diesen sehen wir erstmal nicht.

Wenn wir uns die Top-Spieler ansehen, dann sehen wir die Leistung, die sie abrufen können. Geile Ballwechsel, Aufschläge, Vorhände, Returns, Stopps, schnelle Beine, Power und und und. Das ist also das Offensichtliche. Das, was wir sehen können, die Spitze des Eisbergs.

Alles, was wir dort sehen, können wir in vier Bereiche unterteilen: Technik, Strategie/ Taktik, Koordination/ Kondition und Mental.

Auf die vier Bereiche werden wir später noch etwas genauer eingehen. An dieser Stelle reicht der Überblick. Das Gehirn in der Mitte symbolisiert, dass alle Bereiche vom Gehirn gesteuert werden. Die Verbindung von Auge-Gehirn-zentrales Nervensystem, ist hierbei ein entscheidender Faktor. Auch hierzu später mehr. Diese Leistung, die der Spieler im Match bringen kann, muss natürlich aufgebaut werden. Das passiert im Training.

Im Bereich des Trainings sind es 3 Faktoren, die entscheidend sind: Was wird trainiert? Also der Trainingsinhalt. Wie viel wird trainiert und wie ist die Qualität dabei?

  1. Trainingsinhalt

    Was trainiert wird! Je besser der Spieler, desto mehr geht das Training ins Detail. Bei jedem Puzzleteil wird versucht, das Maximale herauszuholen. Wahrnehmungstraining, Handlungsschnelligkeit, komplexes Motoriktraining, Lauf- und Schlagbewegungen, Regenerations- und Ausgleichstraining. Auf und neben dem Tennisplatz. Das Puzzle hat viele Teile.

  2. Quantität!

    Ganz klar, wer das Maximale aus sich herausholen will, der muss viel trainieren, sehr viel! Hier ist die Frage: Wie oft wird trainiert? Wie lange? Wie ist die Trainingsdichte, das Verhältnis Belastung/ Pause?

  3. Qualität!

    Training ist nicht gleich Training. Die Qualität macht einen riesigen Unterschied aus. Wie ist die Intensität? Wie hoch die Konzentration? Wenn die Körperspannung und die Konzentration optimal passen, dann lernt der Spieler schneller! Also: Je höher die Qualität im Training, desto größer ist der Trainingserfolg. Schlechte Trainingsqualität ist Zeitverschwendung!

Viele Jahre lang, (fast) jeden Tag, viele Stunden, mit höchster Qualität trainieren! Das ist extrem schwierig! Das können die allermeisten nicht. Man braucht die richtige »Einstellung«, das »Mindset«. Man braucht eine gewisse Persönlichkeit! Und diese lässt sich in 6 Erfolgsschlüssel zusammenfassen.

Diese sechs Qualitäten werden wir in diesem Buch genau besprechen. Sie sind die Grundlage aller erfolgreichen Sportler. Es kann keinen Spitzensportler geben, dem eines dieser sechs Merkmale fehlt. Natürlich gibt es viele Überschneidungen, denn in der Persönlichkeit hängen die verschiedenen Merkmale zusammen.

Zusammengefasst:

Merksatz Nr.8: Durch bestimmte Merkmale der Persönlichkeit, ist es Sportlern möglich, extreme Trainingsleistungen über Jahre hinweg zu bringen. Und diese Leistung rufen sie dann im Match ab!

Michael Phelps: »(…) the single most important factor in anything we do (…) was this: What is your attitude?«, »Attitude, Action, Achievement. That was the order you could expect things to happen.«

Machen! Umsetzen!

Okay, jetzt ist also klar geworden, wie die Leistung entsteht. Aber das ist nur die Theorie! Das ist der erste Schritt. Ein ganz wichtiger Schritt, klar, aber erst die halbe Wahrheit. Die wirkliche Veränderung, die Verbesserung, die passiert erst, wenn die Theorie UMGESETZT wird! Auf dem Tennisplatz, im Kraftraum, egal wo: Es geht ums MACHEN! Und da sind wir beim zweiten Problem.

Das erste Problem ist das Verständnis-Problem. Wenn das große Puzzle nicht klar ist. Wenn Spielern, Trainern, Eltern nicht ganz klar ist, welche Qualitäten wichtig sind und wie man diese trainiert. Das zweite Problem ist das Umsetzungs-Problem:

Es gibt viele Menschen, die konsumieren Informationen stundenlang am Tag. Instagram, TikTok, Twitter, TV und so weiter. Sie konsumieren, aber machen nichts, reagieren nicht, setzen nichts um. Es gibt Studien die belegen, dass der Mensch nur maximal

  • 20 % langfristig behält, von dem, was er hört oder liest (Bei der Art von Medienkonsum heutzutage denke ich, dass es deutlich weniger ist als das).
  • 50 % von dem, was er zusätzlich noch sieht, wenn also etwas bildlich dargestellt ist.
  • Und er behält bis zu 90 % von dem, was er macht.

Merksatz Nr.9: Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir ins »Machen« kommen!

Den Inhalt aus diesem Buch zu verstehen sollte nicht das Problem sein. Ich habe bewusst auch komplexe Themen so weit wie möglich vereinfacht. Deshalb sollte das Verständnis-Problem gelöst sein. Ich hoffe, dass es bei dir nicht zu einem Umsetzungs-Problem kommt!

Genau deshalb gibt es im gesamten Buch Aufgaben. Meistens sind das Fragen, die du für dich selbst beantworten kannst. In erster Linie geht es darum, sich zu reflektieren. Die Frage, die sich dadurch automatisch stellt, ist: Nutzt du das gesamte Potenzial in diesem Bereich aus? Ja oder nein? Wenn ja, super. Wenn nein, dann macht es Sinn zu schauen:

  • Was kann ich besser machen?
  • Wie kann ich das umsetzen?

Es gibt Sportler, die ein »Trainingstagebuch« schreiben. Ziele, Etappenziele, »to do´s«, Gedanken, Trainingsplanung (Inhalte, Schwerpunkte, Ergebnisse), Turnierplanung, Routinen, Rituale, Motivationshilfen. Alles, was einem selbst Orientierung gibt, kann man dort aufschreiben.

Manche Sportler machen sich selbst ein Vision-Board, eventuell mit Fotos. Ob das zu dir passt, musst du selbst wissen. Sich selbst eine gewisse Struktur zu schaffen, um den eigenen Fortschritt zu planen und zu sehen, das ist für viele Menschen sehr hilfreich. Was zu einem passt, das weiß jeder selbst am besten.

 

Was ist möglich?

DNA vs. Training

Rafa: »Von Natur aus bin ich nicht sonderlich gut koordiniert.«

Wie viel Einfluss haben wir eigentlich auf das, was wir am Ende leisten? Da gibt es doch die Gene. Und auf die habe ich ja keinen Einfluss, oder doch? Brauche ich nicht »natürliches Talent«?

Reporter: »Könnte also theoretisch jeder in die Top Ten kommen, wenn er nur konsequent genug arbeitet?«

Günther Bresnik, Ex-Trainer von über 20 Top 100 Spielern: »Meiner Theorie zufolge, ja. Als Talente gelten bei uns Leute, die weniger machen und trotzdem mehr erreichen. Und das gibt es einfach nicht. Das gibt es in keinem Beruf- und schon gar nicht im Sport. Im Endeffekt sind immer die die Besten, die über eine längere Zeitspanne richtig trainieren.«

»Der eine hat Talent, der andere nicht«. »Der eine ist halt gut, der andere nicht«. So wurde früher geurteilt. So ist das halt! Da kann man nichts machen. Mittlerweile gibt es in der Gehirnforschung einige neue Erkenntnisse und auch »Talente« wurden in verschiedenen Studien besser erforscht.

Aber man hört auch heute noch: »Der hat das in die Wiege gelegt bekommen! Das ist ein Talent, ein Jahrhunderttalent! Das ist ein Wunderkind!«. Wenn man sich diese Kinder genau ansieht, stellt man meist fest, dass es kein Wunder ist, dass diese Kinder so gut sind. Sie haben zu diesem Zeitpunkt einfach bereits tausende Stunden trainiert. Das fängt im Babyalter an, natürlich unbewusst. Schon hier zeigen sich bereits erste deutliche Unterschiede in der Körperspannung. Warum? Weil manche Babys »trainieren« und andere nicht. Ob und wie sehr die motorische Entwicklung der Kinder gefördert wird, hängt zum Teil natürlich von den Eltern ab, zum anderen Teil von den Interessen des Kindes.

Machen wir es an einem Beispiel klar: Max und Moritz, zwei 6-jährige Kinder kommen zum ersten Mal zu einer Schnupperstunde Tennistraining, beide haben vorher noch nie gespielt. Max ist deutlich besser als Moritz. Jetzt würde man instinktiv vielleicht sagen: Es liegt am Talent, an den Genen. Woher soll das sonst kommen? Schließlich spielen ja beide zum ersten Mal Tennis.

Vielleicht hat Max unbewusst im Kindergarten und zu Hause viel mit Bällen oder Luftballons gespielt. Vielleicht ist er auf Bäume geklettert, Fahrrad gefahren, Schwimmen gewesen, war viel draußen, ist gelaufen, hat Bälle geworfen und gefangen, war beim Kinderturnen, Fußball, Handball, etc. Natürlich hat er nicht bewusst trainiert, vor allem nicht das Tennisspielen. Trotzdem hat er ein paar tausend Stunden intensives Koordinations-, Motorik- und Konditionstraining gemacht.

Nicht nur der gesamte Bewegungsapparat (Muskeln, Knochen, Sehnen, Bänder, Gelenke), sondern auch das zentrale Nervensystem wurde dadurch sehr gut ausgebildet. Das heißt: Wenn es um Bewegungen geht (wie beim Tennis), dann kann er auf einen riesigen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Und das schon mit 6 Jahren!

Michael Phelps: »It would be ridiculous to say that I was a world-class talent from the very start.«

Max und Moritz stehen jetzt also auf dem Tennisplatz. Max ist generell sehr Sport-interessiert. Dadurch ist er aufmerksamer und konzentrierter, einfach weil es ihm mehr Spaß macht. Jetzt nehmen wir mal an, dass Moritz ein Instrument gelernt hat während Max »trainiert« hat. Oder (im schlechtesten Fall) hat er Fernseher geschaut. Natürlich kann Moritz dann nicht mithalten. Aber sind das jetzt die Gene, die man halt von den Eltern mitbekommen hat? Wohl eher nicht!

Jannik Sinner ist 7 Jahre alt, als er aufhört Tennis zu spielen. Er spielt Fußball, ist ein sehr guter Skifahrer und wird italienischer Meister im Riesenslalom. Er plant eine professionelle Karriere auf den Skiern. Mit 8 Jahren fängt er wieder an mit dem Tennisspielen, als Hobby. Erst im Alter von 14 Jahren startet er durch mit »professionellem« Tennistraining. Natürlich sind ihm andere, gleichaltrige Spieler deutlich voraus. Nur 5 Jahre später holt er, im Alter von 19 Jahren seinen ersten Titel auf der ATP Tour. »Jannik Sinner ist ein Kandidat für die Nr. 1«, sagt Toni Nadal. Wir warten mal ab…

Studien, die sich mit hochtalentierten Kindern beschäftigen, im Sport und auch anderen Bereichen, zeigen häufig, dass der Leistungsstand meistens direkt damit zusammenhängt, wie viel das Kind trainiert hat. So hat beispielsweise auch der »so talentierte« Roger Federer als kleiner Junge von Wimbledon Siegen geträumt und stundenlang den Tennisball gegen das Garagentor gespielt.

Merksatz Nr.10: Leistungen bei Kindern stehen meistens in direktem Zusammenhang mit den Übungsstunden.

Bei Talentsichtungen wurde in der Vergangenheit oftmals eine »Momentaufnahme« gemacht. Es wurde also geschaut, wie gut das Kind aktuell ist. Dadurch wurden Jugendliche abgeschrieben und aussortiert, die im Nachhinein sehr erfolgreich wurden. Teilweise haben diese Kinder dann später die »Talente« überholt und besiegt, nachdem sie den Trainingsumfang aufgeholt hatten.

Boris Becker: »Was ist Talent? Ist Talent auch die Fähigkeit sich quälen zu können? Ist Talent auch die Fähigkeit zu reisen und von zu Hause weg sein zu können?«.

Spitzenleistungen sind komplex. Es gibt viele Beispiele in beide Richtungen. In den Himmel gelobte Talente, die es nie geschafft haben. Genauso gibt es Beispiele, wie das von Jannik Sinner. Worauf kommt es denn jetzt an? Training? Gene? Das kann niemand 100%ig beantworten. Aber was sagen denn die Top-Spieler selbst?

Nadal: »Federer ist talentierter als ich«. Aber ob Federer wegen seiner Gene so gut geworden ist? Seine Eltern sind von der Statur her eher klein und keine Ausnahmesportler. Aber seine Mutter Lynette sagt: »Wir haben mit Roger immer gespielt, Fußball, Tischtennis, Squash (…). Wir hatten immer einen Ball dabei.«

Andy Murray: »Ich glaube nicht daran, dass man mit Talent geboren wird. Ich glaube es entsteht dadurch, wie du aufwächst, wie viel natürlichen Ehrgeiz du hast. Du musst dich durchsetzen. Das geht nur, wenn du hart arbeitest.«

Günther Besnik schreibt in seinem Buch »Die Dominic Thiem Methode«: Genie ist 1 % Talent und 99 % harte Arbeit. Diesen Satz von Albert Einstein kann ich zu 100 % bestätigen. Er sagt über Dominic: »Er hatte nicht mehr Ballgefühl, war nicht schneller und lernte Neues auch nicht auf Anhieb. Er hatte nur 2 entscheidende Vorteile: Er liebte Tennis und er verlernte nichts«. Schauen wir uns die Gene mal etwas genauer an…

Carlos Moya über Nadal: »Um ehrlich zu sein, ich hatte nicht den Eindruck, dass er talentierter war als andere Spieler seines Alters. Es fiel mir nur auf, dass er kämpferisch war.«

Genetik/ Epigenetik

Marketingchef Addidas (Impossible is nothing) über Lionel-Messi: »In diesem Fall erzählt Leo seine Lebensgeschichte: Die eines elfjährigen Jungen mit der Körperstatur eines Achtjährigen, der dies aber nicht als Erfolgshindernis gelten ließ.«

Wir haben einige tausend Gene, wie viele genau, darüber ist sich die Wissenschaft nicht ganz einig. Viele nehmen an, es sind ca. 20.000. Alle diese Gene liegen auf unserem DNA Strang.

Quasi wie ein Bauplan. Wir können diesen Bauplan nicht verändern und er ist bei jedem Menschen unterschiedlich zusammengesetzt, außer bei eineiigen Zwillingen.

Natürlich wurden diese Gene erforscht: Von allen Genen stehen ca. 200 in Zusammenhang mit sportlicher Leistungsfähigkeit, ca. 20 mit sportlichen Spitzenleistungen, nur 2 Gene sind erwiesenermaßen definitiv leistungsfördernd: 1x Strukturprotein, auch »Schnelligkeits-Gen« genannt. 1x »Ausdauer-Gen«, welches für eine erhöhte Sauerstoffaufnahme ins Blut sorgt.

Das heißt: Top-Sprinter bzw. Top-Ausdauerathleten brauchen das entsprechende Gen um Spitzenleistungen in ihrer Disziplin bringen zu können. Spielsportler, Tennisspieler müssen zwar auch schnell und ausdauernd sein, aber nicht in dem Ausmaß. Und das fehlende Gen heißt nicht, dass man nicht sehr schnell oder ausdauernd sein kann. Nur Spitzenleistungen sind in dem Bereich nicht möglich. Für Spielsportarten sind diese Gene also nicht zwangsläufig notwendig. Es ist erwiesenermaßen so, dass bei zwei Spitzensportlern in der gleichen Sportart, eine völlig unterschiedliche Gen-Zusammensetzung existiert.

Merksatz Nr.11: Die »perfekten Gene« gibt es nicht.

Gene können nicht verändert werden. Das Forschungsfeld der Epigenetik hat aber herausgefunden, dass wir großen Einfluss auf die Gene nehmen können, indem wir sie aktivieren bzw. deaktivieren. Also nicht austauschen, aber aktivieren oder deaktivieren. Wir sind also keine Marionetten unserer Gene! Auch wenn wir beispielsweise nicht unsere Augenfarbe ändern können, können wir auf manche Gene Einfluss nehmen. Wie?

Durch »Umwelteinflüsse«, so nennt es die Wissenschaft. Konkret: Ernährung, Bewegung/ Sport, Regeneration/ Schlaf, Psyche. Denn die Art und Weise wie wir leben wirkt sich auf unseren Hormonhaushalt aus. Und das ist der entscheidende Schlüssel! Halten wir also fest:

Merksatz Nr.12: Wir können Einfluss auf die Aktivität unserer Gene nehmen.

Wenn wir der Frage nachgehen, wie wichtig eigentlich die Gene sind, dann müssen wir uns natürlich das »Beanspruchungsprofil« im Tennis ansehen. Also welchen Anspruch hat Tennis an unseren Körper? Und gerade, weil die Sportart so komplex und vielseitig ist, sind vor allem das zentrale Nervensystem und das Gehirn gefordert. Und wie gut kann man das trainieren? Sehr gut! Denn:

Merksatz Nr.13: Gehirn und Nervensystem sind extrem lernfähig.

Das Tennisspielen kann man also relativ gut trainieren, besser als andere Sportarten. Aber Tennis bietet noch einen Vorteil für Spieler, die kleinere »Schwächen« haben. Denn gerade, weil der Sport so komplex ist, können Schwächen in einem Bereich durch Stärken in einem anderen Bereich ausgeglichen werden können. Und das selbst in der Weltspitze. Auch das sehen wir uns etwas näher an.

Bresnik: »Es ist immer der Fleiß, der sich am Ende in Erfolg niederschlägt: Übung macht den Meister. Nicht Begabung.«

Der Ausweicheffekt

Natürlich gibt es auch Gene, die wir nicht beeinflussen können, wie zum Beispiel: die Größe. »Groß« sein ist in vielen Sportarten ein Vorteil, so auch im Tennis. Über die letzten Jahre ist die Durchschnittsgröße der Top 100 ATP Tennisspieler nach oben gegangen, über 1,85 Meter. Andere Winkel, eine größere Reichweite! Dadurch ergeben sich natürlich Vorteile, vor allem in der Spieleröffnung.

Also Vorteil ja, aber kein Ausschlusskriterium, zumindest nicht im Tennis. Auf manchen Positionen im Basketball oder, wie angesprochen, im 100-Meter-Sprint, hätte ein Athlet von 1,70 Meter einfach keine Chance! Aber in vielen anderen Sportarten gibt es den sogenannten »Ausweicheffekt«. Was heißt das? Der Sportler trainiert dafür in anderen Bereichen und wird darin so gut, dass er sein Defizit ausgleicht.

Lionel Messi ist nur 1,69 Meter groß. Damit ist er natürlich seinen Gegnern in verschiedenen Hinsichten unterlegen. Kopfballduelle gewinnt er eher nicht und »körperlich durchsetzen« kann er sich eher nicht. Dafür hat er ein unfassbares Ballgefühl, ist wendig und hat ein extrem gutes Spielverständnis. Diesen Vorteil kann er ausspielen.

Lionel Messi: »Durch meine geringe Größe habe ich eben gelernt, den Ball auf dem Boden besser unter Kontrolle zu halten und beweglicher und schneller zu sein als die großen Spieler, um so den Ball zu behaupten.«

Wie ist das im Tennis? Was ist der Ausweicheffekt beim Tennis? Bleiben wir bei der Größe und nehmen als Beispiel den Argentinier Diego Schwartzmann, 1,70 Meter groß. Natürlich ist sein Aufschlag nicht so gefürchtet, wie der von einem 2 Meter-Mann. Aber das gleicht er aus: Sehr hohe Return Quoten, sehr gute Antizipation, sehr starkes Spiel von der Grundlinie und eine extrem gute Beinarbeit. Außerdem kann er das, was fast alle kleineren Spieler können: Kämpfen!

Anderes Beispiel: Laufgeschwindigkeit 2016. Während Novak Djokovic als maximale Geschwindigkeit mit 36 km/h gemessen wurde, kommt Federer nur auf 26 km/h. Was die Geschwindigkeit beim Laufen angeht, ist Federer also wahrscheinlich langsamer als andere Spieler. Diese sind natürlich auch teilweise 20 Jahre jünger als er selbst. Was ist sein Ausweicheffekt? Er hält die Punkte gezielt kurz, schlägt sehr gut auf, retourniert aggressiv, nimmt die Bälle früh und vermeidet damit eher die langen Laufwege. Das Defizit der Laufgeschwindigkeit gleicht er also mit einer überragenden Antizipation, Reaktion und Auge-Hand-Koordination aus.

Merksatz Nr.14: Manche körperlichen Defizite können durch Training, Strategie und Taktik ausgeglichen werden.

Zusammenfassung