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Raymond Unger

VOM
VERLUST
DER
FREIHEIT

Klimakrise, Migrationskrise,
Coronakrise

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1. eBook-Ausgabe 2021

© 2021 Europa Verlag in der Europa Verlage GmbH München

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Redaktion: Franz Leipold

Layout & Satz: Danai Afrati, München

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95890-344-9

Alle Rechte vorbehalten.

www.europa-verlag.com

Inhalt

VORWORT

KAPITEL 1 – PSYCHOLOGISCHER HINTERGRUND

Top-down Journalismus

Corona und Medienkompetenz

Konformität

Transgenerationales Kriegstrauma

Toxische Scham

Schuldstolz und Identität

KAPITEL 2 – GROSSE TRANSFORMATION

Demokratie neu denken

Neuer Gesellschaftsvertrag

Kalifornische Ideologie

Archetyp Sozialismus

Kulturmarxismus

KAPITEL 3 – CORONAKRISE

Kognitive Verzerrung

Profiteure der Angst

UN und WHO

Event 201

Der Wolf von Bergamo

Zu viel des Guten

PCR-Test

Zweite Welle

Informationskrieg

Corona-Winter

Medienversagen

Corona-RAF

Maskenball

Schutzlos ausgeliefert

Gentechnische Impfstoffe

BNT162b2 für Jesus

Motivationsspritzen

Zahlenschlacht

KAPITEL 4 – GENDER, RASSISMUS, MEDIEN

Vaterhass

Doing Gender

Critical Whiteness

Rassisten sind weiß

Politische Korrektheit

Cancel Culture

Nudging, Framing, Spaltung

Torben und der ADAC

Wirklichkeitsverlust

KAPITEL 5 – KLIMAKRISE

Weltuntergang

Panik Jugend

Greta

97 Prozent

400 ppm

Klimaleugner

Mogelpackung

Blackout

KAPITEL 6 – MIGRATIONSKRISE

Im Schatten von Corona

Zuwanderung

Euphemismus Multikultur

Vormund und Mündel

Säkulare Muslime

Gott schuf die Angst

Scharia und Grundgesetz

Demografie

Youth Bulge

KAPITEL 7 – AUSBLICK

Angst

Homo hygienicus

Lockdown oder Kontrolle?

Freiheitsverlust

Great Reset

Finanzcrash

Krisenkult

Apokalyptische Reiter

SCHLUSSWORT

NACHTRAG

BIBLIOGRAFIE

ANMERKUNGEN

Vorwort

In meinen bisherigen Büchern geht es um die Frage, welche Mechanismen die authentische Selbstwerdung begünstigen oder verhindern. Obgleich ich mittlerweile als politischer Autor wahrgenommen werde, gilt mein Hauptaugenmerk nach wie vor den Bereichen Psychologie, Kreativität, Spiritualität und Philosophie. In den letzten Jahren habe ich allerdings erkannt, dass alle individualpsychologischen Prozesse auch eine kollektive und damit politische Bedeutung haben. Menschen sind soziale Wesen, sie beeinflussen ihr soziales Umfeld und vice versa. Therapeuten wie Hans-Joachim Maaz weisen zu Recht darauf hin, dass es zwei Arten von Freiheit gibt: eine formal politische, die in einer offenen Gesellschaft wie der unseren eigentlich garantiert sein sollte, und eine innerpsychische. Das Problem ist: Die eine Freiheit bedingt die andere. Verunsicherte, unreife Individuen können nichts zur Sicherung und Ausgestaltung freier Gesellschaften beitragen.

Ausgehend von meiner Arbeit an kreativen und psychologischen Prozessen, war es nur ein kleiner und folgerichtiger Schritt, die Gesellschaft als Ganzes in den Blick zu nehmen. Als Künstler und Therapeut interessieren mich gesellschaftliche Bedingungen, die ein authentisches und freies Leben ermöglichen. Wie kann man den diversen Fremdbestimmungen, einem Leben aus dem sogenannten »Über-Ich«, entgehen? Um die vielen Fremdbestimmungen und Zugzwänge erkennen und ablegen zu können, muss man zunächst einmal lernen, wirklich erwachsen zu werden, was bekanntlich nichts mit Älterwerden zu tun hat. C. G. Jung würde zudem davon sprechen, dass man lernen müsse, auf die Stimme des »Selbst« zu hören. Andere Therapeuten würden ergänzen, man müsse das »wahre Selbst« erst einmal kennenlernen, es gleichsam freilegen. Ein Leben im »falschen Selbst« bedeutet, dass man als Kind nie die Chance hatte zu lernen, was man wirklich fühlt, braucht oder ablehnt. Was ist echt, eigen und authentisch? Und was wird vorgegeben, befohlen und verordnet? Wer sein wahres Selbst nicht kennenlernen konnte, ist sich seiner nicht bewusst. Einfacher gesagt, er ist nicht selbstbewusst. Menschen ohne Selbstbewusstsein sind zum Konformismus verdammt. Und Menschen ohne Selbstbewusstsein haben Probleme mit dem Eigenen, das nicht erkannt, geschweige denn geliebt und geschützt werden kann. Da Menschen mit diesem Psychogramm keine echte, innerpsychische Freiheit kennengelernt haben, sind sie auch kaum in der Lage, gesellschaftlichen Freiheitsverlust wahrzunehmen. Mehr noch: Normierende, autoritäre Strukturen werden sogar als entlastend erlebt. Viele Menschen, die mit diesem Psychogramm in der Kindheit beschämt wurden, fühlen sich auf eigentümliche Weise einsam und schuldig, ohne ergründen zu können, woran dies liegt. Allerdings finden viele Betroffene schnell heraus, dass sich Scham-, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle erfolgreich ableiten lassen, indem man Macht über andere erlangt. Wer eine gesellschaftliche Position erringen kann, in der er andere beschämen, maßregeln und belehren kann, vorzugsweise mithilfe zeitgenössischer Moralen, kann seinen innerpsychischen Schmerz erfolgreich lindern. Derartige Machtpositionen finden sich naturgemäß in den Bereichen Ausbildung und Lehre, Politik, Medien und Kultur.

In Wirklichkeit können narzisstische Persönlichkeiten jedoch weder in der eigenen Familie noch in einer Liebesbeziehung noch im gesellschaftspolitischen Raum frei, innovativ und wahrhaftig interagieren. Im Gegenteil: Zu echter Bindung unfähig, sind diese Charaktere auf ständigen Zuspruch von außen angewiesen; dies bringt Mitläufertum und Opportunismus mit sich. Die Ursachen, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zu entwickeln, sind vielfältig. Immer mehr Fachautoren stellen jedoch erschrocken fest, dass sich das Phänomen des kollektiven Narzissmus häuft. Gerade Deutschlands Besonderheit im »gut sein« legt die Vermutung nahe, dass hier sehr wirkmächtige, kollektive Faktoren greifen. In meinen vorangegangenen Büchern habe ich als Erklärungsansatz den Mechanismus des »transgenerationalen Kriegstraumas« beschrieben, in Die Heimat der Wölfe als erzählende, literarische Familienchronik, in Die Wiedergutmacher als politisches Sachbuch.

Für die erschreckende Polarisierung der Gesellschaft machen die Medien allgemein einen »Rechtsruck« verantwortlich – ohne dabei den eigenen »Linksruck« wahrzunehmen. Bei genauerer Betrachtung findet die Polarisierung der Gesellschaft jedoch weniger zwischen den Antipoden »rechts« und »links« statt. Die tatsächlichen Grenzlinien verlaufen zwischen narzisstisch und gesund, zwischen totalitär und freiheitlich, zwischen infantil und erwachsen, zwischen Gesinnung und Verantwortung und zwischen Mitläufern und Freidenkern. Narzissmus und Infantilität gehören zusammen. Das vielleicht wichtigste Merkmal des Erwachsenwerdens ist es, sich die inhärente Unverfügbarkeit des Lebens bewusst zu machen und sie anzuerkennen. Ein erwachsenes Bewusstsein erkennt, dass der Mensch ein Stück weit in sein Schicksal gestellt ist und dass der Mensch nicht Gott ist. Erwachsene Menschen halten Zielkonflikte und Widersprüche aus; sie wissen, dass alles seinen Preis hat und vor allem – dass das Leben endlich ist. Kinder wissen dies nicht. Kinder halten sich oder ihre Eltern für allmächtig. Kontakt zur Realität und damit zu Begrenztheit, Ungerechtigkeit und Endlichkeit macht Kinder unendlich wütend. Diese Wut agieren sie aus, indem sie Schuldige suchen, die sie für das natürliche Ungleichgewicht des Lebens verantwortlich machen können. Wehe einer Gesellschaft, in der Herbert Grönemeyers Vision Wirklichkeit geworden ist. »Kinder an der Macht« bedeutet infantile Hybris der Allmächtigkeit, umgesetzt in einer totalen, technokratischen, alternativlosen Politik. In den globalen Narrativen der Neuzeit und in den Credos der Regierung finden wir genau dies: Lockdown, Maskenzwang und Massenimpfungen sind alternativlos. WHO-, UN- und EU-Vorgaben sind alternativlos. Nullzinspolitik und Bargeldabschaffung sind alternativlos. Kampf gegen CO2 und Energiewende sind alternativlos. Migrationspolitik und Multikulturalismus sind alternativlos. Globalisierung und humanistischer Universalismus sind alternativlos. Feminisierung und Gender-Mainstreaming sind alternativlos. Doch eine Gesellschaft ohne Alternativen wird ihre Freiheit, ihren sozialen Frieden, ihren Wohlstand und schließlich auch ihre Demokratie verlieren.

KAPITEL 1

Psychologischer Hintergrund

Top-down Journalismus

Ursprünglich war die Konzeption für dieses Buch bereits im März 2020 abgeschlossen. Aufgrund der regen Resonanz auf Die Wiedergutmacher erschien mir ein Anschlussbuch wünschenswert. Im vorangegangenen Werk skizzierte ich den psychologischen Mechanismus von Transtrauma, den Fokus der politischen Folgen legte ich auf eine unverantwortliche Migrationspolitik. Tatsächlich zeigen sich die gesinnungsethischen und realitätsfernen Politikansätze Deutschlands insbesondere auf zwei weiteren Politikfeldern: Gender-Studies und Klimapolitik. Mein Folgebuch sollte daher alle Politikfelder umfassen, auf denen sich die Übersteuerung einer transtraumageschädigten Politiker- und Journalisten-Generation am verheerendsten auswirkt: Klima-, Gender- und Migrationspolitik. Dann kam Corona.

In ungeahnter Weise und wie unter einem Brennglas verdichtete sich das Transtrauma-Psychogramm vieler Babyboomer im Zuge der Coronakrise. Freiheitsbedrohende und ethisch wie juristisch äußerst fragwürdige Konzepte wie Lockdown, Maskenpflicht, Social Distancing, Tracking-Apps und Massenimpfungen wurden selbst im Sommer 2020 kaum hinterfragt, obwohl die Pandemie auf dem Tiefpunkt war und neue Erkenntnisse zur tatsächlichen Gefährlichkeit von Corona vorlagen.

Noch kontrastreicher als auf den von mir anvisierten Politikfeldern deckte die Coronakrise Konformitätsdruck, Servilität und strukturelle Infantilität vieler Babyboomer auf: Je rigider und paternalistischer die politische Ansprache bei den sogenannten »Corona-Schutzmaßnahmen« war, desto höher stieg das Ranking der Politiker. Eine auf dem Weg zur Zwergenpartei befindliche CDU konnte ihre Prozentzahl in nur wenigen Wochen verdoppeln – zum Leidwesen der Grünen und der AfD. Der Sprachduktus der Bundeskanzlerin, ähnlich einer fürsorglichen, aber strengen Mutter, wurde im Angstraum Corona noch stärker goutiert als zuvor. Überfällige und längst notwendige Corona-Debatten verbat sich die Kanzlerin und bezeichnete sie als »Öffnungsdiskussionsorgien«. Schwarzpädagogische Sprachfloskeln, wie »Zügel anziehen« und »brachial durchgreifen«, kamen bei den deutschen Bürgern bestens an. Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, die eigentlich souverän für ihre Länder verantwortlich sind, wurden in wöchentlichen Telefonkonferenzen mit dem Kanzleramt zum Rapport bestellt. Eigentlich hatten die Alliierten 1949 einer derartigen Machtkonzentration vorbeugen wollen, indem sie souveräne Bundesländer etablierten. Nie wieder sollte Berlin (oder damals Bonn) allein die Geschicke Westdeutschlands bestimmen können. Aus gutem Grund ist eine Runde der Ministerpräsidenten, unter dem Vorsitz der Kanzlerin, kein vom Grundgesetz vorgesehenes Entscheidungsinstrument. Im Zuge der Coronakrise hat es einen enormen Machtzuwachs für die Kanzlerin gegeben, denn letztendlich nehmen gestandene Landespräsidenten Weisungen aus Berlin entgegen. Dieser bemerkenswerte Vorgang wird seitens der Presse jedoch keineswegs moniert. Schließlich hatte es wenige Wochen vor Corona weitaus drastischere Übergriffe der Kanzlerin gegeben. Noch aus dem fernen Afrika verfügte sie, die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten sei unverzeihlich und müsse umgehend korrigiert werden.

Nach meiner Einschätzung ist die Freiheit seit 1945 nicht mehr so konkret bedroht gewesen wie im Zuge der Coronakrise. Ein kleines Virus, das real existiert und unter besonderen Umständen auch real krank macht, trifft im Internetzeitalter auf eine entwurzelte, wertelose, globale Gesellschaft, in der kollektive Angst-Meme in ungeahnter Heftigkeit zünden. Politische Konzepte, um diese teils realen, teils halluzinierten Ängste zu befrieden, bergen ungeheure Versuchungen zum Machtmissbrauch. Gemäßigte und alle Folgen abwägende Politikansätze setzen sich kaum gegen freiheitsbedrohende, totalitäre Maßnahmen durch, da viele Bürger glauben, dass nur letztere Schutz versprechen. Wenn ich dem Corona-Kapitel in diesem Buch einen besonderen Raum im Reigen der globalen freiheitsbedrohenden Politikansätze zugestehe, so hat dies gute Gründe. Hinzu kommt, dass mir ein Beitrag zur Erweiterung der Perspektive aufgrund meiner ganzheitlich-medizinischen Vorbildung eine Herzensangelegenheit ist (siehe auch Nachtrag).

Eine Beschäftigung mit Corona lohnt sich jedoch nicht nur, um anhand der Krise spezifisch deutsche Muster der Willfährigkeit abzubilden, die im Zusammenhang mit dem Transtrauma stehen. Die weltweite Gleichschaltung von Narrativen, insbesondere in der Klima- und Coronakrise, sowie die kritiklose Bereitschaft, den Agenden supranationaler Organisationen zu folgen, gehen weit über deutsche Befindlichkeiten hinaus. Die Politik der Regierung folgt letztlich globalen Agenden, die seitens WEF, UN, WHO, IPCC und IWF vorgegeben werden. Dass diese Organisationen weder demokratisch legitimiert sind noch altruistische Ideale zum Wohle der Menschheit verfolgen, wird am Ende dieses Buches deutlich werden. Merkels national-skeptische und global-freundliche Politik wird seit 2015 von einer regierungsfreundlichen Presse flankiert. Auch die Corona-Politik macht da keine Ausnahme. Dank der besonnenen Führung einer umsichtigen und wohl informierten Kanzlerin habe Deutschland die Coronakrise einigermaßen glimpflich überstehen können. Selbst der nachhaltige Freiheitsverlust über die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes, mit der potenziellen Möglichkeit dauerhafter Beschneidungen der Grundrechte, stieß auf breite mediale Zustimmung. Wie bereits bei den supranational geforderten Agenden zur Migrations-, Klima- und Gender-Politik tat eine regierungsfreundliche Presse alles, um kognitive Dissonanzen und offenkundige Ungereimtheiten zu leugnen. Mahner und Kritiker der Corona-Regierungspolitik, selbst wenn diese einen hohen wissenschaftlichen Rang vorweisen konnten, wurden als Querulanten, Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten verortet.

Mit seinem Buch Wie wirklich ist die Wirklichkeit – Wahn, Täuschung, Verstehen legt der renommierte Psychotherapeut Paul Watzlawick einen Klassiker der Kommunikationsforschung vor. Watzlawick führt auf unterhaltsame Weise aus, dass die Erfassung der sogenannten »Wirklichkeit« von diversen Konditionierungen, Ängsten und persönlichen Befindlichkeiten abhängig ist. Doch abgesehen von der innerpsychischen Lage, ist die Entwicklung einer ausgewogenen Medienkompetenz heutzutage wichtiger denn je. Du bist, was du isst – dies gilt auch für die geistige Nahrung. Um sich ein Bild von der Wirklichkeit machen zu können, sind wir auf seriöse, realitätsnahe Informationen angewiesen. Wir müssen dem System vertrauen können, das uns mit diesen Informationen versorgt. Westdeutschland hatte über viele Jahrzehnte eine relativ ausgewogene Medienlandschaft. Es war durchaus möglich, sich über die öffentlich-rechtlichen Sender und die großen Blätter, allen voran der Spiegel, ein einigermaßen realistisches Bild von der politischen und sozialen Wirklichkeit Deutschlands zu machen. Diese Ära ist spätestens seit 2015 vorbei. Dass sich im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise seriöse Medien wie Tagesschau und heute-journal für einen vermeintlich nötigen Erziehungsauftrag der Bürger entschieden haben, habe ich als persönlichen Schock empfunden. Letztlich war das Geschehen der Anlass für mein vorangegangenes Buch. Viele Menschen haben den Wandel der meisten deutschen Leitmedien – gegen Neutralität und für eine regierungsnahe Gesinnung – noch immer nicht mitbekommen. Ausgewogen informiert zu werden ist heutzutage ungleich aufwendiger als früher. Man könnte auch sagen, es ist ein zweiter Job. Trifft man Menschen auf der Straße oder im Alltag, lässt sich schon beim Smalltalk erkennen, ob das Gegenüber bereit war, diesen Job zu machen. Wenn Trumps Amtszeit keinen einzigen guten Aspekt hatte, wir unbedingt unseren CO2-Fußabdruck verringern müssen, der Islam friedliebend genannt werden muss und unsere Regierung die Deutschen vorausschauend und weise durch eine gefährliche Gesundheitskrise geführt hat, können wir getrost davon ausgehen, dass dieser Job nicht gemacht wurde. Medienkompetente Menschen merken Mainstream-informierten Menschen recht schnell an, ob sie das Framing der Leitmedien lediglich zurückspielen. Alle in diesem Buch beschriebenen Agenden dienen globalen oligarchischen Interessen, höhlen nationale demokratische Grundprinzipien aus und führen über kurz oder lang in die technokratische Totalität. Das einzige Antidot gegen diesen Prozess ist wahrhaftiger, neutraler Journalismus. Demokratie ohne freie, objektive, investigative Presse ist keine Demokratie. Selbst wenn es noch so gut gemeint ist – Journalisten, die das Neutralitätsgebot verletzen, indem sie den Bürger über »Nudging«, »Wording« und »Framing« in die richtige Richtung lenken wollen, ebnen damit den Weg in die Totalität.

Der Journalist Milosz Matuschek beschreibt, was guter Journalismus eigentlich sein sollte:

»Der italienische Publizist Paolo Flores d’Arcais schreibt in seinem Buch »Die Demokratie beim Wort nehmen«, dass in der echten Demokratie jeder Bürger ein Fürst ist. Jeder hat deshalb gleichen Zugang zur Wahrheit zu bekommen, um Entscheidungen treffen zu können. Das ist die Aufgabenverteilung in der Demokratie: Der Souverän entscheidet, der Journalist versorgt ihn mit den relevanten Informationen, und zwar so rein und ungefiltert wie möglich. […] Es geht nicht darum, etwas zu framen, zu erzählen oder jemanden zu überzeugen, sondern darum, den Beweis in Bild, Schrift und Ton für ein Ereignis zu liefern. Denken kann der Bürger selbst. Diese radikale Transparenz kann Verschwörung und Korruption zerschlagen: Niemand wäre mehr sicher vor Entdeckung. […] Es gibt zwei Arten, Journalismus zu betreiben, so wie es offenbar auch zwei Arten gibt, Demokratie zu organisieren: von oben nach unten oder von unten nach oben. In der Konstellation des Top-down ist der Journalist ein Wächter, ein Aufseher; letztlich Teil der ›Priesterkaste‹ (Schelsky). […] 40 Prozent des Inhalts einer Tageszeitung stammen inzwischen aus PR-Agenturen, schrieb mal der Spiegel. Propagandafiguren wie Rainald Becker (ARD), Olaf Sundermeyer (RBB), Sascha Lobo (Spiegel), Mai Thi Nguyen-Kim (maiLab) sorgen dafür, dass für die Regierung nichts anbrennt. Wenn unten rauskommt, was man oben reingibt, braucht es Journalismus allerdings nicht. Das kann auch der Pressesprecher der Regierung. Mit der zweiten Form des Journalismus, von unten nach oben, produziert man hingegen am ehesten das, was man, wenn schon nicht ›Wahrheit‹, dann zumindest einen ›unverstellten Zugang zur Wirklichkeit‹ nennen kann. Denn hier arbeitet der Journalist direkt für den Bürger und nicht für eine Institution mit eigenen Interessen. […] Der echte Journalist ist wie ein Minenarbeiter im Stollen, der sich durch Geröllhaufen an unwesentlichen Informationen arbeitet, um ein paar Goldkörner an Wahrheit zu Tage zu fördern. Nur dafür hat er Lohn vom Leser verdient. Niemand bezahlt nämlich freiwillig Geld für Propaganda, also Werbung.«1

Vor gar nicht so langer Zeit bestand in Westdeutschland noch ein recht ausgewogenes Verhältnis zwischen »Top-down«- und »Bottom-up«-Journalismus. Leitfiguren des deutschen Journalismus, wie Anja Reschke oder Georg Restle, behaupten inzwischen aber freiheraus, dass die neue globale Wirklichkeit zu »komplex« sei, um den Bürger mit einer neutralen Berichterstattung »allein zu lassen«. Man bekennt sich offen zu einem lenkenden Journalismus, bei der Sachinformation und Meinung bis zur Unkenntlichkeit vermischt werden. Trotzdem nennt man das Ganze nicht Propaganda, weil man glaubt, zu den Guten zu gehören. Ein Urvater der »Meinungspriester«, der Stimmungen nach Belieben modellieren konnte, war Edward Bernays (1891–1995), ein Neffe Sigmund Freuds. Bereits 1917 sorgte Bernays mit der Kampagne »Make the world safe for democracy« für die Zustimmung der Amerikaner, in den Ersten Weltkrieg einzutreten. Später steigerte er den Absatz von Zigaretten, indem er Frauen zum Rauchen brachte. Das Framing damals: Zigaretten als Emanzipations-Symbol, »torches of freedom« (Fackeln der Freiheit). Auf Bernays eigentliches Geheimnis zur Massenmanipulation, auf das er sozusagen das Copyright hat, komme ich im Klimakapitel zurück. Sofern man einen Nobelpreis für Massenmanipulation ausgelobt hätte – Bernays hätte ihn wohl gewonnen. So behauptete Bernays, der Propaganda-Erfolg von Joseph Goebbels sei auf sein Buch Crystallizing Public Opinion zurückzuführen, was durchaus denkbar wäre. Erschreckenderweise beschreibt Bernays exakt jene Prinzipien, die heute tatsächlich umgesetzt werden und die nicht allzu weit von den zeitgenössischen Journalismus-Vorstellungen entfernt sind:

»Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, bilden eine unsichtbare Regierung, die die wahre herrschende Macht unseres Landes ist. Wir werden regiert, unser Geist wird geformt, unser Geschmack geformt, unsere Ideen vorgeschlagen, größtenteils von Männern, von denen wir noch nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art und Weise, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Sehr viele Menschen müssen auf diese Weise zusammenarbeiten, um als reibungslos funktionierende Gesellschaft zusammenleben zu können. Unsere unsichtbaren Gouverneure sind sich in vielen Fällen der Identität ihrer Kollegen im Innenkabinett nicht bewusst. Sie regieren uns durch ihre natürlichen Führungsqualitäten, ihre Fähigkeit, die benötigten Ideen zu liefern, und durch ihre Schlüsselposition in der sozialen Struktur. Unabhängig von der Haltung, die man gegenüber diesem Zustand einnimmt, bleibt es eine Tatsache, dass wir in fast jedem Akt unseres täglichen Lebens, sei es im Bereich der Politik oder der Wirtschaft, in unserem sozialen Verhalten oder in unserem ethischen Denken, von der relativ kleinen Zahl dominiert werden von Personen – ein kleiner Teil unserer hundertzwanzig Millionen –, die die mentalen Prozesse und sozialen Muster der Massen verstehen. Sie ziehen an den Drähten, die das öffentliche Bewusstsein kontrollieren, nutzen alte soziale Kräfte und erfinden neue Wege, um die Welt zu binden und zu führen.«2

Demokratien, die auf diese Weise »geführt« werden, haben gegenüber totalitären Staaten einen großen Nachteil. In totalitären Regimen mit offenkundig gelenktem Meinungsmanagement wissen die meisten Bürger zumindest, dass sie einen zweiten Job zur Wirklichkeitserfassung leisten müssen. In der DDR las man heimlich den Spiegel und schaute Westfernsehen; Karl-Eduard von Schnitzler verkam zu seiner eigenen Karikatur, und viele Bürger haben über ihn gelacht. Über Claus Kleber, Anja Reschke, Georg Restle und Marietta Slomka wird heutzutage weitaus weniger gelacht. Viele Menschen halten den Journalismus der Leitmedien immer noch für objektiv und neutral.

Corona und Medienkompetenz

In der Neuzeit hat es nur wenige Ereignisse gegeben, die sich besser als Lackmustest für Medienkompetenz eignen als die Coronakrise. Zudem wird anhand von Corona überdeutlich, dass selbst mit der Entwicklung einer soliden Medienkompetenz erst der halbe Job getan ist, denn unter den Bedingungen einer innerpsychischen Angstrepräsentanz wird diese Aufgabe ungleich schwerer. Medienkompetenz hin oder her – wer konkrete Angst um sein Leben und das seiner Liebsten hat, ist nahezu chancenlos, sich ein ausgewogenes Bild von der Wirklichkeit machen zu können. Zu allen Zeiten und an allen Orten der Welt nutzten Demagogen jedweder Couleur diesen Mechanismus: Wer Angst hat, kann nicht mehr klar denken. Angsterzeugung ist deshalb der Schlüssel zu Willfährigkeit und Gehorsam, und jeder noch so groteske Freiheitsverlust wird akzeptiert, solange er der Gefahrenabwehr dient. Aus diesem Grund werde ich dem Thema Angst in meinem Abschlusskapitel besondere Aufmerksamkeit widmen.

Die Wucht und Dramatik von Corona, genauer die Bilder aus Wuhan und Italien, haben zu Beginn der Krise nahezu alle Menschen – selbst die wohlinformierten – ins Bockshorn gejagt. Eine Millionenstadt wie Wuhan komplett abzuriegeln und in einer gewaltigen Kraftanstrengung in wenigen Tagen ein komplettes Seuchenkrankenhaus aus dem Boden zu stampfen, das erzeugte weltweites Entsetzen. Als sich wenige Wochen später in Norditalien die Särge in den Kirchen aufreihten und nachts Militärtransporter eingesetzt wurden, um die Toten abzutransportieren, brach in ganz Europa Panik aus. Konnte ein vernunftbegabter Mensch angesichts dieser dramatischen Bilder überhaupt daran zweifeln, dass es sich bei Corona um ein brandgefährliches Killervirus handelt? Bis die einzigartige Melange aus realer und medial halluzinierter Gefahr entwirrt werden konnte, vergingen Wochen. Die Evolution der Erkenntnisse, vom Killervirus zum Scheinriesen, konnte jedoch nur nachvollziehen, wer bereits vor Corona über eine gewisse Medienkompetenz verfügte. Wer sich allein über die öffentlich-rechtlichen Medien informierte, blieb mehr oder weniger auf dem Wissensstand vom März 2020 stehen. Hier wurde überwiegend der Eindruck vermittelt, allein die Maßnahmen der Bundesregierung, insbesondere der Lockdown, hätten Schlimmstes verhindert. Tatsächlich veränderte sich die wissenschaftliche Einschätzung bezüglich der Gefahr von Corona vom März bis zum Jahresende 2020 auf dramatische Weise. Sterblichkeitsraten schrumpften von Studie zu Studie, tragische Missverständnisse über Nocebo-Effekte und Fehlbehandlungen klärten sich auf. Dramatisch anmutende Bilder wie diejenigen aus Wuhan, Bergamo oder New York hatten lokale, multiple Ursachen und ließen sich nicht pauschal auf den Rest der Welt übertragen. Die Frage jedoch, ob diese im Prinzip guten Nachrichten adäquat eingeordnet und verarbeitet werden konnten, lag nicht allein an einer gesunden und früh entwickelten Medienkompetenz. Selbst alternative Medien, wie Tichys Einblick oder die Achse des Guten, mussten sich über Wochen den Weg zu einer realistischen Einschätzung der Lage erkämpfen.

In besagter Zeit habe ich selbst vier Artikel zur Corona-Lage geschrieben, und obgleich ich über eine solide medizinische Vorbildung verfüge, habe auch ich einige Zeit gebraucht, um mich aus meiner persönlichen Angststarre zu lösen. Erst danach konnte ich eine sachlichere Einschätzung zur COVID-19-Pandemie entwickeln. In meinem ersten Artikel, Corona: Horror oder Hoax?3, nahm ich noch die Rolle eines Mahners ein. Deutsche Experten, wie Dr. Wolfgang Wodarg, Prof. Dr. Karin Mölling, Prof. Dr. Sucharit Bhakdi oder Prof. Dr. Stefan Hockertz, erschienen mir zu Beginn der Krise als unverantwortliche Verharmloser. An der Genese meiner Artikel lässt sich ablesen, wie es vielen freien Autoren erging. Zu Beginn der Krise war es schlichtweg schwer bis unmöglich, sich ein ausgewogenes Bild der Lage zu machen. Dann kamen jedoch immer mehr internationale Studien ans Tageslicht, die den deutschen Kritikern recht gaben. Zur Heinsberg-Studie des Bonner Virologen Prof. Dr. Hendrik Streeck gesellten sich die repräsentativen Ergebnisse einer Quarantäne-Studie der japanischen Behörden, die mit den Passagieren des festgesetzten Kreuzfahrtschiffs »Diamond Princess« durchgeführt wurde. Wenige Zeit später folgten die Studien der Stanford University unter der Leitung des renommierten Professors John Ioannidis. Ergänzt wurden diese Ergebnisse durch die Studien des israelischen Mathematikers Isaac Ben-Israel, der festgestellt hatte, dass Corona in allen Ländern der Welt eine ähnliche Verlaufskurve zeigt – unabhängig von den lokalen Maßnahmen. Schließlich folgten die statistischen Erhebungen von Dr. Dan Erickson aus den USA, der sich darüber gewundert hatte, warum in Kalifornien und anderen Bundesstaaten die Krankenhäuser und Intensivstationen so leer geblieben waren. Das Beeindruckende der unterschiedlichen Studien aus aller Welt war jedoch: Die Ergebnisse lagen eng beieinander und bestätigten sich gegenseitig. Ergebnis: Corona ist eine reale virale Erkrankung, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Dennoch liegt die Sterblichkeitsrate zwischen 0,14 und 0,37 Prozent – was so ziemlich einer typischen, mittelschweren Influenza-Sterblichkeitsrate entspricht. Corona erwies sich damit glücklicherweise als weitaus harmloser als befürchtet. (Die Aufbereitung der Fakten erfolgt in Kapitel 3.)

Sofern es Kräfte gibt, die vorsätzlich an der Atomisierung der Gesellschaft bis ins letzte Glied arbeiten – mit Corona hätten sie ganze Arbeit geleistet. Den großen Spaltungsthemen Migration und Klima setzte Corona – Nomen est omen – die Krone auf. Gab es bezüglich der übrigen Politikfelder Gender, Klima und Zuwanderung noch so etwas wie eine homogene Opposition unter den intellektuellen Freidenkern, so war dies spätestens mit Corona vorbei. Auch hier griff jetzt der fatale Angstmechanismus einer vermeintlichen Fremdgefährdung durch Ignoranz. Wer vor Corona reale Angst hat, empfindet Nicht-Maskenträger selbstverständlich als unverantwortliche Hasardeure, denen unbedingt Einhalt geboten werden muss. Diesen panischen Effekt kannte man bislang nur aus der Klimabewegung. Hier will man Fleischesser und SUV-Fahrer ebenfalls aufgrund einer angeblichen Gefährdung für die Allgemeinheit am liebsten zwangstherapieren oder ins Gefängnis stecken. Wer glaubt, eine reale Gefahr werde von den Kontrahenten aus dem vermeintlich feindlichen Lager verursacht oder verharmlost, führt einen unerbittlichen Abwehrkampf.

In diesem Kampf zeigt sich exemplarisch das Psychogramm vieler Babyboomer, das ich in meinem vorangegangenen Buch beschrieben habe. Die Hybris, mit der sich uninformierte, konformistische Bürger als aufgeklärt empfinden und gleichzeitig wohlinformierte Menschen als Idioten diffamieren, geht letztendlich auf eine narzisstische Störung zurück. Dabei beeindruckt mich immer wieder, mit welcher Leichtigkeit Konformisten ein offenkundig gelenktes Framing übernehmen. Ein eindrückliches Beispiel der Installation eines politischen Kampfbegriffes gegen Meinungspluralität ist das Wort »Verschwörungstheoretiker«. Dies will nun wahrlich keiner sein. In Wirklichkeit zieht der Begriff eine Brandmauer gegen jedwede Kritik am Regierungskurs. Der Ökonom Prof. Max Otte bringt es auf den Punkt:

»Wenn Sie Macht heute kritisch hinterfragen, dann sind Sie Verschwörungstheoretiker. Wenn Sie vor 30 Jahren die Macht kritisch hinterfragt hätten, dann wären Sie kritischer Sozialwissenschaftler gewesen.«4

Das Framing suggeriert: Wer Verschwörungen für möglich hält, sei per se wahnhaft, dumm und uninformiert. Derart leichtgläubige Paranoiker und Aluhutträger würden jeden gefährlichen Blödsinn glauben und weiterverbreiten. Dass ein Framing, das Andersdenkende kleinmacht und abqualifiziert, von schamgeprägten Kriegsenkeln goutiert wird, ist kein Zufall. Denn im Umkehrschluss liegt eine enorme Aufwertung der eigenen Position, man fühlt sich psychisch gesünder und klüger. Vermeintliche Realisten glauben, nur sie hätten die Kraft, einer echten Gefahr ins Auge zu sehen, während »Covidioten« das Problem leugnen. Der Mechanismus, mit dem sich Menschen mit wenig Wissen überschätzen und die Leistungen kompetenter Menschen verkennen, nennt sich Dunning-Kruger-Effekt.

»Wir richten den Fokus vor allem auf uns selbst, beobachten uns viel genauer als unsere Mitmenschen – allein, weil wir tiefer in uns hineinschauen können als in unser Gegenüber. […] Weil Halbwissende dazu neigen, sich selbst zu überschätzen, und zugleich die Kompetenz anderer verkennen, sehen sie auch nicht die Notwendigkeit, sich weiterzubilden und damit ihre Kompetenz zu steigern.«5

Man selbst weiß natürlich alles Wichtige über Corona, schließlich hat man sich über seriöse Quellen wie Tagesschau und Prof. Christian Drosten informiert. Als ich einen Artikel auf Facebook teile, der sich zustimmend zur Corona-Demo in Berlin positioniert, kommentiert eine Facebook-Freundin: »Warum bist du für diese mehrheitlich dummen Leute? Ich bin enttäuscht.«

Vermutlich ist die Facebook-Freundin eine eifrige Leserin des Spiegel, dort erklärt Stefan Kuzmany in seinem Artikel »Sollen sie nur pöbeln«:

»Mögen sie noch so laut krakeelen – die Demokratie lässt sich nicht einschüchtern. […] Und ja, es ist einmal mehr beschämend, dass mitten in der deutschen Hauptstadt Feinde der Demokratie marschieren und mit ihnen viele Menschen, die man wohlwollend frustriert und fehlgeleitet nennen kann, mit weniger Nachsicht aber einfach: leider sehr, sehr dumm.«6

Der Dunning-Kruger-Effekt sorgt auch bei Redakteuren des Spiegel für die Gewissheit, Andersdenkende seien per se dumm. Niemandem fällt auf, was der Begriff »Verschwörungstheoretiker« im eigentlichen Wortsinn bedeutet. Denn dass es Verschwörungen tatsächlich gibt, wird kein Mensch abstreiten, schließlich sind die Geschichtsbücher voll davon. Die Krux an Verschwörungen ist lediglich, dass sie oftmals erst Jahre später ans Licht kommen. Sofern eine Verschwörung funktioniert, bleibt sie unentdeckt. Theorien zu entwickeln und einer Indizienkette nachzugehen, um Verschwörungen vorzeitig aufzudecken, ist das Tagesgeschäft von Kriminalisten, (guten) Journalisten und Historikern. Im Kontext der Polizeiarbeit heißt dieser Vorgang schlichtweg Ermittlungshypothese, ohne diese Hypothese könnte man konspirativer Kriminalität gar nicht begegnen. Verständlicherweise liegt es im Interesse von Verschwörern, all jene zu diskreditieren, die derartige Überlegungen anstellen. Dass es Verschwörungen per se gar nicht geben könne und man folglich auch keine Theorien ersinnen müsse, um dahinterzukommen, ist offenkundig lächerlich. Komischerweise geht diesem Gedanken niemand nach, der sich gerade in den Kampfbegriff verliebt hat. Der Autor Paul Schreyer nennt als Gegenstück zum Verschwörungstheoretiker den »Zufallstheoretiker«. Dies wäre dann ein Mensch, der kein Geschehnis für geplant hält, erst recht nicht für konspirativ geplant. Indizienketten, die auf starke Interessengemeinschaften hinweisen, werden als »Zufall« betrachtet, und man muss ihnen nicht weiter nachgehen. In Bezug auf Corona wimmelt es von Zufallstheoretikern. Der »aufgeklärte« Bürger ist sich sicher: Niemand plant hier irgendetwas und niemand hat einen persönlichen Nutzen. Altruistische Wissenschaftler, Politiker und Pharmafirmen arbeiten fieberhaft daran, eine schicksalhafte Geißel der Menschheit zu bezähmen – das ist die ganze Geschichte. Und damit der Schaden so effektiv und zentral wie möglich gemanagt werden kann, helfen die Weltgesundheitsorganisation und der Internationale Währungsfonds fleißig mit. Die WHO gibt weltweit verbindliche medizinische Leitlinien heraus, und jene Staaten, die sich streng an die Vorgaben halten, bekommen über den IWF Milliarden Hilfsgelder und den Erlass alter Schulden. Was soll daran verschwörerisch sein?

»Die hier skizzierte Haltung ist weit verbreitet, besonders unter Intellektuellen und Meinungsführern. Sie fußt auf einigen Grundannahmen, die selten offen benannt werden:

»Die herrschende Ordnung ist im Grunde eine gute Ordnung.

»Andersdenkende sind oft dümmer.

»Menschen bedürfen der Lenkung, besonders bei ihrer Meinungsbildung.

An diesen Annahmen, die tief in die Verschwörungstheorie-Debatte eingewoben sind – so tief, dass sie vielen Menschen nicht mehr bewusst zu sein scheinen –, fällt vor allem eines auf: ihre autoritäre und obrigkeitsstaatliche Prägung. Liberal, pluralistisch und demokratisch wäre eigentlich die genau entgegengesetzte Haltung:

»Die herrschende Ordnung ist in Zweifel zu ziehen.

»Andersdenkende könnten klüger sein. Sie sind zu respektieren und auf Augenhöhe zu behandeln.

»Menschen sollten sich ihres Verstandes ohne fremde Anleitung bedienen.

Die Debatte über Verschwörungstheorien ist aus diesem Grund immer auch eine Debatte über das eigene Menschenbild und Politikverständnis.«7

In Bezug auf Corona gibt es tatsächlich lächerliche und abstruse Verschwörungstheorien. Dies bedeutet aber nicht, dass alle Geschehnisse, insbesondere im global gesteuerten Management der Krise, zufällig sind oder einzig dem Wohle der Menschheit dienen. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte zwischen »Verschwörungstheoretikern« und »Zufallstheoretikern«. Für mich war es jedenfalls bitter, mit anzusehen, wie sich im Prinzip kluge und ansonsten wohl informierte Autoren der freien Medien in puncto Corona nun auch untereinander zerstritten. Eine befreundete Schriftstellerin schrieb mir in einer privaten E-Mail dazu:

»Es ist zum Heulen. Als noch trostloser empfinde ich es, wenn mir gute Freunde, die sich noch gestern zu den kritischen Geistern gegenüber Mainstream-Vermeldungen rechneten, heute etwas von der ›real existierenden Pandemie‹ erzählen und dabei all die grotesken Regierungsmaßnahmen, die wir erleben müssen, für absolut gerechtfertigt halten – dann wird mir regelrecht flau im Magen … Ich kann auch dem Gerede von der ›Krise als Chance‹ nichts abgewinnen. Was soll dabei Gutes herauskommen? Die Krise wird von jenen ausgebeutet, die gnadenlos ihre Interessen durchdrücken, seien es Regierungschefs, Pharmakonzerne, Online-Konzerne, Parteiencliquen jeglicher Couleur oder Einzelakteure wie Bill Gates, und nicht zuletzt von jenen, die jetzt freie Fahrt haben, ihre Agenda von der progressistischen Weltangleichung im ganz großen Stil umzusetzen. Widerstand ist aufgrund der drastischen Maßnahmen gar nicht möglich und regt sich aufgrund des eingesetzten Psycho-Terrors in Form von Gruppendruck und totaler Propaganda nur rudimentär. Manchmal überfällt mich eine grenzenlose Resignation. Was ist nur geschehen? Es ist, als seien plötzlich Raumschiffe mit Aliens gelandet und hätten die ganze Welt in ihre Gewalt genommen. Dass es sich dabei um eine Simulation handelt, wird von den meisten ausgeschlossen, da die Auswirkungen haargenau mit denen eines echten Szenarios übereinstimmen, bis hin zu realen Krankheitssymptomen … Wir haben es hier mit einem gravierenden erkenntnistheoretischen Problem zu tun. Ein Jammer, dass sich ausgerechnet die, die es besser wissen müssten, dieser Erkenntnis verschließen.«

Viele schreibende Kollegen gingen in eine Art inneres Exil. Vor allem, weil ihnen unter Corona endgültig klar wurde, dass Fakten und Aufklärung kaum etwas bedeuten, solange sich Menschen in einem Angstraum bewegen. Man kann sich die Spucke sparen, oder im übertragenen Sinne die Tinte. Warum sollte man überhaupt noch etwas schreiben, wenn überdeutlich wird, dass Abwehr und Angst zu einer völlig selektiven Wahrnehmung führen? Unter diesen Bedingungen werden ohnehin nur noch Informationen durch den Wahrnehmungsfilter gelassen, welche die eigene Weltsicht bestätigen. Hat das Corona-Angst-Mem gezündet, sind einzig Artikel und Informationen relevant, die Warnung sind und Schutz versprechen – alles andere wirkt wie gefährlicher Nonsens. Freie Autoren sind klug genug, die Erfahrungen mit Corona auf ihre sonstigen Themen zu übertagen. Auch hier gilt: Je größer die Angst, desto selektiver die Wahrnehmung und desto hermetischer die Echokammer. Persönlich hat mich diese Erkenntnis nach Corona ebenfalls belastet, denn für alles Nachfolgende gilt dieser Mechanismus natürlich auch. Wer an die anthropogene, CO2-bedingte Klimakrise glaubt und deshalb große Angst vor der Zukunft hat, wird sich kaum auf entlastende Fakten einlassen können.

Konformität

Zum Psychogramm der Kriegsenkel, das ich in meinem vorangegangenen Werk Die Wiedergutmacher skizziert habe, gehören ein erhöhtes Anpassungsbedürfnis an den Mainstream sowie auch ein paranoider Aspekt, der dafür sorgt, sich in ständiger Defensive zu wähnen, obwohl man eigentlich längst zur den Diskurs bestimmenden Mehrheit gehört.

»Eine erstarrte und ins Pädagogische abgedriftete Linke, die sich durch ihre Weigerung bestimmt, ›ihr eigenes Machtstreben zu reflektieren, ihren Aufstieg in den akademischen und kulturellen Institutionen‹ (Michael Hampe), ein dergestalt zur Karikatur verkommener Linksliberalismus, der vergessen hat, dass er nicht mehr unter allen Umständen subversiver Underdog ist, sondern sich an Universitäten oder in Social-Media-Kontexten explizite Machtzentren geschaffen hat, bringt einen epochalen Menschenschlag hervor: den digitalen linken Spießer. […] Der neue linke Spießer betrachtet Gegenwart und Vergangenheit mit puritanischem und polizeilichem Blick und genießt es, unablässig den Wuchs der Diskurshecken zu prüfen, mit der Gartenschere in der Hand. […] Das Schlimmste an den gegenwärtigen Spießern ist nun aber nicht, dass sie ahistorisch denken, jedes (vermeintlich) verunglückte Wort zur Würde des Skandals erheben, ständig Situationen des Verdachts organisieren (Wer hat was zu wem gesagt?) oder aus den Menschen wieder reumütige Geständnistiere zu machen versuchen. Das alles ist bloß schlimm. Schlimmer als schlimm ist, dass sie sich immer noch widerständig und ›alternativ‹ fühlen, obwohl sie längst einem kulturell tonangebenden Milieu angehören. Eine unerlässliche Voraussetzung von Toleranz – und dieser Satz steht fest – liegt im ehrlichen Selbsteingeständnis von eigener Macht, auch diskursiver Macht (zum Beispiel an den Universitäten). Nur die, die wissen, dass sie über Macht verfügen, können sich überhaupt die Frage stellen, ob sie andere tolerieren, das heißt: aushalten, erdulden möchten – oder eben nicht. Hieraus folgt: Die neopuritanische Linke muss sich darüber ehrlich machen, dass ihre Adepten in vielen politisch-kulturellen Konstellationen mittlerweile zu nichts anderem als Figuren der Macht geworden sind. Bislang versuchen sie, es wortreich zu vermeiden, doch gerade sie hätten es nötig, sich einen Satz von Adorno, einem maßgeblichen Vertreter der lesenden Linken, in Erinnerung zu rufen: ›Wer innerhalb der Demokratie Erziehungsideale verficht, die gegen Mündigkeit, also gegen die selbständige bewußte Entscheidung jedes einzelnen Menschen, gerichtet sind‹ – mahnte dieser nämlich streng – ›ist antidemokratisch, auch wenn er seine Wunschvorstellungen im formalen Rahmen der Demokratie propagiert.‹ […] Dass heute die AfD bei manchen Wahlen mehr Arbeiter-Stimmen erhält als jede andere Partei, ist in jedem Fall auch ein trauriges Zeugnis für die naserümpfende, spießig gewordene Linke, die in ihren schlechtesten Momenten zugleich den Eindruck erweckt, einen Klassenkampf ›von oben‹ zu betreiben: eine Rebellion der tadellosen Vier-Zimmer-Altbau-Bourgeoisie gegen das schrecklich vulgäre, unaufgeklärte und politisch unkorrekte Proletariat.«8

Die Verwirrung über die gelernten Kategorien »gut«, »böse«, »rechts«, »links« ist auch deshalb so vollständig, weil sich ohne den psychologischen Mechanismus der Abspaltung kaum verstehen lässt, warum die Vertreter einer »Vier-Zimmer-Altbau-Bourgeoisie« heutzutage als Verfechter einer neuen Weltordnung auftreten, die ebenso kulturmarxistische wie globalkapitalistische Züge trägt. Im Schlusskapitel wird noch deutlich, dass sich das politische Koordinatensystem des 20. Jahrhunderts komplett ad absurdum führt. Auf globaler Ebene gibt das WEF, die Vertretung der mächtigsten kapitalistischen Konsortien der Welt, sozialistische Leitideale heraus. Höchste supranationale Organisationen wie WHO, IWF und UN werden von ehemaligen Kommunisten geleitet. Werbe- oder Hedgefonds-Manager aus Hamburg Eppendorf oder dem Prenzlauer Berg beklagen sich allabendlich bei einer guten Flasche Primitivo über den globalen Kapitalismus. Auf jeden Fall will man heute zweierlei: gut und solidarisch sein und Kohle machen. Die moralische Vertretung für möglichst exotische Minderheiten kollidiert dabei kaum mit dem eigenen Lebensstil. Fair Trade, Mülltrennung, Windstromanbieter, Hybridauto und Bioprodukte als mannigfaltiger Ablasshandel tun ihr Übriges, um kognitive Dissonanzen zu befrieden. Um das ehemalige marxistische Mündel, den einfachen Arbeiter, kümmert man sich hingegen kaum; diese Gruppe wird inzwischen eher von rechts bedient. Der linke Rotweinschwadroneur verweigert die Anerkennung seiner realen politischen Macht allein schon deshalb, weil er damit Zielkonflikten und Verantwortung ausweicht. Anstatt sich den Niederungen einer Realpolitik zu stellen, genießt er den Schutz aller staatlichen und medialen Macht, wenn er sich als Freiheitskämpfer für eine schöne neue Welt geriert.

Um das Bild des »linken Spießers« von Jan Freyn aufzugreifen: Wikipedia bescheinigt Spießbürgern »geistige Unbeweglichkeit und ausgeprägte Konformität mit gesellschaftlichen Normen«. Dies bedeutet, dass aus einem linken Spießer jederzeit ein rechter Spießer werden kann. Den politischen Spin erhält der Spießbürger über die jeweils herrschende Medienhegemonie. Spießer und Spindoctoren bilden in jedem totalitären System eine Einheit: Eine kleine Gruppe ideologischer Vordenker erlangt mediale und politische Macht – die wesentlich größere Gruppe der Konformisten folgt.

»Ich glaube, bei der Betrachtung des Nationalsozialismus und der DDR kommt die individuelle Beteiligung zu kurz. Solche Systeme sind nicht nur denkbar durch eine auffällige, pathologische Elite, sondern nur durch ein stützendes Mitläufersystem. Ich verwende dafür den Begriff der Normopathie und meine, dass etwas Gestörtes für normal gehalten wird, wenn eine Mehrheit diese Meinung vertritt. Das hat etwas mit dem menschlichen Grundbedürfnis zu tun, zu einer Gruppe dazuzugehören. So entsteht die Gefahr, dass man auch einer kollektiv falschen Meinung anhängt. Das kennen wir aus dem Nationalsozialismus und aus dem DDR-Sozialismus. Ich erkenne das auch in dieser aus meiner Sicht narzisstischen Gesellschaft.«9

Sofern das System, aus welchem Grund auch immer, seinen Spin ändert, folgen die Spießbürger nach; in diesem Fall nennt man sie Wendehälse. Ein Spießer fällt immer auf die Füße und ist immer auf der Höhe seiner Zeit. Ohne Mühe weiß er, was gerade gut und was böse ist. Sein Bezugspunkt ist die veröffentlichte Meinung; sein Wunsch, dazuzugehören, schließt eine kritische Haltung, die mit einer tieferen Medienkompetenz einhergehen würde, automatisch aus. Dem guten Bürger reichen die Tagesschau und das heute-journal, um zu wissen, was der »Anstand« gebietet. Dem medialen Aufruf, »Haltung« und »Gesicht« zu zeigen, folgt der Spießer gern, was unter Corona natürlich bedeutet, das Selbige zu verhüllen.

Wenn ich bei meinen Lesungen auf den Zusammenhang des deutschen transgenerationalen Kriegstraumas und den Übersteuerungen auf den Politikfeldern Corona, Gender, Klimaschutz und Migration hinweise, werde ich regelmäßig mit folgender Frage konfrontiert:

»Glauben Sie wirklich, dass ausgerechnet die Weitergabe des Kriegstraumas ursächlich für die aktuellen Verwerfungen ist? Schließlich gibt es viele westliche Nationen, auch jene, die selbst kaum Kriegsschäden erlitten haben, die von politischer Korrektheit und Schuldnarrativen beherrscht werden.«

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