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Technische Thermodynamik

Kompaktkurs für das Bachelorstudium

Wolfgang Heidemann

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Fur Monika und Philipp

Everything seems impossible until it’s done

Nelson Mandela

Vorwort

Für das vorliegende Buch wurden die langjährigen Lehrerfahrungen des Autors an unterschiedlichen Hochschulen des Landes Baden Württemberg (Universität Stuttgart, FH Esslingen, DHBW Stuttgart) eingebracht, um ein Arbeitsbuch für Studierende der Ingenieur- und Naturwissenschaften entstehen zu lassen.

„Warum noch ein Thermodynamikbuch, wo doch bereits eine Vielzahl hervorragender Werke verfügbar sind?“ Diese Frage stellt man sich berechtigterweise zu Beginn eines derartigen Buchprojektes. Es wurde der Versuch unternommen diese Frage aus Sicht des Studierenden zu beantworten.

Entstanden ist ein Arbeitsbuch mit kompakter Darstellung der für technische Belange wichtigen Sachverhalte der technischen Thermodynamik mit Zusammenfassungen nebst Formelübersicht auf wenigen Seiten sowie einer Aufgabensammlung nach jedem Kapitel. Die Aufgabensammlung enthält 120 Verständnisfragen im Multiple-Choice-Stil sowie 89 Rechenaufgaben, gestaffelt nach Schwierigkeitsgrad (Einstiegswissen, Routinewissen, Prüfungswissen). Dem Leser wird eine aktive Unterstützung bei der Bearbeitung der Rechenaufgaben durch Lösungshinweise in unterschiedlicher Qualität gegeben: (I) beginnend bei vertiefenden Fragen, die auf den Lösungsgang- und die Chronologie sinnvoller Lösungsschritte hinweisen, und – falls diese moderaten Hinweise zum Lösungsgang nicht ausreichend sind – (II) konkrete Formelansätze, mit denen sich die Zahlenwertlösungen erzeugen lassen. Da ausschließlich die Anwendung der theoretischen Grundlagen auf konkrete Aufgabenstellungen erkennen lässt, ob der Lernstoff verstanden wurde, sind begleitende Übungen zur Thermodynamik aus Sicht des Autors von herausragender Wichtigkeit.

Das Buch ist zum Selbststudium geeignet und behandelt die Themengebiete thermodynamische Grundlagen, Hauptsätze der Thermodynamik, reale und ideale Gase, Gasgemische und feuchte Luft, thermodynamische (Kreis-)Prozesse mit und ohne Phasenänderung sowie einfache chemische Reaktionen (Verbrennung).

Danken möchte ich allen Personen, die an der Entstehung dieses Buches unterstützend mitgewirkt haben. Zahlreiche Hinweise zu den Verständnis und Übungsaufgaben stammen von den Studierenden Kevin Granz, Stefan Winkelmann und Christoph Kirsch, wofür ich sehr dankbar bin. Für die Durchsicht der verschiedenen Kapitel und die hilfreichen Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge bedanke ich mich bei den folgenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Institutes für Thermodynamik und Wärmetechnik der Universität Stuttgart: Frau Ursina Ebert, Herr Bernd Bierling, Herr Stephan Fischer, Herr Markus Gerschitzka, Herr Henner Kerskes, Herr Roman Marx und Herr Fabian Schmid. Für die wertvollen Hinweise zum Inhalt und dessen Darstellung sei Herrn Prof. Dr. Andreas Griesinger von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart gedankt. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Klaus Spindler, der meine Arbeit zu diesem Buch uneingeschränkt unterstützt hat. Abschießend sei Herrn Martin Preuss und seinem Team vom Wiley-VCH Verlag für die Unterstützung bei der Manuskripterstellung und die stets sehr gute Zusammenarbeit gedankt.

Stuttgart, Juni 2015

Wolfgang Heidemann

Nomenklatur

A Fläche [m2 ]
c Geschwindigkeit [m/s]
c spezifische Wärmekapazität [J/(kg K)]
cv spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen [J/(kg K)]
cp spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck [J/(kg K)]
E Energie [J]
e spezifische Energie [J/kg]
F Kraft [N]
F freie Energie (F = U + TS) [J]
G freie Enthalpie (G = H + TS) [J]
g Erdbeschleunigung [m/s2]
H Enthalpie [J]
Hm molare Enthalpie [J/mol]
h spezifische Enthalpie [J/kg]
ho Brennwert [J/kg]
hu Heizwert [J/kg]
img molare Bildungsenthalpie bei Standardbedingungen [J/mol]
ΔHm,R molare Reaktionsenthalpie [J/mol]
ΔHR Reaktionsenthalpie [J]
ΔhS Schmelzenthalpie [J/kg]
ΔhSub Sublimationsenthalpie [J/kg]
ΔhV Verdampfungsenthalpie [J/kg]
M Molmasse [kg/kmol]
m Masse [kg]
image Massenstrom [kg/s]
NA Avogadro-Zahl [Teilchen/mol]
n Stoffmenge [mol]
n Polytropenexponent [–]
P Leistung [W]
Pex Exergieleistung [W]
ΔPex Exergieleistungsänderung [W]
ΔPex,V Exergieverlustleistung [W]
p Druck [Pa]
Q Wärme [J]
image Wärmestrom [W]
q spezifische Wärme [J/kg]
Ri individuelle Gaskonstante [J/(kg K)]
Rm universelle Gaskonstante [J/(mol K)]
S Entropie [J/K]
image Entropiestrom [W/K]
s spezifische Entropie [J/(kg K)]
Sm molare Entropie [J/(mol K)]
T thermodynamische Temperatur [K]
t Zeit [s]
U innere Energie [J]
u spezifische innere Energie [J/kg]
Um molare innere Energie [J/mol]
V Volumen [m3 ]
v spezifisches Volumen [m3 /kg]
Vm molares Volumen [m3 /mol]
W Arbeit [J]
w spezifische Arbeit [J/kg]
Welast elastische Verformungsarbeit [J]
Welekt elektrische Arbeit [J]
Wex Exergie [J]
ΔWex Exergieänderung [J]
ΔWex,V Exergieverlust [J]
Wdiss Dissipationsarbeit [J]
Wmech mechanische Arbeit [J]
Wnutz Nutzarbeit [J]
WOberfl Oberflächenarbeit [J]
Wp Druckänderungsarbeit [J]
Wt technische Arbeit [J]
WV Volumenarbeit [J]
x Dampfgehalt (x = m′′ /(m′ + m′′ )) [–]
x Wassergehalt (x = mW /mL ) [–]
xi Massenkonzentration (-anteil) (xi = mi /mG ) [–]
yi Stoffkonzentration (-anteil) [–]
Z Realgasfaktor [–]

Griechische Zeichen

β isobarer thermischer Volumenausdehnungskoeffizient [1/K]
γ isochorer Spannungskoeffizient [1/K]
δh Joule-Thomson-Koeffizient [K/bar]
ε Verdichtungsverhältnis [–]
εKM Leistungszahl einer Kältemaschine [–]
εWP Leistungszahl einer Wärmepumpe [–]
εsR Schadraumanteil [–]
ηex exergetischer Wirkungsgrad [–]
ηG Gütegrad [–]
ηth thermischer Wirkungsgrad [–]
ϑ Celsius-Temperatur [°C]
ϑF Fahrenheit-Temperatur [°F]
ϑR Rankine-Temperatur [°Ra]
κ Isentropenexponent [–]
λ Füllungsgrad [–]
λ Luftverhältnis [–]
π Druckverhältnis [–]
ρ Dichte [kg/m3]
φ Einspritzverhältnis [–]
φ relative Feuchte [–]
χ isothermer Kompressibilitätskoeffizient [m2/N]
ψ Feuchtegrad [–]

Indizes

a außen, äußere
am Umgebung
BS Brennstoff
CP Carnot-Prozess
D Dampf
E Eis
elekt elektrisch
F Flüssigkeit
G Gemisch
G/L Gemischgröße bezogen auf die Masse trockener Luft
i innen, innere
kin kinetisch
KP Kreisprozess
kP kritischer Punkt
L (trockene) Luft
n norm
oT oberer Totpunkt
pot potenziell
Pr Produkte
Re Reaktanden
rev reversibel
sR schädlicher Raum
T Turbine
TP Tripelpunkt
uT unterer Totpunkt
V Verdichter
W Wasser
Zwischenüberhitzung
′, ′′ Sättigungsgrößen
0 Standardbedingungen (1,013 25 bar, 25 °C)

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Einleitung

Die Thermodynamik ist eine allgemeine Energielehre. Als Teilgebiet der Physik befasst sie sich mit den Gesetzmäßigkeiten zur Beschreibung von Energieumwandlungsvorgängen. Dabei sind solche Umwandlungsvorgänge von Interesse, die unter Wärmeerscheinungen ablaufen.

Die Thermodynamik als axiomische Wissenschaft ist vergleichsweise jung und gegenüber den klassischen Wissenschaften, wie der Mathematik oder der Mechanik, erst seit ca. zweieinhalb Jahrhunderten bekannt. Anlass dafür, sich im 18. Jahrhundert Gedanken über die Umwandlung von thermischer Energie zu machen, war das Bestreben, die Alltagsarbeit durch den Einsatz von Maschinen zu erleichtern. Dabei stieß man auf die bahnbrechende Entdeckung, dass Wärme in mechanische Arbeit umwandelbar ist. Allerdings konnte diese Umwandlung, wie man feststellen musste, lediglich unvollständig durchgeführt werden. Die Verbesserung des Wirkungsgrades, mit dem die Umwandlung von Wärme in Arbeit erfolgt, wir sagen heute Verbesserung der Energieeffizienz dazu, bietet die Grundlage für wissenschaftliches Arbeiten und Forschen seit mehr als zwei Jahrhunderten hinweg.

Neben der Beschreibung von energietechnischen Prozessen ermöglicht die Thermodynamik grundlegende Aussagen für die Stoffumwandlung bei chemischen Reaktionen. Demgemäß unterscheidet man die Gebiete der „Technischen Thermodynamik“ sowie der „Chemischen Thermodynamik“. Eine weitere übergreifende Unterscheidung der Thermodynamik bezieht sich darauf, ob die Betrachtungsweise aus makroskopischer oder mikroskopischer (atomarer) Sicht erfolgt. Im ersten Fall spricht man von der klassischen oder phänomenologischen Thermodynamik, im zweiten Fall von der statistischen Thermodynamik.

1.1 Technische Thermodynamik

Wir wollen uns im Folgenden mit der für das Ingenieurwesen wichtigen „Technischen Thermodynamik“ befassen, die sich nahezu ausschließlich der phänomenologischen Darstellungsweise bedient. Nach Schmidt et al. (1975) ist es das Ziel der technischen Thermodynamik

Ganz allgemein lässt sich die „Technische Thermodynamik“ in eine sogenannte Prozessthermodynamik und in eine Stoffthermodynamik unterteilen:

Die Prozessthermodynamik befasst sich mit der Analyse von Energieumwandlungsvorgängen, die bei thermodynamischen Prozessen ablaufen. Dabei ist es zunächst völlig uninteressant, welcher Stoff – auch Arbeitsmittel genannt – bei der Energieumwandlung verwendet wird. Wenige makroskopisch messbare Größen, wie Druck, Temperatur oder Volumen reichen dabei aus, um den Zustand eines thermodynamischen Systems eindeutig zu charakterisieren, ohne etwas über die Natur der im betrachteten System befindlichen Materie aussagen zu müssen. Ein Vorteil der „Technischen Thermodynamik“ liegt darin, dass die quantitative Erfassung allgemeiner Energieumwandlungsvorgänge mithilfe weniger Erfahrungssätze (Hauptsätze) erfolgt. Diese Erfahrungssätze (Axiome) wurden formuliert, bevor Kenntnis über die Struktur der Materie vorlag. Die Hauptsätze der Thermodynamik sind mathematisch nicht beweisbar. Ihre Richtigkeit zeigt sich jedoch in der täglichen Praxis.

Die Stoffthermodynamik befasst sich mit den thermodynamischen Eigenschaften der Arbeitsmittel. Dieser Zweig der „Technischen Thermodynamik“ entwickelt auf Basis der Hauptsätze allgemeingültige Beziehungen zwischen Größen, die geeignet sind, den physikalischen Zustand des verwendeten Arbeitsmittels zu beschreiben. Die allgemeingültigen Beziehungen, auch Fundamentalgleichungen genannt, werden dann an die jeweiligen Stoffe, z. B. durch Experimente, angepasst.

1.2 Zur Handhabung des Arbeitsbuches

Das vorliegende Buch soll die Grundlagen der anwendungsorientierten „Technischen Thermodynamik“ vermitteln, die im Bereich der ingenieurwissenschaftlichen Hochschulausbildung benötigt werden. Dies erfolgt in einer möglichst kompakten Darstellung, die durch kurze Zusammenfassungen nach jedem Kapitel unterstützt wird.

Nach der Beschreibung von Aufgabe und Einteilung der Thermodynamik (Kapitel 1) werden thermodynamische Grundlagen wie die zu verwendende Nomenklatur, der Systembegriff, thermodynamische Größen und auch bereits der nullte Hauptsatz in Kapitel 2 eingeführt. Eine Übersicht über die verschiedenen, für die Bilanzierung thermodynamischer Systeme relevanten Energien sowie deren Verwendung im ersten Hauptsatz, ist in Kapitel 3 zu finden. Um bereits nach den Kapiteln 2 und 3 den Lernstoff anhand nichttrivialer Rechenaufgaben vertiefen zu können, wozu in der Regel kalorische Zusammenhänge zwischen Zustandsgrößen benötigt werden, erfolgt eine Herleitung dieser Ansätze exemplarisch für Festkörper, Flüssigkeiten und ideale Gase, basierend auf den bis dahin eingeführten Grundlagen. Kapitel 4 widmet sich der Entropie sowie deren Verwendung im zweiten Hauptsatz. Die thermodynamischen Eigenschaften von Arbeitsstoffen, einschließlich des Spezialfalls „ideales Gas”, sind Gegenstand des Kapitels 5. In Kapitel 6 wird die Anwendung der Hauptsätze im Rahmen einfacher Zustandsänderungen idealer Gase und realer Stoffe verdeutlicht. Kapitel 7 behandelt die maximal gewinnbare Arbeit von Prozessen. Technische Anwendungen, z. B. Kreisprozesse ohne (Otto-, Diesel-, Joule-, Ericson-, Stirling-Prozess) und mit Phasenwechsel (Dampfkraftprozesse, Kaltdampfprozesse) des Arbeitsmittels, werden in Kapitel 8 betrachtet. Kapitel 9 ist den Gasgemischen und der feuchten Luft als Gas-Dampf-Gemisch vorbehalten, bevor im 10. Kapitel die Berechnung der Reaktionsenthalpie einfacher chemischer Reaktionen gezeigt wird.

Als Kontrolle, ob die thermodynamischen Grundlagen verstanden wurden, wird deren Anwendung auf technische Fragestellungen durch das Bearbeiten von Verständnis- und Übungsaufgaben in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden nach jedem Kapitel ermöglicht. Der Schwierigkeitsgrad dieser Aufgaben wird durch Kennzeichnung mit „*“ (Einstiegswissen), „**“ (Routinewissen) und „***“ (Prüfungswissen) transparent gemacht.

Es wird empfohlen, die Verständnisfragen zuerst ohne Hilfsmittel zu beantworten. Die korrekten Antworten zu den Fragen sind separat angegeben. Falls keine Beantwortung möglich ist oder falsche Antworten gegeben wurden, sollten die Grundlagen im Lehrtext nochmals nachgelesen werden. Diese Stoffwiederholung dient der Verinnerlichung der Inhalte.

Zur Bearbeitung der Übungsaufgaben werden die Kapitelzusammenfassungen als ein Hilfsmittel empfohlen. Für jede Übungsaufgabe können Lösungshinweise in zwei Stufen (I, II) im Arbeitsbuch gefunden werden. Beim Lösungshinweis (I) erfolgt durch gezielte Fragestellungen bzw. Tipps ein Aufzeigen des möglichen Lösungsganges. Es werden dabei keine Formeln angegeben. Sollten diese textlichen Hinweise nicht zur Lösungsfindung ausreichen, so können im Lösungshinweis (II) – als Ergänzung zum Lösungshinweis (I) – passende Formelansätze gefunden werden. Die Zahlenwertlösungen der Übungsaufgaben sind separat angegeben und ermöglichen eine Kontrolle, ob alle relevanten Größen korrekt in SI-Einheiten in den Berechnungsgleichungen verwendet wurden.

Die Beschreibung thermodynamischer Aufgabenstellungen kann umfangreich und kompliziert sein, sodass die Gefahr besteht, wichtige Angaben zu überlesen bzw. nicht zu erkennen. Wie die Erfahrung des Autors zeigt, kann durch fünf grundlegende Lösungsschritte eine systematische Erfassung aller zur Problemlösung erforderlichen Informationen erfolgen (vgl. Abb. 1.1). Besonders hingewiesen sei dabei auf das Anlegen einer Zustandstabelle (tabellarische Zuordnung von Zustandsgrößen zu Zustandspunkten) und deren konsekutive Vervollständigung im Verlauf der Aufgabenbearbeitung. Eine ausgefüllte Zustandstabelle erlaubt eine meist einfache Berechnung abhängiger Größen, wie z. B. Arbeiten und Wärmen. Die Anwendung des in Abb. 1.1 gezeigten Lösungsschemas bietet keine Garantie für eine fehlerfreie Aufgabenbearbeitung und ein Erzielen des korrekten Ergebnisses. Vielmehr wird die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Aufgabenbearbeitung erhöht und man eignet sich, durch Verinnerlichen der einzelnen Lösungsschritte, eine Arbeitsmethodik an. Die Lösungsschritte 1–5 des Lösungsschemas werden für die Übungsaufgaben ab Kapitel 3 im Arbeitsbuch verwendet.

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Abb. 1.1 Lösungsschema für thermodynamische Probleme.