Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2017
Coverfoto: © Robert Kneschke – Fotolia.com
Illustrationen: Evi Anderson-Krug
Covergestaltung / Reihenentwurf: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG
Satz, Layout & Digitalisierung: Junfermann Druck & Service GmbH & Co. KG
Alle Rechte vorbehalten.
Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2017
ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-631-8
ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-638-7 (EPUB), 978-3-95571-640-0 (PDF), 978-3-95571-639-4 (MOBI).
Es ist eine hohe Kunst, Seminare zu halten, die Menschen mit unterschiedlichsten Lebenshintergründen begeistern. Das verlangt nicht nur ein entsprechendes Fachwissen, sondern auch viele didaktische Möglichkeiten. Das Improtheater ist eine von diesen Möglichkeiten. Es wird noch viel zu selten im Seminarkontext eingesetzt. Evi Anderson-Krug ist hier zu einer Pionierin geworden und hilft dem Mangel mit ihrem Buch nun ab.
Ich kenne Evi seit vielen Jahren als Trainerin und Kollegin im Landsiedel-Team. Sie hat bei mir die NLP-Trainer-Ausbildung gemacht und ich konnte über die Jahre hinweg ihre positive Weiterentwicklung verfolgen. Als sie mir irgendwann sagte, dass sie Improtheater-Elemente in ihrer NLP-Ausbildung einsetzt, war ich zunächst sehr skeptisch. Was hatte Improtheater dort verloren? Meinte sie vielleicht Pausenspiele?
Doch Evi ließ nicht locker und ich erlebte sie bei einem kleinen Bühnenauftritt. Dann lud sie mich zu einem großen Auftritt von einem ihrer Improlehrer ein und erklärte mir die einzelnen Varianten der Techniken. Anschließend zeigte sie mir, wie sie die Techniken im Seminar einsetzt, und ich war begeistert. Sie verknüpft viele der Methoden direkt mit den Seminarinhalten. So haben die Teilnehmer nicht nur Spaß, sondern sie erfahren auch das jeweilige Thema von einer neuen Seite.
Evi wurde immer kreativer, probierte immer mehr aus, verwendete die Spiele und Techniken immer vielseitiger. Ich habe einige ihrer Teilnehmer später in meinen Trainer-Ausbildungen erlebt und konnte den Unterschied bei vielen Aufgabenstellungen deutlich sehen. Ihre Teilnehmer waren wesentlich spontaner und trauten sich mehr zu. Dadurch waren sie lebendiger, natürlicher und ansprechender.
Das Ergebnis ist, dass ich nun selbst gerne mit meinen Teilnehmern Improtheater spiele! Möge es dem Leser auch so ergehen.
Stephan Landsiedel
Als ich mit meiner NLP-Trainerausbildung begann, besaß ich schon mehr als zehn Jahre Erfahrung als Seminarleiterin. Auf der Bühne bewegte ich mich mit einer gewissen Routine und Sicherheit. Mein Lampenfieber hielt sich in Grenzen und der Ablauf meiner Seminare stand mir klar vor Augen. Doch als ich das NLP-Trainer-Zertifikat schließlich in der Tasche hatte, fühlte ich mich auf einmal unsicher. Es gab so viele neue Möglichkeiten, eine Gruppe zu leiten, und ich dachte ständig, dass ich es hätte noch besser machen können.
Also peppte ich eifrig meine Konzeptionen auf und entwickelte einen regelrechten Perfektionismus. Ich dachte mir toll durchdachte Loops, wohldosierte Pointen und ausgeklügelte didaktische Spielereien aus, um meine Inhalte mit Pep zu präsentieren. Die durchgestylte Dramaturgie hatte nur einen Schönheitsfehler: Ich konnte mir den Ablauf nicht mehr merken! Mein detailliert ausgearbeiteter Einstieg, in dem ich einen Spannungsbogen auf Späteres aufmachen wollte, war so vollendet, dass ich die Hälfte vergaß. Mit dem Effekt, dass ich eine halbe Stunde später, als ich an eine (vermeintlich) begonnene Geschichte anknüpfen wollte, mit Entsetzen feststellte, dass ich sie vergessen hatte. Leere im Kopf. Unsicherheit pur. Sekundenlange Blackouts, die sich wie Ewigkeiten anfühlten, häuften sich.
Da kam mir der Satz einer befreundeten Improtheater-Spielerin wie gerufen: „Sobald du glaubst, heute Abend wird das ein toller Auftritt, geht es vermutlich schief und dir fällt nichts ein. Wenn du aber von Anfang an damit rechnest, dass du ‚Fehler‘ machen wirst, und das akzeptierst, dann bist du entspannt genug und der Auftritt gelingt.“ Da war was dran. Und es klang sehr verlockend, denn wenn ich improvisieren konnte, musste ich mir keine einstudierten Abläufe mehr merken. Also besuchte ich jeden Kurs für Improvisationstheater, den ich finden konnte, um es für meine Trainer-Performance zu nutzen. Es ging mir zunächst um den Umgang mit „Blackouts“, um Spontaneität und Schlagfertigkeit. Und schnell merkte ich, dass es viel mehr bot als nur die Verbesserung meiner Bühnenperformance. Ich hatte eine Schatztruhe für NLP-Seminare und Kommunikationstrainings geöffnet.
Was hat Improtheater mit NLP zu tun?
Meine erste Improshow vor 20 Jahren war das Witzigste, was ich bis dahin gesehen hatte. Ich lag vor Lachen unter dem Tisch. Drei Schauspieler forderten vom Publikum Vorgaben, zu denen sie aus dem Stegreif eine Szene spielten. Sie spielten mit solch einer Leichtigkeit, als hätten sie das Stück lange geprobt. Hatten sie aber nicht. Das Thema und den Ort der Handlung hatten wir ihnen erst kurz zuvor zugerufen. Was sie daraus zauberten, wirkte urkomisch. Das wollte ich auch machen, und ich fragte mich, ob man das lernen könne.
Ich sah mir seitdem unzählige Improshows mit ungebrochener Neugier und Bewunderung an. Das waren keine geprobten Sketche oder plumpe Comedy, was ich erlebte, das waren Schlagfertigkeit, Lebendigkeit und Spielfreude pur. Ich wollte das können und so buchte ich den nächsten Impro-Basiskurs, der angeboten wurde. Er erfüllte nicht nur meine Erwartungen, er übertraf sie bei Weitem. Ich war begeistert, wie leicht es mir fiel, einfach draufloszuspielen. Natürlich machte ich grobe Fehler, Anfängerfehler, die jedem passieren, und doch schien mir das Improspiel leichter zu fallen als anderen Teilnehmern. Schnell wurde mir klar, warum. Dank meiner NLP-Ausbildung brachte ich viele Voraussetzungen schon mit.
Denn gutes Improtheater gelingt erst, wenn die Spieler ein paar Grundregeln beachten: Sie müssen sich auf den anderen einlassen, das Weltbild des anderen akzeptieren und annehmen. Es ist ein Wechsel aus Geben und Nehmen, aus Anpassen und Führen. Das sind die gleichen Grundregeln, die auch für eine gelungene Kommunikation gelten. Oder, mit NLP-Vokabular gesagt: Wir übten in unserem Improkurs nichts anderes als Rapport, Pacing, Leading und lernten, das Modell der Welt des anderen einfach so zu akzeptieren. Je besser wir uns in unseren Theaterproben auf die anderen Mitspieler einstellen konnten, desto schneller gelangen die Szenen. Sobald einer von uns die eigenen Ideen unbedingt durchsetzen wollte und die Impulse der anderen abblockte, ging die Szene schief. Wer flexibel kommunizieren konnte, vermochte auch gut zu improvisieren. Und umgekehrt. Das hatte nichts mit schauspielerischem Talent zu tun.
Sobald mir das klar geworden war, begann ich, die ersten Spiele aus den Impro-Trainings in meine Seminare und NLP-Ausbildungen einfließen zu lassen. Anfangs nutzte ich sie als Pausenspiele oder Muntermacher nach dem Mittagessen. Die Teilnehmer hatten Spaß daran und waren wieder aufnahmefähig. Das war noch keine Überraschung für mich, das hatte ich damit bezweckt. Doch nebenbei konnten sie zahlreiche, neu erlernte NLP-Techniken und Sprachmuster schneller, als ich es bisher erlebt hatte, umsetzen. Es war eine deutliche Verbesserung zu den „improfreien“ Kursen davor. Das Wissen saß einfach. Wie konnte das sein? Lag das tatsächlich an den paar Spielen, die ich spontan mit NLP-Themen angereichert und als Auflockerungsübung angekündigt hatte? Offenbar schon.
Durch die Hirnforschung ist seit Langem bekannt, dass Menschen umso leichter lernen, je mehr Freude und Spaß sie dabei verspüren. Die Improspiele erzielten genau diesen Effekt. Kein Wunder, wir lachten viel miteinander, die Teilnehmer waren gelöst und verknüpften die Inhalte mit der guten Stimmung. Auch festigte das „So-tun-als-ob“ den Lernstoff. Es ist ein Riesenunterschied, ob ich „auditive“ Begriffe nur lese oder selbst eine „auditive Verkäuferin“ bin und mit einem „visuellen“ Kunden ein Verkaufsgespräch führe. Es war Erlebnislernen mit allen Sinnen, denn der ganze Körper war aktiv beteiligt. Viele der Szenen waren derart witzig, dass die Gruppe aus dem Lachen nicht mehr herauskam und sich noch Monate später darüber amüsieren konnte.
Seit dieser Erfahrung suche ich gezielt nach Improspielen für NLP-Ausbildungen und Kommunikationstrainings und setze sie unterstützend zum jeweiligen Seminarthema ein. Die einzelnen Übungen flogen mir seither förmlich zu. Immer häufiger erlebte ich im Improtraining, dass wir ein neues Spiel ausprobierten, und ich dachte: „Ach, das ist ja Reframing“, oder: „Wenn man hier die Milton-Sprache einsetzt, klappt es noch besser“. Die Spiele passten hervorragend. Und wo etwas nicht passte, änderte ich ein paar Kriterien oder entwickelte das Spiel weiter, um es in den Ausbildungen zu nutzen.
Der Schwerpunkt in diesem Buch liegt deshalb auf Spielen, die seminartauglich sind. Reine Bühnenspiele oder aufwendige Langformen des Improtheaters erwähne ich gar nicht erst. Und sämtliche Anleitungen in diesem Buch habe ich schon mehrfach durchgespielt, die Spiele sind also im Gruppenkontext erprobt. Ich kenne ihre Wirkung und habe viele Aha-Erlebnisse bei mir und anderen erfahren. Meine Praxiserfahrungen fließen in die Beschreibung mit ein, zusätzlich gibt es Tipps zur Anwendung.
Obwohl die Spiele hier im NLP-Kontext beschrieben sind, sind ihre Einsatzmöglichkeiten unbegrenzt. Sie lassen sich in der Erwachsenenbildung, zur Teamentwicklung, im Führungskräftetraining ebenso nutzen wie in der Arbeit mit Jugendgruppen und Kindern. Die Spiele sind schnell zu lernen, kosten nix und machen jede Menge Spaß. Einfach ausprobieren, lautet die Devise!
Zugegeben, ein paar meiner Kollegen reagierten zunächst irritiert. „Wie, du machst Improtheater in deinen Seminaren? Müssen deine Teilnehmer dann auf die Bühne? Und was machst du, wenn sich jemand weigert?“ Dahinter verbarg sich eine andere Frage: „Wie bereite ich die Gruppe darauf vor, wie schaffe ich den Einstieg?“ Schließlich haben sich die Teilnehmer zu einer Ausbildung oder einem Kommunikationstraining angemeldet, nicht zu einem Theaterworkshop.
Wie bereits erwähnt, habe ich solche Spiele zusammengestellt, die sich im Seminarkontext hervorragend eignen, keine Spiele für Shows oder Auftritte. Deshalb lassen sie sich auch ins Übungsdesign eines Seminartages einbauen. Da gibt es kein großes Geheimnis: Wenn man selbst von etwas überzeugt ist, dann kann man auch andere überzeugen. Weiß man einmal, wieso dieses Spiel, dieses Format den Lernprozess für die Gruppe beschleunigt, kann man es auch überzeugend einführen. Es geht auch nicht darum, schauspielerische Kompetenz oder Bühnenreife zu entwickeln. Es geht um die Möglichkeit, neues Wissen auf kreative und vergnügliche Weise am eigenen Leib zu erfahren und so einen Transfer in die Praxis zu ermöglichen.
Die ersten Spiele kündige ich meist als „Muntermacher“ oder als „Vertiefungsübung“ zu bereits vermitteltem Wissen an. Manchmal frage ich auch mit ernster Miene: „Es kann bei dieser Übung passieren, dass ihr lachen müsst. Ist das für euch in Ordnung?“ Ist der Rapport gut, lachen jetzt schon die meisten. Und bei mir hat sich noch nie jemand geweigert, mitzumachen. Jeder kann ohne Vorkenntnisse sofort an den Spielen teilnehmen. Und möchte jemand doch lieber zuschauen, dann ist das völlig in Ordnung.
Die Impro-Tools ersetzen keinesfalls das „klassische“ Üben der NLP-Formate, sie sind als Ergänzung und Auflockerung gedacht, wann immer Zeit und Raum dafür besteht. Ich selbst nutze niemals alle Übungen in einem Ausbildungswochenende. Ich entscheide spontan, je nach der Gruppensituation, Bedürfnissen der Teilnehmer und nach verbleibender Zeit. In diesem Buch biete ich eine Auswahl an, wie ein Buffet, von dem nach Bedarf Häppchen ausgewählt werden können, je nach Geschmack. Ich wünsche guten Appetit!
Die Spiele, die ich hier zusammengestellt habe, stammen fast alle aus Workshops für Improtheater. Ich habe sie weitgehend aus dem Gedächtnis notiert und aufgeschrieben. Konkrete Quellen lassen sich nicht ausmachen, auch die Seminarleiter konnten sie mir meist nicht nennen. So manches Spiel ist mir bei anderen Workshops wiederbegegnet, oft unter einem anderen Namen oder mit leichten Abweichungen. Viele sind überliefert und als Allgemeingut in der Improszene bekannt. Vereinzelt finden sich im Internet Spielesammlungen von Impro-Ensembles oder Aufzählungen mit „Copyplease“. Relevante Seiten zum Nachlesen liste ich im Literatur- und Linkverzeichnis auf. Wo mir eine Quelle namentlich bekannt ist, erwähne ich sie, die Spiele, die ich weiterentwickelt habe, kennzeichne ich ebenfalls. So mancher Name eines Spiels wirkt vielleicht ungewöhnlich; meist bezeichnet er nur den Namen einer besonders markanten Person, die in genau diesem Spiel zum Leben erweckt und durch die Namensgebung verewigt wurde (z. B. „Rüdiger“). Ich wünsche viel Spaß beim Nachspielen, Abwandeln, Ausprobieren!
Als Leserin stolpere ich oft über Formulierungen wie „Spieler und Spielerinnen“, „Teilnehmer und Teilnehmerinnen“, „Zuschauer und Zuschauerinnen“. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass solche Doppelungen das Lesen eines Textes erschweren. Deshalb nutze ich in diesem Buch überwiegend eine Form und meine damit selbstverständlich immer Männer und Frauen.
Ebenso habe ich mir bei der Anrede das kollegiale „Du“ erlaubt. Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich.
Improtheater ist die Kunst, eine Szene aus dem Stegreif zu entwickeln. Die Spieler nehmen die Impulse von Mitspielern und Zuschauern auf und setzen sie spontan um. Maßgeblich wurde diese Theaterform von Keith Johnstone entwickelt, der seine eigene Theaterausbildung als einschüchternd und fantasietötend empfunden hatte. Als Regisseur und Schauspiellehrer in London animierte er daher seine Schüler zu mehr Spontaneität, indem er sie auf der Bühne Grimassen schneiden ließ oder sie dazu brachte, sich spielerisch zu ärgern. Damit widersetzte er sich sämtlichen Regeln, die er in seiner eigenen Ausbildung kennengelernt hatte. Als er sah, dass seine Schüler wieder mit mehr Freude spielten, entwickelte Johnstone daraus Theaterregeln. Neben Viola Spolin gilt er als einer der Begründer des Improtheaters.1
Wenn Menschen sich begegnen, folgt die Kommunikation keinem fertigen Drehbuch. Nicht einmal dann, wenn sich ein Gesprächspartner vorher genau überlegt, was er sagen möchte. Beim Improvisationstheater ist es genauso. Anders als in fertigen Theaterstücken gibt es keine auswendig gelernten Dialoge und Abläufe. Es gibt bestenfalls ein grobes Raster für ein Spielformat, das ein Gerüst bietet, doch noch keinen Inhalt. Die Geschichten auf der Bühne entstehen erst in dem Moment, in dem sie gespielt werden. Jede Szene, jeder Auftritt ist deshalb einzigartig, ist Premiere und gleichzeitig Derniere, wie die letzte Darbietung eines Stücks an einem Spielort heißt.
Das Thema, die Beziehung der Spieler zueinander oder der Schauplatz werden vom Publikum erfragt und unmittelbar umgesetzt. Es bleibt keine Zeit, lange zu überlegen oder sich miteinander abzustimmen. Keiner der Akteure weiß, welche Ideen die Mitspieler haben. Deshalb passiert es natürlich auch, dass einem Spieler partout nichts einfällt. Die Kunst besteht darin, locker zu bleiben und die Szene dennoch gut zu Ende zu bringen. Hier sind Spontaneität und Kreativität gefragt, ebenso wie der Mut zum Fehlermachen und die Lust am Probieren, die auch Scheitern einschließt. Ein paar Grundregeln sind sehr hilfreich. Sie sind leicht zu merken, doch nicht immer leicht umzusetzen.2
Fahr deine Antennen aus!
Unsere Wahrnehmung ist die Grundlage für gemeinsames Spielen, für das, was gerade da ist. Daraus leiten sich folgende Anregungen ab:
Das alles wird leichter, wenn meine Wahrnehmung geschärft ist. Zum einen für meine Mitspieler, ihre Mimik, ihre Körpersprache, ihr gesprochenes Wort; zum anderen für die Wahrnehmung mir selbst gegenüber, um spontan meinen Impulsen zu folgen. Oft übersehen wir Signale, weil wir in Gedanken ganz woanders sind oder vielleicht schon den übernächsten Schritt planen. Dann kann es geschehen, dass ich ein Angebot meines Mitspielers schnell blockiere oder übersehe.
Oft haben wir Angst davor, Fehler zu machen, etwas Falsches zu sagen oder nicht gut genug zu sein. Dann wollen wir unsere Worte sorgfältig planen. Das Improvisieren gibt nicht die Zeit, lange zu überlegen, ob unsere Idee richtig oder falsch ist. Alles, was an Impulsen kommt, ist richtig. Uneingeschränkt. Jede Idee ist in Ordnung. Für den Spieler bedeutet es, das Naheliegende zu sagen oder zu tun. Für den Spielpartner bedeutet es: „Was gesagt oder getan wurde, ist jetzt da, also nutze es.“ Und: „Mach was draus.“ Das klingt einfach, doch es ist nicht leicht umzusetzen. Wir steuern noch viel zu sehr, wägen ab, ob unser Gedanke richtig und in Ordnung ist. Ja, er ist in Ordnung. Es gibt kein „Falsch“.
Diese Regel stellt eine Steigerung der vorherigen dar. Wie viele Teamgespräche oder Diskussionen ziehen sich endlos hin, weil jeder Vorschlag zunächst skeptisch betrachtet oder gar blockiert wird? Wie viele Ideen sterben, weil eine kritische Bemerkung sie im Keim erstickt? Allzu oft hören wir „Ja, aber …“ statt „Ja, genau!“ Spontane Ablehnung scheint uns leichter zu fallen als spontane Zustimmung. Beim Improtheater geht es genau darum, ohne großes Nachdenken „Ja“ zu sagen. Auch wenn du die Szene anders geplant hattest. Widerstände blockieren den Spielverlauf, Zustimmung fördert ihn.
In einer Szene sollte schnell klar sein, worum es darin geht. Das macht nicht nur dem Publikum, sondern auch den Spielern mehr Spaß und gibt Orientierung. Die wichtigsten Elemente, die schnell definiert werden müssen, werden in der Improszene mit CROW abgekürzt und bedeuten:
Character: Wer spielt mit, welche Personen sind das? Welche Typen treffen aufeinander?
Relationship: In welcher Beziehung stehen die beiden zueinander?
Objects: Worum geht es? Was tun die beiden hier zusammen?
Where / When? Wo und wann spielt die Szene?
CROW lässt sich schnell verdeutlichen, z. B. mit Aussagen wie: „Mami, ich will nicht zur Oma fahren!“ Wir wissen sofort, wer die Charaktere sind (Mutter und Kind) und in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Die beiden sind vermutlich noch daheim (Where?) und das Thema „will nicht zur Oma“ verspricht einen Konflikt. Weitere Möglichkeiten für schnell definiertes CROW könnten beispielsweise sein: „Darf ich Ihnen die neue Schmuckkollektion zeigen, Herr Dr. Grünwald?“ (Hier bedient ein Juwelier einen Kunden, der vielleicht für seine Geliebte etwas kaufen möchte.) Oder mit extrem hoher Stimme: „Dieser Zaubertrank wird Ihnen Kräfte verleihen, mein König!“ Der Rahmen ist klar, die Szene kann Fahrt aufnehmen.
Es ist nicht notwendig, in einer Szene sofort etwas zu sagen, birgt dies doch die Gefahr, dass nur noch geredet wird und die Handlung dabei zu kurz kommt. Die Spieler sind stärker in der Gegenwart, wenn sie ihre Impulse aus konkreten Tätigkeiten oder Körperhaltungen heraus ableiten.
Tipps, um Ideen zu entwickeln:
Der Extra-Praxistipp: